Ihre Mutter ist Engländerin? Benoit nickte als Reaktion auf Unitys Frage höflich, obwohl er soeben doch gerade erwähnt hatte, dass seine Mutter aus diesen nasskalten und regnerischen Land stammte. Die unnötige Frage war wohl nicht auf den Umstand zurück zu führen, dass Unity Benoits Worten keinen Glauben schenken konnte und eine neuerliche Bestätigung derer wollte (ungeachtet der Tatsache, dass Benoit, hätte er sie beim ersten Mal belogen sie auch ohne weiteres ein zweites Mal in die Irre führen könnte), sondern eher auf der Unsicherheit wie sie das Gespräch nun weiter führen sollte. Die hübsche Rothaarige schien nicht recht zu wissen was sie von der Geschichte halten sollte, denn sie begann nach einem geeigneten Aufhänger für einen weiterführenden Satz zu suchen. Benoit wäre ihr gern zu Hilfe gekommen, doch Unity schien dieser Umstand völlig zu entgehen. Ihre Mutter , begann sie und stockte. Etwas schien sie schwer zu beunruhigen, denn sie senkte den Blick und schloss sogar die Augen, als wäre ihr gerade etwas Schreckliches passiert. Für einen Moment hegte Benoit den Verdacht, dass ihr plötzlich übel geworden war. Sie sah jedenfalls für einen Augenblick sehr schlecht aus und schien mit sich zu kämpfen. Einen kurzen Moment lang war so etwas wie Sorge in Benoits Augen zu lesen, hielt er es doch nicht für ausgeschlossen, dass die junge Frau jeden Moment zusammen klappen würde. Heutzutage wusste man ja eh nicht mehr, wie man damit umgehen sollte, dass die Menschen immer dünner werden wollten und dabei völlig vergaßen, dass ihr Körper auf Nahrung angewiesen war. Auch Unity sah nicht wirklich so aus, als würde Essen zu ihren Lieblingsbeschäftigungen zählen. Und doch hatte Benoit ihre schlanke und zierliche Figur nicht als übertrieben dünn wahrgenommen und tat es noch immer nicht. Natürlich empfand auch er schlanke Frauen attraktiver als andere, besonders weil auch er nicht gerade von kräftiger Gestalt war und obwohl er kein oberflächlicher Mensch war, legte er dennoch Wert auf sein Äußeres. Dazu gehörte eben auch eine passende Frau an seiner Seite, mit der er optisch ein schönes Paar abgab und die nicht gerade so aussah als könnte sie ihn ohne Mühe im Armdrücken besiegen. Bevor er sich jedoch der Frage zuwenden konnte ob Unitys kurzes Zögern und ihr verwirrter Blick tatsächlich Besorgnis erregend war und er ihr irgendwie zu Hilfe eilen sollte, hatte sich die Betreffende auch schon wieder gefangen und beendete ihren Satz.
Ihre Mutter, vermisst sie die englische Heimat denn nicht? Noch völlig Versunken in seine Überlegungen über Unitys Gesundheitszustand, antwortete Benoit nur mit einem abwesenden Nein, ich denke nicht, wobei er sich dabei gar nicht einmal so sicher war. Seine Mutter sprach nicht besonders häufig über ihr Heimatland. Gwenog war durch und durch eine Frau, die im Hier und Jetzt lebte und sich nur ungern von den süßen Erinnerungen der Vergangenheit einfangen ließ. Manchmal erzählte sie nicht ohne Stolz von ihren Erfolgen als Kapitänin der Holyhead Harpies, doch da sie wusste, dass jede dieser Anekdoten einen kleinen Stich im Herz ihrer ältesten, und leider als Quidditchspielerin bisher erfolglosen, Tochter verursachten, waren diese Erzählungen sehr selten. Gwenog hatte in England keine engen lebenden Verwandten mehr: Ihre Eltern waren schon vor einigen Jahren verstorben und Geschwister hatte sie nie gehabt. Benoit war überzeugt davon, dass Gwenog ihre Familie als ihr Zuhause erachtete und in Frankreich rundum glücklich war, obwohl er nie eine derartige Aussage aus dem Mund seiner Mutter gehört hatte. Mit jeder Minute die Benoit in Gesellschaft der jungen Medimagiern verbrachte wurde seine Bild von ihr erneut über den Haufen geworfen und überarbeitet. Gerade noch war sie verwirrt vor ihm gesessen, hatte unnatürlich lange gebraucht bis sie ihren Satz zu Ende formulieren konnte und jetzt, wenige Augenblicke später, war sie so offen und flirtbereit, dass man es fast schon als kokett bezeichnen konnte. Sie warf ihren schlanken Arm in die Luft als wäre nichts gewesen und orderte von Madame Rosmerta eine Flasche Rotwein, die dieser Bestellung so motiviert nachging, als hätte sie seit Stunden nur darauf gewartet, diese Worte aus Unitys Mund zu hören. Als sie von seiner Tätigkeit als Duellierlehrer hörte, schien Unity beinahe erleichtert. Sie hatte sich ihn wahrscheinlich schon als verstaubten Bücherwurm ausgemalt, ohne zu wissen, dass Benoit alles andere als ein Freund des geschriebenen Wortes war. Umso schöner, dass ihr sein Beruf anscheinen zu gefallen schien. Zeigen sie mir ihren Zauberstab? Benoit hatte seine Hand schon in seine Tasche gesteckt, in der er seinen Zauberstab aufzubewahren pflegte, als er Unitys roten Kopf bemerkte und mit einem Mal die Zweideutigkeit ihres Satzes verstand. Er war es gewohnt häufiger über Zauberstäbe zu sprechen, immerhin waren sie für ein Duell elementar, sodass er zuerst gar nicht an etwas anderes gedacht hatte, als das schmale Stück Holz, nun konnte er jedoch nicht anders, als sich auch mit der zweiten Bedeutung dieses Wortes zu befassen. Auf sein Gesicht schlich sich ein wissendes Grinsen und er weidete sich einen Augenblick lang an Unitys Bestürzung und ihrer Scham. In diesem Moment wäre wohl jeder noch so aufrechte Mensch schadenfroh gewesen. Ich nehme mal an, Sie sind an diesem Zauberstab interessiert Er reichte ihr seinen Zauberstab hinüber, sodass sie ihn betrachten konnte, ohne jedoch Anstalten zu machen in ihr in die Hand zu geben. Sein Zauberstab war ihm das Wichtigste auf der Welt, natürlich nur was materielle Dinge betraf, und er gab ihn niemals aus der Hand, allein schon aus dem Grunde, da man ohne ihn völlig wehrlos war. Weißdorn, sagte er zur Erklärung und meinte damit die Holzart. Bevor er den Zauberstab wieder in die Tasche steckte, zauberte er unbemerkt ein neues Etikett für die Weinflasche. Schließlich hatte er kein Interesse daran ein ganzes Monatsgehalt oder noch mehr für eine einzelne Flasche Wein auszugeben. Zumindest laut Aufschrift war der Wein nun um einiges jünger und so auch für Benoit erschwinglich.
Benoit schenkte zuerst sich, dann Unity ein Glas Wein ein, schließlich hatte er zu Hause gelernt, dass man den Gast niemals den ersten Schluck gibt. Er schob Unity das Glas hinüber und dachte dabei daran, dass er Rotwein eigentlich gar nicht mochte. Während Benoit ein gelegentliches Glas Weißwein schätzte, stiegen ihm die schweren roten Tropfen viel zu schnell in den Kopf. Vielleicht hätte er gleich mit der kleinen Veränderung des Etiketts den Wein ändern sollen, aber dies wäre vermutlich viel zu auffällig gewesen. Benoit setzte ein Gesicht auf, als würde nichts seine Laune trüben können, er war sehr gut darin, und hob sein Glas. Auf die sympathischste Engländerin die mir je begegnet ist!, sagte er und lächelte Unity verschwörerisch zu. Er konnte nicht aufhören an den Zauberstab zu denken, es war einfach zu komisch. Unitys Entgegnung auf seine Frage, dass sie gerade in der Ausbildung zur Medimagiern war quittierte Benoit mit einem anerkennenden Nicken. Seine jüngste Schwester Anouk hatte auch einmal mit dem Gedanken gespielt Ärztin zu werden. Diesen Wunsch hatte sie jedoch schnell wieder aufgegeben, nicht zuletzt weil ihr Gwenog einfühlsam zu Verstehen gegeben hatte, dass dieser Beruf für einen leicht misantrophischen Menschen wie Anouk einer war, vielleicht nicht gerade das Richtige war. "Ja, Percy Weasley ist mein Vater, das ist doch auf den ersten Blick ersichtlich" Diese Neuigkeit erheiterte Benoit wenig. Er hatte den Schulleiter von Hogwarts bisher als eine selbstverliebte Plaudertasche erlebt, der in seinem Leben bisher kaum etwas erreicht hatte. Wie er Direktor von Hogwarts geworden war, war Benoit noch immer ein Rätsel, wobei Percys Regelverliebtheit ihm schon ein Begriff war. Seine Feinfühligkeit war nun wieder angebracht, denn Benoit wollte um jeden Preis verhindern, dass Unity etwas von seiner Geringschätzung ihrer Vaters erfuhr. Dies hätte sie bestimmt sehr gekränkt, denn aus ihren Augen waren begeisterte Funken gesprüht als sie den Namen ihres Vaters erwähnt hatte. Ich hatte schon das Vergnügen ihn kennen zu lernen, wenn auch nur kurz. Er scheint momentan sehr beschäftigt zu sein und Sie, sind ihm ja wie aus dem Gesicht geschnitten, sonst wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen eine Verwandtschaft zwischen ihm und Ihnen zu vermuten. Er lächelte freundlich und dachte dabei daran, dass es in Zukunft vielleicht etwas schwierig werden könnte mit der Tochter des Schulleiters auszugehen, sollte es denn dazu kommen.
30.06.2008
Wie er sie ansah. Unity konnte seinen Blick nicht recht deuten, obwohl ihr, dies sollte kaum verwundern, zahlreiche Erklärungsmöglichkeiten einfielen. Keine schien jedoch einen Sinn zu machen. Vielleicht hielt er sie für beschränkt oder einfältig, was sie ihm angesichts ihrer vorherigen Wortfindungs- und Ausdrucksschwierigkeiten auch kaum hätte übel nehmen können, doch die Art, mit der seine braunen Augen die sie sich noch immer nach Kräften bemühte, zu ignorieren auf ihrer zierlichen Gestalt ruhten, zeugte nicht von Ablehnung. Forschend, fragend, fast sogar ein wenig besorgt wirkte der Ausdruck, den sie und sie schaffte es beim besten Willen nicht länger, seine sanften Augen weiterhin zu umgehen in seinem Gesicht lesen konnte, was sie verwunderte und stutzig machte. Zum einen war da doch die Tatsache, dass es ihr für gewöhnlich überhaupt nicht lag, Menschen einzuschätzen. Zwar arbeitete sie in einem Beruf, der dies vielleicht nötig erscheinen ließ, doch Unitys Fähigkeiten, das äußere Erscheinungsbild eines Menschen zu bewerten, beschränkten sich tatsächlich nur auf die Unterscheidung, ob ihr Gegenüber krank oder gesund wirkte. Bestenfalls gelang es ihr noch, einzuordnen, was der kranken Person denn fehlte, doch Charakterzüge oder Gefühlsregungen, die sich doch in den Gesichtern der meisten Menschen unschwer erkennen ließen, blieben der jungen Medihexe weitestgehend verborgen. Woran lag es also, dass es ihr ausgerechnet bei einem Fremden gelang, dessen Mimik zu deuten und zu lesen? Nun, gesetzt dem Fall, sie läge überhaupt richtig mit ihren Vermutungen. Was hatte dieser Mann an sich, das ihr einen derart speziellen Zugang zu ihm verschaffte? Sie kannte Benoit eine knappe Stunde und fühlte sich mit ihm verbunden. Das war doch absurd. Sie, Unity Leandra Weasley, war eine Einzelkämpferin, sie legte größten Wert auf ihre Selbstständigkeit und darauf, sich von Anderen unabhängig entwickeln zu können. Ja, sie war froh, dass sie keine Geschwister hatte. Ja, sie fühlte sich besser ohne beste Freundin. Ja, sie war noch nie in ihrem jungen Leben verliebt gewesen. Man konnte auf so vieles verzichten, wenn man nur den einen Wunsch verfolgte, erfolgreich zu werden. Man musste egoistisch sein. Man musste alle Abende allein verbringen. Man musste damit leben, seine Mitmenschen nicht einschätzen zu können, weil man sie einfach nicht kannte und nie vorgehabt hatte, sich mit ihnen näher zu beschäftigen. Aber musste man zulassen, dass eine einzige Begegnung mit einem dahergelaufenen französischen Lehrer eine Welt ins Wanken brachte, die man sich aus Verzicht, Ehrgeiz und Egoismus aufgebaut hatte? Wie konnte dieser Mann die drei Säulen ihres Daseins ins Wanken bringen? Das durfte er nicht. Es lag an ihr selbst, an Unity, ihm dies nicht zu gestatten und es zu unterbinden. Verzicht. Ehrgeiz. Egoismus. Kein Platz für mehr. Doch wo blieb ihr Wille, zu verzichten, wenn sie doch in diesem Moment wiederholt in seinen unglaublichen Augen versank? Wo blieb der Ehrgeiz, eine gute Medimagierin zu werden, wenn sie doch beim Blick in seine Augen prompt vergessen konnte, wie man einen Furunkulus-Fluch behandelte? Ihr war also nur ihr Egoismus geblieben, ein Charakterzug, den viele wohl als negativ erachten mochten. Unity war gerne egoistisch, sie vertrat vehement die Ansicht, jeder solle sich selbst der Nächste sein. Natürlich freute sie sich, wenn ihre Cousins und Cousinen Erfolge feierten, wie es Claire heute tun durfte, doch im Zweifelsfall würde sie selbst ihren nächsten Familienmitgliedern einen Erfolg vergönnen, um ihn selbst davontragen zu können. Vielleicht war es gut, dass es zu einer derartigen Situation noch nie gekommen war, denn Unity würde sich zwar gegen ihre Familie, die sie zweifellos von Herzen liebte, stellen, doch sie würde es mit Sicherheit nicht gerne tun. Urplötzlich kehrte der zweite Grund in ihre Gedanken zurück, der sie daran hatte zweifeln lassen, dass Benoit sie besorgt anblickte. Warum sollte er das tun? Sich um andere zu sorgen war etwas, das Unity ferner lag als Asien. Wer es nicht schaffte, sich um sich selbst zu kümmern, der hatte eben Pech gehabt. Das erste und einzige Mal, dass sie sich tatsächlich aufopferungsvoll um andere Menschen gekümmert hatte, war nach dem Tod ihrer Onkel Ron und Harry und ihrer Tante Hermine gewesen. Ihre Cousins und Cousinen, sie hatten ihr, allem Egoismus zum Trotz, leid getan. Sie waren so jung, so unschuldig, so hilflos hatten sie ihre Eltern verloren. Doch ihre Gedanken schweiften ab, wie Unity merkte. Die Frage, warum Benoit sich um sie sorgen sollte, schien noch immer nicht beantwortet, wenn sie denn überhaupt von Belang war. Doch, auch wenn die Säulen ihrer Welt bedrohlich schwankten, es gefiel ihr, dass ein charmanter Mann sich um sie sorgte. Nicht etwa, weil sie der Ansicht war, man müsse auf sie aufpassen, nein, viel eher, weil, abgesehen von braunen Augen, die gewinnende Art eines Kavaliers das wohl einzige war, das ihr jugendliches, reines Herz zum Schmelzen bringen konnte. Schmelzende Herzen, werbende Kavaliere - dämliche, kitschige Ideen, mit denen Unity nichts zu tun haben wollte. Grimmig holte sie Luft und leerte den restlichen Kürbissaft in einem Zug, während sie sich erneut bemühte, ihre Gedanken zu ordnen, die doch noch immer viel zu wirr und konfus waren. Was wollte sie überhaupt? Und was wollte er? Was wollten sie voneinander? Sie war hier in Hogsmeade, um ihr praktisches Jahr zu beenden. Danach würden ihre abschließenden Prüfungen auf sie zukommen und sie wäre eine vollständig ausgebildete Medimagierin. Dieser Gedanke stimmte die hübsche rothaarige Hexe glücklich, die, von einem Schwall des Stolzes auf sich selbst erfüllt, kaum merklich ihre schmalen Schultern straffte. Ja, deswegen war sie hier. Was wollte sie von einem Mann? Männer hielten auf, Liebe machte verletzlich. So hatte sie es immer gesehen. Und so sollte es bleiben. Doch er verhielt sich wie ein Gentleman, hatte Haare, die dazu einluden, sie zu streicheln oder zu zerwuscheln, hatte ein Lächeln, das sie ansteckte und er hatte diese Augen, die Unitys persönlicher Meinung nach sofort verboten werden sollten. Fast trotzig hielt sie ihm stand, dem Blick in eben diese Augen, als wollte sie ihm, der doch von dem, was in ihr vorging, hoffentlich nichts ahnte, beweisen, dass sie nicht so leicht zu beeindrucken war.
