Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Jugendrechtsexperte Bernzen erhebt schwere Vorwürfe gegen Jugendhilfe
Von Jens Meyer-Wellmann und Sascha Balasko
Der Hamburger Jugendrechtsexperte Prof. Christian Bernzen (SPD) hat im Fall Morsal O. schwere Vorwürfe gegen die beteiligten Jugendhilfeeinrichtungen erhoben. Die Betreuung des am 15. Mai vom eigenen Bruder erstochenen deutsch-afghanischen Mädchens sei "schlecht gemacht" gewesen, so Bernzen. Angesichts der dem Jugendnotdienst offenbar bekannten Situation in der Familie wäre es "naheliegend gewesen, das Mädchen zum Schutz von Leib und Leben auch gegen seinen Willen beim Kinder- und Jugendnotdienst zu behalten". Dies wäre rechtlich nach §42 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes möglich gewesen, so Bernzen. Auch dieser Fall nähre den Verdacht, dass der Datenfluss zwischen den unterschiedlichen beteiligten Stellen nicht optimal laufe.
Der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND), bei dem sich Morsal seit anderthalb Jahren immer wieder wegen der Probleme in ihrer Familie meldete, hatte das Mädchen nach zweitägiger Unterbringung an der Feuerbergstraße am 14. Mai auf ihren eigenen Wunsch gehen lassen - obwohl man dort wusste, dass das Mädchen von Vater und Bruder verprügelt worden war und dass der Bruder mehrfach wegen Gewalttaten und Trunkenheit am Steuer vorbestraft ist. Zähle man dazu die Erfahrungen mit sogenannten "Ehrenmorden" an jungen Frauen mit Migrationshintergrund, hätte man besonders skeptisch sein müssen, so Bernzen.
Hintergrund: Morsal O. war dem Jugendamt Mitte bereits seit November 2006 bekannt. Bis März 2007 haben die zuständigen Mitarbeiter mehrfach die Familie besucht und mit den Eltern gesprochen. In dieser Zeit war auch der KJND eingeschaltet. Anschließend ist Morsal für mehrere Monate in Afghanistan gewesen. Erst am 26. März dieses Jahres kam sie erneut in die Obhut des KJND. Sie wurde probehalber in einer Einrichtung in Schleswig-Holstein untergebracht. Dort sollte eine neue Schule für sie gefunden werden. Doch die 16-Jährige unterbrach das Programm auf eigenen Wunsch, weil sie sich unter anderem an Regeln wie das Handy-Verbot nicht halten wollte. Von Ende April bis Anfang Mai wohnte sie erneut bei ihren Eltern. Am 11. Mai schlug der Vater (45) seine Tochter zusammen. Einen Tag später wurde sie von der Polizei zum KJND an der Feuerbergstraße gebracht. Am 14. Mai verließ Morsal O. die Einrichtung. Ihre Eltern suchten sie darauf und fanden sie bei Freunden. Es soll wieder einen schweren Streit gegeben haben. Am Morgen des 15. Mai oder schon in der Nacht gab es erneut einen Kontakt zum KJND. Für den Nachmittag war ein Gespräch mit der 16-Jährigen vorgesehen. Dort sollte mit ihr geplant werden, sie nun dauerhaft in einer schleswig-holsteinischen Einrichtung unterzubringen. Das Mädchen sollte seinen Schulabschluss machen. Ein Praktikumsplatz in einer Kita und eine Schule waren bereits gefunden. Doch Morsal erschien nicht. Kurz vor Mitternacht erstach ihr Bruder Ahmad sie mit 20 Messerstichen.
SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer forderte gestern "alle Fakten zu dem Fall müssen im Jugendausschuss der Bürgerschaft auf den Tisch"
CDU-Jugendpolitiker Klaus-Peter Hesse sagte: "Solche Fälle sind nicht auszuschließen, solange wir es nicht schaffen, dass alle hier lebenden Menschen sich an die geltenden Sitten, Bräuche und Gesetze halten." Linke-Jugendpolitikerin Kersten Artus dagegen betonte, die Tat zeige vor allem, "dass Mädchen und Frauen in dieser Stadt unzureichend vor männlicher Gewalt, gerade und vor allem in der Familie, geschützt werden". Sie warnte davor, "den Mord zum Anlass zu nehmen, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu schüren". http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/21/883595.html
Jugendrechtsexperte Bernzen erhebt schwere Vorwürfe gegen Jugendhilfe
Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) sagte, man sei derzeit dabei, die schulische Situation des Opfers zu klären. Es müsse angesichts des schrecklichen Falls untersucht werden, ob "Verbesserungen im System" auch bei der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Stellen nötig seien. Aus Sicht der Schulpolitik müsse man versuchen, die Elternarbeit zu stärken - gerade im Falle von Familien mit Migrationshintergrund.
erschienen am 21. Mai 2008 http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/21/883595.html?s=2
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Ehrenmord-Opfer Morsal ( 16) Die Akte der Schande Behörden wussten vom Martyrium des Mädchens. Warum hat niemand etwas unternommen? Von Kristin Breuer und Maike Klebl
Hamburg Der Ehrenmord an Schülerin Morsal O. ( 16) erschütterte ganz Deutschland. Weil sie wie ein ganz normales Mädchen leben wollte, metzelte ihr eigener Bruder Ahmad O. (23) sie mit über 20 Messerstichen nieder. Ehrenmord die Akte der Schande
Jetzt enthüllt ein erschütterndes Dokument die ganze Dramatik des Falles! Über Jahre dokumentierten Hamburger Behörden, wie die junge Afghanin nicht nur von ihrem Bruder, sondern auch von ihren Eltern bedroht, eingesperrt und geschlagen wurde. Wie sie in die Obhut des Jugendamtes gegeben wurde.
Trotzdem kehrte Morsal am Ende immer wieder zu ihrer Familie zurück.
Die Hamburger SPD-Abgeordnete Carola Veit: Das Schreckliche an dem Fall ist, dass staatliche Stellen seit Jahren Kenntnis hatten von dem Martyrium von Morsal O.
DAS PROTOKOLL DER SCHANDE.
1. November 2006. Der erste behördlich aufgezeichnete Vorfall. Morsals Bruder Ahmad O. droht am Telefon seiner Mutter, er werde seine Schwester töten. Am selben Tag soll er mit sie mit Fäusten geschlagen und getreten haben. Eine Schwester prügelt ebenfalls auf Morsal ein. Polizeieinsatz, Morsal erstattet keine Anzeige. Jugendamt und der Kinder- und Jugendnotdienst bekommen Berichte. Morsals Eltern Nagris und Ghulam-Mohammad auf ihrer Beerdigung in Afghanistan
Beerdigung von Morsal in Afghanistan: Ihre Eltern Nagris und Ghulam-Mohammad (rechts). Auch gegen sie wurde ermittelt
8. November 2006: Wieder greift Ahmad O. seine Schwester an. Er schlägt ihr ins Gesicht, bedroht sie mit einem Messer. Morsal zeigt ihn an. Erst drei Monate später erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Eine Verhandlung hat bis heute nicht stattgefunden.
