Wetterchronik 1992 :Schwere Unwetter über Oberfranken-bis 115mm Niederschlag
Schwere Unwetter über Oberfranken-bis 115mm Niederschlag (Glashütten/Bayreuth) eingetragen von Pit/Kulmbach am 13. Juli 2001
Einsatzbericht über das große Unwetter von 1992
1. Ausgangslage
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch den 21./22. Juli 1992 richteten Orkanböen und wolkenbruchartiger Sturmregen mit Hagel in
ganz Oberfranken verheerende Schäden an. Binnen kürzester Zeit waren extrem heftige Niederschläge abgeregnet, welche der
Boden nicht aufzunehmen vermochte. Zusammenlaufendes Oberflächenwasser formte sich in minutenschnelle zu reißenden
Wildbächen, welche die Kanalisation im oberen Bereich des Schloßberges nicht mehr fördern konnte. Wassermassen quollen
aus bereits hochgedrückten Kanaldeckeln und Straßengullis, unterspülten an Stellen ausgebrochener Rinnsteine die
Straßenteerdecke und ließen diese aufbrechen. Teile des Straßenbelages mit einer Stärke von ca. 15 Zentimetern und einer
Größe bis zu drei Quadratmetern wurden ins Tal gespült, rissen Mauern, Geländer, Treppen u.m. nieder.
Insgesamt sechs am Berg geparkte Fahrzeuge wurden von den Wassermassen die Straße hinabgerissen, stürzten über
Stützmauer und Abhänge, bildeten Hindernisse, an denen sich meterhohes Geröll von Schlamm, Schotter und Sandsteinblöcken
aus der zwischenzeitlich auf einer Länge von ca. 150 Meter und z.T. bis auf zwei Meter Tiefe ausgespülte Bergstraße stauten. Die
Gewalt der Geröll- und Wassermassen durchbrachen Mauern, drückten Fenster und Türen ein und verwüsteten ganze Hotel-,
Geschäfts- und Wohnungseinrichtungen. Keller waren bis zur Decke überflutet, Heizöltanks wurden aus den Halterungen
gehoben, drohten umzukippen bzw. liefen teilweise schon aus.
Die Hauptstraße glich einer Schotterhalde, bis zu einem halben Meter hoher Schlamm und Geröll sorgten für eine stark behinderte
Zugänglichkeit des Einsatzgebietes. Hinzu kam, daß sämtliche Nebenstraßen und Gassen im Schadenbereich dreißig bis vierzig
Zentimeter hoch unter Wasser standen, der Strom im gesamten Stadtbereich ausgefallen war, zum größten Teil aber auch keine
Telefonverbindung mehr bestand. Der tosende Lärm des Unwetters mit seinen Folgeerscheinungen, die Ungewißheit über den
Schadensumfang und die Weiterentwicklung, all dies sorgte in der ersten Stunde des Unglücksabends zu einer Panik unter der
Bevölkerung.
2. Wetterlage
Sturmregen bei einem Niedergang von ca. 100 Liter/qm Orkanböen mit einer Windstärke 12 (125km/h) aus Richtung S/SW.
3. Alarmierung
Nachdem bereits am Samstag den 18. Juli, Funkstörungen der Relaisfunkstelle Hohenmirsberger Platte anläßlich der
Probealarmierung aller Wehren im südlichen Landkreis aufgetreten waren, gab es an jenen Abend mit der Feuerwache Bayreuth
überhaupt keine Funkverbindung mehr. Auch mit der später errichtenden beweglichen Relaisfunkstelle in Hubenberg durch das
Führungsfahrzeug Kater Bayreuth (L) um ca. 2.40 Uhr, konnte sowohl auf dem Feuerwehrkanal wie auch auf dem K-Kanal keine
Verbindung hergestellt werden.
Die Alarmierung der FF Waischenfeld erfolgte daher um ca. 23.45 Uhr selbständig, soweit möglich über Telefon. Eine
Sirenenalarmierung per Hand war wegen Stromausfalls ebenfalls nicht durchführbar. Wegen der zum Zeitpunkt des Geschehens
unpassierbaren Zufahrtswege zu den Gerätehäusern der Freiwilligen Feuerwehr und des 1. Sanitätszugtrupp-BT(L) MHD
Waischenfeld, sie befinden sich in unmittelbarer Nähe des Unglücksbereiches, verzögerte sich deren Ausrückzeit erheblich.
