Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen - Kindesentführungen-Kindesentziehungen

Anträge, Entscheidungen und Umsetzungen in HKÜ-Verfahren

Anträge, Entscheidungen und Umsetzungen in HKÜ-Verfahren

Anträge und Entscheidungen in HKÜ-Verfahren
Quelle: FPR 2001 Heft 03 217 - 219

Wolfgang Vomberg, Fachanwalt für Familienrecht und Notar, Frankfurt/Main


Allgemeines

In internationalen Entführungsfällen haben in- und ausländische Gerichte der Vertragsstaaten des HKÜ Vorbeugungs- und Sicherungsmaßnahmen, Zwischen- und Hauptsacheentscheidungen, Kostenaussprüche sowie Vollstreckungsanordnungen zu treffen. Unter Beachtung des Beschleunigungsgebots des Artikel 11 HKÜ ist der Antragstellung durch Bevollmächtigte sowie der Fassung des Beschlusstenors durch die Gerichte besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

1. Vorbeugungs- und Sicherungsmaßnahmen

Als Maßnahmen zur Verhinderung einer Kindesentführung oder Weiterentführung eines bereits entführten Kindes sowie zur Sicherung des Status kommen häufig die vorläufige Anordnung eines begleiteten Umgangs oder aber die Inobhutnahme durch das zuständige Jugendamt in Betracht. Insoweit unterscheiden sich Anträge und Beschlussfassung nicht von nationalen Sorge- und Umgangsverfahren. Droht eine Kindesentführung oder aber ist ein Kind im Zufluchtsstaat aufenthaltlich, kann es angezeigt sein, im Wege vorläufiger Anordnungen die Hinterlegung von Ausweispapieren des Kindes oder ein Verbringungsverbot mit Grenzsperre zu beantragen und zu beschließen.

Muster 1 (Hinterlegung von Ausweispapieren des Kindes)

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den Kinderausweis/Pass des Kindes beim Familiengericht Frankfurt am Main zu hinterlegen.

Muster 2 (Verbringungsverbot mit Grenzsperre)

Dem Antragsgegner wird verboten, den Aufenthaltsort des Kindes zu verändern. Dem Antragsgegner wird (für die Dauer des Rückführungsverfahrens) eine Grenzsperre auferlegt mit dem Inhalt, dass es dem Antragsgegner verboten ist, das Kind ohne schriftliche Zustimmung der Antragstellerin oder gerichtliche Legitimation außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland und der anderen Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens zu verbringen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird dem Antragsgegner ein Zwangsgeld bis zu 50.000,- DM angedroht.

Die Grenzpolizeibehörde (Grenzschutzdirektion), Roonstraße 13, 56068 Koblenz, (Tel. 0261/3990; Telefax: 0261/399218) wird ersucht, jede Ausreise des Kindes aus der Bundesrepublik Deutschland und den Vertragsstaaten des Schengener Übereinkommens zu verhindern, sofern die Begleitperson nicht einen Gerichtsbeschluss neueren Datums nachweisen kann, wonach sie das Sorge- oder Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind hat oder sonst zur Mitnahme des Kindes berechtigt ist.

Die Grenzpolizeibehörde sollte vom Gericht und vom Anwalt unverzüglich per Telefax und/oder per Post über den Inhalt des Beschlusses informiert werden mit der Bitte um Eingangsbestätigung und Beachtung.

2. Widerrechtlichkeitsbescheinigung gem. Artikel 15 HKÜ als Zwischenentscheidung

Wurde ein Kind ins Ausland entführt, kann das zuständige ausländische Gericht des Zufluchtsstaates bevor die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, von dem Antragsteller die Vorlage einer Entscheidung oder sonstigen Bescheinigung der Behörden des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes verlangen, aus der hervorgeht, dass das Verbringen oder Zurückhalten widerrechtlich im Sinne des Artikels 3 HKÜ war. Dabei haben die zentralen Behörden der Vertragsstaaten den Antragsteller beim Erwirken einer derartigen Entscheidung oder Bescheinigung zu unterstützen. Diese so genannte Widerrechtlichkeitsbescheinigung wird in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 10 SorgeRÜbkAG von dem zuständigen Familiengericht erteilt und ist zu begründen. Die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikel 3 HKÜ ist darzulegen. Der antragstellende Elternteil sollte die Verletzung des Sorge- oder Mitsorgerechts und die vorherige tatsächliche Ausübung glaubhaft machen.