19. Januar 2007: Morsal bittet ihren Bruder um etwas Geld, doch der verprügelt sie. Die Polizei kommt, wieder eine Anzeige. Später verweigert Morsal die Aussage. Trotzdem wird Anklage erhoben. Auch der Fall ist bislang nicht verhandelt.
14. Februar 2007: Schläge die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Morsals Eltern. Weil Morsal nicht gegen sie aussagt, wird der Fall eingestellt.
15. Februar 2007: Morsals Mutter soll mit einem Kabel auf ihre Tochter eingeprügelt haben.
März 2007: Zur Zeugenaussage gegen ihre Mutter erscheint das Mädchen nicht. Die Ladung wurde an ihre Eltern geschickt. Morsal ist zu dieser Zeit bei Verwandten in Afghanistan. Nach ihrer Rückkehr verweigert sie die Aussage, das Verfahren wird eingestellt. Bild-Kolumne von Franz Josef Wagner Post von Wagner Betrifft diesmal: den Ehrenmord
25. Juli 2007: Ahmad O. wird in der Intensivtäter-Kartei der Polizei registriert.
Winter 2007/2008: Der Vater reist mit Morsal nach Afghanistan. Angeblich soll sie dort verheiratet werden. Zur Eheschließung kommt es nicht.
23. März 2008: Wieder soll Ahmad O. seine Schwester geschlagen, gewürgt und mit einem Messer bedroht haben. Polizei-Einsatz.
28. März 2008: Wieder eine Prügelei, diesmal sollen Ahmad und Morsals ältere Schwester auf das Mädchen eingeprügelt haben. Selbst als die Beamten vor Ort sind, schlägt Ahmad vor den Augen der Polizisten zu. Anzeige, Verfahren läuft noch.
29. März 2008: Die Polizei bringt Morsal in ein Mädchenhaus.
8. April 2008: Der Jugendnotdienst meldet Morsal an ihrer Schule ab, plant eine Unterbringung außerhalb Hamburgs.
11. Mai 2008: Morsal kehrt erneut in die Wohnung ihrer Eltern zurück. Laut Bericht wird sie vom Vater getreten und geschlagen. Sie versucht, sich mit einem Bettlaken aus ihrem Zimmer abzuseilen, doch ihr kleiner Bruder hält sie fest. Wieder bringt die Polizei sie zum Jugend-Notdienst. Noch am selben Tag wird die 16-Jährige wieder nach Hause gelassen. Wieder Schläge. Mehr Vermischtes
15. Mai 2008: Um 23.15 Uhr trifft sich Ahmad O. mit Morsal an einem Hamburger S-Bahnhof. Wortlos sticht er mehr als 20-mal auf seine Schwester ein. Sie stirbt noch am Tatort.
WER HAT VERSAGT?
In der Hamburger Bürgerschaft warf der SPD-Abgeordnete Andreas Dressel dem Senat gestern Versagen vor. Der Bruder der Getöteten hätte wesentlich früher hinter Schloss und Riegel gehört. Auch hätte der Staat das Mädchen zu ihrem Schutz notfalls auch gegen ihren Willen in Obhut nehmen müssen.
Schrift: EHRENMORD IN HAMBURG Das lange Leiden der Morsal Obeidi
Von Barbara Hans
Von der Mutter angeblich mit einem Kabel drangsaliert, Vorwürfe auch gegen den Vater - schließlich vom ältesten Bruder erstochen: Morsal Obeidis Leiden erstreckte sich über Monate, belegen neue Dokumente, die SPIEGEL ONLINE vorliegen. Immer wieder versuchte die 16-Jährige zu entkommen. Vergeblich.
Hamburg - Morsals Angst muss unbeschreiblich groß gewesen sein. Die Liebe zu ihrer Familie auch.
Von außen scheinen die Dinge eindeutig: Wenn einem der Bruder die von ihm so verhassten Kleider - zu kurz, zu bunt, zu aufreizend - an den Leib zu tackern versucht haben soll, wenn die Mutter sie mit einem Kabel geschlagen und der Vater sie in die Magengrube getreten haben soll, dann muss man gehen.
EHRENMORD: DAS SCHICKSAL DER MORSAL OBEIDI
* * *
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Soweit die Theorie. Doch die ist grau.
Morsals Leben war alles andere als grau. Das junge Mädchen, in Kabul geboren und im Alter von drei Jahren nach Hamburg gekommen, wollte viel. Und vor allem wollte sie all das, was ihre deutschen Freundinnen auch hatten: Schminke, Kleidung, Freunde, Freizeit - Freiheit.
Und eine Familie.
Ein Leben nach eigenen Vorstellungen
Zwei Wochen, nachdem Morsal Obeidi von ihrem Bruder auf einem Parkplatz mit mehr als 20 Stichen niedergestreckt worden ist (mehr...), belegen nun neue Dokumente, wie lange das Mädchen unter den Überzeugungen ihrer Familie gelitten hat - und wie es immer wieder zwischen Hoffnung und Angst schwankte.
MEHR ÜBER... Ehrenmord Hamburg- Rothenburgsort Morsal Obeidi Kinder- und Jugendnotdienst zu SPIEGEL WISSEN Der Hamburger Senat hat auf eine schriftliche Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion geantwortet und den Weg Morsal Obeidis, sofern er Eingang in die Akten der städtischen Behörden gefunden hat, akribisch nachgezeichnet. Noch jedoch handelt es sich lediglich um einen Entwurf, erarbeitet unter der Federführung der Justizbehörde: Es bestehe noch weiterer Abstimmungsbedarf zwischen den Behörden, heißt es.
Der Entwurf, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, belegt, wie Morsal immer und immer wieder durch Mitglieder ihrer Familie erniedrigt worden ist. Weil sie zu spät von der Schule nach Hause kam. Weil sie sich zu stark schminkte, zu kurze Kleider trug, bei Freunden übernachtete. Weil ihr Leben nicht den Vorstellungen ihrer Familie entsprach.
Unzählige Male hat Morsal demnach die Polizei gerufen, unzählige Male haben Beamte in der Wohnung im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort notiert, was vorgefallen war - und was die 16-Jährige wenig später nicht mehr unterschreiben oder zur Anzeige bringen wollte. Zu einigen Vernehmungen erschien sie gar nicht erst, in anderen Fällen machte sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
"Ich bringe Morsal um"
Bereits am 1. November 2006, rund eineinhalb Jahre bevor er sie mit einem Messer auf offener Straße tötete, äußerte Ahmad Obeidi, Morsals älterer Bruder, demnach gegenüber seiner Mutter am Telefon: "Ich bringe Morsal um." Allein an diesem Tag besuchen die Beamten zweimal die Wohnung der Obeidis, weil Ahmad zweimal auf seine Schwester einprügelt, sie mit Fäusten schlägt und mit Füßen tritt. Unter anderem, weil sie sich weigert, ihrem Bruder nach Hause zu folgen. Doch Morsal will Ahmad nicht anzeigen. Die Polizisten notieren, was das Mädchen zu Protokoll gibt, erstatten Bericht an das Jugendamt und den Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) - tun können sie nichts.