Nach dem ersten Überblick zur Schadenslage durch die Führungskräfte der Einheiten traf man erste Maßnahmen. Mit ihrem
HRW, den TLF 16/25 und das Mehrzweckfahrzeug übernahm die FF die Ausleuchtung des Schadensgebietes wie erste
Hilfemaßnahmen mit insgesamt 39 Dienstleistenden. Der SZT mit einem ortsansässigen Arzt und 15 Einsatzkräften sorgte für die
Erstversorgung der bis zu diesem Zeitpunkt wissentlich zwei Verletzten mit Unterschenkelbruch und Schnittverletzungen,
anschließend die Betreuung hilfsbedürtiger Bürger, wie auch spätere Organisation einer Verpflegung aller Einsatzkräfte.
Um 0.56 werden von der Polizeiinspektion Pegnitz über die EZ Bayreuth mehrere Hilfseinheiten nach Waischenfeld angefordert,
nachdem Bürgermeister Schweßinger über Draht katastrophale Verhältnisse gemeldet hatte. Mit der Benachrichtigung des
KSachgebietsleiters vom LRA BT Herrn VAR Adler, wurden dann nach einem Gespräch über Maßnahmen eines evtl.
auszulösenden Katastrophen-Voralarm vorerst einmal alle Freiwilligen Feuerwehren im Großraum Waischenfeld und das
Technische Hilfswerk Pegnitz alarmiert. Katastrophenalarm wurde nicht ausgelöst. Eine Funkauslösung für diesen Bereich des
Landkreises erfolgt jedoch wegen der wetterbedingten Störung und sonstigen Beeinträchtigungen des Alarmumsetzers nicht.
Lediglich mit der FF Langenloh, die selbständig mit ihrem TSA, zwei Schleppern mit Rammschild und zehn Wehrmännern nach
Waischenfeld ausrückte, standen von Anfang an weitere Einsatzkräfte zur Verfügung. Die FF Nankendorf, alarmiert durch
Selbstauslösung der Sirene, traf mit ihrem TSF und 19 Mann um 1.50 Uhr in Waischenfeld ein.
Alle sieben übrigen Ortsfeuerwehren leisteten in ihrem Bereichen selbst Hilfestellung unterschiedlichster Art. Immer wieder
unvollständige Funksprüche, die jedoch eine prekäre Lage erkennen ließen, veranlaßten den Kreisbrandrat noch während der
Anfahrt die Alarmierung des 1. LZR Pegnitz, des 7. LZ Pottenstein, des 20. LZ Trockau sowie der FüGr. TEL-BT(L). Weiter
benachrichtigt wurden das Straßenbauamt, das Wasserwirtschaftsamt, die Energieversorgung Oberfranken aus Bayreuth sowie
der Wasserzweckverband "Juragruppe"
4. Einsatzablauf
Bis zum Eintreffen des Führungsfahrzeuges der TEL, um 2.24 Uhr, (Anfahrt bis zu 45 km und einigen Umleitungen) galt es in
dieser Erstphase der Ermittlung zur Gefahren- und Schadenslage sowie die Planung des Einsatzes in einer eigens hierfür
errichteten ortsfesten Einsatzleitung der Familie Polster in der Hauptstraße durchzuführen. Der Ausfall einer Verständigung über
Funk bedeutete in Anbetracht der momentanen Unübersichtlichkeit und Größe des Unglückes ein zusätzliches Erschwernis.
Außerdem stand nur ein Telefon, und das auch noch eingeschränkt wegen örtlicher Störungen, als einziges Kommunkationsmittel
zur Einsatzzentrale Bayreuth wie zum Landratsamt zur Verfügung, Um 1.36 Uhr bzw. 1.48 Uhr gelang es dann endlich über
Telefon die zuständigen Stellen zu erreichen und nach Waischenfeld zu beordern, wofür im Normalfall höchstens bis zu 30
Minuten benötigt werden. Mit welchen Schwierigkeiten allerdings ein Erreichen der Einsatzstelle verbunden war zeigen
Aufzeichnungen aus dem Ablaufkalender der Polizeiinspektion Pegnitz. So gab es auf fast allen Zufahrtsstraßen nach und um
Waischenfeld erhebliche Behinderungen durch unzählige umgestürtzte Bäume, überflutete oder meterhoch verschüttete Straßen,
abgerissene Hochspannungsleitungen oder steckengebliebene Fahrzeuge.