Muster 3 (Widerrechtlichkeitsbescheinigung)

Das Verbringen des Kindes Miriam, geboren am 24.12.1998, durch den Antragsgegner am 15.12.2000 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Miami/Florida/USA ist widerrechtlich gemäß Artikel 3 HKÜ.

3. Verfahrensaussetzung gemäss Artikel 16 HKÜ als Zwischenentscheidung

Artikel 16 HKÜ soll im Zufluchtsstaat den Vorrang des HKÜ vor dem Sorgerecht1 verdeutlichen und eine vorschnelle Sachentscheidung ohne Beachtung des HKÜ verhindern. Die Vorschrift bezweckt die Aussetzung eines anhängigen Sorgerechtsverfahrens bis zur rechtskräftigen negativen Entscheidung über den Rückgabeantrag gemäß Artikel 8 HKÜ bzw. bis zum Ablauf einer angemessenen Frist zur Stellung eines solchen Antrages. Gesetzlich nicht erfasst ist der Fall einer bereits ergangenen positiven Entscheidung über den Rückführungsantrag. Hier gilt die Sperrwirkung des Artikel 16 HKÜ erst recht. Die Sperrwirkung erfasst auch den Zeitraum von Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund einer Rückführungsanordnung, sofern sich die Vollstreckungsmaßnahmen unmittelbar an den Erlass der Rückführungsanordnung anschließen. Voraussetzung für die Aussetzung ist eine formlose Mitteilung von widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten an das mit dem Sorgerechtsverfahren befasste Gericht. Ein Antrag an die Zentrale Behörde gemäss Artikel 8 HKÜ ist nicht erforderlich.

Was geschieht mit bereits ergangenen vorläufigen oder endgültigen Sorgerechtsentscheidungen im Zufluchtsstaat bei Einleitung eines Rückgabeverfahrens nach dem HKÜ und Mitteilung gemäss Artikel 16 HKÜ ? Sachgerecht erscheint es, nach tatsächlicher Kenntnis vom Rückführungsantrag die ergangenen Entscheidungen aufzuheben2.

Auch bei bereits unanfechtbaren Rückführungsanordnungen gilt Artikel 16 HKÜ weiter. Die Sperrwirkung des Artikel 16 HKÜ ist in erweiternder Auslegung entsprechend dem Sinn und Zweck des HKÜ nicht nur während der Dauer des Rückführungsverfahrens, sondern auch während der vom Herausgabeberechtigten in angemessener Frist eingeleiteten Vollziehung der Rückgabeanordnung vorzunehmen3.

Muster 4 (Aussetzung des Verfahrens und Aufhebung von ergangenen vorläufigen Anordnungen)

Der Beschluss vom 7.12.2000 (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter) wird aufgehoben.

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung über den Antrag des Antragsgegners/Vaters auf Rückgabe des Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) ausgesetzt.

4. Rückführungsanordnung

Häufig kranken Rückführungsanträge und -entscheidungen an mangelnder Bestimmtheit und Präzision. Da es sich materiell um eine Herausgabeentscheidung handelt, müssen die Umstände der Herausgabe entsprechend den Intentionen des HKÜ erfasst und gefasst sein. Der Gerichtsbeschluss muss den Grundsatz der Vollstreckbarkeitsbestimmtheit berücksichtigen, sodass Verzögerungen bei der Vollziehung vermieden werden.

Muster 5 (Rückführungsanordnung)

Es wird die Herausgabe des Kindes John Miller, geboren am 23.10.1998, an den Antragsteller zum Zweck der sofortigen Rückführung des Kindes in die USA angeordnet.
Die Antragsgegnerin oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an den Antragsteller oder eine von ihm bestimmte Person herauszugeben.

Die Formulierung in Ziffer 1 erfasst auch die Fälle, in denen der hinterlassene Elternteil und Antragsteller zwischenzeitlich in demselben Staat während des Verfahrens umgezogen ist, denn das HKÜ will verwirklichen, dass die Gerichte im bisherigen Kultur- und Sprachkreis allein berufen sind, über das Sorgerecht in der Hauptsache zu entscheiden. Es soll lediglich die Rückgabe in den Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsorts sichergestellt werden. Steht fest, dass der bisherige Aufenthaltsort des Kindes im Herkunftsstaat auch weiter Bestand hat, kann in dem Antrag und dem Beschluss dieser Ort aufgenommen werden.

Die Formulierung in Ziffer 2 berücksichtigt die Fälle, dass der antragstellende Elternteil die Rückführung selbst nicht durchführen kann, sodass Personen seines Vertrauens (z.B. Rechtsanwälte, Verwandte, Freunde) die Rückführung durchführen.

