Diskussion um RTL-Doku-Soap: Erwachsen auf Probe
29.05.2009 14:06
Medien Fernsehen Kinder
60 Verbände fordern Stopp von RTL-Doku-Soap [0]
Hamburg (dpa) - In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich zahlreiche Fachverbände vor allem aus der Kinder- und Jugendhilfe gegen die Ausstrahlung der geplanten RTL-Reihe «Erwachsen auf Probe».
Insgesamt 60 Verbände - unter ihnen Pro Familia, die SOS- Kinderdörfer, der Deutsche Lehrerverband, der Deutsche Kinderschutzbund und der Deutsche Hausfrauenbund - forderten RTL auf, die Serie zu stoppen, in der Eltern ihre kleinen Kinder vorübergehend an Jugendliche abgeben. Unter dem Titel «Kinder sind keine Ware» forderten sie außerdem die zuständigen Jugendämter auf, notfalls einzuschreiten. Die siebenteilige Reihe soll am 3. Juni anlaufen. Die Kommission für Jugendmedienschutz hat bereits angekündigt, die Sendung am folgenden Tag jugendschutzrechtlich zu überprüfen.
Die am Freitag veröffentlichte Erklärung wurde von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung initiiert. Darin heißt es, der «angebliche Zweck der Sendung, Jugendliche auf das Leben mit Kindern vorzubereiten, greift nach Ansicht der Fachverbände zu kurz». Kinder seien mehr als nur Stressfaktoren. Sie «wie Gegenstände auszuleihen», sei das falsche Signal. Auch die Jugendlichen, denen die Kinder übergeben werden, «müssen selbst vor öffentlicher Zurschaustellung geschützt werden», zumal sie «aus belasteten Lebensumständen» kämen. «Allen Kindern drohen in der angespannten Atmosphäre des Drehortes schwere Belastungen die Anwesenheit einer Alibi-Psychologin nützt da gar nichts.»
RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt führte die Sorge um die Kinder am Freitag unter anderem auf eine missverständliche Ankündigung ihres Senders zurück und erklärte: «Wir haben vollstes Verständnis für die Sorge die aufgrund der misszuverstehenden RTL- Pressemitteilung entstanden ist -, dass Kinder mehrere Tage der Obhut ihrer Eltern entrissen werden. Doch diese Sorge können wir zu 100 Prozent entkräften, dies war nicht der Fall. Die Mütter waren fester Bestandteil des Produktionsablaufs und die ganze Zeit in unmittelbarer Reichweite ihrer Kinder.»
Unterdessen forderte das Landesjugendamt Rheinland neue gesetzliche Regelungen für das Mitwirken von Babys in Fernsehproduktionen. Die geltenden Vorschriften bezögen sich lediglich auf Filmaufnahmen, bei denen Kinder über drei Jahren im Sinne von Arbeitnehmern tätig würden. Die Beteiligung von Kleinstkindern und Säuglingen in Reality-TV-Formaten sei nur «völlig unzureichend» geregelt, kritisierte das Landesjugendamt in Köln.
Das Kolpingwerk Deutschland wies darauf hin, dass die Fernsehzuschauer es selbst in der Hand hätten, bei «Erwachsen auf Probe» den Fernseher auszuschalten und damit auch über die Zukunft solcher Sendungen mitzubestimmen. «Wenn der Verbraucher solche Formate durchs Raster fallen lässt und nicht einschaltet, werden sie auch nicht mehr von den Fernsehsendern entwickelt», erklärte Kolping- Bundesvorstand Herbert Barthelmes in Köln.
http://www.ka-news.de/entertainment/tv/art152,210128
Kinder sind keine Ware - Protest gegen die RTL-Sendung "Erwachsen auf Probe"
Köln, 30.05.2009: Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF) protestiert zusammen mit weiteren 59 Verbänden gegen die geplante RTL-Sendung "Erwachsen auf Probe". Lesen Sie den Text der gemeinsamen Stellungnahme, die von der Bundeskonferenz Erziehungsberatung initiiert wurde.
Kinder sind keine Ware
Gemeinsame Stellungnahme von 60 Verbänden
Fachverbände der Kinder- und Jugendhilfe, Verbände, die sich in Deutschland für die Umsetzung der Rechte des Kindes einsetzen, und im Bundesforum Familie zusammengeschlossene Verbände protestieren scharf gegen die geplante RTL-Serie Erwachsen auf Probe, in der Eltern ihre Kinder für mehrere Tage in einem kameraüberwachten Haus an Jugendliche abgeben. Hier sollen noch minderjährige jugendliche Paare den Alltag mit Kindern hautnah erfahren, damit ihnen klar wird, was frühe Elternschaft bedeutet - so die Intention des Senders. Es beginnt mit Babys, dann folgen Kindergartenkinder, Schulkinder und "Halbstarke".
Die unterzeichnenden Verbände sehen in diesem Experiment ein erhebliches Risiko, gerade für die Babys, die ohne Not einem erheblichen Stress ausgesetzt wurden. Allen Kindern drohen in der angespannten Atmosphäre des Drehortes schwere Belastungen - die Anwesenheit einer Alibi-Psychologin nützt da gar nichts. Die Jugendlichen, die die Kinder "erziehen" sollen, sind selbst noch minderjährig, kommen aus belasteten Lebensumständen und müssen selbst vor öffentlicher Zurschaustellung geschützt werden.