Ja, sie wollte stark wirken, stark, überlegen und eloquent. Ihre Bitte, Benoit solle ihr seinen Zauberstab zeigen, unterstütze diesen Wunsch allerdings nicht, sondern entzog ihrer Souveränität in Windeseile jeglichen Boden. Ich nehme mal an, Sie sind an DIESEM Zauberstab interessiert grinste er, gezeichnet von leichter Schadenfreude und zückte den schmalen Holzstab, den Unity hatte sehen wollen. Er machte sich nicht lustig über sie, er war lediglich amüsiert, das war ihr nicht entgangen, doch es ärgerte sie dennoch. Natürlich meine ich DIESEN Zauberstab, haben sie etwa noch andere? schnappte sie, machte sich ihre zweifellos vorhandene Unschuld zu Nutzen und funkelte den Franzosen aus ihren wachen blauen Augen herausfordernd an. Falls sie allerdings tatsächlich noch andere Stäbe in ihrer Hose verstecken, sehe ich mir diese natürlich auch gerne an plapperte sie drauf los, eigentlich in der Absicht, ihn ein wenig zu necken. Doch sie hatte ihre Worte wieder schlecht gewählt, wie sie zu spät merkte. Sie war wohl der letzte Mensch auf der Welt, der Anspielungen und Zweideutigkeiten gezielt einsetzen würde, sie war, im wahrsten Sinne des Wortes, unschuldig und unverdorben, ihre Naivität in diesem Bereich war es vielleicht, die sie zu einer so guten Kandidatin für derartige Fehläußerungen machte. Souveränität. Nur das war jetzt wichtig. Vielleicht würde er es dann gar nicht erst merken, redete sie sich selbst gut zu. Weißdorn konstatierte sie fachmännisch, haargenau im gleichen Moment, in dem auch der Besitzer des Zauberstabes angab, um welches Holz es sich handelte. Ein Lächeln glitt über das hübsche, fein geschnittene Gesicht der Rothaarigen. Mit dem Interesse an Zauberstäben hatten sie etwas Gemeinsames entdeckt, etwas, das irgendwie verband, auch, wenn sie sich nicht sicher war, ob ihr dies gefiel. Besonders geeignet für Flüche nickte Unity und strich mit ihren kleinen, zierlichen Fingern sanft über das glatte Holz. Was hatte er mit diesem Zauberstab wohl schon alles getan? Was hatte er herbeigezaubert, wen hatte er verflucht? Könnten Zauberstäbe Geschichten erzählen... Walnuss beantwortete sie die nicht gestellte Frage, aus welchem Holz ihr eigener Stab gefertigt sei und beobachtete aufmerksam, wie Benoit das Etikett der Weinflasche, welche soeben von Madame Rosmerta an den Tisch gebracht worden war, mit einem Schwenk des Weißdornstabs änderte und den guten Tropfen somit um einige Jahre verjüngte, was die rothaarige Hexe mit einem wohlwollenden Lächeln quittierte. Sie legte Wert auf Regeln, ja, durchaus. Doch sie, die die Wirtin schon seit Jahren gut genug kannte, könnte nicht mit Sicherheit behaupten, dass das Etikett, welches die Flasche getragen hatte, als sie an den Tisch gebracht worden war, richtig und zutreffend gewesen war. Wahrscheinlich hatte Rosmerta einfach den Wein gewählt, der die meisten Umdrehungen hatte und der die stets etwas steif wirkende Unity schnellst möglich lockern würde. Diesem Wein hatte sie dann wohlmöglich einfach ein Etikett aufgezaubert, das Unitys Anforderungen gerecht wurde so etwas war der resoluten Wirtin zuzutrauen. Grund genug, einerseits darauf zu achten, nicht zu viel davon zu trinken und andererseits Benoit nicht zu rügen, das Etikett seinerseits geändert zu haben. Auf die sympathischste Engländerin die mir je begegnet ist! verkündete Benoit und hob das Glas, welches er zuvor mit Wein gefüllt hatte. Er wollte mit ihr anstoßen. Auf sie? Auf Unity? Meinte er damit wirklich sie? Wollte er sich über sie lustig machen? Es schmeichelte ihr, keine Frage. Doch sie wollte nicht wieder dumm und naiv agieren, indem sie es vielleicht ungerechtfertigter Weise auf sich selbst bezog. Doch nachzufragen wäre wohl noch weitaus dämlicher, so viel war klar. Also ließ sie es zu, dieses strahlende Lächeln, das sich schon seit einigen Momenten auf ihr Gesicht zu drängen versuchte, sie ließ zu, dass ihre vollen Lippen ihre makellosen weißen Zähne entblößten, sie zeigte das kleine Grübchen in ihrer linken Wange und ihre großen blauen Augen verengten sich in diesem Lächeln ein wenig und wurden umgeben von einigen sympathischen Lachfältchen. Das ganze hübsche Gesicht der jungen Medihexe strahlte und leuchtete, als sie nun auch ihr Glas hob, und es mit einem leisen Klirren gegen das von Benoit schlagen ließ. Nun, dann trinken wir aber bitte auch auf den sympathischsten Franzosen, der mir je begegnet ist... verlangte sie, ungewöhnlich offen, bevor sie das Glas an ihre Lippen setzte und einen ersten vorsichtigen Schluck des Weines nahm, der vorsichtig von Frankreich träumte ...mit den wohl unglaublichsten braunen Augen, die ich, ob nun in England oder sonst wo, jemals gesehen habe schloss sie, in der Hoffnung, dass diese Augen ihre Wirkung auf sie vielleicht verlieren würden, wenn sie nun offen damit umging, dass diese ihr gefielen. Sie musste sich dessen nicht schämen. Was hatte dies denn schon zu bedeuten? Er hatte doch immerhin auch gesagt, dass er sie hübsch fand. Das hieß doch rein gar nichts.
Über ihr Glas hinweg behielt sie Benoit im Auge, während der Wein sie sanft von innen wärmte, und schenkte ihm ein verschwörerisches Lächeln. Ein ungewöhnlicher Abend, ja. Ein ungewöhnlich schöner Abend. Nun, da die Sprache auch noch auf ihren über alles geliebten Vater kam, schien für Unity alles perfekt zu sein. Ich hatte schon das Vergnügen ihn kennen zu lernen, wenn auch nur kurz. Er scheint momentan sehr beschäftigt zu sein und Sie, sind ihm ja wie aus dem Gesicht geschnitten, sonst wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen eine Verwandtschaft zwischen ihm und Ihnen zu vermuten. erklärte Benoit charmant, während Unity sich unweigerlich sofort durch das lockige rote Haar fuhr und sich eine Strähne dessen um den Finger zwirbelte. Ja, da haben sie wohl Recht lächelte sie gedankenverloren Das sind eindeutig Weasley Haare. Ich kann meine Familienzugehörigkeit nicht leugnen, selbst, wenn ich dies denn wollen würde. Kurz dachte Unity an ihren Onkel Ron, der ebenso rote Haare gehabt hatte, wie ihr Vater und wie auch sie selbst. Mit einem leichten Kopfschütteln schob sie diese Gedanken beiseite. Sie gehörten hier nicht hin.
16.07.2008
Benoit fühlte sich wie ein Seiltänzer. Jedes Wort das er an die hübsche Rothaarige richtete konnte einen Schritt neben das Seil bedeuten. Und darunter wartete kein Sicherheitsnetz auf ihn. Warum es ihm so wichtig war vor Unity gut dazustehen konnte er sich selbst nicht erklären. Natürlich war er immer darum bemüht, das Bild eines selbstbewussten, klugen und starken Mannes zu verkörpern, aber wenn er jemanden nicht mochte oder ihn einfach unsympathisch fand scherte er sich einen Dreck um dessen Meinung. Aber Unity wollte er gefallen. Dabei war sie nicht einmal der Typ Frau der ihm sonst ins Auge stach. Nicht, dass Benoit sich auf ein bestimmtes Frauenbild fixiert hätte; trotzdem hatten ihm bisher die kurvigen Brünetten am meisten angezogen. Unglücklicherweise hatte er jedoch mehr als einmal einsehen müssen, dass ausgerechnet diese ihm oft an Geisteskraft und innerer Stärke weit überlegen waren. Unity war jedoch anders. Ihre schlanke Figur ließ sie zerbrechlich wirken, als könnte sie ein schwacher Luftzug sie umwehen und dennoch trug sie ihre kindliche Stupsnase so hoch, als hätte sie das Wissen der Welt mit dem Löffel gegessen und als könne nicht einmal Voldemort persönlich ihr etwas anhaben. In der kurzen Zeit die sie nun zusammen verbracht hatten, hatte Unity ihn ignoriert, vehement in seine Schranken gewiesen, sich als unabhängige Frau erwiesen und dann wieder mit einer Verletzbarkeit und Naivität überrascht, die bei einer erwachsenen Frau seltsam fehl am Platz wirkten. Dieser Mischung konnte Benoit jedoch nicht widerstehen. Er sah in Unitys warme braune Augen und konnte sich nicht vorstellen, sie nie wieder zu sehen. Er wollte sie als gute Bekannte, Freundin, Partnerin? Nein, das war dann doch zu viel. Sie waren sich ja gar nicht ähnlich und außerdem fühlte Benoit keine Schmetterlinge in seinem Bauch, die er doch eigentlich fühlen sollte, oder nicht? Das Einzige das Benoit fühlte, war dieses komische Gefühl in seinem Kopf, das er ganz klar dem Glas Wein, das er eben getrunken hatte, zuordnen konnte. Natürlich war er nicht betrunken. Von einem Glas Wein konnte man sich doch noch gar nicht schwummrig fühlen und trotzdem mahnte Benoits Körper ihn unsanft daran, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte und der Schlaf der vergangenen Nacht nicht ausreichend gewesen war. Er sollte das nächste Glas Wein vielleicht sehr langsam trinken. Schließlich wollte er sich nicht blamieren, vor keinem, schon gar nicht vor ihr. Noch ging es ihm jedoch gut und er überhörte es nicht, als Unity eine Aussage fallen ließ, die in ihrer Doppeldeutigkeit kaum zu überbieten war.
Falls sie allerdings tatsächlich noch andere Stäbe in ihrer Hose verstecken, sehe ich mir diese natürlich auch gerne an Einen Augenblick lang war Benoit unfähig etwas zu sagen. Er brauchte eine Weile bis er diese Worte verdaut hatte und sich darüber im Klaren war ob sich Unity über ihn lustig machte indem sie ihm, über die Unverfrorenheit ihrer Antwort sehr wohl Bescheid wissend, nur die Unschuldige vorspielte, oder ob ihr Geist wirklich derart unverdorben war, dass sie sich nicht einmal der sexuellen Anspielungen bewusst war, die ihr so leicht über die Lippen kamen. Bevor Benoit sich zu einem Entschluss durchrang wog er vorsichtig beide Möglichkeiten ab und entschied sich dann, Unity das unbeholfene etwas tollpatische Mädchen abzukaufen und als er sich zu dieser Entscheidung endlich durchgerungen hatte fand er ihre kindliche Naivität plötzlich überaus anziehend und liebenswürdig. Fast schon drängte sich in ihm das Bedürfnis an die Oberfläche, sie an der Hand zu nehmen um ihr zu zeigen wie die Welt wirklich war und Zauberstäbe das war doch wirklich ein recht reizloses Unterhaltungsthema. Egal um welche Stäbe es sich auch handeln mochte. Er wollte das Thema nun recht schnell wechseln um Unity nicht noch in ein weiteres Fettnäpfchen tappen zu lassen und außerdem wollte er endlich den Gedanken an Zauberstäben in seiner Hose vergessen. Unity schien es aber sehr wichtig zu sein, darum verharrte sie bei dem Thema und bekam gar nicht mit, dass Benoit andauernd irgendwelche unanständigen Dinge in seinem Kopf herumspukten, die er endlich, endlich loswerden musste. Er konnte doch nicht an Zauberstäbe denken, wenn Unity gerade mit ihm über die Eigenschaften von Weißdorn sprach, überhaupt wenn er mit Unity sprach. Falls sie allerdings tatsächlich noch andere Stäbe in ihrer Hose verstecken, sehe ich mir diese natürlich auch gerne an Das war ja doch wirklich zum Haare ausraufen. Der Gedanke musste einfach WEG! Besonders geeignet für Flüche Für einen Duellierlehrer ist das durchaus ein Vorteil., entgegnete Benoit als er seinen Zauberstab wieder zurück in seine Umhangtasche steckte und lächelte dabei, aber ganz wohl fühlte er sich noch immer nicht. Was war nur heute mit ihm los? Es hatte doch alles ganz harmlos angefangen wie immer eigentlich und plötzlich lief alles irgendwie chaotisch ab und begann sich langsam Benoits Einfluss zu entziehen. Nun, dann trinken wir aber bitte auch auf den sympathischsten Franzosen, der mir je begegnet ist... mit den wohl unglaublichsten braunen Augen, die ich, ob nun in England oder sonst wo, jemals gesehen habe Einen Herzschlag lang blickte Benoit Unity ungläubig ins Gesicht. Er hätte niemals erwartet, dass ihm die junge Frau ein Kompliment so schlagfertig und selbstbewusst erwidern konnte. Natürlich freute er sich darüber und so schlich sich nach dem anfänglich erstaunten Gesicht ein bescheidenes Grinsen auf sein Gesicht. Die Gene , sagte er und lachte um den letzten Rest an Beschämung abzustreifen. Er hörte nicht oft, dass jemand etwas an ihm schön fand. In Beauxbaton zählte er zu den eher beliebten Lehrern, was bestimmt nicht auf einen fehlerfreien und besonders zugänglichen Charakter zurück zu führen war, sondern eher auf die Tatsache, dass manche Schülerinnen ihn doch ganz gern anhimmelten. Aber was nützte ihm das schon? Er dachte nicht daran seine Anstellung wegen eines Flirts mit einer Schülerin aufs Spiel zu setzen. Früher hätte ihn so etwas vielleicht gefährden können, aber mittlerweile war er 27 Jahre alt. Schülerinnen konnten seinen Ansprüchen längst nicht mehr genügen. Umso schöner war es, dass Unity sich von ihm angezogen fühlte. Es tat gut zu wissen, dass die Zuneigung nicht auf Einseitigkeit beruhte und es vermittelte Benoit das Gefühl, dass seine Empfindungen nicht ganz so unerklärlich und übertrieben waren wie er sie selbst einschätzen würde. Er nahm einen kleinen Schluck aus seinem Glas und stellte es dann wieder zurück auf den Tisch. Eine Weile lang blieb sein Blick auf dem Fuß des Glases haften. Benoit versuchte seine Gedanken zu sortieren. Der Zauberstab Unity ihre Haare seine Augen auf ihrem Gesicht alles war irgendwie seltsam und dann kam noch dieser leichte Schwindel in seinem Kopf hinzu, den ein Außenstehender unmöglich bemerken konnte. Keine von Benoits Handlungen noch sein verwirrter Blick ließen darauf schließen, dass Benoit sich nicht mehr ganz so wohl fühlte. Er war nur etwas verunsichert. Plötzlich und unerwartet. Ein Gedanke schleicht sich in seinen Kopf. Bald muss er nach Hogwarts zurück kehren, sich ausruhen, schlafen. Morgen wartete wieder ein langer Arbeitstag auf ihn. Und Unity wollte er wieder sehen würde er wieder sehen. Bestimmt. Einen kurzen Moment lang kam der Wunsch in ihm auf sich heute Abend von Unity nicht verabschieden zu müssen, dann verschwand er wieder und Benoit schalt sich einen Narren weil er es zugelassen hatte auch nur eine Sekunde lang Unity in einem dieser Wunschträume gehalten zu hatten, die sie in eine Lage brachte, die nicht zu ihrem naiven Wesen passte. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Hatte er es wirklich gewagt sich vorzustellen, sein dunkles und ungemütlich kahles Zimmer heute nicht allein zu betreten? Es war furchtbar! Als ob sich Unity wirklich zu so etwas herablassen würde. Das passt nicht zu ihr, so sollte sie nicht sein. Und Benoit sollte endlich aufhören tausend Schritte auf einmal machen zu wollen. Ein Seiltänzer hüpft doch auch nicht von einem Podest zum nächsten ohne auch nur einen Fuß auf das Seil gesetzt zu haben. Beinahe hätte sich Benoit entschuldigt für etwas was er nicht ausgesprochen, sondern nur gedacht hatte. Aber dies hätte die arme Unity gewiss noch viel mehr verwirrt. Und dann kam das Gespräch wieder zurück auf Percy Weasley, den Schulrektor dem soviel an seinem Ansehen lag, dass er fast schon lächerlich wirkte. Wie hatte Benoit diese Tatsache nur vergessen können? Unity war nicht irgendeine ungewöhnliche Frau. Sie war Percys Tochter und als solche musste sie mit wesentlich größerer Vorsicht behandelt werden als jede andere Frau. Er durfte sich keinen Fehltritt erlauben, denn eine unbestimmte Ahnung sagte ihm, dass Percy dies in jedem Fall erfahren würde und dann hätte er bestimmt keine besonders erfreuliche Zeit mehr in Hogwarts. Aber warum dachte er das eigentlich alles? Es war so unnötig sich tausend Gedanken über etwas zu machen, dass gar nicht passieren würde oder in so ferner Zukunft lag. Zukunft. Schon wieder dachte er so einen Blödsinn. Gleich würde er sich noch Gedanken um den Namen ihres ersten Kindes machen! Daran war nur der Alkohol schuld. Ganz bestimmt sogar. Normalerweise war Benoit ganz anders völlig anders. Haben Sie denn Geschwister?, fragte Benoit um ganz schnell ein weiteres unverfängliches Gesprächsthema anzuschneiden. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass die meisten jungen Frauen gerne über ihre Geschwister sprachen und da Unity außergewöhnlich schwärmerisch von ihrem Vater zu berichten pflegte, musste sie wohl auch gern über den Rest ihrer Familie sprechen. Aber auch Benoit sprach ganz gern über seine Familie, wenn er von der richtigen Person danach gefragt wurde. Es kam eben ganz auf die Gelegenheit an.