5. Vollstreckungsanordnungen

Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Rückgabeanordnung mit Vollstreckungsanordnungen zu versehen.

Muster 6 (Vollstreckungsanordnungen)

3. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, das Kind der Antragsgegnerin wegzunehmen und dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person an Ort und Stelle zu übergeben. Das Gericht ermächtigt den Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung der Herausgabeanordnung Gewalt zu gebrauchen, insbesondere den Widerstand der Antragsgegnerin zu überwinden und ihre Wohnung zu durchsuchen sowie die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane in Anspruch zu nehmen.
4. Die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung wird angeordnet.
5. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluss findet ohne Erteilung einer Vollstreckungsklausel statt.
6. Die herausgabeverpflichtete Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass sie bei Nichtauffinden des Kindes zwecks Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib des Kindes geladen oder vorgeführt und auch Zwangshaft bis zur Dauer von sechs Monaten angeordnet werden kann. Die dadurch bedingten Kosten fallen der Herausgabeverpflichteten zur Last.

Die in Ziffer 3 gewählte Formulierung für die Beauftragung des Gerichtsvollziehers beruht auf § 33 FGG. Der Auftrag ist nicht vom Antragsteller, sondern vom Gericht zu erteilen4. Das Gericht muss in Einklang mit § 213a Gerichtsvollzieher-Geschäftsanweisung (GVGA) das Vollstreckungsorgan konkret anweisen, die Herausgabe jetzt bzw. demnächst zu vollstrecken.

Grundsätzlich werden Rückführungsbeschlüsse erst mit Rechtskraft wirksam in Abweichung von § 16 Abs. 1 FGG5. Häufig besteht für die erstinstanzlichen Gerichte jedoch Anlass, die sofortige Vollziehung anzuordnen6. Eine Vollstreckungsklausel ist grundsätzlich entbehrlich7. Grundsätzlich sollte gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 SorgeRÜbkAG die sofortige Vollziehbarkeit der Entscheidung angeordnet werden. Dies ist in Ziffer 4 der Formulierung festgehalten.

Zur Klarstellung wird in Ziffer 5 der Formulierung ausgeführt, dass der Beschluss einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, um Rückfragen der Beteiligten bzw. Vollstreckungsorgane zu vermeiden.

Unabhängig von der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes oder von Zwangshaft ist die Anordnung unmittelbaren Zwangs gemäß § 33 Abs. 2 FGG ausdrücklich vorgesehen8. Eine Zwangsgeldfestsetzung kann möglicherweise den Entführer nicht beeindrucken, insbesondere wenn bei ihm Vermögenslosigkeit gegeben ist, sodass gleichzeitig eine Verfügung zur Anwendung unmittelbaren Zwangs getroffen wird.

Muster 7 (Zwangsgeld und Zwangshaft)

Der Antragsgegnerin wird für den Fall der Nichtherausgabe Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- DM neben Zwangshaft angedroht.

In Rechtsprechung und Literatur wird die herrschende Auffassung vertreten, dass bei der Vollstreckung einer Herausgabeanordnung betreffend Kinder auch die Anordnung von Gewalt gegen diese selbst angeordnet werden kann9. Das Gericht hat aber immer zu prüfen, ob der angeordnete Zwang dem Wohl des Kindes widerspricht oder das Persönlichkeitsrecht des widerstandsleistenden herauszugebenden Kindes verletzt wird. Das Wohl des Kindes kann nämlich durch die zwangsweise und durch Gewaltanwendung erzwungene Trennung von dem entführten Elternteil in erheblicher Weise beeinträchtigt werden.

6. Kostenentscheidung

In Rückgabe- und Umgangsrechtsverfahren nach dem HKÜ gelten gemäß § 6 Abs. 1 SorgeRÜbkAG die Vorschriften über das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Wird einem Rückführungsantrag statt gegeben, kann es der Billigkeit entsprechen, dem Antragsgegner gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 KostO analog die Gerichtskosten aufzuerlegen. Wird der Rückführungsantrag zurückgewiesen, werden die Kosten gemäß § 3 Nr. 1 KostO in der Regel geteilt. Zu beachten ist die Sondervorschrift des Artikel 26 HKÜ.

