Jugendamt Erlangen: Mädchen (15 Jahre)
Mädchen grundlos ins Heim gesteckt
Gerichtshof im »Fall Amina«: Jugendbehörde reagierte ratlos
Mädchen grundlos ins Heim gesteckt
Bitte Bild anklicken!
ERLANGEN - In einem Fall, der monatelang für Schlagzeilen gesorgt hatte, hat das Jugendamt Erlangen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nun eine heftige Niederlage einstecken müssen: Im Umgang mit einer 15-jährigen »Schulverweigerin« hätten die Mitarbeiter zum Teil ratlos agiert, nur dürftige Argumente für ihre Einweisung in ein Heim gehabt und sich auf Vermutungen statt Fakten gestützt.
Das Jahr 2007 wird die heute 19-jährige Amina (Name geändert) so schnell nicht mehr vergessen: Das Jahr, in dem das Mädchen für drei Monate ins Heim musste, aus dem sie dann floh. Das alles »nur« wegen der Schule: Als 13-Jährige sollte sie die siebte Klasse an ihrem Gymnasium wiederholen, sie wollte aber nicht mehr in die Schule gehen, kam nur noch sporadisch. Zumal ihre Eltern von einer Alternative überzeugter waren und bis heute sind: Homeschooling - »als unsere Tochter durch alle Maschen fiel, wollten wir sie lieber zu Hause unterrichten, die Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht«, beteuert die Mutter.
Amina lernt mittlerweile für das Abitur - alles von zu Hause aus. Wie inzwischen alle sechs Kinder der Familie. Seit einem dreiviertel Jahr bleiben die drei Jungen und drei Mädchen jeder Schule fern. Bußgeldbescheide der Stadt legt der Vater beharrlich beiseite - mit Verweis auf sein Recht, selbst die Erziehung seiner Kinder bestimmen zu können.
Situation eskalierte
Im Fall Amina eskalierte die Situation (wir berichteten) : Das Jugendamt ließ sie per Polizei daheim abholen, entzog den Eltern in Teilen das Sorgerecht, brachte das Kind zunächst in die Nürnberger Jugendpsychiatrie und später in eine heilpädagogische Anstalt - drei Monate später ergriff sie die Flucht. Am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof saß das zarte Geschöpf nun gestern mit all seinen Geschwistern auf der Zuschauerbank. Rechtskunde - mal ganz anders und vergnüglich, verriet ihr Gekicher.
Der Gerichtshof in Ansbach sollte in dem Berufungsprozess darüber entscheiden, wer die Kosten für den erzwungenen Heimaufenthalt tragen muss. Der Vater, der rund 1000 Euro zahlen sollte, weigerte sich standhaft.
Zu Recht: Schließlich sei fraglich, ob das Amt die Entscheidung, Amina in ein Heim zu schicken, ausreichend begründen konnte, stellte der zwölfte Senat fest. Mehr als Vermutungen, nebulöse Begründungen und eine dürftige Dokumentation habe in dem Fall nicht vorgelegen, erklärte das Gericht. Außerdem attestierte es den Mitarbeitern eine »gewisse Ratlosigkeit« in dem Fall. Die angebliche erzieherische Mangelsituation in der Familie, Aminas diagnostizierte Schulphobie und vieles mehr sei nicht durch Fakten gedeckt gewesen. Das Jugendamt zog deshalb den Kostenbescheid zurück.
Johanna Säuberlich
29.4.2010
http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1216315&kat=27&man=3