17.07.2008
Unity war abwesend. Nicht körperlich, nein, nur ihr Geist war es, der sich ganz untypisch für sie für einen Moment nicht hier befand, nicht in Hogsmeade, nicht in den Drei Besen, nicht an diesem rustikalen Holztisch. Ihre blauen Augen ruhten auf ihrem nur noch weniger als halbvollen Weinglas, dessen Inhalt durch eine Kerze, wie sie auf jedem Tisch um diese Uhrzeit als einzige Lichtquelle diente, verführerisch in einem sanften Rot leuchtete, während ihre Gedanken abdrifteten. Sie dachte über ihre Familie nach, was vielleicht daran lag, dass es damals auf Granny Mollys Geburtstag gewesen war, den der gesamte Weasley-Clan stets in einem großen Sommerfest im Garten des Fuchsbaus zu feiern gepflegt hatte, als sie zum ersten Mal in ihrem jungen Leben Wein getrunken hatte. Sie war sechzehn gewesen, doch kein typischer Teenager. Alles an ihr war so anders gewesen, als es bei anderen Mädchen in ihrem Alter war. Sie war belesener, wissbegieriger und klüger. Vor allem war sie jedoch einsamer. Nicht aber an diesem Tag im Kreise ihrer Familie. Alle waren da gewesen, um Molly, dem erklärten Familienoberhaupt, zum Geburtstag zu gratulieren, alle Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Es erschien Unity so unwirklich, sich heute, sechs Jahre später, an jenen glücklichen Tag zu erinnern, an dem Harry ausgelassen mit seinen Kindern und seinen Nichten und Neffen im Garten getobt hatte und an dem ihr Onkel Ron es gewesen war, der ihr, Unity, ein Glas Wein eingeschenkt hatte und ihr augenzwinkernd versichert hatte, es ihre Eltern nicht wissen zu lassen. Die Sonne hatte geschienen. Sie schien noch heute an jedem Geburtstag ihrer Großmutter. Doch sie feierten ihn nicht mehr, nicht mehr so, wie sie es früher getan hatten. Es fehlten drei Leute, nicht nur am Tisch, sondern auch und vor allem in ihren Herzen. Die rothaarige Hexe wusste nicht, warum, sie plötzlich so sentimental, ja, fast schon rührselig wurde. Es passte nicht zu ihr und sie konnte es nicht leiden. Dinge, die passiert waren, musste man akzeptieren und sich mit ihnen arrangieren. Der Tod war zweifellos ein grausamer Begleiter, doch er gehörte zum Leben dazu, das wusste sie, als angehende Medihexe, doch nur zu gut. Wo Licht hinfiel, da war auch Schatten. Sie hatte nie zugegeben, dass der Tod von Harry und Hermine, besonders aber der Tod von Ron, sie traurig gemacht hatte. Sie hatte ihn stets zu ihrem eigenen Vorteil verwendet, als einen weiteren Grund, dunkle Magie zu hassen. Doch sie hatte nie gelitten. Sie würde es auch jetzt nicht tun. Wein machte gefühlsduselig, das war ja wohl bekannt. Jener schreckliche Tag, an dem die drei verstorben waren, war mittlerweile drei Jahre her da würde sie doch nicht heute damit beginnen, darüber zu weinen. Unity löste ihren Blick von dem vor ihr stehenden Weinglas und nutzte diese kurze Geste, um ihre Gedanken hinter sich zu lassen. Diese völlig abschütteln wollend leerte sie den restlichen Wein in einem Zug und blickte Benoit erst wieder an, als sie das Glas wieder zurück auf den Tisch stellte. Auffordernd schaute sie dann zunächst dem Franzosen in die Augen, die sie in diesem winzigen Moment kalt liessen, und dann auf die zwischen ihnen beiden stehende Weinflasche, womit sie ihm wohl mehr als deutlich zeigte, was nun ihrer Meinung nach seine Aufgabe war. Vielleicht war es falsch. Vielleicht sollte sie nicht mehr Wein trinken. Dieser stieg ihr doch schon jetzt zu Kopf, was zweifellos daran lag, dass sie den Genuss von Alkohol nicht gewöhnt war. Ihre Eltern tranken beide nicht, selbst zu festlichen Anlässen hatte es bei ihnen stets lediglich Kürbissaft gegeben bis heute Unity erklärtes Lieblingsgetränk. Ihre Studienkollegen in London gingen dort zwar gerne ins Pub, doch Unity hatte sich bislang nur einmal dazu durchringen können, sie zu begleiten. Unnötig zu erwähnen, dass sie sich nicht wohl gefühlt hatte. Und vielleicht umso verwunderlicher, dass sie es jetzt tat. Der Wein. Und die an diesem Abend schon so oft zum Zwecke der Erklärung herangezogene Müdigkeit. Ja, es fühlte sich besser an, wenn man eine Ausrede hatte. Eine Rechtfertigung für all die seltsamen Gedanken und Gefühle, die ihren Kopf und ihr Herz derzeit Achterbahn fahren liessen. Natürlich würde sie sich später über ihren Kontrollverlust ärgern, doch zumindest würde sie ihn auch erklären können. Das machte es natürlich nicht wirklich besser, doch für den Moment reichte es ihr, um sich nicht weiterhin selbst zu schelten für das, was sie dachte und empfand. Mutig hob sie den Blick und heftete ihn auf Benoits markantes Gesicht. Er war nicht auf herkömmliche Art schön doch das hätte sie wohl auch eher langweilig gefunden. Unity hatte sich nie für Schönlinge interessiert. Nun, sie hatte sich generell nie für Männer interessiert, doch diejenigen, die der Meinung waren, jede Frau haben zu können, waren ihr besonders zuwider gewesen, während alle anderen den Augen der rothaarigen Hexe schlichtweg egal waren und keine Rolle spielten. Sie kannte Benoit nicht. Vielleicht war er ein Frauenheld par excellence, der schlimmste von allen. Doch gerade jetzt spielte dies ausnahmsweise einmal keine Rolle für die hübsche junge Frau. Sie würde jetzt keine Vermutungen über sein Liebesleben anstellen. Sie würde sich nicht erneut der Lächerlichkeit preisgeben. Sie wollte doch bloß hier sitzen, mit ihm, seine Nähe, die ihr so angenehm vertraut war, genießen und ihn betrachten. In seinen braunen Augen versinken und es am nächsten Tag auf den Wein schieben. Einfach mal unvernünftig sein, auch, wenn sie kaum wusste, wie dies ging. Wieder dachte sie an ihre Familientreffen und unweigerlich sah sie Benoit mit am Tisch sitzen. Er lächelte dieses charmante, leicht spitzbübische Lächeln, das sie an diesem Abend immer wieder, so weit sie sich davon auch hatte entfernen wollen, in seinen Bann gezogen hatte und saß neben ihr, gegenüber ihrer Großmutter. Es war ein Bild so perfekt wie falsch. Und sie betrachtete es voller Sehnsucht und Zweifel.
Ihr leidiger Versprecher, in dem sie sich weitaus zweideutiger geäußert hatte, als es ihre Absicht gewesen war, schien noch immer im Raum zu hängen, doch Benoit machte, was ihn in Unity Achtung steigen ließ, keine großen Worte mehr darum. Er hielt das Gespräch auf einem normalen, anständigen Niveau und erklärte, dass ein aus Weißdorn gefertigter Zauberstab wie der seine dadurch, dass er für Flüche besonders gut geeignet war, für ihn als Duellierlehrer von Vorteil war, was für die junge Medihexe durchaus Sinn ergab. Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht seinem Oberkörper hinab und kam schließlich auf seiner rechten Hand zum ruhen, die auf dem Tisch lag. Es war die Hand eines filigranen Magiers sie hätte, wenn sie diese schon vorher betrachtet hätte, erahnen können, dass er sich wohl mit Duellieren oder Zauberkunst beschäftigte. Vielen erschien dies vielleicht seltsam, doch Unity war der Ansicht, dass man an der Hand eines Zauberers zu erkennen vermochte, wie dieser sein wichtigstes Werkzeug den vielerwähnten Zauberstab zu nutzen wusste. Liebe auf den ersten Blick. Magische Anziehungskraft zwischen zwei Menschen. Sie hatte dies immer für Blödsinn gehalten. Nein, sie hielt es noch für Blödsinn, berichtigte sie sich rasch selbst. Aber was war es denn dann, dass ihre eigene, sehr kleine, weiche und zierliche Hand zu der seinen zog? Vorsichtig legte sie ihre Fingerkuppen auf sein Handgelenk und fuhr dann mit einer Langsamkeit, die an Zeitlupengeschwindigkeit grenzen mochte, die Hand des Mannes entlang, bis hin zu seinen Fingerspitzen. Ossa carpi, Ossa metacarpalia, Phalanx proximalis, Phalanx media, Phalanx distalis. Die Mittelhandknochen. Ein sanftes, verträumtes Lächeln glitt über ihr hübsches Gesicht. Sie haben perfekte Zaubererhände. Sie sind ein Taktiker, ihr Leitspruch: erst Denken, dann Zaubern. Duelle entscheidet der Klügere, der Schnellere, nicht der Stärkere. Nicht wahr? fragte sie mit einem fast schon entschuldigenden Schmunzeln, während ihre Hand knapp neben seiner wieder zum Liegen kam, ohne diese jedoch weiter zu berühren. Und der Grund für jene Berührung eben war doch bloß medizinische Neugierde gewesen, beruhigte sie sich, sie hatte sich ein Bild von der Länge und der Ausprägung seiner Knochen machen wollen, nicht mehr und nicht weniger. Zuneigung? Vielleicht, ja. Aber diese hatte damit doch nichts zu tun. Nein, nein, es waren ganz andere Beweggründe gewesen. Sie musste es nur selbst glauben. Dann würde er es auch tun. Oder? Natürlich wird er das NICHT glauben, schalt sie sich selbst. Sie erzählte ihm, dass er sympathisch sei, dass er schöne Augen habe und sie streichelte seine Hand. Es war doch völlig klar, dass er sie für ein dummes, kleines Mädchen halten musste. Sie selbst würde wahrscheinlich genau das über ihr eigenes Verhalten denken, wenn sie es denn von ausserhalb betrachtet hätte. Der Wein, erinnerte sie sich, der Wein und die Müdigkeit. Beides war nicht zu unterschätzen. Doch auch der Charme dieses Franzosen war nicht zu unterschätzen. Und dessen Wirkung auf sie war wohl weit größer als die des Weins Unwillig löste sie ihren Blick von Benoit und sah aus dem Fenster. Die Nacht war angebrochen und sie wusste, dass ihr Vater nicht ins Bett gehen würde, bevor sie sicher daheim angekommen war. So war er einfach, stets voller Sorge um seine Tochter, die doch ein wohl noch größerer Kontrollfreak war als er selbst. Doch sie wollte noch nicht gehen, nein, nicht heute, nicht jetzt. Vielleicht würde sie ihn nicht wieder sehen, ein Gedanke, der ihr einen kleinen Stich versetzte. Oder sie würden einander vielleicht mal auf dem Turnierplatz sehen und sich gegenseitig zulächeln wie Fremde, was wahrscheinlich noch schlimmer für sie wäre. Der Abend sollte nicht vorbei gehen. Am nächsten Tag, der noch früh genug kommen würde, würde sie sich mit ihrem Verhalten auseinandersetzen müssen, sie würde sich selber verachten für die Art und Weise, wie sie sich verhalten hatte, das wusste sie auch schon jetzt. Doch noch war es nicht soweit. Noch war es Nacht und sie hatte Wein getrunken und sie saß hier mit diesem Mann, der sie hilflos machte. Und gerade jetzt in diesem Moment wollte sie es zulassen, sie wollte ihre Zeit genießen, die wohl erste Zeit in ihrem Leben, in der sie unbeschwert war. Geschwister? wiederholte sie, als Benoits Frage sie urplötzlich aus ihren Gedanken riss. Nein, ich habe keine Geschwister, meine Eltern sind beide berufstätig und in ihren Berufen sehr eingespannt, deswegen bin ich Einzelkind wiederholte sie die Erklärung, die ihre Mutter Granny Molly stets gegeben hatte, wenn diese nach weiterem Nachwuchs gefragt hatte. Aber dafür habe ich eine ganze Handvoll Cousinen und Cousins, unsere Familie ist groß erklärte sie offen und lächelte leicht. Wie sieht es in ihrer Familie aus? wollte sie wissen, während sich schon wieder das Bild vor ihr inneres Auge schob, welches Benoit im Kreise ihrer Familie zeigte. Sie musste doch betrunken sein, konstatierte sie und wischte das Trugbild beiseite.
21.07.2008
Völlig unerwartet für Benoit, der es eben geschafft hatte alle verlangenden Gedanken zu verdrängen und glaubte nun wieder ungefährliches Terrain erreicht zu haben, legte Unity ihre Fingerspitzen sanft auf Benoits Hand und fuhr langsam seine Hand hinunter, als wollte sie jeden seiner Knochen einzeln durch seine glatte, elfenbeinweiße Haut spüren. Wie in Zeitlupe bewegte sie ihre Finger weiter über seinen Handrücken und schien dabei ganz vertieft an etwas zu denken. Lautlos formten ihre Lippen Wörter die Benoit nicht verstand, dann war auf ihrem Gesicht plötzlich ein zufriedenes und entspanntes Lächeln zu sehen. Benoit wusste nicht wie ihm geschah. Wohlige Schauer rannten seinen Rücken hinunter und er betrachtete seine Hand und konnte sein Glück nicht fassen. Zu schnell hatten Unitys Fingerspitzen die seinen berührt und als sie gerade ihre Hand zurück ziehen wollte folgte Benoit einem spontanen, nicht aufzuhaltenden Impuls, lehnte sich über den harten dunklen Holztisch, umfasste Unitys Gesicht mit beiden Händen und küsste sie lang und zärtlich auf den Mund. Als ihre Lippen sich trafen vergaß Benoit alles um sich herum. Die Tischkante bohrte sich unsanft zwischen seine Rippen und sein Haar war der Lampe an der Decke so nah, dass man befürchten konnte sie würde an der Glühbirne Feuer fangen. Aber was zählte das schon in diesem Augenblick, da er fühlte, dass Unity seinen Kuss erwiderte und ihre Hände langsam und tastend nach Benoit ausstreckte. Wenn man Glück mit einem Augenblick beschreiben konnte, dann war es dieser und er sollte nie enden
Schnell zog Benoit seine Hand zurück und lächelte Unity freundlich zu um die Schmach, dass er ihre zärtliche Geste anscheinend nicht zu schätzen wusste und nicht angemessen darauf reagierte gering zu halten. Er wusste selbst nicht, warum er seine Hände jetzt unter dem Tisch verborgen hielt, so als wollte er sie vor einer weiteren Berührung schützen. Dabei hatte es ihm doch gefallen, als Unitys Finger kurz auf seiner Haut geruht hatten. Aber der Wunschtraum, den er kurz danach gesehen hatte, der durfte nicht Wirklichkeit werden. Heute nicht, morgen nicht. Vielleicht irgendwann in ein paar Wochen. Unity gefiel ihm, ohne Frage. Sehr sogar. Jede Minute ein wenig mehr. Er mochte ihr verschmitztes Lächeln, ihre leicht aufbrausende Art wenn man sie unterschätzte und den wunderschönen Blick in allen Facetten, von denen er noch nicht einmal einen nennenswerten Bruchteil gesehen hatte. Er wollte alle sehen, oder wenigstens möglich viele. Wahrscheinlich war es gar nicht möglich alle zu sehen. Am meisten gefiel ihm jedoch ihre Naivität. Sie spielte keine Erfahrenheit vor, wo keine war (und wenn sie es doch tat, war sie nicht wirklich erfolgreich). Benoit hasste es, wenn seine 17-jährigen Schülerinnen so taten als wüssten sie schon alles und wären erwachsen. Wer wollte schon erwachsen sein? Es war nichts Besonderes dabei sich selbst um das Essen in seinem Kühlschrank selbst zu kaufen und sich Gedanken darüber zu machen, ob man die Stromrechnung schon eingezahlt hatte oder nicht. Früher hatte Benoit sich vorgenommen immer Kind bleiben zu wollen. Er war sieben als er diesen Entschluss gefasst hatte und obwohl er niemals so spießig und konservativ sein wollte wie sein Vater, der sich nur für seine Familie, Quidditch und seine Wertanlagen interessierte, musste er sich mit 27 eingestehen, dass er auf dem besten Weg war ein zweiter Achille zu werden. Ein Kind zu bleiben war schwerer als er gedacht hatte. Er hatte Unity nicht gefragt wie alt sie war. (Durfte man eine Frau überhaupt nach ihrem Alter fragen?) Trotzdem war er sich sicher, dass sie ein paar Jahre jünger als er war. Zumindest war er sicher, dass er keine Schülerin vor sich hatte. DAS wäre wirklich außerordentlich peinlich gewesen. Obwohl er noch nichts anderes gemacht hatte, als sich mit ihr zu unterhalten hatte er schon jetzt das Gefühl irgendeinen negativen Einfluss auf die Weasley-Tochter gemacht zu haben. Sein eigener Charakter war einfach zu verdreht und dunkel, als ob er auf jemanden in seiner Gesellschaft keine schlechten Auswirkungen haben könnte. Unity sollte dieses Schicksal erspart bleiben. Sie wollte weiterhin so abweisend uns spröde zu Fremden sein, so konnte sie sie selbst bleiben. Ganz so selbstlos wie er sein wollte war Benoit jedoch nicht. Die logische Schlussfolgerung aus seinen Gedanken und der Überzeugung ihr moralisch irgendwie zu schaden, wäre gewesen Unity ganz fallen zu lassen. Dazu war er allerdings viel zu egoistisch. Abgesehen von seinen Zweifeln wie er auf Unity wirkte, spürte er ganz genau, dass er Unity gerne um sich hatte und dass sie einen guten Einfluss auf ihn hatte. In ihrer Gesellschaft nahm er sich selbst nicht mehr ganz so wichtig. Seine Hände waren nur aus einem Grund unter dem Tisch verschwunden, weil Benoit es bei einer weiteren Berührung bestimmt nicht geschafft hätte, Unity nicht zu küssen.