ZUM THEMA AUF SPIEGEL ONLINE
* Interview mit der Cousine von Morsal O.: "Vielleicht hat er es aus Liebe getan" (28.05.2008) * Ehrenmord an Morsal O.: "Was hat ihn nur so weit gebracht?" (22.05.2008) * Fall Morsal O.: Politiker wollen Integrationsdruck auf Zuwanderer erhöhen (22.05.2008) * Mord an Deutsch-Afghanin: Polizei nimmt Bruder fest - Ehrenmord nicht ausgeschlossen (16.05.2008) * Hamburg: Junge Deutsch-Afghanin erstochen - Bruder flüchtig (16.05.2008)
Eine Woche später, am 8. November 2006, geht Ahmad den Dokumenten zufolge wieder auf seine Schwester los. Sie ist ihm körperlich unterlegen: Ahmad ist sieben Jahre älter, groß gewachsen, fünf Mal in der Woche trainiert er für je drei Stunden in einem Fitnessstudio. "Pumpen gehen", nennt er das. Die Polizei kommt, Morsal erstattet Strafanzeige. Sie gibt zu Protokoll, Ahmad habe sie ins Gesicht geschlagen und mit einem Messer bedroht. Die Polizei schreibt einen Bericht ans Jugendamt, dann bringen die Beamten sie zum KJND.
Knapp eine Woche später geschieht, was symptomatisch werden wird für den Fall Morsal Obeidi: Bei ihrer Vernehmung betont das Mädchen, es wünsche keine Bestrafung ihrer Familienangehörigen. Es gehe ihr allein um eine Beendigung der Schläge.
Morsal sucht ihren Weg, sucht ihren Freiraum - mit der Familie brechen will sie nicht. Dass ihr Weg nicht der ihrer Familie sein kann, es keinen Kompromiss, sondern allenfalls Konfrontationen gibt, sieht sie nicht.
"Ein sehr ambivalentes Verhältnis"
Noch bevor die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, ruft Morsal erneut die Polizei, erstattet erneut Anzeige: Ahmad hat sie den Dokumenten zufolge am 19. Januar 2007 aus Ärger über ihre Kleidung und weil sie ihn um Geld gebeten hat, geschlagen und getreten. Er soll sogar versucht haben, ihr die verhasste Kleidung an den Leib zu tackern, sagt Morsal aus.
Einen Tag später beruft sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht - und schweigt. Wieder bringt man sie ins Heim, wieder bleibt sie nur für wenige Tage dort - dann zieht es sie zurück. Sie übernachtet bei Freunden, als die ihrerseits Probleme mit den Eltern bekommen, geht Morsal zurück in die elterliche Wohnung nach Rothenburgsort. Und zurück in das Umfeld des Bruders.
Morsal und Ahmad hätten ein "sehr ambivalentes Verhältnis", notieren die Mitarbeiter vom Jugendamt in den Akten: Die 16-Jährige hat Angst vor ihrem Bruder, aber sie liebt ihn auch.
Der Familiensinn spielt in ihrem Leben eine große Rolle. Die Familie geht über alles - so ist sie aufgewachsen, so hat sie es gelernt.
Dann entsteht eine Lücke in den Aufzeichnungen, eine Zeit, in der Morsal scheinbar zur Ruhe kommen konnte: Die Eltern hatten sie im März 2007 nach Afghanistan geschickt. Bei einem Cousin in Masar-i-Scharif soll sie die afghanischen Traditionen und ihre Freiheiten in Deutschland schätzen lernen.
Als sie im Januar 2008 zurückkehrt, währt der Frieden - zumindest laut den Akten - nur wenige Wochen. Dass Ahmad, seine Geschwister und seine Eltern in den Wochen zuvor nicht versucht haben, mit körperlicher Gewalt gegen Morsals Lebensstil zu kämpfen, ist denkbar.
Wahrscheinlich ist es nicht.
Der Versuch: Das andere Leben ausprügeln
Anfang Januar einigen sich Morsals Eltern und das Jugendamt darauf, dass das Mädchen für eine Weile in ein Mädchenheim nach Schleswig-Holstein zieht, Abstand gewinnt. Das Jugendamt meint, es sei gut, wenn Morsal der Familie fernbleibt - sie selbst meint das nicht und kehrt auf eigenen Wunsch zurück in die Stadt.
Am 23. März 2008 ruft Morsal die Polizei: Ihr Bruder habe sie geschlagen und gewürgt und anschließend ein Messer gezückt. Einen Strafantrag stellt sie nicht.
Fünf Tage später wählt Morsal erneut die Nummer der Polizei, nachts um 0.30 Uhr. Ihr Bruder habe sie geschlagen, mit der Faust ins Gesicht. Die Beamten kommen - in ihrer Gegenwart holt Ahmad erneut aus. Die Polizisten bringen Morsal in ein Mädchenheim.
Doch Ahmad ist offenbar nicht der einzige, der versucht, Morsal ihr Streben nach Freiheit und Freiraum auszuprügeln. Die ältere Schwester zerkratzt laut den Dokumenten ihr das Gesicht; der Polizei sagt Morsal, sie sei auch von den Eltern geschlagen worden - zieht diese Angaben aber wieder zurück.
Nur ihre Mutter zeigt sie an, weil diese sie angeblich mit der Hand und einem Kabel geschlagen haben soll. Doch auch diese Ermittlungen verlaufen im Sande: Morsal erscheint nicht zur Vernehmung, macht später von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Wie so oft.
EHRENMORDE IN DEUTSCHLAND
* Offizielle Zahlen * Inoffizielle * Dunkelziffer * International
48 Menschen wurden seit 1996 in Deutschland Opfer von sogenannten "Ehrenmorden" - das ergab im Mai 2006 eine Untersuchung des Bundeskriminalamts (BKA). 36 der Opfer waren Frauen. Ein Ehrenmord ist nach dem BKA-Bericht ein Mord, der "aus vermeintlich kultureller Verpflichtung heraus innerhalb des eigenen Familienverbands verübt wird, um der Familienehre gerecht zu werden". Die meisten Fälle spielten sich in türkischen Familien ab. Die Täter waren zumeist Väter, Brüder oder Mütter der Opfer. "Blutrache-Delikte", die sich aus ähnlichen Motiven auch gegen nicht verwandte Opfer richten, gingen nicht in die Untersuchung ein. Zu ähnlichen Zahlen wie das Bundeskriminalamt kommt die Organisation Terre des Femmes: Nach Auswertung von Zeitungsberichten gab es in Deutschland zwischen 1996 und 2005 mindestens 49 Ehrenmorde oder versuchte Morde wegen der vermeintlich verletzten Familienehre. Die Berliner Schutzeinrichtung "Papatya" hat alleine von Oktober 2004 bis Januar 2005 acht Ehrenmord-Opfer verzeichnet. Experten schätzen, dass die Dunkelziffer der Ehrenmorde sehr groß ist - denn viele der Morde tauchen nicht in der Zeitung auf oder werden nicht so zur Anzeige gebracht, dass sie als Ehrenmord zu identifizieren sind. Eine gesonderte Kriminalitätsstatistik über Ehrenmorde gibt es in Deutschland nicht. In der Türkei sind nach Regierungsangaben in den vergangenen sechs Jahren etwa 1800 Frauen im Namen der Ehre ermordet worden - das heißt fast jeden Tag eine. Die Uno schätzt die Zahl der Ehrenmorde jährlich weltweit auf etwa 5000. Die höchste Ehrenmordrate hat Pakistan.