In Abweichung von dem Grundsatz der gegenseitigen Kostenaufhebung kann das Familiengericht bei der Anordnung der Rückgabe eines Kindes oder Bestimmung eines Umgangsrechts dem verpflichteten Elternteil die Erstattung der dem Antragsteller entstandenen notwendigen Kosten auferlegen. Hier kann es sich um Reisekosten, Kosten und Auslagen für das Auffinden des Kindes, Übersetzungskosten, Kosten der Rechtsvertretung, der Zwangsvollstreckung und Kosten für die Rückführung des Kindes handeln. Grundlage hierfür ist Artikel 26 Abs. 4 nebst § 119 Abs. 6 KostO10.

Die Gerichte sollten in der Regel den entführenden Elternteil mit sämtlichen Kosten belasten.

Muster 8 (Kosten)

Die Kosten des Verfahrens und die Kosten der Rückführung (insbesondere Übersetzungskosten, Kosten für das Auffinden des Kindes sowie Reisekosten) werden der Antragsgegnerin auferlegt

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Rechtsanwalt und Notar,

Fachanwalt für Familienrecht,

Wolfgang Vomberg,

Kurhessenstrasse 94, 60431 Frankfurt am Main

1vgl. Artikel 34 HKÜ

2Amtsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.4.1995, 35 F 8003/95; Amtsgericht Villingen-Schwenningen, Beschluss vom 15.1.2001, 3 F 371/2000 (SO); OLG Hamm, FamRZ 2000, 373 f.

3OLG Stuttgart, FamRZ 2000, 374; Staudinger/Pirrung, BGB, Vorbemerkung zu Artikel 19 EGBGB Anm. 694 am Ende

4Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 14. Aufl., § 33 Rd.Nr. 48; Wies MDR 1994, 877; Bach, FamRZ 1997, 1057

5vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 SorgeRÜbkAG

6AG Darmstadt, FamRZ 1994, 184

7OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9.1.1997, 5 UF 286/98 im Falle eines rechtskräftigen Rückführungsbeschlusses

8vgl. Artikel 2 Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom 5.4.1990; BGBl. I 701

9Keidel/Kuntze/Zimmermann FGG, 14. Aufl., § 33, Rn. 37 ff. mit weiteren Nachweisen; Diercks, FamRZ 1994, 1226

10OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.7.1993, 5 UF 79/95; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.9.1993, 10 UF 1942/92; AG Flensburg, Beschluss vom 25.4.1997, 35 F 265/96; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.5.1997, 1 UF 98/97 - sämtliche Entscheidungen sind nicht veröffentlicht

Maßnahmen zur Umsetzung des HKÜ

Maßnahmen zur Umsetzung des Haager Kindesentführungsübereinkommens
Quelle: FPR 2001 Heft 03 237 - 238

Zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) dient das Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom April 1990 in der Fassung vom 13. April 1999 (SorgeRÜbkAG). In § 5 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes werden die Landesregierungen ermächtigt, die Zuständigkeit für Verfahren nach dem HKiEntU einem Familiengericht eines Oberlandesgerichtsbezirks oder, wenn in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, einem Familiengericht für die Bezirke aller oder mehrerer Oberlandesgerichte zuzuweisen. Durch die 9. Verordnung zur Änderung der 2. Verordnung über die Konzentration amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom 22. Juni 1999 (GVBl. 1999, 351) hat das Land Berlin aufgrund dieser Ermächtigung die Zuständigkeit für Entscheidungen des Familiengerichts nach den §§ 5 bis 8 des SorgeRÜbkAG im Bezirk des Kammergerichts dem Amtsgericht Pankow/Weißensee zugewiesen. Entsprechende Regelungen haben alle Bundesländer getroffen, und zwar in der Weise, dass ein Familiengericht je Oberlandesgerichtsbezirk zuständig ist. Ein Verzeichnis der zuständigen Gerichte befindet sich im Anhang der Monografie vom Bach/Gildenast (Internationale Kindesentführung, FamRZ Buch 12, 1999).

Dieser Konzentration auf nur wenige Gerichte liegt die Absicht zugrunde, die Sachkunde zu bündeln, nachdem einige Vertragspartnerländer des HKÜ sich mit der Umsetzung des Gesetzes in der Bundesrepublik Deutschland unzufrieden erklärt hatten und mangelnde Vertrautheit der Richter mit den einschlägigen Vorschriften als mögliche Ursache gesehen wurde. Tatsächlich gibt die in Relation zu der großen Zahl von allgemeinen Familiensachen geringe Anzahl von nach dem HKÜ zu entscheidenden Fällen dem Familienrichter nur selten die Möglichkeit, sich mit den genannten Gesetzen und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu befassen. So fallen im Land Berlin mit insgesamt derzeit 70 Familienrichtern erster Instanz im Jahr nur ca. 10 Entführungsfälle an. Aus diesem Grund hat das Präsidium des Amtsgerichts Pankow/Weißensee, bei dem 19 Familienrichter tätig sind, durch Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit auf zwei Abteilungen, denen die Eingänge im Wechsel zugewiesen werden, noch weiter beschränkt. Beim Kammergericht ist nur ein Senat zuständig. Entsprechende Regelungen haben auch andere Amtsgerichte und Oberlandesgerichte getroffen oder streben sie an.

