Fördermittel und andere Beiträge von Dritten
Im Lottoglück
Wenn der Ministerpräsident oder seine Kabinettsmitglieder übers Land fahren, dann haben sie oft Geschenke dabei. Mehrere Millionen Euro an Lottogeldern darf die Regierung jedes Jahr ausgeben. Die Empfänger bestimmt sie selbst, nicht selten in Absprache mit dem örtlichen, parteieigenen Abgeordneten.
Es gibt Tage, die will man einfach vergessen, so wie vielleicht Dagmar Schipanski diesen frühen Märztag in Sonneberg. Kalt, grau und nass war es, dazu der nicht enden wollende Landesparteitag der CDU, der sie, durchaus uncharmant, nur mit 74 Prozent auf einen vorderen Listenplatz für die Landtagswahlen ließ.
Aber was muss, das muss - und so hatte sich die Wissenschaftsministerin bereits vor der erwartbaren Schlappe in der Bahnhofstraße 12 eingefunden, wo die ansässige CDU-Landtagsabgeordnete Christine Zitzmann ihr Büro vorhält. Dort übergab sie drei nette Schecks: 3000 Euro an die Kirchgemeinde in Steinach, 2500 Euro an den Geschichtsverein von Mengersgereuth-Hämmern und dann noch 1500 Euro an das Pfarramt in Neuhaus am Rennweg.
Irgendwie hatten alle etwas von dem Termin. Die Ministerin, weil sie den örtlichen Parteitagsdelegierten ihren guten Willen zeigen konnte. Die um ihre Wiederwahl bemühte Abgeordnete Zitzmann, weil sie auf den Dörfern nun eine gewisse Dankbarkeit erwarten darf. Und die Beschenkten, weil sie beschenkt wurden.
Diese sehr schöne Art des öffentlich-rechtlichen Mäzenatentums wirkt um so eleganter, als dass sich eigentlich niemand richtig darüber empören kann. Die Gabe wurde nicht von der steuerpflichtigen Allgemeinheit bezahlt, sondern nur von jenen Menschen, die offenbar derart viel Geld übrig haben, dass sie darum spielen müssen. Und überhaupt geschieht ja alles, genau, für einen guten Zweck.
Thüringen bekam im vorigen Jahr aus den Überschüssen der Staatlichen Lotterien und Sportwetten fast vier Millionen Euro zugewiesen. 15 Prozent davon landeten in der von der Finanzministerin angelegten Etatreserve, der Rest wurde in 1400 Portionen im Land verteilt.
Das Prozedere regeln Lotteriegesetz und Haushaltsordnung. Wer meint, sein Tun diene dem Gemeinwohl, stellt einen Antrag in der Staatskanzlei oder einem Ministerium. Dort schaut man, ob es wirklich keine anderen Fördervarianten gibt und ob es, wie die Bewilligungsregeln für Lottomittel lauten, um "kulturelle, soziale, umweltschützerische oder um sportliche Zwecke" geht. Dann wird entschieden.
In der Opposition glaubt man nun, dass bei diesen Entscheidungen nicht nur an den nächsten Wandertag der Pfadfindergruppe oder die neuen Hemden für den Frauenfußballverein gedacht wird, sondern ins- besondere daran, wer sich mit der milden Tat schmücken darf.
Mag sein, dass viele kleine Beträge einfach so rausgeschickt werden. Für die größeren werden Zeremonien abgehalten. Wie "Lottofeen und Geschenke-Onkel" reisten die Damen und Herren Minister umher, sagt jüngst der SPD-Abgeordnete Harald Seidel im Landtag.
Doch nicht nur sie. So drängten sich etwa in Sondershausen der Landrat und auch der örtliche Landtagsabgeordnete, beide CDU, auf ein Foto für die Öffentlichkeit. 3700 Euro gab es für die "JugendKunstBiennale" - mit freundlicher Genehmigung aus dem Fonds des Ministerpräsidenten, auch CDU.
Dass der Landrat dabei war, hatte seinen Grund. Die Minister dürfen, selbst wenn sie wollten, die Bescherung nicht direkt an einen ihrer Abgeordneten delegieren.
Doch es gibt auch Überschneidungen. Der CDU-Abgeordnete Michael Heym etwa ist ehrenamtlich als Beigeordneter des Landrates von Schmalkalden-Meiningen tätig. Und in dieser Funktion überreicht er selbstverständlich - "hin und wieder", wie er bescheiden sagt - Lottogelder. Abgesehen davon besitzen die meisten Minister ein Mandat oder streben es zumindest an.
Je näher die Landtagswahlen kommen, um so empfindlicher reagiert die Opposition auf derartige Termine. Denn ihre Volksvertreter werden eher selten gefragt, ob sie an dieser kostenlosen Werbung interessiert sind. Und Werbung ist es allemal. Selbst wenn sich der Abgeordnete nicht einmal persönlich für den Beschenkten eingesetzt hat - es wirkt so.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende kann sich nur "an ganz wenige Gelegenheiten erinnern", bei denen seine Abgeordneten offiziell zu Geldübergaben eingeladen wurden. Eine "taktische Maßnahme" nennt Heiko Gentzel die Ausnahmen, "damit wir uns nicht zu sehr aufregen". Allerdings erzählt man auch in der CDU-Fraktion, wie gerne und durchaus häufig im Wahlkampf 1999 der damalige sozialdemokratische Koalitionspartner der Wählerschaft Lottomittel verabreicht habe.
Die PDS, die bislang nie als Mitregentin an den Töpfen sitzen durfte, sieht es deshalb wie immer: prinzipiell. Ihre Abgeordneten werden so gut wie nie dazu gebeten, und sie wollen es angeblich auch nicht. Stattdessen quälen sie das Finanzministerium im Parlament mit einer Kleinen Anfrage nach der anderen, um zum Beispiel eine detaillierte Liste aller Besche-rungen zu bekommen.
Finanzministerin Birgit Diezel (CDU) jedoch lehnt dies ab, mit Verweis auf den "Schutz berechtigter Interessen der Zuwendungsempfänger". Jedoch werden seit einiger Zeit alle Bescheide in einer Datei erfasst. Diese darf von den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nur "bei einem entsprechenden Wunsch" eingesehen werden.
Sowieso hält man im Ministerium die ganze Aufregung für unangemessen. Schließlich, sagt Diezels Sprecher, hätten Lottomittel nun wirklich nichts mit Wahlkampf zu tun.
Vielleicht. Sicher ist jedenfalls, dass die ganze Lottomittel-Verteilerei auch lästig sein kann. Als Dagmar Schipanski in Arnstadt die Bach-Wochen feierlich eröffnete, war ihr entfallen, dass sie noch einige Bescheide überreichen wollte. Erst als sie einige Anwesende daran erinnerten, improvisierte sie eine kurze Rede.
Sie hat ja eine gewisse Routine darin.