Fest steht: Die Bedrohung durch Ahmad Obeidi hätten die Behörden ernst nehmen müssen. Er war der Polizei als Intensivtäter bekannt. Ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, dass die Behörde auch wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung gegen ihn ermittelt.
Er soll eine Frau unter einem Vorwand in sein Büro gelockt und vergewaltigt haben, im Internet gar später behauptet haben, es existiere ein Video von der Tat. Die Ermittlungen in diesem Fall dauern an.
Morsal hat ihre Angst immer wieder artikuliert: gegenüber Freunden, Lehrern, der Polizei. Wie groß die Gefahr wirklich war, schien sie nicht geahnt zu haben. Ob andere Instanzen die Katastrophe hätten vorhersehen - und verhindern - können, dieser Frage widmet sich nun die Hamburger Politik.
* Interview mit der Cousine von Morsal O.: "Vielleicht hat er es aus Liebe getan" (28.05.2008) * Ehrenmord an Morsal O.: "Was hat ihn nur so weit gebracht?" (22.05.2008) * Fall Morsal O.: Politiker wollen Integrationsdruck auf Zuwanderer erhöhen (22.05.2008) * Mord an Deutsch-Afghanin: Polizei nimmt Bruder fest - Ehrenmord nicht ausgeschlossen (16.05.2008) * Hamburg: Junge Deutsch-Afghanin erstochen - Bruder flüchtig (16.05.2008)
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Senatsanfrage Jetzt kommt ans Licht: Schon seit November 2006 wissen die Hamburger Ermittlungsbehörden von den unglaublichen Vorfällen in der Deutsch-Afghanischen Familie Gedemütigt, gequält, getötet das Leiden der Morsal O. Immer wieder rief die Schülerin die Polizei, wurden brutale Attacken gegen sie protokolliert. Doch letztlich riet man ihr, nach Hause zu gehen.
Von Vanessa Seifert Nach dem Mord: ein Sanitäter mit Morsals Eltern.
Nach dem Mord: ein Sanitäter mit Morsals Eltern. Foto: Arning
Das Martyrium der Morsal O. jahrelang musste das junge Mädchen leiden, wie aus dem Entwurf einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der SPD hervorgeht. Geschlagen, gedemütigt, gequält von den Eltern und den Geschwistern. Mit mehr als 20 Messerstichen niedergemetzelt vom Bruder. Die 16-jährige Deutsch-Afghanin wurde zum Opfer in einem familiären Kampf der Kulturen, der im zweiten Stock eines Wohnsilos in Rothenburgsort tobte. Aktenkundig bei der Staatsanwaltschaft ist er seit 1. November 2006.
Ich bringe sie um, soll Ahmad O. damals bei einem Telefonat mit seiner Mutter in den Hörer gebrüllt haben. Wenige Stunden später prügelt und tritt er Morsal, gemeinsam mit der anderen Schwester. Die zerkratzt Morsal laut Staatsanwaltschaft das Gesicht. Morsal alarmiert die Polizei, erstattet aber keine Anzeige. Die Beamten verfassen einen Bericht an das Jugendamt. Noch am selben Abend ruft Morsal erneut verzweifelt die Polizei. Ich will nicht mit ihm nach Hause gehen, hat sie über ihren Bruder Ahmad zu Protokoll gegeben. Die Beamten informieren den Kinder- und Jugendnotdienst.
Eine knappe Woche später soll Ahmad seine Schwester erneut misshandelt und mit einem Messer bedroht haben. Im Streit rutscht ihm das Messer aus der Hand, ehe er Morsal verletzen kann. Morsal zeigt ihren Bruder an. Sie wird in ein Haus des Kinder- und Jugendnotdienstes gebracht. Ich will nur, dass die Schläge aufhören. Meine Familie darf nicht bestraft werden, fleht sie bei einer Vernehmung am 14. November 2006, in der sie auch zu Protokoll gibt, mehrfach von ihren Eltern geschlagen worden zu sein. Ein gutes Jahr später leitet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Eltern ein. Der Vorwurf: Verdacht auf Körperverletzung. Das Verfahren wird eingestellt, weil Morsal die Aussage verweigert. Welchen Druck muss die Familie auf die Jugendliche ausgeübt haben? Wie verworren muss das emotionale Geflecht aus Liebe und Hass gewesen sein?
Der häusliche Terror geht weiter. Am 6. Januar 2007 gerät Morsal in einen Streit mit ihrem jüngeren Bruder. Als die ältere Schwester eigenen Angaben zufolge schlichtend eingreifen will, verletzt sie Morsal an der Hand. Ein daraufhin eingeleitetes Verfahren wird später eingestellt. Es fehlt ein Strafantrag von Morsal. Knapp zwei Wochen später rastet Ahmad O. aus, weil er sich über den westlichen Kleidungsstil seiner Schwester ärgert. Als sie ihn bittet, ihr Geld zu leihen, eskaliert die Gewalt: Ahmad tritt und schlägt Morsal. Sie erstattet Anzeige. Ich will keine Aussage machen, sagt Morsal später.
Mitte Februar soll die Mutter mit einem Kabel auf Morsal eingedroschen haben. Laut Akten trägt Morsal zahlreiche blaue Flecken am linken Arm davon. Drei Tage später erstattet Morsal Anzeige. Doch zur Zeugenvernehmung am 1. März 2007 erscheint sie nicht. Die Polizei findet heraus, dass sich das Mädchen bei Verwandten in Afghanistan aufhält. Dort sollte Morsal, die in Deutschland nichts weiter sein wollte als ein normaler Teenager, nach dem Willen der Eltern noch einmal eindringlich an die afghanischen Traditionen erinnert werden. Morsal sollte nach heutigen Kenntnissen mit einem afghanischen Mann zwangsverheiratet werden. Warum es doch nicht dazu kommt, ist unklar. http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/30/887455.html?cmf=1
Senatsanfrage Jetzt kommt ans Licht: Schon seit November 2006 wissen die Hamburger Ermittlungsbehörden von den unglaublichen Vorfällen in der Deutsch-Afghanischen Familie Gedemütigt, gequält, getötet das Leiden der Morsal O. Immer wieder rief die Schülerin die Polizei, wurden brutale Attacken gegen sie protokolliert. Doch letztlich riet man ihr, nach Hause zu gehen.
