Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Jugendamtslyrik: Gedichte und andere Texte...

JUGENDAMT AUF DER BÜHNE

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27.09.2008

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JUGENDAMT AUF DER BÜHNE
Wo Damen richtig rotieren

Von Anke Dürr

Wahnsinn - dieses Wort beschreibt wie kein zweites den Alltag in Jugendämtern, wo überforderte Beamte stündlich über das Schicksal von Kindern, Eltern, Familien entscheiden. Felicia Zeller schrieb darüber das Stück "Kaspar Häuser Meer" - es ist so komisch wie kunstvoll.

Ein Stück über Kindesmisshandlung. Über Kevin, Jessica, Lea-Marie und all die anderen. So lautete der Auftrag an die Autorin Felicia Zeller, 38, den ihr das Theater Freiburg im vergangenen Jahr erteilte. Aber was gab es noch zu sagen über diese Fälle, nachdem die Medien jede Ecke in den verwahrlosten Wohnungen, jeden Schicksalsschlag in den Biografien der Eltern schon beschrieben hatten?

Sebastian Weber, Lasse Myhr, Steven Scharf in "Kaspar Häuser Meer": System kurz vor dem Kollaps
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Andreas Pohlmann

Sebastian Weber, Lasse Myhr, Steven Scharf in "Kaspar Häuser Meer": System kurz vor dem Kollaps
"Das Jugendamt betreute die Familie schon seit Jahren." So oder so ähnlich endeten die Medienberichte fast immer. Und bei diesem Satz setzte Felicia Zeller an: Sie hörte den Sozialarbeiterinnen zu, den Menschen, die "das Amt" sind.

Herausgekommen ist "Kaspar Häuser Meer", einer der ungewöhnlichsten und besten neuen Theatertexte dieses Jahres. "Kaspar Häuser Meer" ist ein dreistimmiges, manchmal richtig komisches Lamento über einen Arbeitsalltag, der eigentlich ein Wahnsinn ist: Im Stundentakt ist über das Schicksal von Kindern, Eltern, Familien zu entscheiden. Die Überforderung, über die so viele klagen – hier ist sie lebensbedrohliche Realität.

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Und die überträgt sich fast körperlich spürbar ins Publikum. Das jedenfalls zeigte sich von Zellers Stück beeindruckt und verlieh "Kaspar Häuser Meer" beim renommierten Mülheimer "Stücke"-Festival im Mai den Publikumspreis. Sicher ein Grund, warum das Werk jetzt auch andere Bühnen erobert: An den Münchner Kammerspielen etwa inszeniert es Lars-Ole Walburg, Premiere ist am 3. Oktober; am Wiener Burgtheater ist es ab Dezember zu sehen.

Das Tolle an "Kaspar Häuser Meer" sei, dass es "keine Sozialschmonzette" sei, sagt der Münchner Dramaturg Malte Jelden. Tatsächlich besteht Zellers Kunst darin, das Paragraphen- und Pädagogendeutsch der Sozialarbeiterinnen zu einem Wortkonzert zu verdichten. Sätze ohne Verb und Wiederholungsschleifen, bei jungen Autoren gerade schwer in Mode, sind hier Kennzeichen des Problems: Mit Tempo versucht man auf den Ämtern der Überlastung Herr zu werden, versinkt immer mehr in den Bergen von Arbeit und kommt schließlich gar nicht mehr vorwärts. "Die Damen rotieren von Anfang an", heißt es in der Regieanweisung, und: "Die Sprechgeschwindigkeit ist schneller als normal."

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Die Sprache als Kennzeichen eines Systems kurz vor dem Kollaps. Um zu betonen, dass es hier um ein Prinzip geht und nicht um Individuen, hat der Münchner Regisseur Walburg sich für seine Inszenierung einen besonderen Trick ausgedacht: Er lässt die drei Frauen von Männern spielen.

Kaspar Häuser Meer. Premiere am 3.10. im Werkraum der Münchner Kammerspiele, Tel. 089/23 39 66 00.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,580459,00.html