Jugendamt Tangstedt: Versagen bei Schulschwänzern
Tangstedt Schulschwänzer sind aus Heim ausgebüxt
Nun versagt auch das Jugendamt
Behörde nahm Mutter die Kinder weg, weil sie ihr die Erziehung nicht zutraute. Jetzt ist alles noch schlimmer als zuvor.
Von Marion Girke
Tangstedt -
Sind staatliche Stellen bessere Ersatz-Eltern, wenn Väter oder Mütter die Erziehungs-Pflichten ihrem Nachwuchs gegenüber vernachlässigen? Diese Frage wirft der Fall der 2004 von Hamburg nach Tangstedt gezogenen Familie Löwe auf. Das zuständige Jugendamt hat hier die Erziehungsgewalt an sich gezogen. Jedoch: Die Situation der beiden Brüder André (15) und Romano (12) verschlechterte sich seitdem massiv.
Vor den Sommerferien hat das Jugendamt des Kreises Pinneberg zwei von sechs Kindern der alleinerziehenden Mutter Britta Löwe zwangsweise aus der Familie entfernt. Die chronischen Schulschwänzer sollten - wie berichtet - in einem Rendsburger Heim untergebracht werden, widersetzten sich jedoch durch Flucht und lebten geraume Zeit in einem Versteck.
Vor einigen Wochen sind André und Nesthäkchen Romano wieder nach Tangstedt zurückgekehrt. Obwohl die Jugendlichen zur Fahndung ausgeschrieben sind und sich teilweise frei im Dorf bewegen, haben sich bislang weder Jugendamt noch Polizei um die Zurückgekehrten gekümmert.
Stattdessen wurden die Mutter und die beteiligten Anwälte mit Schreiben bombardiert, in denen sie der Mitwisserschaft am Verschwinden bezichtigt wurden. Nach Angaben der Mutter weiß das ganze Dorf, dass ihre Kinder zu Hause sind. Der geflüchtete Sohn André besuchte sogar unbehelligt ein Restaurant.
"Wir haben nicht genügend Mitarbeiter, um ständig jemand vor irgendwelche Türen zu stellen", rechtfertigt sich Manfred Kessel, zuständiger Regionalleiter der sozialen Dienste des Kreises. Es habe aber immer wieder schriftliche Anfragen bei Britta Löwe und dem Anwalt nach dem Aufenthaltsort gegeben. "Ansonsten haben wir keine andere Möglichkeit als abzuwarten", bedauerte Kessel.
Vernachlässigung der Schulpflicht werfen die Behörden Britta Löwe (46) vor. Der sechsfachen Mutter wurde gerichtlich das Recht der elterlichen Sorge zum Beispiel für Aufenthaltsbestimmung, Erziehung und Regelung der schulischen Angelegenheiten weitgehend entzogen.
Der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes hat davon kaum Gebrauch gemacht. "Er ist unseres Wissens nicht ein einziges Mal in der Schule gewesen, um persönliche Gespräche mit den Lehrern zu führen und hat nie an Konferenzen teilgenommen", heißt es in einem Schreiben des Löwe-Anwalts Gunther Giese.
"Nie hat sich jemand vom Jugendamt blicken lassen, um sich zu vergewissern, wie die Kinder zur Schule gekommen sind, ob sie was zu essen bekommen und ob sie zum Arzt müssen", beklagt sich Britta Löwe. Die Frau, die sich mit Wasch- und Bügeldiensten etwas zur staatlichen Unterstützung hinzu verdient, müht sich redlich, ihre Familie freiwillig weiter zu versorgen, als sei sie dafür noch selbst verantwortlich. Nach dem Ende der Ferien war ein geregelter Schulbesuch der vier Jungen nicht möglich.
Das Team der Abteilung soziale Dienste der Pinneberger Kreisverwaltung vertritt hingegen die Auffassung, "dass sich die Situation der Kinder durch das Verhalten der Kindesmutter massiv verschlechtert" habe. Behauptet wird auch, dass es seitens der Behörde einen regelmäßigen Kontakt zum Schulzentrum Rellingen-Egenbüttel gegeben habe, wo die Brüder angemeldet sind.
Der behördliche Blick in die Zukunft sieht so aus: Die Kreisverwaltung sei gehalten, "den richterlichen Beschluss bezüglich der Unterbringung umzusetzen". Insofern stehe nach wie vor die Rückführung in die Einrichtung im Raum.
http://www.abendblatt.de/daten/2007/09/24/797757.html
Tangstedt Schulschwänzer sind aus Heim ausgebüxt
Nun versagt auch das Jugendamt
Behörde nahm Mutter die Kinder weg, weil sie ihr die Erziehung nicht zutraute. Jetzt ist alles noch schlimmer als zuvor.
Anfang Oktober gehen die Auseinandersetzungen zwischen dem Jugendamt und der Familie Löwe in eine weitere Runde. Dann will das Jugendamt sich die zwangsweise Entfernung weiterer Löwe-Söhne aus dem gemeinsamen Haushalt vom Familiengericht genehmigen lassen.
Die Mutter hingegen kämpft dafür, selbst wieder das alleinige Sorgerecht zu erhalten. Sie argumentiert, dass die Untätigkeit der staatlichen Mitarbeiter nach dem Verschwinden und die unbemerkte Rückkehr ihrer Kinder der beste Beweis dafür sei, dass der Kreis mit der Obhut überfordert ist.
erschienen am 24. September 2007
http://www.abendblatt.de/daten/2007/09/24/797757.html?s=2