Da in dem Verfahren gegen die Mutter nicht weiter ermittelt werden kann, wird es am 5. September 2007 vorläufig eingestellt. Wieder in Deutschland, gibt Morsal der Polizei am 5. Februar 2008 zu Protokoll, dass sie auf keinen Fall einen Strafantrag gegen ihre Mutter stellen will. Sie verweigert die Aussage, das Verfahren wird endgültig eingestellt.
Schwieg sie aus Angst? Oder weil sie immer wieder hoffte, dass wenn sie die Eltern nicht belastet die Spirale der häuslichen Gewalt ein Ende hat? Doch es geht weiter. Im März 2008 schlägt die ältere Schwester auf Morsal ein, reißt ihr an den Haaren, bis Büschel ausfallen. Erneut wird ein Verfahren eingeleitet und wieder eingestellt, weil Morsal keinen Strafantrag gegen ihre Schwester stellen will.
Im selben Monat bedroht Ahmad Morsal mit einem Messer, schlägt und würgt sie. Wieder ruft Morsal die Beamten, um ihren Bruder doch wieder nicht anzuzeigen. Dabei lässt Ahmad nicht von seiner Schwester ab. In der Nacht vom 27. auf den 28. März 2008 schlägt er ihr mit der Faust ins Gesicht. Um 0.30 Uhr ruft Morsal verängstigt im Kommissariat 41 an. Die Polizisten rücken aus und werden laut Staatsanwaltschaft Zeugen, wie Ahmad O. erneut brutal zuschlägt. Die Beamten bringen Morsal in ein Mädchenhaus. Am 7. April 2008 unterschreibt Morsal einen Strafantrag, den sie dieses Mal nicht zurücknimmt. Die Ermittlungen dauern an.
Morsal kann die Qualen in der elterlichen Wohnung nicht länger ertragen. Sie sucht Zuflucht in Einrichtungen des Kinder- und Jugendnotdienstes. Am 11. Mai 2008 kehrt sie nach dreitägiger Abwesenheit, wie es in der Akte heißt nach Hause zurück. Sie hat die Wohnung kaum betreten, da soll der Vater schon auf sie eingeprügelt und sie mit Fußtritten malträtiert haben. Morsal kann sich losreißen, rennt in ihr Zimmer. Nur noch hier raus dieser Gedanke muss ihr durch den Kopf geschossen sein. Panisch überlegt sie, wie ihr die Flucht aus dem zweiten Stock gelingen kann. Sie seilt sich mit einem Bettlaken ab. Doch unten soll sie gleich von einem ihrer Brüder abgefangen worden sein. Wütend würgt er seine Schwester, schlägt sie. Morsal erleidet Prellungen an der Schläfe, einer ihrer Schneidezähne bricht ab. Wieder stellt Morsal keinen Strafantrag. Die Polizei liefert das Mädchen beim Kinderund Jugendnotdienst ab.
Dort wird sie kurz darauf wieder entlassen. Laut Akten wird ihr geraten, sich nach Hause zu begeben. Kaum ist sie dort, rammt der Vater ihr sein Knie in die Magengrube. Morsal flieht, doch die Eltern holen sie schließlich ein. Die Mutter soll Morsal an den Haaren gezogen haben. Doch Morsal erstattet keine Anzeige. Die Beamten übergeben die 16- Jährige erneut in die Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes. Am 15. Mai 2008 bestellt Ahmad seine Schwester auf einen Parkplatz am Berliner Tor. Um 23.15 Uhr sticht er seine Schwester wie im Wahn nieder. Sie stirbt.
erschienen am 30. Mai 2008
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* Video: Ehrenmord an Mädchen- letzter Stand der Ermittlungen * Video: Mord an 16-jährigem Mädchen * Video: Senat zieht Konsequenzen aus Mordfall Morsal O. * Video: Presserunde - Mord im Namen der Ehre - Teil 1 * Video: Presserunde - Mord im Namen der Ehre - Teil 2
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* Mord an Morsal O. - Warum hat ihr so lange niemand geholfen? * Er brüstete sich mit einer Vergewaltigung und erstach seine Schwester * "Ein Skandal!" Opposition greift Behörden an * Trauer, Wut und offene Fragen http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/30/887455.html?s=2
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Zitat: Jugendrechtsexperte Bernzen erhebt schwere Vorwürfe gegen Jugendhilfe
Von Jens Meyer-Wellmann und Sascha Balasko
Der Hamburger Jugendrechtsexperte Prof. Christian Bernzen (SPD) hat im Fall Morsal O. schwere Vorwürfe gegen die beteiligten Jugendhilfeeinrichtungen erhoben. Die Betreuung des am 15. Mai vom eigenen Bruder erstochenen deutsch-afghanischen Mädchens sei "schlecht gemacht" gewesen, so Bernzen. Angesichts der dem Jugendnotdienst offenbar bekannten Situation in der Familie wäre es "naheliegend gewesen, das Mädchen zum Schutz von Leib und Leben auch gegen seinen Willen beim Kinder- und Jugendnotdienst zu behalten". Dies wäre rechtlich nach §42 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes möglich gewesen, so Bernzen. Auch dieser Fall nähre den Verdacht, dass der Datenfluss zwischen den unterschiedlichen beteiligten Stellen nicht optimal laufe.
Der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND), bei dem sich Morsal seit anderthalb Jahren immer wieder wegen der Probleme in ihrer Familie meldete, hatte das Mädchen nach zweitägiger Unterbringung an der Feuerbergstraße am 14. Mai auf ihren eigenen Wunsch gehen lassen - obwohl man dort wusste, dass das Mädchen von Vater und Bruder verprügelt worden war und dass der Bruder mehrfach wegen Gewalttaten und Trunkenheit am Steuer vorbestraft ist. Zähle man dazu die Erfahrungen mit sogenannten "Ehrenmorden" an jungen Frauen mit Migrationshintergrund, hätte man besonders skeptisch sein müssen, so Bernzen.
Hintergrund: Morsal O. war dem Jugendamt Mitte bereits seit November 2006 bekannt. Bis März 2007 haben die zuständigen Mitarbeiter mehrfach die Familie besucht und mit den Eltern gesprochen. In dieser Zeit war auch der KJND eingeschaltet. Anschließend ist Morsal für mehrere Monate in Afghanistan gewesen. Erst am 26. März dieses Jahres kam sie erneut in die Obhut des KJND. Sie wurde probehalber in einer Einrichtung in Schleswig-Holstein untergebracht. Dort sollte eine neue Schule für sie gefunden werden. Doch die 16-Jährige unterbrach das Programm auf eigenen Wunsch, weil sie sich unter anderem an Regeln wie das Handy-Verbot nicht halten wollte. Von Ende April bis Anfang Mai wohnte sie erneut bei ihren Eltern. Am 11. Mai schlug der Vater (45) seine Tochter zusammen. Einen Tag später wurde sie von der Polizei zum KJND an der Feuerbergstraße gebracht. Am 14. Mai verließ Morsal O. die Einrichtung. Ihre Eltern suchten sie darauf und fanden sie bei Freunden. Es soll wieder einen schweren Streit gegeben haben. Am Morgen des 15. Mai oder schon in der Nacht gab es erneut einen Kontakt zum KJND. Für den Nachmittag war ein Gespräch mit der 16-Jährigen vorgesehen. Dort sollte mit ihr geplant werden, sie nun dauerhaft in einer schleswig-holsteinischen Einrichtung unterzubringen. Das Mädchen sollte seinen Schulabschluss machen. Ein Praktikumsplatz in einer Kita und eine Schule waren bereits gefunden. Doch Morsal erschien nicht. Kurz vor Mitternacht erstach ihr Bruder Ahmad sie mit 20 Messerstichen.
SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer forderte gestern "alle Fakten zu dem Fall müssen im Jugendausschuss der Bürgerschaft auf den Tisch"
CDU-Jugendpolitiker Klaus-Peter Hesse sagte: "Solche Fälle sind nicht auszuschließen, solange wir es nicht schaffen, dass alle hier lebenden Menschen sich an die geltenden Sitten, Bräuche und Gesetze halten." Linke-Jugendpolitikerin Kersten Artus dagegen betonte, die Tat zeige vor allem, "dass Mädchen und Frauen in dieser Stadt unzureichend vor männlicher Gewalt, gerade und vor allem in der Familie, geschützt werden". Sie warnte davor, "den Mord zum Anlass zu nehmen, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus zu schüren". http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/21/883595.html
Jugendrechtsexperte Bernzen erhebt schwere Vorwürfe gegen Jugendhilfe
Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) sagte, man sei derzeit dabei, die schulische Situation des Opfers zu klären. Es müsse angesichts des schrecklichen Falls untersucht werden, ob "Verbesserungen im System" auch bei der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Stellen nötig seien. Aus Sicht der Schulpolitik müsse man versuchen, die Elternarbeit zu stärken - gerade im Falle von Familien mit Migrationshintergrund.
erschienen am 21. Mai 2008 http://www.abendblatt.de/daten/2008/05/21/883595.html?s=2Nach Morsals Tod - Geändertes Schulabmeldeverfahren
Hamburg (dpa/lno) - Rund einen Monat nach dem gewaltsamen Tod der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal hat die Bildungsbehörde Schulabmeldungen im Falle eines Wegzugs erschwert. Danach müssen diese nun von beiden Sorgeberechtigten schriftlich bestätigt werden, teilte die Behörde am Mittwoch in Hamburg mit. Bestehe der Verdacht auf Gefährdung, Zwangsheirat oder häusliche Gewalt, werde der Allgemeine Soziale Dienst eingeschaltet und gegebenenfalls das Jugendamt informiert. Zwei Monate nach der Abmeldung überprüfe die Schule, ob eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgte. Bislang konnten Eltern ihre Kinder telefonisch von der Schule abmelden. http://www.ln-online.de/artikel/2411215/Nach_Morsals_Tod_-_Ge%E4ndertes_Schulabmeldeverfahren.htm
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Ehrenmord Chronik eines angekündigten Todes Auch in Hamburg ist eine junge Muslimin von ihrem Bruder ermordet worden - die Behörden kannten ihren Leidensweg. Anzeige Bild vergrößern Von Dieter Hanisch 17.6.2008 0:00 Uhr Von Dieter Hanisch 17.6.2008 0:00 Uhr [Lesezeichen hinzufügen] Artikel versenden Artikel drucken Webnews Mr. Wong Hamburg - Wenn ein Teenager unter den Augen mehrerer Behörden ein körperliches Martyrium durchmacht, das schließlich mit dem Tod endet, dann dürfen sich offizielle Stellen und die dort Tätigen nicht wundern, wenn ihnen Fragen gestellt werden. Die zentrale Frage, die jetzt in Hamburg diskutiert wird, lautet: Hätte das Leben der 16-jährigen Morsal Ofeidi gerettet werden können, die am 15. Mai von ihrem 23-jährigen Bruder Ahmad auf offener Straße mit 20 Messerstichen getötet worden ist?
Nach der Tat fiel der Begriff Ehrenmord, weil die junge deutsch-afghanische Muslimin ein freies Leben führen wollte und sich den kulturell geprägten Vorschriften ihrer Familie widersetzt hatte. Die tödliche Attacke ist am Mittwoch auch Thema im Stadtparlament. Carola Veit (SPD), Vorsitzende des Kinder-, Jugend- und Familienausschusses, lässt nicht locker. Es gilt zu klären, weshalb das Hilfssystem versagt hat. Kersten Artus (Linke) ist sich sicher, Morsal Ofeidi könnte noch leben, hätte nicht eine fehlende Vernetzung verschiedener Institutionen dafür gesorgt, dass eine drohende Gefahr nicht erkannt wurde.
Die Kette der Drangsalierungen des Mädchens reicht zurück ins Jahr 2006, alle Vorgänge waren aktenkundig. Morsal Ofeidi hatte ihre Peiniger mehrmals angezeigt, doch dann wieder die Anschuldigungen gegen die Familienmitglieder zurückgezogen. Bereits am 1. November 2006 hatte Ahmad die Drohung ausgesprochen, seine Schwester zu töten. Sieben Tage später richtete er tatsächlich das Messer gegen Morsal Ofeidi. Diese wehrte sich, und es passierte nichts.
Ahmad Ofeidi war bei der Polizei als Intensivtäter bekannt. Am 6. März 2008 wurde eine Verurteilung des Mannes wegen verschiedener Gewalttaten zu einem Jahr und fünf Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung rechtskräftig. Anfang Mai sollte er die Strafe antreten, doch sein Anwalt beantragte einen Vollstreckungsaufschub. Dieser wurde am 15. Mai von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Am gleichen Tag erstach er seine Schwester.
Ständig Schläge, kurzzeitiger Schutz in Jugendeinrichtungen im Jugendamt und beim Kinder- und Jugendnotdienst stapelten sich die Berichte und Vermerke. Immer wieder betonte die Gepeinigte, sie wolle nicht, dass Familienangehörige bestraft werden. Justizsenator Till Steffen (GAL) betont wie CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich, man hätte nie eine behördliche Entscheidung gegen den Willen des Mädchens treffen können. Die SPD meint, dass genau dies hätte passieren müssen. Zur Kultur des Hinsehens gehört auch, im Zweifel einmal mehr in die Familiensouveränität einzugreifen, sagt SPD-Sprecher Bülent Ciftlik. Dafür müsse Behördenmitarbeitern allerdings der Rücken gestärkt werden.