Sie haben perfekte Zaubererhände. Sie sind ein Taktiker, ihr Leitspruch: erst Denken, dann Zaubern. Duelle entscheidet der Klügere, der Schnellere, nicht der Stärkere. Nicht wahr? Unitys munteres Geplauder riss ihn aus seinen Gedanken. Anscheinend nahm sie es ihm nicht übel, dass er keine Anstalten gemacht hatte auf ihre Berührung zu reagieren. Vielleicht hatte sie so etwas auch gar nicht beabsichtigt? Frauen waren einfach undurchschaubar. Benoit lächelte. Unity hatte ihn durchschaut, aber es störte ihn nicht. Klug zu sein, war schließlich keine Beleidigung. Der junge Mann war stolz auf seine Fähigkeiten. Er hatte so viele Schwäche, die es zu kompensieren galt, dass er sich glücklich schätzte wenn ihm jemand außerordentliches Können bescheinigte. Er war dankbar, dass Unity keine seiner zahlreichen Schwächen kannte. Obwohl er groß war, jagte seine Gestalt niemanden Angst aus. Man konnte aus dreißig Schritten Entfernung sehen, dass er in Wahrheit nur eine halbe Portion war, was Körperkraft betraf. Benoit scheiterte an den meisten Marmeladeglasdeckeln. Er hasste Sport aller Art, 52 Stufen brachten ihn außer Atem, 78 ließen einen leichten Schweißfilm auf seiner Stirn erscheinen, 200 waren jenseits aller Vorstellungskraft. Die Unfähigkeit in einem angemessenen Tempo lesen zu können, war eine weitere Eigenart an sich selbst, die er hasste. An dem Tag als er bemerkte, dass seine 9-jährige Cousine flüssiger lesen konnte als er, wäre er am liebsten gestorben vor Scham. Was für ein Glück, dass sie davon nichts wusste. Sie hätte ihn nur ausgelacht, weil sie nicht verstand, dass Benoit, obwohl er sich lange Zeit große Mühe gegeben hatte, es einfach nicht besser konnte. Keine Frau sollte erwarten von Benoit jemals einen Liebesbrief zu erhalten. Seine Rechtschreibung war nicht nur miserabel, er war auch ein außergewöhnlich schlechter Autor. Nicht einmal in seinem Kopf brachte er so schöne lyrische Worte hervor, wie manche Mensche sie im Alltag gebrauchten. Das alles zählte nichts, wenn Unity ihn wegen seiner Duellierfähigkeit bewunderte. Darin war er erfreulicherweise wirklich gut. Er nickte verlegen, wollte nicht eingebildet erscheinen, obwohl er wusste, dass er ein guter Zauberer war. Das einzige Fach in dem er damals in der Schule wirklich gut gewesen war. Das war alles schon wieder so lange her und Benoit war dankbar dafür. Obwohl er abgesehen von seinen bescheidenen Noten keine Probleme in Beauxbaton gehabt hatte, war er trotzdem froh diesen Abschnitt seines Lebens hinter sich gelassen zu haben. Er fragte sich, wie Unity wohl darüber dachte. Bestimmt war sie gern zur Schule gegangen. Mädchen wie sie, liebten es zu lernen und sie hatte noch nicht aufgehört. Eine angehende Medimagiern verbrachte bestimmt Stunden damit sich die lateinischen Namen irgendwelcher Knochen auswendig zu lernen. Dabei hatte es doch überhaupt keinen Sinn dies zu wissen: alle Knochen konnte man mit demselben Zauberspruch wieder heilen. Aber das war so eine Sache die Unity bestimmt nicht hören wollte.
Geschwister? Unity fand es wohl ebenso merkwürdig, dass Benoit so abrupt das Thema gewechselt hatte. Sie konnte sich wahrscheinlich nicht im Ansatz vorstellen was der Grund dafür gewesen war, aber das war auch gut so. Ein nettes unverfängliches Gesprächsthema war genau das, was Benoit jetzt brauchte. Nein, ich habe keine Geschwister, meine Eltern sind beide berufstätig und in ihren Berufen sehr eingespannt, deswegen bin ich Einzelkind Benoit fand es schade, dass sie keine Geschwister hatte, traute sich jedoch nicht dies zu äußern. Vielleicht war Unity ganz froh keine Geschwister zu haben, sie schien mit ihren zahlreichen Cousinen und Cousins ganz glücklich zu sein. Benoit war jedoch froh Mascha und Anouk zu haben, obwohl ihm kein einziger rationaler Grund einfiel, warum das so war. Die beiden Mädchen hielten das ganze Haus auf Trab wenn sie sich wieder einmal stritten und wie Furien aufeinander losgingen. Benoit hatte da schon mehrmals dazwischen gehen müssen. Es gab auch keine besonders innige Verdingung zwischen den dreien. Dennoch mochte Benoit seine Schwestern, sie gehörten zu ihm dazu und manchmal fragte er sich, wie es wäre wenn auch der kleine Manech in seinem Leben geblieben wäre. Aber so trübsinnige Gedanken ließ Benoit nur selten zu. Er war kein Mann der in Erinnerungen lebte: Für ihn zählte die Gegenwart, oder noch wichtiger, die Zukunft. Seine Pläne und Visionen waren das Wichtigste. Er wollte etwas erreichen, ein Blick zurück hielt ihn da nur auf. Mascha und Anouk dachten niemals an den großen Bruder, zumindest wusste Benoit nichts davon. Aber wieso sollten sie auch? Manech war nur ein Name, eine fremde Erinnerung. Ich habe zwei Schwestern, erwiderte Benoit auf Unitys Gegenfrage. Anouk ist 17 und geht noch zur Schule. Mascha ist 19 und Jägerin bei den Bigonville Bombers. Aber erwarten sie nicht zu viel: Sie war bisher nicht im Einsatz. Obwohl die Leistungen seiner Schwester eigentlich als recht spärlich zu bezeichnen waren, schwang in Benoits Stimme fast so etwas wie Stolz mit und Liebe. Wie seltsam, dass Benoit dies ausgerechnet dann entdeckte wenn er mit einer Fremden sprach, aber niemals daran dachte mit den beiden Kontakt aufzunehmen. Vielleicht sollte er sie doch einmal anrufen und fragen, ob Mascha endlich zu ihrem ersten Einsatz gekommen war und wie der Betrag in Beauxbaton ohne Schulleiter lief. Die beiden wären bestimmt erfreut und vor allem erstaunt von ihm zu hören. Und vielleicht könnte er sie bei dieser Gelegenheit fragen, wie man sich am besten der Tochter des Rektors annäherte ohne hochkant von der Schule zu fliegen? Ach nein, so ein Unsinn. Davon würde er bestimmt niemanden erzählen. Unity war nur eine weitere Schwäche, die es zu verheimlichen galt.
22.07.2008
Unitys Hand lag auf dem alten Holztisch, nutzlos, allein. Näher an Benoits Körper als an ihrem eigenen. Es wäre nur ein kurzer Weg und sie hätte ihn erneut berührt. Seine Haut, die ein wenig kühl war, aber weniger rau, als sie es sich vorgestellt hatte. Unsinn, schalt sie sich selbst. Sie hatte sich vorher keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie seine Haut sich wohl anfühlen würde. Und es sollte ihr auch jetzt egal sein. Ihr Verlangen, sich ihm erneut zu nähern erstickte und unterband der Franzose jäh, indem er seine Hand unter den Tisch zurückzog und dort versteckt hielt, als hätte er sich verbrannt. An Unity verbrannt. Das war doch fast schon lustig, oder? Kaum jemand war so reserviert und kühl wie die rothaarige Medihexe. An ihr gab es nicht das Geringste woran man sich auch nur erwärmen, geschweige denn sogar verbrennen könnte. Vielleicht war sie ihm zunahe getreten, hatte einen Bereich betreten, der ihm unangenehm war. Sie könnte es verstehen, ließ sie selbst doch auch nie gerne jemanden nah an sich heran. Aber was hatte sie denn erwartet? Hatte sie überhaupt etwas erwartet? War sie denn nicht eigentlich viel zu klug, um dies zu tun? Erwartungen. Unity wusste, dass man von anderen nichts erwarten durfte oder konnte man wurde doch ohnehin nur enttäuscht. Es war in dieser Welt eben nur auf einen selbst Verlass, ein Motto, nach dem die junge Weasley-Tochter so getreu lebte, dass sie tatsächlich keine oder kaum Freunde in ihr Herz ließ. Und ihre Eltern, die sie von Herzen liebte und bewunderte, stellten da keine Ausnahme dar. Verlassen würde die rothaarige Hexe sich nichtmals auf ihren über alles geliebten Vater. Menschen waren doch so unstet. Sie wollten an einem Tag dies und dann wieder etwas völlig anderes. Wonach sollte man sich denn da richten, woran sollte man sich halten? Nein, Unity erwartete nichts von ihren Mitmenschen. Zu sehr hasste sie das Gefühl der Enttäuschung, gegen das sie jetzt, ihre eigenen Grundsätze Lügen strafend, ankämpfen musste. Sie wollte sich um nichts in der Welt aus der Ruhe bringen lassen, wollte nicht, dass Benoit etwas von dem bemerkte, was sein Handeln, ja, was seine bloße Anwesenheit, in ihr auslöste. Unity atmete tief durch. Hände. Kurz betrachtete sie ihre eigenen. Doch nichts mehr als Haut, Fleisch, Muskeln und Knochen. Sie hatte lediglich menschliches Gewebe berührt. Dadurch war sie ihm doch nicht näher gekommen. So ein Unsinn.
Einem plötzlichen Impuls folgend, damit ihre Hand nun nicht länger untätig, fast schon jämmerlich wartend, auf Benoits Hälfte des Tisches lag, griff Unity nach dem Glas ihres Gegenüber, welches dieser mittlerweile auch geleert hatte. Noch etwas Wein? bot sie zuvorkommend an, wartete seine Antwort jedoch gar nicht erst ab. Sie musste etwas tun, musste diesen Moment überbrücken und vertuschen, in dem alles in ihr nach Benoit zu schreien schien. Leise räusperte sie sich, als wäre es ihr dadurch möglich, die Stimmen in ihr zum Schweigen zu bringen, bevor sie das Glas des französischen Lehrers mit bemüht ruhiger Hand einschenkte und es vorsichtig wieder zu ihm hinüberschob. Ihre zierliche Hand verharrte einen Moment am Stiel des Kelches, ebenso wie Unitys Augen nun auf Benoits Gesicht ruhten. Warum sah er sie nicht an? Dem Blick aus seinen braunen Augen hätte sie nicht standhalten können, er hätte sie gebrochen, ihr den Rückzug befohlen. Doch so lag ihr Blick noch einen Augenblick länger auf seinen feinen Lippen, genau den einen Augenblick, den Unity brauchte, um ihre Fassung und die Kontrolle über sich selbst, die sie, sie ahnte es schon, ohnehin bald wieder zu verlieren drohte, wieder zu erlangen. Bitteschön hauchte sie leise und zog ihre Hand schließlich doch zurück, um sich nun auch selbst nachzuschenken. Sie wusste, dass noch mehr Wein sich auf ihre schwindende Selbstbeherrschung nicht eben positiv auswirken würde. Doch ganz bewusst riskierte sie es. Ein kontrollierter Kontrollverlust. Ein amüsiertes Lächeln schlich sich auf ihr hübsches Gesicht, als sie ihr Glas nun anhob und fragend eine Augenbraue hob. Worauf trinken wir diesmal? wollte sie von Benoit wissen, der ihrer Meinung nach diese Entscheidung treffen sollte, war er doch schon ihrem nonverbal geäußerten Wunsch, ihnen beiden Wein nachzuschenken, nicht nachgekommen. Nun war er also am Zug. Erwartungen. Da war es wieder. Hoffte sie auf ein weiteres charmantes Kompliment aus seinem Mund? War sie nun doch so naiv und berechenbar? Nein. Nein, besser sollte er nichts Nettes sagen. Wohin würde das sonst noch führen? Unity kannte sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen dieser Art zu schlecht aus, um es abschätzen zu können. War er der Typ Mann, von dem sie schon so viel gehört hatte? Der einer Frau Komplimente ins Ohr säuselte, um Nein. Bewusste vermied sie es, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Er war nicht so. Und sie, Unity, doch erst recht nicht. Auch der Einfluss des Weines würde an ihren Prinzipien nichts ändern, erinnerte sie sich selbst. Und dennoch verspürte sie eine unbekannte, eine fast angenehm aufregende Angst vor seinen Blicken, seinen Worten und vor seinem Wirken auf sie selbst. Wohl noch nie zuvor hatte sie sich derart zerrissen gefühlt. Sie fürchtete genau die Dinge, die sie zugleich herbeisehnte, wollte in seinen Augen versinken und hatte doch Angst, sich nicht bremsen und retten zu können und hilflos in diesen zu ertrinken. Den Kopf unter Wasser würde ein Teil von ihr sie selbst dann noch dazu anhalten, ruhig zu atmen. Kontrolle. Auch in ausweglosen Situationen. Resignierend schüttelte sie den lockengesäumten Kopf und spielte gedankenverloren an der Holzperlenkette, die sie um ihren grazilen Hals trug, bevor sie sich wieder auf das Hier und Jetzt einlassen konnte.
Dankbar für die Ablenkung saugte sie die Informationen in sich auf, die Benoit nun über seine Geschwister preisgab, ihre eigene zuvor geäußerte Gegenfrage beantwortend. Ich habe zwei Schwestern, Anouk ist 17 und geht noch zur Schule. Mascha ist 19 und Jägerin bei den Bigonville Bombers. Aber erwarten sie nicht zu viel: Sie war bisher nicht im Einsatz. Die liebe Familie, ein Thema dieser Art war zugleich so intim und doch so lapidar, dass es in jedem Fall doch unverfänglich sein sollte, sich darüber zu unterhalten, dachte Unity bei sich, während angesichts Benoits Schilderungen über die sportliche Karriere seiner Schwester ein Lächeln auf ihrem Gesicht erschien und sie sich ein wenig entspannte. Quidditch grinste sie und nickte verstehend. Sind in ihrer Familie auch alle so verrückt danach? erkundigte Unity sich, strich sich das rotgelockte Haar zurück, stütze den Ellbogen ihres linken Armes auf den Tisch und legte das Kinn in ihre Hand, während sie Benoit unverhohlen musterte. Wie seine Schwestern wohl aussahen? Dunkelhaarig wie er? Und ob sie sie, Unity, mögen würden? Mit sanfter Gewalt musste die junge Hexe sich daran erinnern, dass es ihr völlig egal zu sein hatte, was die Schwestern dieses französischen Lehrers über sie denken würden. Wahrscheinlich würde sie ihnen doch ohnehin nie begegnen, außer, die jüngere Schwester würde vielleicht zur Delegation aus Beauxbatons gehören. Ich glaube, ich bin in meiner Familie die einzige, die nicht begeistert diesem Sport verfallen ist nahm Unity nun den Faden wieder auf und überdachte kurz ihre Äußerung. Sebastian, Susannah und Claire spielten in der Quidditchmannschaft von Gryffindor, während James und Jack zwar nicht in ihrer Hausmannschaft aktiv waren, aber Unity dennoch davon ausging, dass ihre beiden Cousins dem Spiel auf dem Besen nicht grundsätzlich abgeneigt waren. Ich bin, wenn überhaupt, dann eine bloße Theoretikerin. Ich bin völlig unsportlich. gab sie mit einem entschuldigenden Lächeln zu und erinnerte sich an ihre Schulzeit. Gerne hatte sie das Team aus Gryffindor, ihrem Haus, zwar angefeuert, doch eine aktive Quidditchspielerin war aus ihr nie geworden. Schon ihr Vater war unter seinen zahlreichen Geschwistern der einzige gewesen, der nicht in der Hausmannschaft gespielt hatte und Unity wusste, wie ähnlich sie ihm nicht nur in diesem Punkt war. Deine Schwester ist aber doch noch jung, erst 19, sie hat ihre ganze Karriere noch vor sich. Wenn sie eine ehrgeizige Kämpferin ist, kann sie es bestimmt noch weit bringen stellte Unity mit einem optimistischen Lächeln in Aussicht, während sie ganz automatisch, als sei dies das normalste der Welt, plötzlich in die intimere Anredeform des Duzens verfallen war. Meiner Cousine Susannah traue ich durchaus auch eine Quidditchkarriere zu. Sie ist bereits mit fünfzehn zur Kapitänin der Hausmannschaft von Gryffindor ernannt worden berichtete die Weasley-Tochter nicht ohne Stolz, während ihr zugleich klar wurde, wie wenig sie doch über das Leben ihrer Cousinen und Cousins tatsächlich wusste. Sie wusste, wer in welches Haus ging, wusste, dass Sanna Kapitänin war und dass Claire im trimagischen Turnier Hogwarts vertrat doch da hörte es, wie sie zu ihrer Schande zugeben musste, auch schon auf. Sie hatte sich nie recht dafür interessieren oder erwärmen können, was die doch um einige Jahre jüngeren Mitglieder ihrer großen Familie beschäftigte und bewegte und eigentlich tat sie es auch jetzt nicht, wenn sie ehrlich war. So war es und daran würde sich wohl auch nichts ändern. Doch ebenso wenig konnte Unity ändern, dass genau diese Tatsache sie in diesem Moment ein wenig traurig stimmte. Aber für einen melancholischen Sinneswandel, dem sie am nächsten Tag dann doch nicht folgen würde, war es nun nicht an der Zeit. Mit zwei Schwestern, das ist bestimmt nicht immer leicht, oder? vermutete Unity und stellte sich die umgekehrte Situation vor, sie hätte noch zwei jüngere Brüder. Nun, zumindest würde sie wohl dann etwas besser über Männer Bescheid wissen, dachte sie bei sich und suchte Benoits Blick.