Um 2.00 Uhr meldete sich dann der Löschzug Trokau an der Einsatzstelle an und übernahm Aufgaben im Abschnitt
"Hauptstraße". Das Führungsgremium der ÖEL (örtliche Einsatzleitung) unter Leitung des Kreisbrandrates wurde um 2.55 Uhr
durch die Alarmierung zwei weiterer Kreisbrandmeister mit der Aufgabe eines Abschnittführers aufgestockt. Die Aufgaben vor Ort
umfaßten Arbeiten, wie Abdämmen und Ableiten von entstandene Wasserläufen, das Suchen und Freilegen von
Straßenschiebern - da man von einem Wasserrohrbruch in der Hauptleitung ausging - wie auch das Reinigen von
Wassereinläufen. Obwohl sich viele Hausbesitzer selbst zu helfen wußten, gab es unzählige Keller abzupumpen, primär in der
Trafostation, Apotheke, Cafe, Gaststätte und Hotel. Besonders schwierig gestaltete sich das Absichern von kleineren Heizöltanks
in verschiedenen Kellern, die Aufgrund ihres leichten Gewichtes, schwimmend im Wasser umzustürzen drohten und somit eine
zusätzliche Umweltverschmutzung dargestellt hätten. Zu den vorrangigen Arbeiten zählte jedoch eine Zugänglichkeit der
betroffenen Gebäude zu schaffen, sprich, das Beseitigen von Schlamm und Geröll an den Hauseingängen mit Schaufeln und
sonstigen Handgeräten.
Als eine erhebliche Erleichterung erwies sich da schon der anschließende Einsatz von Radladern und Kippern einer
ortsansässigen Firma wie der des Straßenbauamtes und den beiden Abteilungen des Technische Hilfswerkes aus Pegnitz und
Bayreuth-Stadt bei der Beseitigung von Geröllmassen.
Gegen 3.30 Uhr konnte man von einer leichten Entspannung der Lage sprechen, so daß mit dem Ausbleiben der beiden
Löschzüge aus Pegnitz und Pottenstein - sie steuerten auf großen Umwegen nach Waischenfeld - auszukommen versuchte.
Um 4.30 Uhr angekommen, übernahm denn der 7.LZ Pottenstein Aufgaben im Abschnitt Bergstraße u.a. war hier die Absichern
der total beschädigten PKws notwendig, nachdem Kraftstoff austrat und somit eine zusätzliche Brandgefahr bestand.
Mir der Zuordnung des 1. LZR aus Pegnitz in den Abschnitt "Hauptstraße" standen nun auch endlich die technischen Geräte zur
Verfügung um die notwendigen Maßnahmen zu optimieren. Die Nachalarmierung der Freiwillige Feuerwehren aus Breitenlesau
und Gösseldorf-Saugendorf um 5.00 Uhr über Telefon, erbrachte die dringend erforderliche Ablösung erschöpfter und durchnäßter
Einsatzkräfte. Der 1.LZR Pegnitz wird abgelöst und verläßt die Einsatzstelle um 6.11 Uhr, ebenso das THW Pegnitz und
Bayreuth-Stadt um 6.30 Uhr.
Eine Erkundung der Lage zu diesem Zeitpunkt, zeigte neue Probleme auf. In den Kellern des Bekleidungshauses Schmitt, in der
Hauptstraße, stand stark mit Heizöl verschmutztes Wasser bis zur Decke. Nach ersten Erkenntnissen lagerten hier ca. 5000
-8000 Liter Heizöl in einem Tank. Die Abpumparbeiten eines auf dem Grund befindlichen sauberen Wassers, durch die FF
Waischenfeld, zeigt jedoch wegen des ständigen Wasserzulaufes - Grund war ein Wasserrohrbruch in der Hauptleitung des
Hauses -wenig Erfolg. Ein Absaugen mit der Mineralölpumpe erschien wegen der relativ großen Menge zu aufwendig.
Daraufhin forderte man um 6.35 Uhr den bei der FF Creußen stationierten Ölsanimat an. Zwischenzeitlich kam die Meldung über
einen sichtbar ansteigenden Pegelstand der Wiesent mit ersten Überflutungen in Plankenfels und Nankendorf.
Weitere Meldungen:
Ein Fahrzeug wurde bereits weggeschwemmt, die Mühle (Sebald) bei Nankendort sowie ein weiteres landwirtschaftliches
Anwesen stehen unter Wasser, ca. vierzig Stück Großvieh sind gefährdet. Die FF Plankenfels wird alarmiert - die FF Nankendorf
beeendet den Einsatz in Waischenfeld und kehrt zurück.
Während der nächsten Stunde steigt der Wasserstand auf 1,50 Meter über Normal, was für die Einsatzleitung Anlaß genug war,
das kontrollierte Öffnen der Schleusen in Gutenbiegen und Waischenfeld zu veranlassen. Zur weiteren Unterstützung wird die FF
Pottenstein mit gefüllten Sandsäcken, nach Nankendorf gesandt und der Bz. BT(L) Aus Pagnitz mit dem Schlauchboot erneut
zum Einsatz gerufen. Im Laufe des Vormittags konnte hier Entwarnung gemeldet werden. Mit der FF Creußen traf um 7.45 Uhr
der Ölsanimat in Waischenfeld ein und begann umgehend mit der Trennung des Öl-Wassergemisches.