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 17.06.2008) http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Ehrenmord;art1117,2552511
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Der Mord an der 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. hat am Mittwoch erneut die Hamburgische Bürgerschaft beschäftigt. Die Regierungsfraktionen CDU und GAL stellten dabei erste Pläne vor, um derartige Verbrechen künftig zu verhindern: So sollen in sozialen Einrichtungen mehr Männer mit Migrationshintergrund arbeiten und die Gewaltprävention bei Jungen gestärkt werden. Die Stadt soll zudem Migrantenorganisationen dafür gewinnen, sich für Mädchen und junge Frauen einzusetzen. Der Antrag wird im Jugendausschuss weiter behandelt. SPD-Kritik - Senator räumte Defizite ein
Die sozialdemokratische Abgeordnete Carola Veit wiederholte in der Debatte ihre Kritik an den Behörden, Möglichkeiten zum Schutz des Mädchens nicht genutzt zu haben. "Wir brauchen Auskunft über das, was passiert ist", betonte Veit. Die SPD forderte vom Senat einen Bericht über alle Wege, Kinder und Jugendliche vor Gewalt durch Familienangehörige zu schützen, CDU und Grüne lehnten dies jedoch ab. Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) sagte, die Gefährdungseinschätzung sei im Fall von Morsal O. "eindeutiger Schwachpunkt des gesamten Hilfeverlaufes" gewesen. Künftig würden die Behörden bereits beim leisesten Verdacht auf eine Gefährdung den schlimmsten Fall annehmen. Jugendliche zu ihrem Schutz zwangsweise in staatliche Obhut zu nehmen lehnte der Senator jedoch ab. Schulabmeldungen nur noch schriftlich
Die Behörde für Schule und Berufsbildung teilte kurz vor Beginn der Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch mit, dass Schulabmeldungen bei Wegzug nun wie angekündigt von beiden Sorgeberechtigten schriftlich bestätigt werden müssen. Bestehe der Verdacht auf Gefährdung, Zwangsheirat oder häusliche Gewalt, werde der Allgemeine Soziale Dienst eingeschaltet und gegebenenfalls das Jugendamt informiert. Zwei Monate nach der Abmeldung überprüfe die Schule, ob die Schülerin oder der Schüler auch beim Einwohnermeldeamt abgemeldet wurde. Bislang konnten Eltern - wie im Fall von Morsal O. geschehen - ihre Kinder telefonisch von der Schule abmelden. Morsal wurde von ihren Eltern nach Afghanistan geschickt, um dort zwangsverheiratet zu werden. Von gesamter Familie misshandelt
Morsal O. war Mitte Mai von ihrem Bruder erstochen worden - den bisherigen Ermittlungen zufolge, weil er mit dem Lebensstil der Schwester nicht einverstanden war. Das Mädchen war nach Senatsangaben von ihren Eltern, einer Schwester und ihrem kleineren Bruder geschlagen, gewürgt und getreten worden. Kurz vor der Tat war Morsal O. auf eigenen Wunsch ausgezogen und lebte zuletzt in einem Jugendhaus. Stand: 18.06.2008 19:50
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Morsal O. Neue Kritik an Sozialbehörde SPD: Behörde hätte Gericht anrufen müssen Auch Familienrichter Olof Masch sagte, es sei "unglaublich, dass das Jugendamt nicht das Familiengericht eingeschaltet" habe.
Von Rebecca Kresse
Hätten die Hamburger Behörden im Fall der getöteten 16-jährigen Deutsch-Afghanin Morsal O. das Familiengericht anrufen müssen, um das Sorgerecht der Eltern überprüfen zu lassen? "Ja", sagt die SPD-Fraktion und beruft sich dabei auf die "Handlungsempfehlung zum Umgang mit der "Garantenstellung" des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung der Sozialbehörde.
Darin heißt es: "Die Anrufung des Familiengerichtes kann und soll dann erfolgen, wenn eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung von den ASD-Fachkräften eingeschätzt und begründet wird und die Bereitschaft oder Fähigkeit der Eltern zur Gefahrenabwehr durch die Inanspruchnahme einer Hilfe zu Erziehung nicht besteht und nicht hergestellt werden kann." Darüber hinaus muss laut Handlungsanweisung das Familiengericht auch dann eingeschaltet werden, "wenn die Eltern an der erforderlichen Risikoeinschätzung nach vorliegenden gewichtigen Anhaltspunkten nicht mitwirken oder diese boykottieren."
Die Eltern stimmten zwar der Familienhilfe zu. Wie ein Vermerk des Jugendamtes in der Akte Morsal O. belegt, hat Morsals Vater seine Tochter aber noch am Vorabend ihres Todes im Zuge eines Streits geschlagen. Es endete mit einem Polizeieinsatz. Die Eltern boykottierten demnach die Arbeit der Familienhilfe oder waren nicht in der Lage zu einer erforderlichen Risikoeinschätzung.
Auch der Familienrichter Olof Masch hatte dem Jugendamt Mitte diesbezüglich schwere Versäumnisse vorgeworfen, hatte im Abendblatt gesagt, es sei "unglaublich, dass das Jugendamt nicht das Familiengericht eingeschaltet" habe. Weil die 16-Jährige immer wieder von ihrer Familie geschlagen worden war und deswegen vor ihrem Tod fünfmal die Einrichtungen des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) aufgesucht hatte, hätte das Amt nach Maschs Meinung gerichtliche Hilfe einholen müssen, auch wenn Morsal die Einrichtungen des KJND auf eigenen Wunsch immer wieder verlassen hatte.
Die Sozialbehörde will sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu diesem Vorwurf äußern. "Auf die Frage, warum das Familiengericht im Fall Morsal nicht informiert worden ist, kann ich auf den Fall bezogen aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben", teilte Behördensprecherin Jasmin Eisenhut mit. Grundsätzlich sei "ein Sorgerechtsentzug durch das Familiengericht dann angezeigt, wenn Eltern sich gegen die Hilfeplanung ihrer Kinder stellen." Wenn Eltern an einer Hilfeplanung mitwirken - wie es Morsals Eltern offiziell getan haben - gebe es für das Familiengericht in der Regel keinen Anlass, das Sorgerecht zu entziehen. "Zudem sei gesagt, dass ein Sorgerechtentzug die Tat im Fall Morsal im Endeffekt wohl auch nicht hätte verhindern können", so Eisenhut.
Das alles hätte aber ein Gericht entscheiden müssen, nachdem es den Fall vorgelegt bekommen und die Fakten abgewogen hätte, so die Überzeugung der SPD.
Denn es, so hat es die Befragung der Behörden vor dem Jugendausschuss gezeigt, lagen nur zwei Tage vor Morsals Tod erhebliche Verletzungen vor. Nach Abendblatt-Informationen fehlte ihr ein halber Schneidezahn, außerdem seien zahlreiche Hämatome zu sehen gewesen, die auf eine massive Gewalteinwirkung hingedeutet hätten.
Auf Anraten der Polizei war Morsal am 13. Mai, zwei Tage bevor ihr Bruder sie getötet hatte, zu einer Untersuchung der Rechtsmedizin gegangen, um die vorhandenen Verletzungen für einen eventuell folgenden Prozess dokumentieren zu lassen.
"Eine Gefährdungseinschätzung mit dem Ergebnis, sie zurück zu ihren Eltern zu schicken, bleibt völlig unverständlich und ist nicht zu rechtfertigen", sagt die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Carola Veit. In einer weiteren Sitzung des Jugendausschusses will die SPD die Frage erneut auf die Tagesordnung setzen.