07.08.2008
Unity schien ebenso irritiert zu sein wie Benoit. Sie starrte eine kurze Zeit auf ihre Hand, als hätte sie sie gerade in diesem Augenblick zum ersten Mal entdeckt und als sie endlich die Erkenntnis traf, was man mit einem so spinnenähnlichen Körperteil anfangen konnte, stürzte sie sich schon fast auf die halb leere Flasche Wein in ihrer Mitte, als würde sie sich am kalten Glas festhalten können und als gäbe es ihr die Sicherheit zurück, die jeder der beiden jungen Menschen schon längst verloren hatte. Dankbar für eine sinnvolle Aufgabe griff Unity nach Benoits leerem Weinglas und füllte es mit dem tiefroten Getränk. Die zuvor gestellte Frage, ob er überhaupt noch Wein trinken wollte, war rein rhetorisch gewesen. Unitys Entscheidung, sich und ihrem Gesprächpartner etwas Wein einzuschenken, war schon lange vor der höflichen Frage festgestanden. Dabei wollte Benoit überhaupt nichts mehr trinken, das hatte er schon vor einiger Zeit beschlossen, als er gemerkt hatte, dass jeder Schluck neue ungeahnte und unerwartete Sehnsüchte und Wünsche in ihm hervorriefen. Und jede dieser neuen Sehnsüchte, jeder neue Wunsch hatte mit dem neuen Stern in seinem Sonnensystem zu tun. Noch ein Schluck und er würde vielleicht sagen, dass er sie wieder sehen wollte, nein musste, noch ein Glas und er würde versuchen sie an sich zu ziehen, seine Arme um ihre schlanke Taille zu legen und sie zu küssen und irgendwann, vielleicht wenn die Flasche leer war, würde Benoit ihr dann sagen, dass er sich unsterblich in sie verliebt hatte. Wenn Benoit all diese Möglichkeiten durchdachte, dann war er überzeugt davon, keinen einzigen Tropfen mehr anrühren zu dürfen. Wenn ihm wirklich etwas an Unity lag, und das musste sich erst noch beweisen, dann durfte er nicht mit der Tür ins Haus fallen. Er musste die Schritte langsam und vor allem nacheinander gehen. Alle Beziehungen in die sich Benoit gestürzt hatten zerbrochen, so wie, logisch gesehen, alle seine Beziehungen bisher gescheitert waren. Nein, danke ich , begann Benoit, aber da war es schon zu spät und er beendete seinen Satz nicht. Unity schien diese kleine Aufgabe zu brauchen. In den letzten Minuten waren sich die beiden jungen Magier viel zu nahe gekommen. Unbewusst hatten sie ihre bekannten Ufer aufgegeben, hatten sich getroffen und versuchten nun wieder zurück zu kehren, woher sie gekommen waren. Unity versuchte die gastliche Etikette zu wahren, die Benoit schon längst vergessen hatte und Benoit gab sich Mühe ein belangloses Gespräch aufzubauen, auch wenn es sich nur um das Thema Geschwister drehte. Beide versuchten zurück zu rudern und die intime Nähe, die sich plötzlich zwischen ihnen aufgebaut hatte, wieder zu töten ohne sich oder dem anderen dabei zu schaden, aber Fremde würden sie einander trotz alledem nie wieder sein.
Worauf trinken wir diesmal? Da war es wieder! Dieses sanfte Kokettieren, das Unity seit kurzer Zeit an den Tag legte. Was erwartete sie von ihm? Ein weiteres Kompliment, über ihre wunderschönen blaugrauen Augen. Eine Bemerkung über ihre schönen, honigfarbenen Locken? Aber Benoit konnte es nicht. Er konnte keine innere Distanz aufbauen und gleichzeitig mit ihr flirten. Entweder das eine oder das andere. Im Alltag fiel es ihm oft leicht eine Person anzulügen, oder ihr etwas vorzugaukeln, doch bei Unity kam es ihm falsch vor. Einen Augenblick lang versuchte er etwas in Unitys Gesicht zu lesen, zu verstehen was sie von ihm verlangte, was sie sich von ihm wünschte. Es gab jedoch nichts, was er daraus lesen konnte. In ihren Augen sah er nur seine eigene Unsicherheit. Trinken wir doch auf den glücklichen Umstand, der uns zueinander geführt hat. Zufall, Schicksal, oder wie man es nennen will! Benoit Stimme war ungewöhnlich rau, als er die Worte über die Lippen brachte. Sie waren nicht so schwungvoll wie zuvor, weil er von seiner Antwort nicht überzeugt war. Unitys Aufforderung etwas zu sagen, hatte ihn überfordert, weil er nicht mehr in die alten Verhaltensmuster zurück fallen konnte, die ihn ungebremst in Unitys Arme getrieben hatten. Er war verliebt. Konnte das sein? Verliebt in diese zarte, junge Frau, die manchmal so kratzbürstig wie eine Katze war. Verliebt in die Naivität in Person, in die Tochter eines Schulleiters, selbstbewusst und doch überbeschützt. Wo waren die Schmetterlinge? Sollte nicht alles in ihm frohlocken, sollten seine Blutkörperchen nicht paarweise durch seine Venen tanzen, seine Augen wie Sterne strahlen? Stattdessen fühlte es sich schwer an, wie ein Stein. Die Erkenntnis, dass er ohne Unity unglücklich sein würde. Benoit nahm einen winzigen Schluck aus seinem Glas und stellte es dann wieder zurück auf die Tischplatte. Die Flasche Wein war schon fast leer. Ein einziges Glas würde sich damit noch befüllen lassen, vielleicht auch weniger. Bedeutete eine leere Flasche, dass der Abend schon zu Ende war. Was würde danach passieren? Würde Unity einfach aufstehen, Benoit die Hand reichen und sagen Auf Wiedersehen Mr. Vergniaud! Es war mir eine Freude Ihre Bekanntschaft zu machen. und dann einfach gehen ohne sich noch einmal umzudrehen? Gewiss würde es so sein, und wenn sie sich dann zufällig auf dem Gelände der Schule trafen, würden sie sich verstohlen zunicken, als einziger Hinweis für die gemeinsam verbrachten Stunden.
Quidditch - Sind in ihrer Familie auch alle so verrückt danach? Benoit lächelte erleichtert. Es war wieder einfacher geworden Unity anzusehen und mit ihr zu sprechen, durch diese einfach Frage und die Tatsache, dass auch sie keine Freundin dieser Sportart war. Das steigerte nur noch ihre Sympathie. Das kann man wohl sagen! Meine ganze Familie ist verrückt danach, abgesehen von Anouk und mir. Vor allem meine Eltern sind verrückt nach Quidditch. Dieser Augenblick wäre vermutlich eine gute Gelegenheit gewesen Unity von seiner berühmten Mutter zu erzählen, aber wie immer wenn die Sprache auf seine Eltern kam sträubte sich Benoit dagegen genaueres von ihnen zu erzählen. Es war ihm dann schon mehrmals so gegangen, dass plötzlich nicht mehr er, sondern seine Eltern interessant waren und er dann nur noch um ein Autogramm seiner Mutter gebeten wurde anstatt um seine eigene Telefonnummer. Benoit wollte wegen seines eigenes Charakters gemocht werden, nicht weil er das privilegierte Kind berühmter Eltern war. Schon seit einigen Jahren tat er alles um sich von ihnen abzulösen und der erste Schritt war es gewesen, kein begeisterter Quidditchspieler zu werden, obwohl er sich der Tatsache durchaus bewusst war, dass es durchaus Spaß machen konnte. Obwohl ich gestehen muss, dass ich selbst zwei Jahre in meiner Hausmannschaft war., fuhr Benoit fort und gab sich gespielt beschämt, als dürften an diesem Tisch nur Quidditchverweigerer sitzen. Im ersten Jahr war ich ein mittelmäßiger Jäger und im zweiten Jahr meiner Quidditchkarriere durfte ich auf der Bank sitzen. Bevor ich zum Materialbetreuer degradiert werden konnte, bin ich ausgestiegen. Benoit grinste zufrieden als er an seine schlechten Leistungen dachte. Seine Mutter war sehr niedergeschlagen gewesen, sein Vater ebenfalls. Selbstverständlich hatten sie seine Entscheidung, nicht mehr dem Team anzugehören akzeptiert, und die Tatsache, dass er nun Erfolge im Duellierclub feierte, schmälerte die Enttäuschung ein wenig, aber trotzdem konnte nichts über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sie sich immer einen quidditchspielenden Sohn gewünscht hatten.
Unity schien sehr an Benoits Schwestern interessiert zu sein, denn sie überhäufte ihn mit weiteren Fragen. Deine Schwester ist aber doch noch jung, erst 19, sie hat ihre ganze Karriere noch vor sich. Wenn sie eine ehrgeizige Kämpferin ist, kann sie es bestimmt noch weit bringen Benoit hörte ihr ruhig zu und lächelte dann als müsste er sich bei ihr entschuldigen, nicht ihrer Meinung zu sein. Glaubst du nicht, dass es manchmal auch auf Talent ankommt? Natürlich ist Mascha besessen davon Quidditch zu spielen, aber sie wird niemals so gut sein, wie den Mitspielern, denen es im Blut liegt. Ich glaube daran, dass es Dinge gibt, die man entweder von Geburt an kann, oder nicht. Selbstverständlich kann man jede Gabe durch hartes Training verbessern, aber perfekt, ein wahrer Meister, wird man nur wenn nur, wenn man es im Blut hat. Benoit hatte ernst gesprochen, aber mit einem nicht zu übersehenden Schmunzeln im Mundwinkel. Dies war wirklich seine Überzeugung, aber er wollte es nicht so hart klingen lassen, als würde er seiner Schwester nicht zu trauen Karriere zu machen. Sie war gut, keine Frage. Aber ihrer eigenen Mutter würde sie nicht einmal in ihren Träumen das Wasser reichen können. So war das Leben. Und manchmal hasste sogar Benoit es für seine Unbarmherzigkeit. Mit zwei Schwestern, das ist bestimmt nicht immer leicht, oder? Benoit lachte laut auf, als er Unitys Frage hörte. Er dachte an die vielen Streitigkeiten, die er mit seinen Schwestern ausgetragen hatte und an die vielen Diskussionen mit seiner Mutter, die einfach nicht verstehen konnte was so schwer für einen Teenager war, auf seine kleinen Schwestern aufzupassen. Benoit hatte zu seinen Geschwistern keine besonders intensive Beziehung. Er liebte sie, das war ja selbstverständlich, aber sie waren wie Freunde für ihn. Er fühlte nicht mehr für sie, nur weil sie die gleichen Eltern hatten, die gleiche Liebe die er ihnen entgegenbrachte könnte er genauso gut einem alten Schulfreund entgegenbringen, wenn er denn einen gehabt hätte. Um auf Unitys Frage einzugehen zuckte Benoit kurz mit den Schultern. Mascha war drei Jahre alt als ich nach Hogwarts kam, Anouk erst ein paar Monate. Wir haben uns nur in den Ferien gesehen und mit 17 bin ich zu Hause ausgezogen. Oft kam es mir so vor, als wären wir Fremde die zufällig im selben Hotel wohnen. Unity suchte seinen Blick und er lächelte ihr glücklich zu.
20.08.2008
Unity kicherte leicht, während sie die beiden vor ihr stehenden Gläser erneut mit Rotwein füllte, ohne dabei selbst recht zu wissen, was es war, das sie in diesem Moment so erheiterte. Vielleicht war es der bereits getrunkene Alkohol, den sie nicht gewöhnt war, vielleicht jedoch war es auch einfach die Situation, in welcher sie sich am heutigen Abend befand. Einem charmanten und gut aussehenden jungen Mann gegenübersitzend bestand ihr einziges Bestreben darin, mit großer Mühe den Abstand zwischen ihnen beiden möglichst groß zu halten. Das erschien selbst ihr absurd, wenn sie ehrlich zu sich war, absurd und noch dazu ziemlich dumm. Sie, Unity Weasley, verhielt sich niemals dumm. Dieses Adjektiv war in ihrem großen Wortschatz nur zur Beschreibung anderer Leute existent, doch es passte nicht zu ihrem eigenen Handeln. Zumindest sollte es das nicht. Sie stellte sich dämlich an, dämlich und plump. Sie ging einen kleinen Schritt auf Benoit zu und rannte dann doch wieder möglichst schnell zurück zum Ausgangspunkt oder vielleicht sogar noch ein Stück weiter, nur, um auf Nummer Sicher zu gehen. Diese seltsam erscheinenden Rückzüge trat sie nicht bewusst an, nicht, weil sie ihm nicht näher kommen wollte, nein, sondern aus purer Gewohnheit. Sie ließ einfach keine Menschen an sich heran, ein Wesenszug an ihr, der ihr erst jetzt wirklich aufzufallen schien. Unity hatte selten zuvor so reflektiert über ihr eigenes Wesen nachgedacht wie in diesem Moment, sie war auch selten zuvor so ehrlich im Umgang mit sich selbst gewesen und dies hatte sie dem Wein zu verdanken, von dem sie sich nun ein weiteres Glas genehmigen wollte. Ob dies eine gute Idee war erschien zwar fraglich, doch zur Zeit stellte der Wein für die junge Hexe alles dar, an dem sie sich festhalten konnte. Auch dies passte nicht zu ihr, was jedoch auf einem anderen Blatt stand. Der Wein brachte sie durcheinander und doch klärte er ihre Gedanken auf eine ungekannte Art, die der rotblonden Hexe zwar ein wenig Angst machte, die sie jedoch andererseits genoss und die sie so spannend fand, dass sie sie keineswegs aufgeben wollte. Er desillusionierte sie, was ihr eigenes Wesen betraf. Wie mochte das alkoholische Traubengetränk wohl auf den französischen Lehrer wirken, der ihr noch immer in gleicher Position gegenübersaß? Noch immer mit dem gleichen Abstand, der sich nur in ihrer eigenen verqueren Wahrnehmung mal ein wneig verringerte und dann doch wieder vergrößerte. Faktisch stand jedoch stets nur ein knapp ein Meter und zwanzig breiter Holztisch zwischen ihnen, ein recht karger und alter Tisch, auf dem sich, so erschien es Unity, all ihre Ängste und Fehlerhaftigkeiten angehäuft hatten, die eine Annäherung unmöglich machen wollten. Ihr Eigensinn, ihr Hang dazu, sich von allen abzuschotten, ihr Egoismus und ihr unbedingter Wunsch, von allem und jedem unabhängig zu sein. All das lag vor ihr auf dem Tisch und lag ihr im Weg, wann immer sie einen Schritt auf Benoit zugehen wollte. Endlich einmal sah sie ihre eignen Fehler, sie sah sie, doch sie konnte sie nicht beseitigen.
