Jugendamt Bielefeld: Herausnahme von 2 Jungen bei Vater
Ostwestfalen-Lippe
Gericht nimmt alleinerziehendem Bielefelder die beiden Söhne weg
Von Christian Althoff Bielefeld (WB). Das Amtsgericht Bielefeld hat einem Vater seine beiden Söhne weggenommen. Dem Mann wird vorgeworfen, er fördere die geistig-seelische Entwicklung der Kinder nicht ausreichend und biete ihnen »keine harmonische, zuverlässige Umgebung«.
Bastian ist vier, sein Bruder Sven drei Jahre alt. Beide wuchsen zunächst bei ihrer Mutter auf, die aber einen unsteten Lebenswandel hatte. »Ich bin immer wieder eingesprungen, um mich um die beiden zu kümmern«, sagt Vater John R. (26), ein in Bielefeld lebender Amerikaner. Seinen Job als Bademeister im Spaßbad Ishara habe er aufgeben müssen, weil er in nur einem Jahr 161 Tage zu Hause auf seine Kinder aufgepasst habe. »Klar, dass das kein Arbeitgeber mitmacht.«
Im Juli 2006 hatte das Amtsgericht Bielefeld dem 26-Jährigen mit Zustimmung der Mutter das alleinige Sorgerecht für die Söhne zugesprochen. »Ich habe versucht, ein guter Vater zu sein«, sagt John R. Er sei mit den Kindern zu allen Vorsorgeuntersuchungen gegangen, habe ihre Kleidung gewaschen, habe täglich gekocht. »Sie haben jeden Morgen frisches Obst mit in den Kindergarten bekommen«, sagt der 26-Jährige, der von Arbeitslosengeld II lebt.
Allerdings war den Behörden im Zuge des Sorgerechtsverfahrens eine geistig-seelische Entwicklungsstörung vor allem des älteren Jungen aufgefallen. John R. beteuert, er habe alles versucht, um eine heilpädagogische Einrichtung für Bastian zu finden, doch sei die Zusage eines Kindergartens letztlich an der Kostenübernahmeerklärung des Jugendamtes gescheitert. Von Seiten des Gerichts heißt es dagegen, John R. habe die ursprünglich vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Jugendamt beendet und sich nicht um die notwendige Förderung seines älteren Sohnes gekümmert. Dieses angebliche Fehlverhalten schien dem Amtsgericht Bielefeld so gravierend, dass es dem Vater im Februar das Sorgerecht entzogen hat. In dem Beschluss heißt es, beiden Kindern drohten Sprachentwicklungsstörungen. Die Jungen seien auffällig und bedürften »dringend einer harmonischen Umgebung«. Diese habe der Vater nicht zur Verfügung stellen können. Das Gericht hielt den Vater für unzuverlässig. Es bestellte eine Diplom-Pädagogin der Bielefelder Praxisgemeinschaft »Lichtzeit« zum Vormund der Kinder. Diese Frau beantragte sechs Wochen später die Herausgabe der Jungen, weil sich der Vater einer vernünftigen Zusammenarbeit verschlossen habe und und ausfallend geworden sei.
Begleitet von Polizisten holte der Vormund die Jungen am 12. April ab und brachte sie getrennt in zwei Kurzzeit-Pflegefamilien unter. »Sie durften nicht einmal ihre Kuscheltiere mitnehmen«, erinnert sich John R. Auch Kleidung habe er seinen Kindern nicht mitgeben dürfen. »Mir wurde gesagt, das sei überflüssig, die beiden bekämen neue Sachen.«
Seit mehr als fünf Wochen hat John R. seine Kinder nun nicht mehr gesehen. »Ich weiß, dass sie in Herford leben, aber ich darf nicht zu ihnen - obwohl ich das immer wieder beantragt habe.« Er habe Bastian nicht einmal im Krankenhaus besuchen dürfen, als sich der Junge kürzlich einer urologischen OP unterziehen musste, sagt der Vater. »Ich wollte bei ihm sein, wenn er aus der Narkose aufwacht, aber das hat mir der Vormund verboten.«
John R. fürchtet, dass man ihm seine Kinder bewusst entfremdet: »Damit man irgendwann sagen kann, sie hätten keine Beziehung mehr zu ihrem Vater und müssten deshalb bei ihren Pflegeeltern bleiben.« Gegen die Entscheidung des Bielefelder Familiengerichts will John R. jetzt beim Oberlandesgericht Hamm Beschwerde einlegen. »Eine kleine Chance ist das auf jeden Fall«, sagt Rüdiger Meyer-Spellbrink, Geschäftsführer der Selbsthilfeorganisation »Väteraufbruch«. Das Wegnehmen von Kindern sei nun mal die härteste Maßnahme - für Kinder und Eltern. Deshalb habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Gerichte alle Alternativen sorgfältig zu prüfen hätten - Punkt für Punkt. »Und das tun sie nicht immer.«
»Mir fehlen die Kleinen jeden Tag. Am schlimmsten ist für mich die Vorstellung, dass die beiden getrennt untergebracht sind und außer mir offenbar niemand daran interessiert ist, diesen Zustand zu ändern«, sagt John R. verbittert. Übrigens: Da der Bielefelder von Arbeitslosengeld II lebt, muss die Allgemeinheit für die Vormundschafts- und Unterbringungskosten seiner beiden Kinder aufkommen - mit 5000 Euro pro Monat.
Kalender 22.05.2007
http://westfalen-blatt.de/nachrichten/regional/owl_rss_erg.php?id=6879