Von der Leyen will Pflichtuntersuchungen
Kinderschutz
Von der Leyen will Pflichtuntersuchungen
© Jochen Lübke/dpa
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, hier in einem Kindergarten in Hannover, spricht sich für Pflichtuntersuchungen für Kinder aus
Die fünffachen Kindstötungen in Darry haben eine erneute Debatte über den Schutz von Kindern ausgelöst. Während Bundeskanzlerin Merkel "eine Kultur des Hinsehens" forderte, sprach sich Familienministerin von der Leyen für verpflichtende Vorsorge-Untersuchungen für Kinder aus. Es gibt aber auch Experten, die dies für falsch halten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte nach den Funden toter Kinder im schleswig-holsteinischen Darry und im sächsischen Plauen "eine Kultur des Hinsehens" in der Gesellschaft. Alle müssten gemeinsam dafür sorgen, "dass Kinder eine gesicherte Zukunft haben", sagte Merkel der Berliner Tageszeitung "B.Z." Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat sich für verpflichtende Vorsorge-Untersuchungen für Kinder ausgesprochen. "Die Erfahrungen in einzelnen Bundesländern zeigen, dass auf diese Weise unbürokratisch nachgehakt wird", sagte die CDU-Politikerin der "Süddeutschen Zeitung". Bisher hatte sie solche Untersuchungen skeptisch bewertet.
Von der Leyen lobte das Saarland, das als erstes Bundesland die Pflicht-Untersuchungen eingeführt hat: Seit dem Frühjahr 2007 werden dort alle Eltern zu Untersuchungen bei Kinderärzten eingeladen. Falls Eltern auf zwei Mahnungen nicht reagieren, kommen Mitarbeiter des Jugendamts vorbei. Die Bundesfamilienministerin zeigte sich zufrieden mit dieser Regelung, die inzwischen von mehreren Bundesländern angewandt wird. Ein Bundesgesetz zu verpflichtenden Untersuchungen lehnte sie aber als nicht verfassungsgemäß ab. Das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium hätten übereinstimmend erklärt, man könne nicht hundert Prozent der Eltern verdächtigen, ihre Kinder zu vernachlässigen, um einzelne vernachlässigte Kinder zu finden.
Impressionen aus Darry
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Von der Leyen forderte, die Vorsorgeuntersuchungen durch ein dichtes Netz von Hilfen für Familien in schweren Problemlagen zu ergänzen. Die Betreuung gefährdeter Mütter solle bereits in den Kliniken beginnen. Das Schicksal der Kinder dürfe nicht länger davon abhängen, "dass sich ein einzelner Mitarbeiter eines Jugendamtes besonders engagiert", sagte von der Leyen.
Pfeiffer ist gegen Teilnahme-Pflicht
Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat sich gegen eine Teilnahme-Pflicht bei Vorsorgeuntersuchungen für Kinder ausgesprochen. "Freiwilligkeit ist immer besser. Alles mit Kontrolle und Druck erreichen zu wollen, ist der falsche Weg", sagte Pfeiffer der "Passauer Neuen Presse". Man könne nicht rund um die Uhr neben einer nicht motivierten Mutter sitzen und schauen, dass sie alles richtig mache. Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen betonte aber, jede Schwangere, die in Schwierigkeiten gerate, müsse Unterstützung erhalten. "Mit frühen Hilfen, mit einer Familienbegleiterin an ihrer Seite werden diese Frauen gestärkt", sagte er. So entwickele sich ein gutes, ein gesundes Verhältnis zum Kind. Die Vorsorge-Termine würden dann ganz selbstverständlich wahrgenommen.
Der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer, regte die Einführung eines Bonussystems für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen an. Darüber hinaus hätten die Länder die Möglichkeit, Pflichtuntersuchungen für Kinder einzuführen, sagte Singhammer der "Thüringer Allgemeinen". Der CSU-Politiker warnte davor, die Fähigkeit von Eltern zur Erziehung ihrer Kinder generell in Zweifel zu ziehen. Vielmehr müssten Mechanismen gefunden werden, bei Überforderung Unterstützung anzubieten.
Die Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef Deutschland, Heide Simonis, sagte: "Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass solche Fälle nicht mehr vorkommen dürfen."
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AP/DPA
Artikel vom 07. Dezember 2007
http://www.stern.de/politik/panorama/:Kinderschutz-Von-Leyen-Pflichtuntersuchungen/604669.html?nv=rss