Trinken wir doch auf den glücklichen Umstand, der uns zueinander geführt hat. Zufall, Schicksal, oder wie man es nennen will! schlug Benoit vor, als Unity ihn bat, etwas zu nennen, auf das sie beide anstoßen könnten. Zufall. Schicksal. Unity atmete hörbar aus. Was war das schon? Schwammiges Gerede, an das sie nicht glaubte. Sie hasste den Gedanken, von etwas, von einer höheren, unberechenbaren Macht abhängig zu sein, die ihr Leben lenkte. Die hübsche Studentin hatte ihre Zukunft lieber selbst in der Hand, wenn sie sich doch zugleich auch fragte, was es wohl dann war, das sie und Benoit an diesem Abend zusammengeführt hatte. Sie beide waren so unterschiedlich, waren sich doch eigentlich völlig fremd. Und doch saßen sie nun schon seit einiger Zeit in harmonischer Eintracht beieinander und hatten eine, wie Unity ehrlich zugeben musste, sehr schöne und erfreuliche Zeit miteinander, die nur von wenigen kleinen Zankereien, die doch größtenteils von ihr selbst ausgingen, unterbrochen wurde. Zufall? Schicksal? Sollte es denn tatsächlich so simpel sein? Würde es also ebenfalls Zufall sein, wenn sie sich später am Abend trennen und nie wieder sehen würden? Würde das beescheuerte, unberechenbare, gemeine Schicksal dies zulassen? Unity hielt in der Bewegung ihr Glas zu heben inne und legte nachdenklich den Kopf schief, während sie über diese Frage nachdachte. Nein, das ist nicht gut befand sie, setze ihr Glas wieder ab, stützt den Ellbogen auf dem Tisch ab und ließ ihren hübschen Lockenkopf in ihre Hand sinken. Was soll das denn sein, Schicksal? Glaubst du etwa daran? erkundigte sie sich und versuchte, den provozierend herausfordernden Unterton in ihrer klaren, hellen Stimme zu unterdrücken. Ein Trinkspruch war ihr mittlerweile egal geworden und erschien so nebensächlich, dass sie ihr Glas nun erneut hob, es nur kurz in Benoits Richtung hob und dann einen ersten kleinen Schluck nahm, der sie sanft und warm auszufüllen schien, kaum, dass er ihre Kehle heruntergeflossen war. Den Umstand, dass wir jetzt gemeinsam hier sitzen, haben wir lediglich einer einzigen Instanz zu verdanken setzte die blauäugige Hexe an, nippte erneut an ihrem Wein und hob fast oberlehrerhaft ihren rechten Zeigefinger, bevor sie fortfuhr. Mir. Nur meinetwegen sitzen wir hier erklärte sie und piekste sich den erhobenen Finger nun selbst in die Brust, was sie mit einem leisen, ungläubigen Kichern begleitete. Und wenn du wüsstest, wie absurd das ist. Mir! Ich habe dich hier bei mir sitzen lassen. Einen fremden Mann! Sowas mache ich nicht mache ich sonst nicht. Aber das kannst du nicht wissen, du kennst mich nicht. Und nicht nur, dass du hier sitzt. Wir reden, wir unterhalten uns, wir sprechen miteinander. Das mache ich nichts sonst leicht verwirrt schüttelte Unity den Kopf, wobei ihre großen Locken in Wallung gerieten und verspielt hin und her sprangen. Warum, so fragte sie sich innerlich, warum erzählte sie diesem dahergelaufenen französischen Kerl überhaupt etwas darüber, wie sie sich sonst verhielt? Sie machte sich doch lächerlich. Ihr ganzes Verhalten war längst einfach nur noch lächerlich. Mit einem raschen Schluck vernichtete sie gut die Hälfte des Inhaltes ihres Weinglases und versteckte ein kleines Hicksen hinter vorgehaltener Hand Ich meine, da kommst du einfach in mein Pub. In das Pub, in dem ich nahezu aufgewachsen bin. Mein Revier. Du kommst in meinen Bereich und setzt dich hierhin. Und trotzdem rede ich mit dir, bin freundlich zu dir und erzähle dir aus meinem Leben. Obwohl dich das doch alles nichts angeht. Obwohl ICH dich nichts angehe. Und willst du mal wissen, warum? Die angehende Medimagierin schüttelte erneut ihren hübschen Kopf, eine Geste, die in dieser Zeit wohl das einzige war, das in der Lage zu sein schien, ihre Gefühlswelt annähernd zu beschreiben. Sie erkannte sich selbst kaum, während sie das Gefühl hatte, dass ihr Kopf in einen weichen Wattebausch gehüllt war, der flauschig und warm war, der ihr das Denken jedoch zunehmend erschwerte. Was warf sie Benoit da gerade alles an den Kopf? Machte sie es ihm zum Vorwurf, dass er sie nicht kannte und dass er sich hatte zu ihr setzen wollen? Sie war doch froh über diese Begegnung, glücklicher sogar, als sie es sich selbst gegenüber zugeben wollte. Worüber regte sie sich also so auf, wenn nicht doch wieder nur über sich selbst? Leise räusperte sie sich und atmete tief durch, bevor sie ansetzte, Benoit nun zu erklären, warum er so schnell und auf so unkoventionelle Weise einen Zugang zu ihrem Leben erhalten hatte. Und warum sie genau das störte. Pass auf. Du bist einfach zu nett. Du hast gute Manieren. Du hast diese unglaublichen Augen. Du lächelst so, als würdest du es wirklich meinen. Du siehst mich an, als würdest du mich verstehen. Du hast diese Haare, die danach schreien, dass meine Hände sich in ihnen verlieren. Du bist genau der Mann, in den ich mich sofort verlieben würde, wenn ich nicht schon vor langer Zeit beschlossen hätte, dass ich mich niemals verlieben werde. Mit jedem einzelnen Wort, mit jedem Punkt, den sie genannt hatte, war Unitys sonst sanfte Stimme lauter geworden, bevor sie zum Ende ihrer Äußerung fast zu versagen drohte. Die von ihr geäußerten Komplimente, denn solche waren es zweifellos, klangen nicht freundlich, sondern verzweifelt. Sie war so dumm. Zum ersten Mal in ihrem Leben verhielt sie sich absolut unpassend und dämlich. Sie hatte die Beherrschung verloren, hatte zugelassen, dass ihre Gefühle mit ihr durchgingen. Gefühle. Etwas genauso überflüssiges wie das Schicksal. Sie würde ihn gehen lassen. Denn das würde er nach diesem Ausbruch doch wahrscheinlich ohnehin tun, oder? Er würde gehen und sie würde traurig zurückbleiben, weil sie ihn lieber angeschrieen hatte und ihm erklärt hatte, dass sie sich trotz seiner sämtlichen Vorzüge nicht in ihn verlieben würde, obwohl genau dies doch schon längst geschehen war. Und der See des Bedauerns, der wohl an jedem einmal vorbei floss, würde vor ihrer Haustür gefrieren und sie, Unity, würde jedes mal, wenn sie das Haus verlassen wollte, auf seiner eisigen Fläche ausrutschen und hinfallen. Sie würde sich weh tun, immer und immer wieder, bei jedem Gedanken an diese eine vertane Chance. Wütend kippte sie den restlichen Wein herunter. Wer war diese Verrückte, die aussah wie sie und die mit ihrer Stimme sprach? Also, trinken wir auf Prinzipien, die doch ohnehin nichts wert sind schlug sie vor und hob mit einem schiefen Lächeln ihr Glas, in dessen Neige sich höchstens noch zwei Tropfen des guten Rotweins befanden.
Sie musste sich ablenken. Sie musste sie beide ablenken, dem naiven Wunsch gehorchend, dass sie dann vielleicht vergessen könnten, was sie soeben von sich gegeben hatte. Und doch wusste sie, dass es nicht so sein würde. Er würde es vergessen, vielleicht. Nicht jetzt wahrscheinlich, nicht an diesem Abend, doch wohlmöglich irgendwann. Doch sie, Unity Weasley, sie würde niemals vergessen können, wie absolut bescheuert sie sich aufgeführt hatte, im Rausch des Alkohols und im Rausch ihrer dummen, kleinmädchenhaften Gefühle. Sie würden über kein unverfängliches Thema mehr reden können, wie auch? Sie hatte ihre komplette Gefühlswelt vor ihm ausgebreitet, hatte nun auch noch ihre verschrobene Art auf den Tisch gelegt, direkt neben ihren bescheuerten Eigensinn. Quidditch, ja, sie hatten zuvor über Quidditch gesprochen. Warum hatte sie nicht einfach dabei bleiben können? Sie hätte ihm doch tausend Geschichten erzählen können, hätte berichten können, wie sämtliche Mitglieder ihrer Familie bei jeder Geburtstagsfeier von Granny Molly ihre Besen ausgepackt hatten, um dann Mannschaften zu bilden und sich ein spannendes Turnier zu liefern. Und sie hätte ihm besser verschwiegen, dass dies nicht mehr so war, seitdem Harry, Hermine und Ron tot waren. Quidditch. Irgendwie zurück zu diesem Thema. Oder sollte sie doch lieber aufstehen und gehen, ihm den Rücken zukehren und davonlaufen? Es erschien die einfachste Möglichkeit, doch es würde den Eindruck, den er von ihr haben musste, nur noch peinlicher erscheinen lassen, soviel war klar. Und dafür war sie zweifellos zu stolz. Glaubst du nicht, dass es manchmal auch auf Talent ankommt? Natürlich ist Mascha besessen davon Quidditch zu spielen, aber sie wird niemals so gut sein, wie den Mitspielern, denen es im Blut liegt. Ich glaube daran, dass es Dinge gibt, die man entweder von Geburt an kann, oder nicht. Selbstverständlich kann man jede Gabe durch hartes Training verbessern, aber perfekt, ein wahrer Meister, wird man nur wenn nur, wenn man es im Blut hat. hallten Benoits Worte in Unity Ohren wider, während sie sich bemühte, sich erneut auf das Thema Quidditch zu konzentrieren. Die Frage, ob es Talent oder Fleiß war, was Erfolg letztendlich ausmachte, wäre für die rothaarige Hexe normalerweise ein gefundenes Fressen gewesen. Derartige Themen konnte sie nahezu endlos diskutieren, vertrat sie doch klare Ansichten, von denen sie niemals abrücken wollte, doch in diesem Moment benötigte sie zunächst all ihre Kraft, um überhaupt einen ersten Satz rauszubringen. Talent wenn es so etwas wie Talent gibt, was ich eigentlich nicht glaube, dann habe ich wohl definitiv keinerlei Talent für den Umgang mit Männern seufzte sie leise und goss sich den restlichen Wein, der sich noch in der Flasche befand, in ihr leeres Glas.
20.08.2008
Trinken wir doch auf den glücklichen Umstand, der uns zueinander geführt hat. Zufall, Schicksal, oder wie man es nennen will! Die Worte standen noch unmittelbar im Raum, Benoit hatte seine Hand mit dem umschlossenen Glas noch erhoben um mit Unity anzustoßen, als diese ihr Weinglas energisch wieder zurück auf den Tisch stellte und den Kopf schüttelte. Nein, das ist nicht gut Der Trinkspruch schien Unity gar nicht zu gefallen und obwohl ihr doch klar sein musste, dass es sich dabei nur um irgendwelche dahergesagten Worte handelte, schien es ihr plötzlich ungeheuer wichtig Benoit zu widersprechen. Einen Augenblick lang war Benoit fast ein wenig genervt. Konnten sie nicht einfach anstoßen, trinken und sich dann wieder interessanteren Themen widmen? Doch Unity ließ nicht so schnell locker und gab sich nicht damit zufrieden einen, in ihren Augen, passenderen Trinkspruch zu finden. Was soll das denn sein, Schicksal? Glaubst du etwa daran? Etwas Herausforderndes lag in Unitys Blick und ihr Tonfall war ein klein wenig zu forsch für den Moment. Obwohl in die Worte nicht gekränkt hatten fühlte sich Benoit doch ein wenig vor den Kopf gestoßen. Was wollte Unity eigentlich von ihm? Natürlich glaubte er nicht an so etwas Endgültiges wie Schicksal, denn er mochte die Vorstellung sein Leben selbst in der Hand zu haben, doch musste in Unity deswegen gleich so anfahren? Selbst wenn er an Schicksal glaubte konnte Unity das doch völlig egal sein und es gab absolut keinen Grund warum er sich deshalb rechtfertigen sollte. Bevor er jedoch einen dieser Gedanken über die Lippen brachte, hatte er seinen Kopf unwillkürlich geschüttelt und so Unity wieder einmal Recht gegeben. Fast schon ärgerte er sich darüber, denn es gefiel ihm nicht, dass Unity ihn plötzlich so überfuhr. Was war nur aus der zurück haltenden jungen Frau geworden, die sich scheinbar lieber die Zunge abbiss als zu einem Fremden nett zu sein? Einen kurzen Moment lang wünschte er sich die Unity zurück, die darauf bestand ihn zu Siezen weil sie ihn noch nicht kannte. Im Augenblick könnte er diese bestimmt besser ertragen, als eine Unity die ihm unangenehme Fragen stellte und auf die richtigen Antworten drängte. Was auch immer richtig war.
Die junge Frau schien von Benoits kurzzeitiger Verstimmung jedoch nichts mitzubekommen. Plötzlich trank sie so häufig aus ihrem Glas, als wäre es Kürbissaft und verstrickte sich immer mehr in ihrem Wortgefecht. Den Umstand, dass wir jetzt gemeinsam hier sitzen, haben wir lediglich einer einzigen Instanz zu verdanken Mir. Nur meinetwegen sitzen wir hier Was?! Das Wort war viel schneller aus Benoit herausgerutscht als ihm lieb war, aber Unity schien es überhaupt nicht mitbekommen zu haben, denn sie sprach gleich weiter. Eine steile Falte erschien auf Benoits Stirn. Wollte Unity ihn gerade veräppeln? Wovon redete sie denn gerade? Zu gerne hätte der Franzose sie daran erinnert, dass er sie angesprochen hatte und es deshalb wohl Benoits Verdienst, oder Schuld, war, dass er nun mit Unity an einem Tisch saß und sich ihre verquere Weltansicht anhören musste. Wie gerne hätte er Unity das unter die Nase gehalten, aber das Bewusstsein, dass dies der Handlung eines unreifen Teenagers entsprochen hätte, ließ Benoit zurück schrecken. Sein Kopf fühlte sich ein wenig schwummrig an, aber er wusste noch wer er war. Benoit Vergniaud, ein siebenundzwanzigjähriger Mann, der hier wesentlich mehr als nur seine Selbstachtung zu verlieren hatte. Er war zwar nicht mehr nüchtern, aber hatte noch genug Hirnzellen beisammen um sich nicht auf eine Ich hab aber zuerst gesagt Diskussion einzulassen. Wenigstens einer an diesem Tisch sollte sich noch wie ein Erwachsener benehmen. Unity schien über dieses Stadium der Selbstbeherrschung aber schon hinaus zu sein, denn sie war wie ausgewechselt. Plötzlich war sie nicht mehr zu bremsen und erzählte dieses und jenes aus ihrem Leben und obwohl Benoit für kein einziges dieser Dinge verantwortlich war, hatte er das Gefühl, dass Unity von ihm so etwas wie eine Entschuldigung forderte. Der Alkohol schien Unity nun vollständig zu Kopf gestiegen zu sein, denn sie begann wirr zu kichern, von ihrem konfusen Gerede einmal abgesehen. Benoit starrte ein wenig auf Unity beinah wieder leeres Glas und Verantwortungsbewusstsein regte sich in ihm. Er musste Unity irgendwie nach Hause schaffen, ihr das Glas wegnehmen oder einfach Madame Rosmerta sagen, dass sie sich um die Betrunkene kümmern sollte (In diesem Fall könnte er eine spätere Verabredung mit ihr allerdings, bestimmt vergessen, auch wenn ihn diese Aussicht derzeit nicht gerade bekümmerte). So konnte man mit der jungen Frau allerdings nicht besonders viel anfangen. Benoit hielt gerade Ausschau nach der dicken Wirtin des Pubs als Unity etwas sagte, dass ihn aufhorchen ließ und seine Neugier weckte. Pass auf. Du bist einfach zu nett. Du hast gute Manieren. Du hast diese unglaublichen Augen. Du lächelst so, als würdest du es wirklich meinen. Du siehst mich an, als würdest du mich verstehen. Du hast diese Haare, die danach schreien, dass meine Hände sich in ihnen verlieren. Du bist genau der Mann, in den ich mich sofort verlieben würde, wenn ich nicht schon vor langer Zeit beschlossen hätte, dass ich mich niemals verlieben werde.
Benoit konnte nicht glauben was er soeben gehört hatte. Am liebsten hätte er Unity gebeten das noch einmal zu sagen. Du bist genau der Mann, in den ich mich sofort verlieben würde, wenn ich nicht schon vor langer Zeit beschlossen hätte, dass ich mich niemals verlieben werde. Diesen Satz hätte Benoit am liebsten zweimal, dreimal, unendlich viele Male gehört. Aber warum? War er nicht eben noch der Meinung gewesen Unity verlassen und ohne Bedauern auf ein Wiedersehen verzichten zu können? Und jetzt? Jetzt freute er sich, weil Unity sich in ihn verlieben könnte?! Warum? Weil er am liebsten sagen würde, dass Unity genau die Frau war in die er sich verlieben würde, wenn er sein Herz nicht immer an unerreichbare Frauen hängen würde, denen er nicht gewachsen war. Unity war immer leiser geworden und sah nun, da sie geendet hatte, plötzlich sehr unglücklich aus. Wahrscheinlich bereute sie das, was sie gesagt hatte. Hoffentlich nicht, weil es nicht der Wahrheit entsprochen hatte Benoits Gesicht war es nicht anzumerken, wie er Unitys Geständnis auffasste. Er war sich selbst nicht ganz im Klaren darüber was er denken sollte. Sollte er sich freuen, oder sich darüber lieber keine Gedanken machen und so tun als wären die Worte niemals gesagt worden. Unity starrte eine Weile ins Leere, griff dann nach der Weinflasche und goss sich den Rest des schweren Rotweines in ihr Glas. Eben noch war sie völlig aufgedreht gewesen und hatte Benoit zu seiner Diskussionen herausfordern wollen und eine Sekunde später saß sie plötzlich wie ein Häuflein Elend am Tisch. In ihr Gesicht war ein trauriger Ausdruck getreten, den Benoit sich nicht erklären konnte und der vielleicht gerade deshalb tiefes Mitgefühl in Benoit hervorrief. Unity jetzt unter der Obhut der beschäftigten Madame Rosmerta zu lassen schien undenkbar. Talent wenn es so etwas wie Talent gibt, was ich eigentlich nicht glaube, dann habe ich wohl definitiv keinerlei Talent für den Umgang mit MännernTiefes Bedauern lag in Unitys Stimme als sie den letzten Satz über die Lippen brachte. Sie starrte auf ihr Weinglas, als fände sie darin alle Antworten. Benoit hatte nun endlich beschlossen, dass alles was Unity in den letzten Minuten gesagt hatte allein dem Alkohol zuzuschreiben war und dass er sich keinerlei Erwartungen machen durfte. Unity war NICHT in ihn verliebt. Sie empfand nicht mehr für ihn als am Anfang ihres Gesprächs. Sie war schlicht und einfach betrunken und weil Benoit nicht betrunken war, stand er in der Pflicht sich um Unity zu kümmern und dafür zu sorgen, dass sie gesund nach Hause kam und ihn nichts passierte. Er würde sie also jetzt nach Hause bringen, sie vor ihrer Haustüre abliefern und dann nach Hause apparieren. In den nächsten Tagen würde er sich vielleicht darum bemühen Unitys Adresse herauszufinden und ihr dann eine unverbindliche Nachricht übermitteln. Dann könnte Unity immer noch entscheiden, ob sie sich mit ihm noch einmal treffen wollte oder nicht. Benoit könnte allerdings auch dem Zufall, den Unity ja so abzulehnen schien, vertrauen und darauf hoffen, sie eines Tages auf dem Hogwartsgelände wieder zu sehen. So einfach war das. Du musst der Erwachsene sein. Du musst die richtigen Entscheidungen treffen. Du bist für sie verantwortlich. Benoit versuchte sich noch einmal gut zuzureden bevor er das tun würde, was ihm seine Vernunft befahl. Unity! Benoit versuchte einen möglichst bestimmten, aber immer noch freundlichen Tonfall zu treffen. Du bist betrunken. Ich bringe dich jetzt nach Hause. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich werde auf die aufpassen. Nichts davon hatte Benoit gesagt. Plötzlich spukte ihm etwas ganz anderes im Kopf herum. Etwas das Benoit noch wissen musste bevor er sich von Unity verabschiedete, vielleicht für immer. Sobald sie ihm geantwortet hatte, würde er ihr aufhelfen und sie nach Hause begleiten. Nur noch diese eine, wichtige Frage. Benoit wollte nach Unitys Hand greifen, so wie sie seine Hand vor einer langer Zeit gehalten hatte, aber die Frage die er stellen würde, war ohnehin so intim, dass die Berührung sogar zu viel war. Benoit konnte sie nur stellen, wenn er wenigstens körperliche Distanz zu Unity hatte. Warum hast du beschlossen dich nicht mehr zu verlieben? Es gab nicht nur einen Grund warum Benoit die Antwort wissen wollte. Weil es half die junge geheimnisvolle Frau besser zu verstehen, weil sie sein Mitleid geweckt hatte und er wissen wollte, warum sie so verbittert war und weil er nie mehr einschlafen könnte, wenn er nicht wenigstens daran glauben konnte, bei Unity eine Chance zu haben.
