Jugendamt Stuttgart: Mädchen (4 Jahre)
Familiendrama am Neckar
Totes Mädchen: Jugendamt hatte vor Jahren Kontakt
Schleuse [Großansicht]
Foto: Steinert
Gespräche mit "guter Perspektive für die Familie" beendet - Obduktion zeigt: Vierjährige ist ertrunken
Stuttgart - Die Familie des vierjährigen Mädchens, das am Freitag von seiner Mutter in den Neckar geworfen worden ist, hatte sich nach dessen Geburt ans Jugendamt gewandt. Nach einem Monat wurden die Gespräche damals mit positiver Prognose beendet.
Nach der Obduktion am Montag steht fest: Das kleine Mädchen ist ertrunken. "Die Vierjährige ist noch lebend in den Neckar geworfen worden", sagt Polizeisprecherin Sybille Ahlborn. Der war am Freitagabend fünf Grad kalt. Zeichen von früheren Misshandlungen sind bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung entgegen erster Vermutungen nicht gefunden worden.
Die 33 Jahre alte Mutter hat inzwischen beim Haftrichter ausgesagt, ihre Tochter am Freitag über das 1,30 Meter hohe Geländer der Inselbrücke in Untertürkheim gehoben und ins Wasser gestoßen zu haben. Zeugen dafür gibt es bisher nicht. Ein Schleusenwärter machte schließlich gegen 17.50 Uhr den grausigen Fund. Die Frau stellte sich noch in der Nacht zum Samstag bei der Polizei. Zu den Hintergründen sagte sie, sie habe sich seit Geburt des Kindes mit dessen Erziehung überfordert gefühlt.
Der Ehemann und Vater befindet sich zurzeit in psychologischer Betreuung. Was die Tat letztendlich ausgelöst hat, bleibt rätselhaft, denn die Familie lebte in geordneten Verhältnissen. "Die Ermittler untersuchen, ob es im Umfeld Einflüsse gab, die die Verzweiflung der Frau verstärkt haben", sagt Ahlborn. Bis jetzt sei nur klar, dass sie psychische Probleme gehabt habe, wegen derer sie sich kurz nach Geburt ihrer Tochter auch vorübergehend in Behandlung begeben habe. "Offenbar ist sie über lange Zeit mit ihrer Rolle nicht klar gekommen."
Bei der Stadt hat man inzwischen mit "großer Erschütterung" reagiert, so Sozialbürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch. Leider habe sich die verzweifelte Mutter in jüngster Zeit nicht an das Jugendamt gewandt, um sich dort Hilfe zu holen. Direkt nach der Geburt hat sie das allerdings getan. "Die Familie hat im Jahr 2005 Kontakt mit uns aufgenommen", bestätigt Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle. Sie sei mit der neuen Situation nicht klargekommen. Nach vier Wochen habe man die Gespräche aber "mit einem positiven Abschluss" beendet. Die Familie habe gute Perspektiven besessen. Hätte die Mutter den Kontakt später wieder aufgenommen, könnte die Vierjährige jetzt vielleicht noch leben.
Jürgen Bock
15.12.2008 - aktualisiert: 15.12.2008 17:35 Uhr
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1900591