Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Fremdplatzierung in Heimen

Jugendamt Duisburg: Fall Peter und Patricia

Jugendamt Duisburg: Fall Peter und Patricia

WELT am SONNTAG vom 04.05.2003

Trotz Sorgerecht landeten Sohn und Tochter eines Arztes im Heim

Behörde nahm Vater die Kinder


Aachen - Es gab Tage, da fühlte sich Michael Körner (Name geändert) wie in einem Roman von Kafka: hilflos einer Behörde ausgeliefert, deren Mechanismen er nicht verstand. Dass sie ihm feindlich gesinnt war, begriff er erst allmählich. Warum, weiß er bis heute nicht. Aus Willkür, vermutet Körner. Aus guten Gründen, sagt die Behörde. Vielleicht haben beide Recht, und dieser Fall zeigt, wie schwer es sein kann, zu beurteilen, wann ein Jugendamt eingreifen soll und wann nicht.
Bei den Körners hat das Jugendamt eingegriffen. Anfangs, sagt Michael Körner, 34, sei ihm das sogar recht gewesen. Starr sitzt er in weißem Hemd und Stoffhose auf dem Sofa und erzählt vom Kampf um seine Kinder. Die Stimme klingt hart, was nicht recht passen will zu seinen weichen Zügen. Er ist überzeugt, im Recht zu sein. Nur einen Vorwurf will er sich gefallen lassen. „Dass ich nicht mitbekam, wie meine Frau die Kinder vernachlässigte." Körner, der eigentlich Humanmediziner ist, damals aber als Software-Entwickler arbeitete, verdrängte vor lauter Arbeit, vielleicht aber auch aus Schwäche, so manches.
Im April vor einem Jahr verlangte seine Frau die Scheidung - für ihn unerwartet. Auch dass seine Frau unter psychischen Problemen litt und mit der Erziehung der Kinder überfordert war, ignorierte er lange Zeit. Peter, heute acht, war hyperaktiv und Legastheniker. Zweimal war er darum stationär in der Kinderpsychiatrie, auch seine Schwester Patricia, heute vier, zeigte erste Anzeichen auffälligen Verhaltens.
Als es zu einem ersten Treffen mit der Duisburger Jugendamts-Mitarbeiterin M. im Mai kam, begrüßten die Eltern, dass eine Familienbegleiterin der Mutter bei der Erziehung helfen sollte. Der Vater zog von der gemeinsamen Wohnung in Duisburg in das Haus seiner Eltern in Aachen. Seine Kinder sah er regelmäßig. Anfang Juni rief ihn dann eine Nachbarin an und erzählte, dass seine Frau in der Psychiatrie aufgenommen, die Kinder in einem Heim untergebracht worden seien. Geschockt fragte er beim Jugendamt nach, das ihn zum Gespräch bat. „Ich dachte, mir würden die Kinder übergeben", sagt Körner, der eilig eine Wohnung im Haus der Eltern dafür hergerichtet hatte.
Doch im Jugendamt legte Frau M. ihm einen Antrag zur Aufnahme seiner Kinder ins Heim vor, den er nun nachträglich unterzeichnen sollte. „Als ich mich weigerte, sagte sie, es drohe der Entzug des Sorgerechts, sollte die Unterschrift gerichtlich ersetzt werden müssen." Widerwillig schrieb er auf der Rückseite, dass er nicht einverstanden sei, aber unter Vorbehalt zustimme. Gegen den Willen des Vaters meldete das Kinderheim Peter dann von seiner bisherigen Schule ab und auf einer heimnahen an.
Immer wieder versuchte Körner Frau M. davon zu überzeugen, dass er seine Kinder versorgen könne. Er hatte eine Dreiviertel-Stelle in einer Reha-Klinik angenommen, bei der er von acht bis 14 Uhr arbeitete, „doch Frau M. meinte ernsthaft, nur wenn ich die Arbeit ganz aufgebe, könnte ich mich der Erziehung richtig widmen", so Körner.
Als auch ein Gespräch mit dem Vorgesetzten von Frau M. ergebnislos blieb, folgte er dem Rat einer Jugendamts-Mitarbeiterin einer anderen Stadt und forderte die Duisburger Behörde auf, ihm schriftlich die Rechtsgrundlage für die Heimunterbringung seiner Kinder zu erklären. Denn er sei schließlich noch Mit-Sorgeberechtigter, schrieb Körner. Er kündigte an, die Kinder einfach mitzunehmen, falls er keine Antwort erhielte und reichte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau M. und ihren Vorgesetzten ein.
Aufgrund dieses Drucks, vermutet Körner, informierte das Jugendamt seine Frau, die mittlerweile aus der Psychiatrie entlassen war, und händigte ihr die Kinder aus. Die Behörde teilte ihm später mit, dies sei auf Wunsch seiner Frau geschehen. Warum ihr erlaubt wurde, was man ihm verwehrte, begreift Körner bis heute nicht. Damals war für ihn das Maß voll, er stellte Strafanzeige gegen Frau M. wegen Kindesentziehung, Nötigung und Amtsmissbrauch. Wenig später kam es zu einer Aussprache zwischen den Eltern. Gemeinsam einigten sie sich, ihre Anträge vor Gericht zurückzuziehen. Peter sollte fortan bei seinem Vater, Patricia bei ihrer Mutter leben. Als seine Frau im Januar 2003 erneut in die Psychiatrie ging, kam auch Patricia zum Vater.
Aus Sicht des Jugendamtes ist alles korrekt verlaufen. Dass die Mutter der Kinder als Sorgeberechtigte vorgezogen wurde, erklärt Behördenleiter Krützberg damit, dass „es aus sozialpädagogischer Sicht sinnvoll war". Mehr will er dazu nicht sagen. In einer Stellungnahme von Frau M. für das Gericht ist nachzulesen, dass auch bei Herrn Körner eine psychische Belastung nicht auszuschließen sei. Auch er habe sich bei dem Hausbesuch im Mai, als er noch bei seiner Frau wohnte, als nicht fähig gezeigt, den Kindern Grenzen aufzuzeigen. „Warum sie dann nie darauf einging, meine Erziehungsfähigkeit begutachten zu lassen, blieb mir ein Rätsel", sagt Körner.
Vor kurzem hat er vor Gericht das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen. „Jetzt kommen meine Kinder endlich zur Ruhe", sagt Körner. Dass er gegen Frau M. Recht bekommt, daran glaubt er nicht. Von seiner Strafanzeige hat er nichts mehr gehört. Ebenso wenig wie von einer weiteren Anzeige, die Anfang des Jahres ein Online-Magazin für Bürgerrechte in seiner Sache stellte. Der Fall werde bearbeitet, heißt es dazu bei der Staatsanwaltschaft Duisburg.
Heike Vowinkel