In die FDP trat ich ein.... Ein Zurückblick mit Grauen
Mein langes, leeres Jahr in der FDP
Voller Überzeugung trat unser Autor einst in die FDP ein
und erlebte die Trostlosigkeit des Parteifunktionärswesens: lähmender
Stillstand, gehässige Tratschereien und kein Wort über Politik. (......)
In die FDP trat ich ein, als
Guido Westerwelle der Partei die sozialliberalen und
nationalliberalen Flausen mit einer Programmdiskussion austrieb. Als
Bewunderer Ronald Reagans und Margaret Thatchers schien mir die
westergewellte Partei unterstützenswert; es waren die späten Kohl-Jahre,
und man musste offenkundig etwas mehr tun, als nur die richtige Partei
wählen, damit Rot-Grün nicht rankommt. Dass niemand die Wirtschaft so
deregulieren, die Steuern so senken und die Bundeswehr so bedenkenlos
ins Ausland schicken würde wie die Regierung Gerhard Schröder, konnte
man damals ja nicht ahnen.
Hilfe, mein Gehirn trocknet aus!
Voller Elan
präsentierte ich mich bei meiner ersten Ortsgruppensitzung. "Das ist
Herr Posener", sagte der Vorsitzende, "er ist Mitglied geworden."
Entsetzt schauten mich die Mumien an. Schließlich krächzte jemand:
"Herzliches Beileid!" Gleich in dieser ersten Sitzung wurde ich als
Delegierter für irgendein Gremium gewählt. Es gab ja mehr Funktionen als
anwesende Mitglieder. Jeder musste ran. Und dies war, wohlgemerkt, ein
bürgerlicher Bezirk Berlins, in dem die Liberalen damals fast so viele
Stimmen bekamen wie die Grünen.
Mein Jahr in der
Niemandsbucht - so kommt mir mein Jahr bei den Liberalen vor. Über
Politik wurde nie gesprochen. Es gab Parteitratsch: Wer mit wem schlief
und wer wen nicht leiden könne. Es gab Mitteilungen, wer in welche
Funktionen gewählt worden war und wann und wo die entsprechenden Gremien
tagen. Es gab quälend lange Beratungen darüber, wer wann welche
Flugblätter in der Fußgängerzone verteilen sollte: Dafür hätten wir bei
den Maoisten drei Minuten angesetzt.
Auch als ich
mich aus der Ortsgruppenarbeit - "Arbeit" ist eigentlich das falsche
Wort - verabschiedete und mich zu einer "Grundwertekommission" meldete,
war es nicht viel anders. Nach der Sitzung ging es bei endlosen Bieren
in der Kneipe eigentlich immer nur um Parteiinterna: Warum dieser blöd
sei und jener dafür doof. Seit meiner Schulzeit hatte ich nicht mehr so
stark das Gefühl gehabt, mein Gehirn trockne aus.
"Wir waren wie Maschinen"
Ich will
niemandem zu nahe treten. Aber wer lieber seine Abende mit solchen
Parteifreunden verbringt als mit echten Freunden oder seiner Familie
oder einem guten Buch oder "CSI Miami", muss irgendwo beschädigt sein.
Und ich bin nicht so vermessen zu glauben, in den anderen Parteien gehe
es anders zu. Im Gegenteil: ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es
überall genau so trostlos ist. "Wir waren wie Maschinen", sagt der
ehemalige Kommunist Gerd Held über seine Zeit als KBW-Funktionär.
Aber das
Maschinendasein ist kein besonderes Kennzeichen von Kommunisten, das
kann ich bezeugen. Man stelle man sich einen Parteifunktionär vor, der
seit seiner Jugend nichts anderes kennt; nicht nur einmal die Woche,
sondern mehrmals täglich: Ortsgruppen und Bezirksvereine und
Landesgruppen und Landtagsfraktionen und Bundestagsfraktionen und
Programmkommissionen und Parteivorstände und und und. Ob CDU/CSU, FDP,
SPD, Grüne, Linke oder Piraten: Es ist ein Wunder, dass unsere Politiker
nicht viel, viel blöder sind.
http://www.welt.de/kultur/article113246177/Mein-langes-leeres-Jahr-in-der-FDP.html