Die Fachleute fordern die zuständigen Jugendämter auf, hier aktiv zu werden, mit den betroffenen Eltern zu sprechen und notfalls einzuschreiten. Die Rechte der Kinder auf Schutz und Förderung ihrer Entwicklung haben einen höheren Stellenwert als Elternrechte, die nicht im Interesse der Kinder wahrgenommen werden. Wenn Eltern ihren (von ihnen abhängigen) Kindern so etwas zumuten, bedürfen sie selbst der Unterstützung für ihre Erziehungsaufgabe.
Vor allem aber ist nach Auffassung der Verbände eine Kontrolle der Medien gefragt. Kinder zur Erhöhung der Einschaltquoten im Fernsehen zu prostituieren, ist sittenwidrig und hat mit Pressefreiheit nichts zu tun. Kinder sind keine Ware.
Der angebliche Zweck der Sendung, Jugendliche auf das Leben mit Kindern vorzubereiten, greift nach Ansicht der Fachverbände zu kurz: Kinder sind mehr als Stressfaktoren, sie brauchen verlässliche und verantwortungsvolle Beziehungen. Diese zu gestalten, ist für sehr junge Eltern eine besondere Herausforderung. Kinder wie Gegenstände auszuleihen, ist aber genau das falsche Signal. Die Fachverbände fordern deshalb RTL auf, die geplante Serie zu stoppen und signalisierten die Bereitschaft, den Sender bei der Suche nach einer angemessenen Behandlung des Themas zu unterstützen.
Die unterzeichnenden Verbände
Aktionskomitee KIND IM KRANKENHAUS e. V. - AKIK - Bundesverband
AWO Bezirksverband Hannover e.V.
BAG Evang. Familien-Bildungsstätten und Familien-Bildungswerke e. V.
BAG Mehr Sicherheit für Kinder e. V.
BAGE - Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen e.V
Bundesarbeitsgemeinschaft Kind und Krankenhaus e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen e.V.
Der BUND ist mit über 365.000 Mitgliedern der größte deutsche Umweltverband und Mitglied im FriendsOfTheEarth.Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands, K.d.ö.R (BFGD)
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V. (bke)
Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V
Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V.
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB)
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ)
Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie e. V. (DGSF)
Deutscher Hausfrauenbund e.V
Deutsche Liga für das Kind e.V.
Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (Bundesamt Sankt Georg e.V.)
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Deutscher Lehrerverband
djo-Deutsche Jugend in Der Name E. wird heute häufig synonym für die Europäische Gemeinschaft (EG) verwendet, die jedoch nur einen Teil von E. umfaßt. Dem geographischen Umfang nach ist E. mit etwas über 10 Mio km2 der zweitkleinste Erdteil. Europa - Bundesverband e.V.
Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung e.V. (EKFuL)
Familiennetzwerk Deutschland - Eine Initiative des Familien e. V.
Freireligiöse Landesgemeinde Baden K.d.ö.R.
Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz K. d. ö. R.
Gemeinnützige Gesellschaft des VfS für Kinderbetreuung mbH
GfG - Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit - Bundesverband e.V.
Grundschulverband e.V.
Haushalt in Bildung und Forschung e.V. (HaBiFo)
Humanistischer Verband Deutschlands e.V. - Bundesverband
Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) - Sektion Deutschland der Fédération Internationale des Communautés Educatives (FICE) e.V.
ISUV/VDU e.V. - Interessenverband Unterhalt und Familienrecht
Jugend der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG-Jugend)
Katholische Elternschaft Deutschlands (KED)
LAGF - Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Nordrhein-Westfalen
Landesjugendring Baden-Württemberg e.V.
Landesverband für Pflege- und Adoptivfamilien- siehe Peroxiacetylnitrat.PAN e.V. NRW
Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien in Niedersachsen e.V.
LegaKids.net
Mütterzentren Bundesverband e.V.
Naturfreundejugend Deutschlands
Ortsverband der Pflege- und Adoptivfamilien im Landkreis Gifhorn e.V.
Paritätisches Bildungswerk Bundesverband e.V
Päpstliches Missionswerk der Kinder in Deutschland e.V. (Kindermissionswerk "Die Sternsinger")
Pestalozzi-Fröbel-Verband e.V.
Pflege- und Adoptivelternkreis Kreis Wesel
Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP) e.V.
pro familia - Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V. Bundesverband
SHIA e. V. - Selbsthilfeinitiativen Alleinerziehender e.V. Bundesverband
Sichtwechsel e.V. für gewaltfreie Medien
SOS-Kinderdorf e.V.
spiel gut - Arbeitsausschuß Kinderspiel+Spielzeug e.V.
Systemische Gesellschaft - Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V.
TQL - Total Quality Life®
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV)
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE)
Verband Katholischer Internate und Tagesinternate e.V.
Vereinigung der Leitenden Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen Deutschlands e.V. (VLKKD)
Verein Integrierte Mediation e.V.
Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD)
Zukunftsforum Familie e.V.
Bild: pixelio
Autor: Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie
Weiterführende Informationen:
* www.dgsf.org
http://www.umweltjournal.de/fp/archiv/AFA_familienrecht/15679.php