das zion144 Forum - neuigkeiten u.v.m.

Interview mit Xavier in der Braunschweiger Zeitung

Interview mit Xavier in der Braunschweiger Zeitung

Interview vom 26.06.04 in der Braunschweiger Zeitung:

Xavier Naidoo über seine Gemeinsamkeit mit Rio Reiser und seine Angst vor dem Big-Brother-Staat

Soulig, farbig, gläubig, das ist sein Erfolgsmotto. Xavier Naidoo singt Soul-Musik, ist 33 Jahre alt und katholisch. Gemeinsam mit dem Kollektiv "Die Söhne Mannheims" ist er erfolgreich – und am 12. August zu Gast auf der Braunschweiger Feldschlößchen-Bühne am Raffteich. Unser Mitarbeiter Olaf Neumann sprach mit Naidoo.

Rio Reiser, der Sänger von "Ton Steine Scherben", ging in Mannheim zur Schule und hatte eine Mission: Er wollte gesellschaftliche Veränderung. Seid ihr Geistesverwandte?

Dort, wo man es kann, wollen auch wir etwas verändern. Aber in erster Linie sind wir Entertainer. Die Leute sollen ihre Sorgen vergessen, wenn sie ins Konzert kommen.

Trotzdem haben die Söhne Mannheims vor kurzem den Agitprop-Klassiker "Mein Name ist Mensch" von Ton Steine Scherben recycelt.

Die Nummer ist einfach gut. Ich gebe aber zu, dass es interessante Parallelen zwischen mir und Rio Reiser gibt. Auch er hat sich sehr mit seinem Glauben beschäftigt.

Ihr verkündet: "Armageddon ist mit Sicherheit in vollem Gange" – und schränkt dann ein: "Aber wir haben noch genügend Zeit, die richtigen ,Moves’ zu machen." Welche Schritte sind denn das?

Natürlich geht die Welt nicht wirklich unter. Sie ist aber dabei, sich grundlegend zu verändern. Ein Großteil der Menschheit wird in absehbarer Zeit völlig andere Verhältnisse vorfinden. Irgendjemand muss jetzt den Sack zuziehen. Diese Aufgabe will ich nicht an die nächste Generation weitergeben, wie es schon so oft passiert ist. Eine ähnliche Entwicklung hatten wir bereits in den 70ern. Damals wurde die Flower-Power-Generation aus der Gesellschaft ausgeklammert. Heute findet man wieder Tausende, die den Durchblick haben. Die Menschen wissen, dass sie von den Politikern vorgeführt werden. Diese Bedingungen kann man nutzen.

In den 70er Jahren standen viele Leute politisch so weit links, dass sie nicht mal wählen gingen. Auch Sie haben die letzte Bundestagswahl boykottiert. Ist Verweigerung das richtige Mittel?

Ich verfüge über andere Möglichkeiten, meine Stimme abzugeben. Warum sollte ich zur Wahl gehen, wenn ich mit keiner Partei einverstanden bin? Das kann sich aber auch wieder ändern.

Kritiker behaupten, dass Pop alt, verbraucht und träge geworden ist. Ist er als kritische Gegenkultur zu den bestehenden Verhältnissen überhaupt noch reaktivierbar?

Nach wie vor gibt es keine bessere Möglichkeit, deine Gedanken an Leute zu bringen als in der Musik. Man muss nur mal auf andere Länder blicken. Ein politisch engagierter Künstler wie der Rai-Sänger Kahled kann in seiner Heimat Algerien nicht mehr auftreten. Der Staat hat Angst, weil dieser Mann mit seiner Musik nämlich die Jugend aufrührt. Dabei sagt Kahled einfach nur seine Meinung. Auch wir sind schon auf Listen gelandet, weil wir auf Antikriegs-Veranstaltungen gespielt haben. Man hat uns sogar abgehört. Klar, dass sich ein System schützen will und auch muss. Ich hoffe aber, dass Deutschland sich besinnt und nicht so weit geht wie Amerika.