Einem Hilferuf des Kolpinghauses in Waischenfeld, um 8.30 Uhr, wurde durch den 7. LZ Pottenstein nachgegangen.
Hier waren mehrere entwurzelte Bäume auf das Haus und geparkte PKWs gefallen. Nachdem jedoch keine Gefahr in Verzug
vorlag, rückte die FF Pottenstein, auch in Anbetracht der bereits schon seit über acht Stunden im Einsatz befindliche Mannschaft,
wieder unverrichender Dinge ab.
Mit dem Abrücken des Führungsfahrzeuges Kater Bayreuth(L) um 10.00 Uhr verlegte man die Einsatzleitung in das
Feuerwehrgerätehaus Waischenfeld. Auch wenn mit der Hilfsbereitschaft der Feuerwehr und dem Sanitätsdienst aus
Waischenfeld die Leistungen noch über Tage gingen, rückten die letzten Einheiten um 17.00 Uhr von der Einsatzstelle ab.
5. Eingesetzte Kräfte
Freiwillige Feuerwehr: 22 Fahrzeuge, 144 Feuerwehrleute
Sanitätsdienst: 3 Fahrzeuge, 1 Krad, 1 Arzt, 14 Sanitätskräfte
Polizei: 3 Fahrzeug, 7 Beamte
Technisches Hilfwerk: 4 Fahrzeuge, 19 Helfer
Bunderwehr: 2 Fahrzeuge, 22 Sodaten
FüGr. TEL-. 2 Fahrzeuge, 9 Einsatzkräfte
Straßenbauamt/private Firmen: 3 Lastkraftwagen, 2 Radlader
6. Schlußbetrachtung
Trotz des erheblichen Sachschadens und den unverkennbaren Gefahren zeigte dieser durchaus nicht alltägliche Einsatz ein
geordnetes und effektives Zusammenarbeiten aller Hilfsorganisationen. Wenn sich auch mit dem Funk als Nachrichtenmittel
sowie der Behinderung beid er Anfahrt zum Schadensgebiet erhebliches Schwierigkeiten ergaben, waren dadurch keine
ausschlaggebenden Beeinträchtigungen zu verzeichnen.
An der verantwortlichen Einsatzleitung durch die Feuerwehr bei derartigen Schadensfällen unterhalb der Y-Schwelle" führt wohl
kein Weg vorbei. Es ist in jedem Falle unerläßlich, die Maßnahmen aller Beteiligten straff zu koordinieren.
Positiv bewerten - trotz der Beengung - war die mobile Unterbringung der örtlichen Einsatzleitung und des Führungspersonals.
Besonders hervorzuheben ist die unermüdliche, vorbildliche Einsatzbereitschaft aller Einsatzkräfte, die uneigennützige Hilfe seiner
stattlichen Anzahl junger Leute der Jugendgruppe "Johannische Kirche" aus Berlin, die zu diesem Zeitpunkt ein Zeltlager auf Gut
Schönhof durchführte - und nicht zuletzt die äußerst hilfreiche Unterstützung durch die Bundeswehr auch an den beiden
darauffolgenden Tagen, mit insgesamt 130 Soldaten.
Im Gegensatz zu anderen großen Schadensereignissen wurde man in Waischenfeld erfreulicherweise mit wenig Schaulustigen,
Störern oder Neunmalklugen konfrontiert. Allerdings eine straffere Absperrmaßnahme durch die Polizei, in den frühen
Morgenstunden und hier ausschließlich für Fahrzeuge im Durchgangsverkehr, wäre für de Aufräumungsarbeiten weniger
hinderlich gewesen.
Es zeigte sich aber zweifellos auch ein gewisses "Ausbildungsdefizit" insbesondere bei der Nachrichtenübermittlung und
Rückmeldungen an die Einsatzleitung, welches man im Laufe der anstehenden Ausbildung auf Kreisebene zu beherrschen
versuchen wird. Über das Ausmaß des Geschehens informierten sich noch im Verlauf des Einsatzes, Landrat Dr. Klaus-Günter
Dietel und seine Mitarbeiter, vom Landratsamt Bayreuth.
Außerdem trafen zahlreiche Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen ein und berichteten sehr objektiv über das
Einsatzgeschehen.
Quellen:
Auszug aus dem Jahresbericht der Feuerwehren des Landkreises Bayreuth, 1993. Verfasser: KBI J. Judas (FüGr TEL Bayreuth),
KBI G. Motschenbacher, GF H. Schmitt