Die Beschränkung der Zuständigkeit auf einen oder wenige Familienrichter eines Oberlandesgerichtsbezirks erleichtert insbesondere die in Entführungsfällen den Umständen nach erforderliche und durch Artikel 11 Abs. 1 des HKÜ ausdrücklich gewünschte Behandlung der Fälle mit „der gebote- nen Eile“; angestrebt ist nach Artikel 11 Abs. 2 HKÜ eine Entscheidung innerhalb von sechs Wochen. Richter, die durch wiederholte Befassung mit Entführungsfällen mit den einschlägigen Vorschriften und der dazu ergangenen Rechtsprechung vertraut sind, können dieser Anforderung leichter gerecht werden.

Auch ist auf diese Weise die zur Umsetzung des Gesetzes wünschenswerte möglichst weitgehende inhaltliche Vereinheitlichung der Rechtsprechung am ehesten zu erreichen.

Hierzu dienen auch spezielle Fortbildungsveranstaltungen für die mit dem Gesetz befassten Richter. Derartige Symposien haben zuletzt in Bad Nauheim und davor im Januar 2001 in Recklinghausen unter Beteiligung des Leiters des ständigen Büros der Haager Konferenz für internationales Privatrecht, Herrn Duncan, des Beraters für internationales Privatrecht bei dem Außenministerium der USA, Herrn Pfund sowie des Leiters und weiterer Mitarbeiter der bei dem Generalbundesanwalt mit den Aufgaben der zentralen Behörde des HKÜ befassten Abteilung sowie Mitarbeitern des Bundesministeriums der Justiz und 25 Familienrichtern stattgefunden.

Wesentliche Punkte der Diskussion waren die Fragen,

ob der Elternteil, der Mitinhaber der elterlichen Sorge ist, damit die Vermutung für sich hat, dass er die elterliche Sorge auch tatsächlich ausgeübt hat (Art. 3 Abs. 1b HKÜ),

welche Ausnahmesituationen einer Rückgabeanordnung entgegenstehen (Art. 13 Abs. 1b HKÜ),

unter welchen Umständen und ab welchem Alter der Kindeswille beachtlich ist (Art. 13 Abs. 2 HKÜ),

ob in der Regel oder in welchen Fällen die sofortige Vollstreckbarkeit einer Rückgabeanordnung angeordnet werden sollte,

welche einzelnen Vollstreckungsanordnungen in die Beschlussformel aufgenommen werden sollten,

unter welchen Umständen und mit welchem Inhalt einstweilige Anordnungen innerhalb des Verfahrens erlassen werden können und sollten (§ 6 Abs. 2 SorgeRÜbkAG),

ferner die Bedeutung der Entscheidungssperre für bereits anhängige, das selbe Kind betreffende Verfahren bei anderen Gerichten (Art. 16 HKÜ).

Durch verschiedene Referenten wurden auch konkrete Möglichkeiten zur Absicherung einer Rückgabeanordnung oder Vereinbarung einer freiwilligen Rückführung durch flankierende Abmachungen dargestellt, nämllich sogenannte „undertakings“, in denen sich der antragstellende Elternteil zu bestimmten Leistungen an den anderen Elternteil und das Kind verpflichtet oder sogenannte „safe harbor orders“, in denen der antragstellende Elternteil Behörden und Gerichten am bisherigen Aufenthaltsort der Familie gegenüber bestimmte Verpflichtungen übernimmt.

Deutlich wurden Vorbehalte vieler Richter gegenüber einer als zu rigide empfundenen Rückführungsanordnung in solchen Fällen, in denen sich von vornherein klar abzeichnet, dass der antragstellende Elternteil am Ende die tatsächliche Betreuung des Kindes nicht wird übernehmen können.

stv. Direktorin des AG

Johanna Bacher

Amtsgericht Pankow-Weißensee

Kissingenstraße 5-6

13189 Berlin