Frau wollte Ehemann erlösen: Zu Bewährungsstrafe verurteilt
Frau wollte Ehemann erlösen: Zu Bewährungsstrafe verurteilt
Ellwangen (ddp-bwb). Wegen eines Sterbehilfe-Versuchs an ihrem
Ehemann ist eine 49 Jahre alte Frau aus Bad Mergentheim am Dienstag
zu einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren verurteilt worden.
Das Landgericht Ellwangen sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte
im November vergangenen Jahres versucht hatte, ihren im Wachkoma
liegenden Ehemann zu ersticken. Das Gericht entsprach mit dem
Strafmaß dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte
lediglich gefordert, dass die verhängte Strafe zur Bewährung
ausgesetzt werden solle.
Das Urteil lautete auf versuchten Totschlag und Körperverletzung.
Die Frau gestand die Vorwürfe, bestritt aber einen Tatvorsatz. Ein
mitangeklagter, dem Komapatienten nahestehender 27 Jahre alter Mann
wurde wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Geldstrafe
verurteilt. Er verweigerte die Aussage.
Erlösung gesucht
Die Frau schilderte vor Gericht unter Tränen, sie habe ihrem Mann
mit einem feuchten Waschlappen den Mund abwischen wollen. Dann habe
sie gedacht «Ich helfe Dir jetzt» und habe dem Mann den Waschlappen
«auf den Mund gedrückt». Als Motiv gab sie seinen häufig geäußerten
Wunsch an, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten und ein
«Dahinvegetieren» zu verhindern.
Sie habe es als ihre Aufgabe gesehen, den an irreversiblen
Gehirnschäden leidenden Mann zu erlösen. Es habe sich um einen
spontanen Entschluss gehandelt, betonte die Frau. Nach Angaben der
49-Jährigen hob der Patient leicht den Kopf und öffnete die Augen.
Dieser Blick sei für sie ein Stoppsignal gewesen, sagte sie. «Das war
der Auslöser aufzuhören. Er hat mir gezeigt, dass er das alleine
macht», beschrieb sie. Der Mitangeklagte habe davon nichts
mitbekommen. Der junge Mann sei zwar im Raum gewesen, habe aber zum
Beten die Augen geschlossen gehabt.
Pfleger hat Vorgänge anders erlebt
Auch für die Vorsitzende Richterin war kein anderes Motiv
ersichtlich, als dass die Angeklagte dem Mann helfen wollte, mit dem
sie seit 2007 in zweiter Ehe verheiratet war. Schließlich starb
dieser zwei Tage nach der Tat im November 2008 an den Folgen der
Vorerkrankung.
Ein wenig anders als die Angeklagte schilderte ein Pfleger des
Krankenhauses die Tat. Er sei alarmiert worden durch einen Blick auf
den Monitor im Stationszentrum, der einen starken Abfall der
Sauerstoffsättigung gezeigt habe. Darum sei er ins Zimmer geeilt und
habe gesehen, wie die Angeklagte ihrem Mann den Mund zugehalten habe.
«Ich bin erschrocken und habe gesagt: So geht es aber nicht», gab
er seine erste Reaktion wieder. Daraufhin habe die 49-Jährige ihn
aufgefordert, das Zimmer zu verlassen. Er sei geschockt gewesen, weil
ihm Ähnliches in seinem Beruf noch nie passiert sei. Am nächsten Tag
habe er dann die Stationsleitung informiert.
Handlung der Frau offenbar ohne tödliche Folgen
Nach Aussage des für den Patienten zuständigen Oberarztes wurde
die Frau daraufhin in die Klinik bestellt. Dort habe sie gesagt, sie
wisse, dass es die Ärzte nicht tun dürften, darum habe sie es getan.
Das Personal sei angewiesen worden, keinen Angehörigen mehr alleine
in das Krankenzimmer zu lassen, sagte der Mediziner. Das Großhirn des
Patienten sei zu diesem Zeitpunkt aber bereits tot gewesen, die
Wahrscheinlichkeit des Überlebens «äußerst gering».
Er halte es für unwahrscheinlich, dass der spätere Tod des
Patienten etwas mit der Tat zu tun gehabt habe, sagte der Arzt. Der
Patient habe kurz nach dem Erstickungsversuch wieder den vorherigen
Gesundheitszustand erreicht und sei 48 Stunden später schließlich an
Atmungs- und Kreislaufversagen gestorben. Hahn betonte, dass nach
intensiver Befragung der Verwandten und des Hausarztes klar gewesen
sei, dass der Patient in diesem Zustand keine lebensverlängernden
Maßnahmen gewollt habe. Darum sei am Tattag umgestellt worden von
maximaler Intensivtherapie auf palliative Maßnahmen.
20.05.2009 Ta
http://www.e110.de/artikel/detail.cfm?pageid=67&id=95557