20.08.2008
So dumm es auch klingen mochte, doch Unity kam es vor, als würde sich an diesem Abend, diesem Abend, den sie widerwillig als schicksalhaft bezeichnen musste, ihr ganzes Leben grundlegend verändern. An einem Abend, der eine Hommage an ihre Vergangenheit hatte werden sollen, voller Nostalgie und Erinnerungen. Ein Kürbissaft in den Drei Besen, dazu ein gutes Buch, in das sie ihre süße Stupsnase stecken konnte. Mehr brauchte sie nicht, mehr hatte sie doch auch nie gewollt. Sie hatte einerseits so hohe Ansprüche an sich selbst, doch andererseits war es doch so simpel, sie zufrieden zu stellen. Ein bisschen mit Rosmerta scherzen, ihre neugierigen Fragen beantworten und irgendwann durch die sternklare Nacht den Weg nach Hause antreten. Dies hatte die Planung vorgesehen. Die Planung, die doch ihr ganzes Leben zu bestimmen schien. Nie war etwas anderes wichtig erschienen, nie hatte sie ihre Pläne geändert für wen auch? Ein exzellenter Abschluss, ein schnelles Studium mit einem fabelhaften Examen, dann die Arbeit als Heilerin. Ein Mann? Kinder? Irgendwann, vielleicht. Wenn die Planung es zulassen sollte, ja. Der Erwerb von Wissen und das Weiterkommen auf dem von ihr vorgesehen Weg hatten stets im Vordergrund gestanden. Am Wegesrand ihre Eltern, die ihr aufmunternd zunickten. Und dann kam plötzlich Benoit. Wie konnte er sich auf ihren Weg stellen? Wie konnte er es wagen, nicht nur ihre Planung für den heutigen, schon fast vergangen Abend zu ruinieren sondern auch die für ihr weiteres Leben ins Wanken zu bringen? Unity wusste, dass sie die Schuld nicht bei ihm suchen konnte, nicht bei ihm suchen durfte. Sie selbst gab ihm diese Macht und das war es wohl, was sie am meisten ärgerte. Was war sie überhaupt wert, ihre saubere Planung, wenn es so einfach erschien, sie nun in Frage zu stellen? Ein Mann, nur ein einziger französischer Kerl war nötig, damit sie nun also begann, an ihren Prinzipien zu zweifeln? Die hübsche rothaarige Hexe schämte sich urplötzlich. Sie war es nicht wert, das Leben zu führen, das sie ihr eigen nennen durfte. Ihre Eltern hatten eine bessere Tochter verdient, als sie es war. Und die Kranken dieser Welt hatten eine bessere Heilerin verdient, als sie es jemals sein könnte. Sie, Unity, Tochter der Richterin Penelope und des Schulleiters Percival Weasley, hatte auf ganzer Linie versagt. Sie verhielt sich nicht besser als ein verliebter Teenager, völlig verklärt und willenlos. Gott, wie sie es hasste. Konnte er denn nicht einfach aufstehen und gehen? Mit einem Blick, in dem sich die Zuneigung, die sie eigentlich für ihn empfand, mischte mit dem Hass, den sie gern empfinden wollte, blickte sie den jungen Lehrer an. Nein, es würde nicht reichen, wenn er gehen würde. Sie würde ihn ohnehin nicht vergessen können, das war ihr nur zu klar. Er müsste verschwinden und sie müsste sich einen Zeitumkehrer organisieren. Ein kleines Lächeln glitt über ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht. Sie würde die Zeit zurückdrehen und den Abend im zweiten Durchgang dann einfach woanders verbringen. Sie würden einander niemals begegnen. Und vielleicht würde sie unterbewusst irgendetwas vermissen, doch sie würde nicht wissen, was. Und irgendwann würde dieses Gefühl bestimmt nachlassen und sie würde wieder eine gute Tochter sein können. Eine gute Studentin. Und ihre Planung würde wieder einen Sinn machen. Zufrieden strafte sie die schmalen Schultern, die jedoch sogleich wieder in sich zusammensackten, als ihre Augen dem Blick des Franzosen begegneten. Diese Augen. Nie in diese Augen sehen. Das ging doch nicht. Nie diesen ehrlichen Hauch eines Lächelns auf seinen schmalen Lippen zu entdecken. Sie war weich geworden, unglaublich weich und verletzlich und menschlich. Sie war ein Mensch, sie durfte Schwächen zeigen. Wer, außer ihr selbst, konnte ihr dies verbieten? Doch sie selbst war schon immer ihre härteste Kritikerin gewesen, gnadenlos und ohne Rücksicht auf Verluste. Konnte sie ihn nicht einfach mögen und ihr Leben trotzdem so weiterleben, wie sie es immer getan hatte? Hörbar atmete Unity aus und schüttelte ihren lockigen Kopf. Sie wusste selbst, wie dass es ihre eigene Einstellung war, die diese Idee so unmöglich erscheinen ließ. Die Anwesenheit anderer Menschen war in ihrem Leben nicht vorgesehen. Sie verunsicherten sie, machten sie wankelmütig und nachgiebig.
Der Wein war leer, wie Unity, obwohl sie es ohnehin wusste, mit einem raschen Blick auf die Flasche klärte. Ebenso leer, wie diese war, fühlte auch sie selbst sich. Sie hatte Benoit alles gesagt, hatte ihm ihre innerste Gefühlswelt um die verdutzten Ohren geschmettert, sie hatte ihn überfahren, hatte sich völlig unangemessen und kindisch verhalten. Natürlich, der Wein. Er war nach wie vor und vielleicht mehr denn je eine willkommene Ausrede und hatte mit Sicherheit seinen nicht unwesentlichen Anteil an ihrem kleinen Ausraster, doch er hatte nur das verstärken und aus ihr heraus drängen können, was ohnehin in ihr geschlummert hatte. Wein, so schien es, war das, was sie zu einem halbwegs normalen Menschen werden ließ, der nicht geprägt war von engen Regeln und festgelegten Plänen. Sie war, wenn auch nur für einen kurzen Moment, eine impulsive junge Frau gewesen, die verliebt war. Und sie hatte keine Ahnung, was sie davon halten sollte. Benoit ließ ihre Worte zunächst unkommentiert, was Unity nicht ganz ungelegen kam. Sie hatte keine Lust und auch keine Kraft, um sich für diese zu rechtfertigen oder um sich aus der Misere, in die sie sich befördert hatte, wieder herauszureden. Er ersparte ihr dies, obwohl sie es nicht verdient hatte, geschont zu werden. Von einem plötzlichen Schwindelgefühl überwältigt schloss die hübsche Hexe beide Augen und atmete tief durch, während nun auch noch das Gefühl leichter Übelkeit in ihr aufkam. Verzweifelt und ein wenig beschämt verbarg sie ihr jugendliches Gesicht in ihren zierlichen Händen und erinnerte sich selbst mit aller Kraft, die sie aufzubringen vermochte, daran, dass sich in den Drei Besen noch nie ein Karussell befunden hatte und dass sich insofern auch nichts, aber wirklich gar nichts hier drehen konnte. Sie saß auf einer Bank, einer Bank aus Holz, die fest mit dem Boden verbunden war. Und die Menschen um sie herum drehten sich auch nicht. Rational betrachtet zumindest taten sie es nicht, obwohl es ihr im Moment anders vorkommen mochte. Hilfe- und haltsuchend griff sie mit ihrer rechten Hand nach Benoit, mit dem einzigen und bloßen Wunsch, sich an etwas festzuhalten. Es hätte auch der Tisch sein können. Warum war es nicht der Tisch? Völlig egal. Unity bekam den Ärmel seines Umhanges zu fassen, griff ein zweites Mal nach, bis sie den festen Widerstand seines Armes spürte. Es war unpassend, jetzt auf Tuchfühlung zu gehen, es hatte fast schon etwas heuchlerisches, doch es half ihr, sich ein wenig besser zu fühlen. Der sehnige Arm des Franzosen, den sie unter ihren zarten Fingern durch den festen Stoff spürte, gab ihr die Kraft und Stabilität, die sie im Moment doch so nötig brauchte. Mir ist ganz setzte sie an, erstickte ihre letzten Worte jedoch in einem Hicksen, welches sie, recht undamenhaft, nicht hinter vorgehaltener Hand zu verstecken versuchte. Ihre Wirkung auf ihn war doch jetzt sowieso hinfällig und egal. Und wieder drehte sich alles...
Unity! riss der Klang ihres eigenen Namens aus seinem Mund sie aus ihren Gedanken und sorgte dafür, dass sie sich traute, die Augen zu öffnen und den Kopf zu heben keine besonders gute Entscheidung, die den Schwindel noch begünstigte. Ihren Namen, er hatte nicht mehr gesagt als ihren Namen, den ihre Eltern ihr bei ihrer Geburt gegeben hatten. Doch noch nie hatte ihr Name, den sie seit zweiundzwanzig Jahren kannte und mit sich trug, so schön und so poetisch geklungen wie aus Benoits fein geschwungenen Mund. Ein verklärtes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und verlieh diesem einen verträumten Ausdruck, der fast schon ein wenig dümmlich wirken mochte. Warum hast du beschlossen dich nicht mehr zu verlieben? Überrascht hob Unity ihre schmalen Augenbrauen, als sie diese Frage vernahm. Was interessierte ihn das? So, wie er sie in den vergangenen Minuten angesehen hatte, hielt er sie doch ohnehin für eine verschrobene und anstrengende Person, mit der er seine Zeit nicht länger verbringen wollte. Warum also zeigte er nun plötzlich ein Interesse, noch mehr über ihre verkorkste Gefühlswelt zu erfahren? Um einen Grund mehr zu erhalten, sie zu verurteilen? Um dem Fass endgültig den Boden auszuschlagen? Das ist nicht ganz richtig so setzte Unity an, wobei ihre Stimme in den Tonhöhen leicht schwankte, was sie mit einem leisen Räuspern in den Griff zu kriegen versuchte. Warum genau beantwortete sie seine Frage eigentlich überhaupt? Vielleicht, weil er eine Erklärung verdient hatte. Vielleicht aber auch, weil sie ruhiger atmete, wenn sie sprach und weil sie das Schwindelgefühl dann zu unterdrücken vermochte. Ich habe nicht beschlossen, mich nicht MEHR zu verlieben. Ich habe beschlossen, mich NIE zu verlieben berichtigte sie und nickte bestätigend zu ihren eigenen Worten, während ihr glasiger Blick auf Benoit ruhte, der ihre vor Jahren getroffene Entscheidung Lügen zu strafen drohte. Ich war noch nie verliebt kicherte Unity plötzlich und strich sich mit einer fahrigen Handbewegung eine verirrte Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht. Noch nie. Ich bin zweiundzwanzig. Noch nie! wiederholte sie und wusste zugleich selbst nicht, ob dies nun für ihre Konsequenz oder für ihre unglaubliche Dummheit sprach. Menschen verlassen dich. Menschen belügen dich. Menschen enttäuschen dich. Menschen stehen dir mit ihren blödsinnigen Bedürfnissen im Weg und sind es doch kaum wert, dass man sich mit ihnen beschäftigt erklärte Unity leicht lallend und zuckte mit den Schultern, als würde sie einem Kind die bedauernswerten Tatsachen der Welt erklären. Und kein Candlelightdinner, kein Kuss im Mondschein kann dies verhindern. Und da hab ich beschlossen, dass ich keinen Mann brauche. berichtete die rothaarige Hexe und blickte Benoit herausfordernd an. Wozu auch? Um mich zu ernähren? Ich werde einen eigenen Beruf haben und gut genug verdienen. Um mir Kinder zu schenken? Ich will keine Kinder. Um mir ins Ohr zu säuseln, wie schön ich bin? Ich habe einen Spiegel. Fast schon aggressiv hatten die letzten Worte ihren hübschen Mund verlassen, geprägt von einer Entschlossenheit, die wohl daher rührte, dass sie sich in diesem Moment nicht nur Benoit, sondern auch sich selbst gegenüber rechtfertigte. Und dann kommst du fügte sie leise hinzu und schien erst jetzt zu bemerken, dass ihre Hand sich noch immer in seinen Unterarm krallte. Ungläubig starrte sie auf diesen Zusammenschluss ihrer beiden Körper, sah sich jedoch nicht imstande, sich von ihm zu lösen. Und du kommst und du zerstörst das alles und ich kann dir nicht böse sein und ich will dich hassen und ich verfluche dich. Tränen traten in ihre großen blaugrauen Augen und Unity vermochte es nicht, diese Tränen herunterzuschlucken, bevor sie ihre Wange hinab liefen. Und du bist schuld, dass ich jetzt weine. Und das ist doch schon wieder Grund genug, sich nicht zu verlieben. schluchzte Unity und hob ihren Blick. Sie verbarg ihr Gesicht nicht länger beschämt in ihren Händen, nein, sie zeigte Benoit die Tränen, die sie nun seinetwegen weinte. Vielleicht würde er verstehen, wie sehr er ihr perfekt geplantes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Und ich frage dich, Benoit, wo gibt es denn bitte einen verfluchten Zeitumkehrer für die eigene Gefühlswelt?
26.08.2008
Hätte man Benoit noch vor wenigen Minuten gefragt was er in Unitys Gegenwart empfand, wäre ihm vermutlich sehr viel eingefallen. Vielleicht hätte er sogar von Verliebtheit gesprochen, von einem Verlangen ihr nahe zu sein, oder wenigstens, wenn er es schon nicht geschafft hätte von so etwas ähnlichem wie Liebe zu sprechen, wenigstens von einem Gefühl, dass ihn mit Unity zu verbinden schien. Es hatte ihm gefallen in Unity mehr zu sehen als nur eine flüchtige Bekanntschaft. Es hatte ihm gefallen sich vorzustellen Unity zu küssen, auch wenn er sich in diesem Augenblick noch dafür verflucht hatte so etwas Unanständiges zu denken, wenn es dabei um die makellose junge Frau in seiner Gegenwart ging. In einem wahnwitzigen und genauso kurzen Moment hatte er sich sogar zusammen mit Unity in seinen Schlafraum in Hogwarts gesehen. Aber wo waren all diese Vorstellungen hin? Verschwunden unter Tränen, mit Wein fortgespült. Zur jungen Frau, die er eben noch für ihre Geradlinigkeit bewundert hatte, für ihr sicheres Auftreten und die Hartnäckigkeit in dem sie jede Annäherung zunächst verweigert hatte, hatte er sich hingezogen gefühlt, ihr hatte er nahe sein wollen, aber diese Frau gab es nicht mehr. Sie war diesem Mädchen gewichen, die schwer angetrunken an seinem Tisch saß, sich die widerspenstigen Locken aus dem Gesicht zu wischen versuchte und sich mehr als einmal bereits mit dem Kopf auf ihren Ellbogen gestützt hatte, als würde sie jeden Augenblick auf der Tischplatte einschlafen. Noch dazu dieses Hicksen, ihre leichten Probleme die Sätze schön zu artikulieren und ein Kichern, das nicht selten an Hysterie denken ließ. Und als würde dies allein nicht reichen um einen jungen, attraktiven Mann abzuschrecken präsentierte sie ihm ihre ganze, in ihren Augen anscheinend armselige, Lebensgeschichte. Ausgerechnet sie, die noch vor zwei Stunden am liebsten ihren Namen verschwiegen hätte um nicht einem Sexualverbrecher zum Opfer zu fallen. Mittlerweile hatte sich Unity an Benoits Arm festgekrallt, als ob er der Felsen wäre, der sie vor dem Ertrinken retten konnte. Benoit konnte nicht sagen ob ihm die Berührung unangenehm war, aber sie war bestimmt nicht das, was er sich an diesem Abend erhofft hatte. Obwohl er Unity in diesem Augenblick alles andere als anziehend fand, brachte er es nicht über sich ihr seinen Arm zu entziehen und er ließ ihn liegen wo er war, schaute ein-, zweimal drauf als könnte er es nicht glauben, dass er von einem harmlosen Flirt zum Kummerkasten mutiert war.