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Bürgerschaft: SPD erneuert Kritik an Senat und Behörden im "Ehrenmord"-Fall - Erste Konsequenzen Aufarbeitung des Falls Morsal - Wortgefechte im Parlament
Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Carola Veit sieht ein "klares Versagen der zuständigen Behörden in der Gefahrenabwehr" im Fall der getöteten Morsal O. (16). In der Bürgerschaftsdebatte übte sie harsche Kritik an Senat und Koalitionsfraktionen bei der Aufklärung des Falles. "Die vorhandenen Möglichkeiten zum Schutz Morsals wurden nicht konsequent genutzt", sagte Veit. Es sei "schwer zu ertragen, dass Vertreter des Senats so tun, als sei alles richtig gelaufen". Während im Jugendausschuss einzelne Behördenvertreter Schwachstellen im Hilfesystem eingeräumt hätten, hätte etwa die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Viviane Spethmann öffentlich erklärt, Schule, Polizei, Jugendhilfe und Justiz hätten in außergewöhnlicher Weise zusammengewirkt.
Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) betonte, wie schon im Familien- und Jugendausschuss: "So ausgeprägt ein Hilfesystem auch ist, eine hundertprozentige Sicherheit können wir als Behörden in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht erzwingen." Dennoch müsse jeder Fall ernst genommen und gründlich analysiert werden. "Wir haben als Senat die Verantwortung übernommen. Unsere Experten haben eine kritische Analyse des Hilfeverlaufes vorgenommen und eine Schlussfolgerung daraus gezogen", sagte Wersich.
Der SPD-Abgeordnete Bülent Ciftlik warf dem Senat vor, "mit der Situation vollkommen überfordert" zu sein: Morsal habe zweieinhalb Jahre lang gelitten, sei mehrfach vor den Augen der Polizei von ihrem Bruder geschlagen worden. "Was hätte denn noch passieren müssen, damit Sie zu einer anderen Gefährdungseinschätzung gelangt wären?" Eine Antwort auf diese Frage gab es nicht. Der Fall wird die Fraktionen aber in der Sitzung des Familien- und Jugendausschusses am 25. Juni beschäftigen.
Unterdessen zog die Schulbehörde erste Konsequenzen aus dem Fall Morsal O. So hat die Behörde das Abmeldeverfahren für Schulpflichtige geändert und eine Dienstanweisung an alle Hamburger Schulen verschickt. Danach müssen unter anderem beide Sorgeberechtigten eine schriftliche Abmeldung unterschreiben, wenn ein Schüler, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach der Abmeldung keine Schule in Hamburg mehr besuchen soll. Besteht der Verdacht auf Gefährdung, Zwangsheirat oder häusliche Gewalt muss das Jugendamt informiert werden. Zwei Monate nach der Abmeldung soll die Schule überprüfen, ob eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgte. Im Fall von Morsal hatte ihr Vater sie telefonisch von der Schule abgemeldet. Anschließend reiste Morsal nach Afghanistan - vermutlich, um zwangsverheiratet zu werden. rek
erschienen am 19. Juni 2008 http://www.abendblatt.de/daten/2008/06/19/895853.html
Re: Jugendamt Hamburg: Ehrenmord an deutsch-afghanischem Mädchen Morsal
Fall Morsal Bezirksamtsleiter wehrt sich gegen Vorwürfe Markus Schreiber: Aussagen des Senators sind falsch Mittes Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) weist die von Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) geäußerten Vorwürfe - die Verantwortung im Fall der getöteten Morsal O. liege allein beim Jugendamt Mitte - entschieden zurück.
Von Rebecca Kresse Markus Schreiber (SPD).
Markus Schreiber (SPD). Foto: Röhrbein
Er stelle sich "ausdrücklich schützend" vor seine eigenen Mitarbeiter, betonte Schreiber. Zudem seien die Aussagen des Senators bezüglich der In-Obhutnahme inhaltlich nicht korrekt, sagte Schreiber im Gespräch mit dem Abendblatt.
Wie berichtet, hatte Wersich in einer Sitzung des Jugend- und Familienausschusses der Bürgerschaft am Mittwoch gesagt, nicht der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND), der der Sozialbehörde unterstellt ist, sondern allein das zuständige Jugendamt Mitte sei für die In-Obhutnahme zuständig. "Das ist objektiv falsch", so Schreiber. Die Zuständigkeit sei klar über die Dienstzeiten des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), der für die Jugendarbeit zuständig ist, geregelt. "Der ASD ist in der Woche ab 16 Uhr, freitags ab 14 Uhr und am Wochenende nicht im Dienst", sagte Paul Maris-Popescu, Koordinator für Kinderschutz im Jugendamt Mitte. Dann sei der KJND für die In-Obhutnahme und auch die Entlassung aus dem KJND verantwortlich.
Auch die Aussage des Senators, das Jugendamt habe nicht um Beratung gebeten, sei sachlich falsch. "Wir haben nicht nur darum gebeten, es hat sogar zahlreiche Gespräche zwischen Mitarbeitern des ASD des KJND über Morsal und ihre Unterbringung in einem Flensburger Mädchenhaus gegeben", sagte Schreiber. "Zuletzt am 14. Mai." Einen Tag vor Morsals Tod. Die Idee, Morsal außerhalb Hamburgs unterzubringen, sei nicht nur "genau richtig", sondern sei das Ergebnis der Gefahreneinschätzung, der Jugendamtsmitarbeiter gewesen. Wersich hatte im Ausschuss gesagt: "Es gab dort keine Gefahreneinschätzung. Das ist verbesserungswürdig."
Bezirksamtsleiter Schreiber betonte, er halte nichts von "solchen politischen Grabenkämpfen". Sein Ziel sei es, gemeinsam mit der Sozialbehörde zu untersuchen, was in einem ähnlichen Fall künftig besser gemacht werden könne. "Ich weise in diesem Zusammenhang auf Senator Wersichs eigene Aussagen hin." Der hatte am 5. Juni im Abendblatt-Interview gesagt: "Den Helfern die Schuld am Verbrechen zu geben, kann ich nicht akzeptieren." Schreiber betonte: "Wenn sich der Senator daran halten würde, würde ich mich freuen."
Auch Schreiber plädierte dafür, den Fall von einer neutralen Stelle begutachten und bewerten zu lassen. Er schlug dafür das Deutsche Institut für Jugend und Familienrecht (DIJuF) vor.
Unterdessen übte die SPD-Fraktion erneut scharfe Kritik: "Senator Wersich mauert. Die CDU-Fraktion hält sich raus. Die Blockadearbeit übernimmt die GAL", sagte die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Carola Veit gestern. Der Senat weigere sich weiterhin - mit dem aus Sicht der SPD fragwürdigen Hinweis auf den Sozialdatenschutz -, über das Behördenhandeln in den letzten Tagen vor dem Mord Auskunft zu geben. Die SPD erwäge ein Aktenvorlageersuchen zu stellen, so Veit.