"Ich möchte sterben, jetzt, an Liebe..." Zum Gedenken an die uruguayische Lyrikerin Idea Vilariño
"Ich möchte sterben, jetzt, an Liebe..." Zum Gedenken an die uruguayische Lyrikerin Idea Vilariño
Erich Hackl
Von all den großen, kühnen, unbeugsamen Dichterinnen, die Lateinamerika hervorgebracht hat, ist sie die bedeutendste und, trotz ihrer selbstgewählten Abgeschiedenheit und der Rigorosität ihres Schaffens, auch die populärste: Idea Vilariño, die 1920 in Montevideo geboren wurde, als zweitälteste Tochter eines, wie sie schreibt, verliebten und in seine Kinder vernarrten Paares: »Er ein Dichter und Anarchist; sie eine gebildete und unersättliche Leserin Eigenschaften, die fünf intelligente, künstlerisch talentierte Kinder erben werden: Alma, Idea, Azul, Poema, Numen.« Schon als Fünfjährige hatte Idea Gedichte verfasst, bei denen es ihr weniger auf den Inhalt, vielmehr auf Rhythmus und Metrik ankam. Aber bereits die ersten »erwachsenen« Gedichte, die sie mit siebzehn schrieb, verraten ihre Fähigkeit, Zweifel und Leidenschaft miteinander zu verschmelzen, und die Ernsthaftigkeit, mit der sie sich mitzuteilen vermag. Dichtung sei kein Spiel, sondern »eine Aufgabe, die das Leben verzehrt«. Sie unterrichtete Literatur, redigierte die Zeitschrift Número, Organ der sogenannten Generation von 1945, die das intellektuelle Leben Uruguays nachhaltig geprägt hat, und schrieb für die Wochenzeitung Marcha, die bis zu ihrem Verbot durch das Militärregime, 1974, das wichtigste Forum für lateinamerikanische Intellektuelle war, stellte die Mitarbeit aber für lange Zeit ein, nachdem sich der Herausgeber Carlos Quijano geweigert hatte, ihr Gedicht El amor wegen dieser für unsittlich gehaltenen Verse abzudrucken: »Heute ist die einzige Spur ein Taschentuch/ das jemand vergessen verwahrt/ ein Taschentuch mit Blut Sperma Tränen/ das gelb geworden ist.«
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