Er konnte nicht leugnen, dass Unity ihm auch ein klein wenig leid tat. Wahrscheinlich war sie Umgang mit Alkohol nicht gewohnt und hatte sich auf Glatteis begeben, in dem sie eine Flasche Wein bestellt hatte, um ihm in irgendeiner Weise zu imponieren. Benoit mochte betrunkene Menschen nicht, er hasste es, wenn irgendjemand die Beherrschung über sich verlor und seine Taten nicht mehr rechtfertigen konnte. Es war schon sehr lange her, dass Benoit so betrunken gewesen war, dass er Dinge tat, die er am nächsten Morgen wieder bereute. Unity war gerade in einer solchen Verfassung, wenn sie sich überhaupt noch an das erinnern würde, was sie heute gesagt hatte, dann bestimmt nur mit Reue und Hass auf sich selbst. Sie wirkte auf Benoit wie ein kleines Mädchen, dem man gerade etwas weggenommen hatte und das weinte um Aufmerksamkeit und Mitleid zu erhaschen. Ihre Augen waren schon mit Tränen gefüllt und ihre Wangen zierte eine unnatürliche Röte. Sie war nicht mehr die Unity die er wollte. Als sie begann ihm ihre Gefühle zu gestehen, wusste Benoit nicht wie er reagieren sollte. Natürlich gefiel es ihm, dass er einen Eindruck auf Unity gemacht hatte und er nicht nur eine flüchtige Barbekanntschaft war. Aber wie sollte man darauf reagieren, wenn einem eine alkoholisierte Person, die man erst seit ein paar Stunden kannte, plötzlich ihre Liebe gestand? Benoit war sprachlos, hin und hergerissen zwischen befriedigter Eitelkeit und Betroffenheit. Warum musste Unity denn auf einmal so ausrasten? Konnte sie denn bitte nicht still sein? Unitys Gefühlsausbruch war ihm schon richtig peinlich. Eigentlich hatte er vorgehabt dieses Pub noch häufiger aufzusuchen, doch würde er sich das nach dieser Blamage überhaupt noch trauen? Obwohl niemand die beiden jungen Zauberer anstarrte, hatte Benoit das Gefühl als wären alle Augen des Lokals auf das ungleiche Paar gerichtet, nur Madame Rosmerta schien nicht anwesend zu sein. Wo war sie denn bitte? Konnte sie Benoit denn nicht aus seiner misslichen Lage befreien?
Als Unitys Tränen zu fließen begannen, schämte sich Benoit für die harschen Gedanken von vorhin. Er wollte der Mann sein, den Unity glaubte vor sich zu haben, doch das ändert nichts an der schlichten Tatsache, dass er sich in seiner momentanen Lage überfordert fühlte. Natürlich hatte er schon mehrmals eine Frau getröstet, meistens seine Schwestern Mascha und Anouk, aber was tat man mit einer xenophoben Fremden? Durfte man die auch einfach in den Arm nehmen und sanft übers Haar streicheln, oder war das verboten? Konnte er ihr sagen, dass alles wieder gut werden würde, ganz gleich ob das Problem ein Problem war, oder nicht? Gab es überhaupt einen Grund der Trost erforderte? Musste Benoit sie trösten, weil sie in ihn verliebt war, oder sollte er sich besser dafür entschuldigen? Tausend Fragen schwirrten durch Benoits Kopf, eine war verwirrender als die andere. Konnte er den überhaupt etwas für diese unangenehme Lage, in der sie gerade steckten? Und ich frage dich, Benoit, wo gibt es denn bitte einen verfluchten Zeitumkehrer für die eigene Gefühlswelt? Benoit seufzte, wollte so viel sagen und sprach dennoch kein Wort. Er antwortete nicht, nicht dass Liebe manchmal ihren Grund hatte, dass es nicht schlimm war von jemandem abhängig zu sein, wenn man trotzdem noch eine eigenständige Person war. Daran zu glauben, dass man ohne eine bestimmte Person nicht leben konnte, war nicht schlimm, weil man es im Notfall trotzdem schaffte. Zu beschließen sich niemals zu verlieben, war wie der Beschluss seinen rechten Arm zu benutzen. Es war sinnlos und dumm zu glauben, man könne so leben, weil man in dem Moment in dem ein wertvolles Stück zu Boden fällt, trotzdem beide Hände ausstreckt um es zu fangen. Benoit war kurz davor Unity all dies und noch mehr zu sagen. Er wollte ihr verständlich machen, dass die Liebe eine Bereichung des Lebens darstellte und keine Einschränkung, aber ein Blick in ihre stumpfen, weinerlichen Augen machte ihm klar, dass er dieses Gespräch nicht mit einer betrunken Frau führen wollte, sondern mit der Unity, in die er sich ein klein wenig verliebt hatte.
Unity musste ihren Rausch ausschlafen, daran gab es keinen Zweifel mehr und Benoit musste sie zu diesem Zweck nach Hause bringen. Es war undenkbar, dass Unity allein apparierte, niemand konnte wissen, wo sie wieder auftauchen würde und es gab schon genug Menschen die nach dem Apparieren nicht mehr aufgetaucht waren. Unity durfte zu diesen Menschen nicht gehören, das konnte Benoit jetzt echt nicht brauchen. Langsam erhob er sich, was unweigerlich dazu führte, dass Unitys Hand von seinem Arm glitt und eine warme Stelle zurück blieb. Er näherte sich Unitys Seite der Bank und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Ich werde dich jetzt nach Hause bringen!, sagte er mit fester Stimme. Du bist betrunken und solltest dich ausschlafen. Seine Lippen verzogen sich zu einem mitleidigen Lächeln und er hoffte inständig, dass Unity sich diesem Vorschlag nicht widersetzen würde. Benoit hatte keine Lust sich mit ihr jetzt auch noch richtig zu streiten, denn obwohl Unity sehr dickköpfig war, würde er darauf bestehen sie nach Hause zu begleiten und wenn sie sich deswegen die ganze Nacht streiten würden. Ein Wink mit dem Zauberstab und sein Mantel flog herbei, Unitys Mantel lag neben der jungen Frau. Wie ein vollendeter Gentleman half Benoit Unity in den Mantel, nur sein Lächeln war längst nicht mehr so galant und feurig, sondern müde. Nachdem er seinen Mantel ausgezogen hatte, legte er einige glänzende Münzen auf den Tisch, wo sie leise klimpernd liegen blieben. Während sie neben einander das Lokal verließen, wandte Benoit sich wieder Unity zu und fragte: Wo wohnst du? Und wenn du es mir nicht sagen willst, werde ich Madame Rosmerta fragen. Die gibt mir bestimmt bereitwillig Auskunft!
17.09.2008
Unity wusste es genau. Sie spürte es mit jeder Faser ihres zierlichen Körpers. Sie hatte sich zur kompletten Vollidiotin gemacht und daran war natürlich der Alkohol schuld. Der verfluchte Wein, der ihre Zunge gelockert und sie zum absolut lächerlichsten Sensibelchen gemacht hatte, das die Welt je gesehen hatte. Dummerweise war es dem blöden Wein allerdings nicht gelungen, auch ihre Selbstwahrnehmung zu trüben, denn wie dämlich sie sich seit einiger Zeit verhielt war ihr leider nur zu deutlich bewusst. Hatte nicht sie selbst sogar den Wein bestellt? Ja, sie wusste genau, dass es so gewesen war. Mit dieser Bestellung hatte sie sich ihr eigenes Grab geschaufelt, davon war sie völlig überzeugt. Am besten würde sie sich in den Wald legen und still darauf warten, zu sterben. Laub würde auf sie fallen und irgendwann würden die Wölfe kommen und ihrem jämmerlichen Dasein ein Ende setzen. Bestimmt würde sie eh keiner suchen, wenn Benoit erst allen erzählt hätte, wie sie sich verhalten hatte. Ihre Eltern würden sich für sie schämen und infolgedessen wahrscheinlich das Land verlassen, was Unity wirklich sehr leid tat, da sie wusste, wie sehr ihr Vater die Schule liebte, die er leitete. Aber sie konnte es, trotz allen Bedauerns, jetzt nicht mehr rückgängig machen. Grimmig heftete sie den Blick aus ihren blauen Augen auf das leere Weinglas und setzte ihren Spinnereien somit ein Ende, als würde es auch nur irgendetwas bringen, ihren Hass nun auf seelenlose Gegenstände zu richten, die keinerlei Schuld daran trugen, dass sie jetzt betrunken war und einem fremden Mann ihre Liebe gestanden hatte. Autsch. Hatte sie das wirklich getan? Was war nur los mit ihr? So war sie nicht, dieses Verhalten passte überhaupt nicht zu ihr kein bisschen. Und Unity hasste Menschen, die sich derart gehen ließen und die Selbstbeherrschung verloren. Doch nun war sie eine von Ihnen. Wahrscheinlich die Schlimmste von allen. Wehmütig seufzend schloss die rothaarige Hexe die Augen und kämpfte mit aller Macht gegen das unangenehme Gefühl an, dass sich alles um sie herum drehte. Benoit nun nicht mehr zu sehen tat ihr gut und erleichterte es ihr ungemein, ihre Gedanken ein wenig zu ordnen. Natürlich war sie NICHT in ihn verliebt. Sie kannte ihn doch kaum. Und sie hatte sich doch wirklich fest genug vorgenommen, sich niemals zu verlieben und an diesem kühnen Vorhaben hatte sich zweifellos nichts geändert. Der Wein, dieser leidige Tropfen, war schuld. Sie wusste das. Sie musste es einfach glauben, um den Respekt vor sich selbst nicht zu verlieren. Aber wie sollte sie ihm das begreiflich machen? Er würde es nie glauben, niemals. Er würde sie von nun an und wohl für immer als bemitleidenswertes Mädchen betrachten, das sich nicht im Griff hatte und, wie ärmlich, hilflos in ihn verliebt war. Dieser Gedanke trieb der derzeit äußerst sensiblen Unity erneut Tränen in die Augen, deren Aufsteigen sie durch einen grimmigen Gesichtsausdruck zu verstecken versuchte, der ihr mehr schlecht als recht gelingen wollte. Verzweifelt drückte sie ihre zierlichen kühlen Hände gegen ihre Schläfen und versuchte so das Gefühl, dass ihr Kopf bald zerspringen würde, ein wenig einzudämmen. Zwar musste dies ziemlich lächerlich aussehen, aber das war, so ehrlich war sie sich selbst gegenüber, im Moment wohl ihr kleinstes Problem. Benoit setzte sie an und öffnete zaghaft ihr linkes Auge, nur einen Spalt, um ihr Gegenüber ansehen zu können. Benoit, ich gebe das nicht gern zu sie stockte und unterdrückte mit aller Kraft ein erneutes Hicksen, bevor sie fortfuhr aber ich bin wirklich, wirklich total betrunken erklärte sie die offensichtliche Situation, die der französische Lehrer aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso schon längst durchschaut hatte. Dennoch war ihr daran gelegen, ihn wissen zu lassen, dass sie es einsah und sich dieser Tatsache bewusst war, wenn es auch eigentlich nichts zu ändern vermochte. Ich trinke nie betonte sie und hob hilflos ihre schmalen Schultern. Auch das hatte er sich wohl schon gedacht. Zumindest passte diese Erkenntnis recht gut zu der Art, wie er sie mittlerweile betrachtete, eine Betrachtungsweise, die ihr absolut nicht gefiel. Sämtlicher Charme war aus seinen sanften braunen Augen gewichen, die sich nun mitleidig auf ihre jämmerliche Person hefteten. Wahrscheinlich willst du willst du mich nie wieder sehen nach diesem Abend vermutete sie und schaffte es tatsächlich, ihrer Stimme einen halbwegs festen und selbstsicheren Klang zu geben, der der hübschen Hexe einiges an Mühe abverlangte. Ich kann das verstehen. Aber ich denke, dass wir wir sind doch beide intelligente Menschen fuhr Unity fort und kam ein wenig ins Straucheln, da sie sich ihre Worte zuvor nicht gut genug zurecht gelegt hatte. Was ich meine ist, dass du wissen solltest, dass ich mich normalerweise nicht so verhalte. brachte sie es schließlich auf den Punkt, führte dies jedoch nicht weiter aus, da es keineswegs in ihrer Absicht lag, sich selbst anzupreisen. Sie wollte ihn nicht überreden, sich noch mal mit ihr zu treffen, nein, das ganz bestimmt nicht. Unity wollte lediglich eine faire Chance und die Möglichkeit, ihr fehlerhaftes Verhalten zu korrigieren. Aber wenn sie sich nun daran versuchte, Benoit dies begreiflich zu machen, so würde er doch wohl immer an ihre seltsame Zuneigungsbekundung denken müssen und wahrscheinlich vermuten, dass sie ihn nur wieder sehen wollte, um sich an ihn heranzumachen oder so. Und wer konnte ihm das schon verübeln? Nur jemand, der wusste, dass Unity eigentlich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie man es überhaupt anstellte, sich an jemanden heranzumachen. Aber das stand jetzt nicht zur Debatte. Ich hasse mich wirklich selbst für nach Worten suchend gestikulierte sie, bevor sie schließlich auf sich selbst zeigte das! Ja, das brachte es wohl ganz gut auf den Punkt. Sie hasste sich im Moment für sich selbst. Benoit brachte sie noch immer aus dem Konzept, weit mehr, als es ihr angenehm war. Doch sie konnte ihm das nicht vorwerfen. Es war ihre Schuld, nur ihre eigene. Und falls es zu einem zweiten Treffen kommen sollte, so musste sie sich bis dahin weit besser im Griff haben. Sie musste es schaffen, seinen Augen keine Macht mehr über sie zu geben. Das würde ihr bestimmt gelingen. Sie war Unity Weasley, sie war stark. Das hatte noch jeder gemerkt, der sie je unterschätzt hatte. Tief durchatmend straffte sie ihre schmalen Schultern. Aguamenti murmelte die rothaarig gelockte Hexe lahm und richtete ihren Zauberstab auf das leere Glas, das vor ihr stand. Es kostete einige Mühe, das Zittern der Hand zu verhindern, doch es gelang halbwegs, denn immerhin schaffte sie es, das Wasser, welches nun aus der Spitze ihres Zauberstabs schoss, tatsächlich in das Glas hineinlaufen zu lassen. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und lächelte leicht angesichts der Tatsache, dass dieser Zauberspruch, der doch zweifellos zu den schwierigeren Formen der Zauberkunst gehörte, ihr geglückt war. So schlimm ihr im Moment doch alles vorkam, so heiterte sie diese Kleinigkeit doch ein wenig auf. Schweigend nippte Unity an dem frischen, klaren Wasser, das ihren Körper erfrischend durchspülte und ihre Lebensgeister zu neuem Leben erwachen ließ. Natürlich spülte das Wasser den Alkohol, welcher sich in ihrem Körper befand, nicht weg, doch sie spürte, wie ihr Kopf sich etwas leichter anfühlte, was im Moment schon einen deutlichen Gewinn darstellte.
Ich werde dich jetzt nach Hause bringen! Du bist betrunken und solltest dich ausschlafen. erklärte der französische Lehrer mit fester Stimme und erhob sich von seinem Platz, um den Tisch zu umkreisen und neben Unity zum Stehen zu kommen. Diese nickte nur müde und schloss für einen kurzen Moment erneut die Augen, ohne sich recht darüber klar zu sein, was Benoits Aussage denn eigentlich bedeutete. Nach Hause? Plötzlich riss sie die Augen auf. Ihr Vater würde noch wach sein und er würde sie empfangen und er würde sie hassen, wenn sie ihm so gegenübertrat. Panisch schüttelte sie den Kopf, obwohl sie doch selbst gut genug wusste, dass sie nach Hause musste. Der Gedanke an ihr weiches Bett erschien seltsam verlockend. Ohne sich zu wehren ließ die rothaarige Hexe sich von Benoit in ihren Mantel helfen und kam nicht umhin, dabei seinen Geruch und seine flüchtigen Bewegungen zu genießen, doch sie schaffte es zumindest, sich diesem Genuss nicht völlig hinzugeben. Wo wohnst du? Und wenn du es mir nicht sagen willst, werde ich Madame Rosmerta fragen. Die gibt mir bestimmt bereitwillig Auskunft! Während der smarte Franzose die zierliche Hexe aus dem Lokal schob, verlangte er von ihr, dass sie ihm nun verraten sollte, wo sie wohnhaft war. Das hübsche Haus am Wiesenrand, das immer warm und einladend wirkte. Ein sehnsüchtiges Lächerln erschien auf ihrem puppenhaften Gesicht. Und am Fenster würde ihr Vater stehen. Seltsam, dass einer erwachsenen Frau schlecht wurde beim Gedanken daran, wie ihr Vater auf ihren besoffenen Zustand reagieren würde. Wir müssen die High Street entlang gehen erklärte sie und es klang auswendig gelernt, was es tatsächlich auch war, wenn man bedachte, wie oft ihre Eltern ihr diese Wegbeschreibung in Kinderjahren vorgebetet hatten. Natürlich war dies unnötig gewesen, denn Unity hatte sich nie verlaufen, aber da es ihren Eltern ja so großen Spaß zu machen schien, hörte sie es sich bereitwillig wieder und wieder an. Am Ende der Straße links geht die Puddifoot Street ab, da müssen wir lang und dann die nächste direkt rechts, das ist die Deadwood Main Street, da ist eines der ersten Häuser das Haus meiner Eltern gab sie ihm bereitwillig Auskunft, obwohl sie diesen Weg lieber allein angetreten hätte. Sie kannte ihn, sie würde ihn immer finden, selbst blind würde sie noch heil daheim ankommen, da war sie sich sicher. Doch vielleicht, so hoffte Unity, würde die frische Luft ihr gut tun und der gemeinsame Weg würde ihr die Chance geben, Benoit davon zu überzeugen, dass sie eigentlich keine psychotische Säuferin war. Und wenn er es nicht einsehen würde, dann war er doch wirklich selber schuld. Es würde ihr, gesetzt dieser Fall würde eintreten, viel leichter fallen, ihn zu verachten. Zumindest gab es ihr ein gutes Gefühl, daran zu glauben.