Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kinderschutzverbesserungen

Ganz nah dran

Ganz nah dran

Ganz nah dran

SOZIALARBEIT. Elisabeth Eschenbrücher ist "die Frau vom Jugendamt". Und trifft immer häufiger auf vernachlässigte Kinder.

Der Fall des zweijährigen Kevin, der tot im Kühlschrank gefunden wurde, hat die Menschen berührt. Manche hat er außerdem alarmiert. "Natürlich fährt uns der Schreck in die Glieder, wenn wir von misshandelten Kindern lesen. Und wir gucken als erstes, wo das Kind herkommt, ob es eines von ´unseren´ ist." Elisabeth Eschenbrücher ist Sozialarbeiterin des Jugendamtes in Duisburg-Marxloh, routiniert, seit 30 Jahren im Geschäft und froh, dass sie noch kein totes Kind erleben musste. Und ein wenig traurig, dass ihr Beruf nur dann in die Schlagzeilen kommt, wenn etwas schief gelaufen ist. Und nicht, weil sie und ihre Kollegen viele "Kevins" verhindern.Und doch sitzt ihr und ihren Kollegen immer die Sorge im Nacken, in einem winzigen Augenblick nicht aufmerksam genug hingeguckt, -gehört zu haben: Kann das Kind in der Familie bleiben oder nicht? "Das ist wie die Einsamkeit des Elfmeterschützen", bemüht sie ein populäres Bild, wohl wissend, dass ihre Entscheidungen beileibe mehr als spielentscheidend sein können: lebenswichtig. "Wenn ich ein Kind freitags um 16 Uhr in bester Verfassung angetroffen habe, habe ich nie eine 100-prozentige Garantie, dass das auch Montagfrüh so sein wird." Elisabeth Eschenbrücher kann nur alles dafür tun, dass es so sein wird. Das war vor Kevin so und ist nach Kevin so.

Zugemüllte Wohnungen
Dann schlägt sie eine dicke Akte auf: Eine Familie, mit der sie über Jahre regelmäßigen Kontakt hatte, weil es Probleme gab. Aber niemals ein einziges Zeichen von körperlicher Misshandlung der Kinder. Bis zu jenem Wochenende, an dem der Jüngste mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus kam. "Das kam ansatzlos", sagt die Frau vom Jugendamt.

Misshandlungen sind nicht das einzige Problem. "Misshandlungen haben nach meinem Gefühl zahlenmäßig nicht zugenommen in den letzten 30 Jahren", glaubt Elisabeth Eschenbrücher. Mehr geworden sind aber die vernachlässigten Kinder - so auch die allgemeine Einschätzung - die in zugemüllten Wohnungen leben, für die niemand kocht, die niemand in die Schule schickt, denen niemand zeigt, wozu eine Zahnbürste gut ist, die ihren Eltern nur lästig sind.

Jeweils etwa 60 "Fälle" betreuen Elisabeth Eschenbrücher und ihre zwei Kollegen von der Außenstelle Marxloh aus, auf die sie aus unterschiedlichsten Gründen aufmerksam werden. Oft rufen Nachbarn an, manchmal Ärzte, manchmal Verwandte der Betroffenen. In dem alten Haus in der Schwarzkopffstraße sind sie mitten in ihrem Viertel, nah dran an den Menschen. "Hier kommen auch schon mal Leute vorbei, wenn sie Hilfe brauchen."

Überhaupt habe das Wort "Jugendamt" ein wenig vom früheren Schrecken verloren, glaubt die Sozialarbeiterin. "Unser Umgangston mit den Leuten ist zuerst mal friedlich. Ich gehe meist allein zu Hausbesuchen. Dass es Probleme gibt, bei denen sogar die Polizei zu Hilfe kommen muss, ist eher selten", berichtet die Duisburgerin. Viele seien sogar froh, wenn jemand hilft, alltägliche Probleme in den Griff zu bekommen. (km)

26.01.2007
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