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"Tote Tiere zwischen Schweinen"

"Tote Tiere zwischen Schweinen"

"Tote Tiere zwischen Schweinen"

Die hessische Tierschutzbeauftragte Madeleine Martin über die Haltung von Nutzvieh in Großbetrieben




Frankfurter Rundschau:
Tote Hühner, tote Ratten, Kotberge unter den Käfigen: Die
Sendung Report Mainz hat am Montag erschreckende Bilder aus
Legehennenbatterien gezeigt, darunter eine aus Hessen. Woran haben Sie
gedacht, als Sie den Beitrag sahen?


Madeleine Martin:
Ich habe leider im letzten Dreivierteljahr solche Bilder im Fernsehen
öfter gesehen. Es ging immer um größere Betriebe, und
zwar nicht nur um Hühner, sondern auch um Schweine. Mir stellt es
sich so dar, dass die Tierhaltung auf Großbetrieben anscheinend
eben doch leichter aus dem Ruder läuft, als dies auf kleineren
Höfen der Fall ist.

Die Dinge geraten also bei größeren Haltungen aus dem Blick?

Bisher
habe ich gesagt, man kann auch große Tierzahlen solide halten.
Die Erfahrungen dieses Jahres aber zeigen mir, es scheint eben doch
eine Korrelation zu geben, dass mit der Größe des Betriebs
auch Zustände auf den Höfen schlechter werden. Kleinere
Betriebe sind überschaubarer, da haben die Inhaber offenbar die
Hygiene und Haltungsbedingungen doch leichter im Griff.

Das
verwundert doch. Müsste es nicht eher umgekehrt sein? Große
Legehennenfirmen haben mehr Kapital und müssten von daher eher in
der Lage sein, für ordentliche Bedingungen zu sorgen.


Sie
haben völlig Recht. Man fragt sich aber natürlich bei solchen
Bildern, ob vielleicht in diesen Tierhaltungen mehr in Personal
investiert werden muss. Es entsteht der Eindruck, dass man sich allzu
sehr auf billige Arbeitskräfte verlässt, statt qualifizierte,
sachkundige und couragierte Mitarbeiter zu beschäftigen.

Sie haben ähnliche Eindrücke von Schweinemastbetrieben gewonnen. Wie sahen diese Haltungen aus?

Im
Grunde war das sehr ähnlich: Verletzte Tiere, tote Tiere. Sie
lagen auch dort in den Buchten zwischen den lebenden Schweinen. Das
lässt den Rückschluss zu, dass einige der Halter ihre die
Sorgfaltspflicht, mit der man täglich in den Betrieb gehen muss,
nicht so genau nehmen. Sie gucken einfach nicht mehr nach. Es
interessiert sie nicht, ob man ein krankes oder totes Tier aus den
Buchten entfernen muss.

Das heißt, die Betriebsinhaber
achten zu wenig auf die Zustände im Stall, oder sie haben zu wenig
Mitarbeiter eingestellt.


Genau, so ist es. Hinzu dürfte
kommen, dass die Mitarbeiter nicht ausreichend geschult sind und
über zu wenig Kenntnisse in der Tierhaltung verfügen.

Ist der im Filmbeitrag gezeigte hessische Betrieb Ihnen bekannt? Waren Sie dort schon einmal, und was hatten Sie dort gesehen?

Ich
kann nicht sagen, ob es auch genau dieser Hof war, auf dem ich gewesen
bin. Er gehörte aber zum selben Unternehmen. Damals herrschten
dort diese jetzt gezeigten Zustände nicht. Das kann ich ganz
eindeutig sagen. Es handelte sich um eine gängige, vom Gesetzgeber
zugelassene Legehennenhaltung...

. . .wie sie nach dem Abgang
von Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast
möglicherweise noch länger als geplant zulässig sein
wird.


Ja, darüber wird noch zu befinden sein. Die
Ankündigungen der CDU zu diesem Thema jedenfalls verheißen
nichts Gutes. Man will kein Jota über den EU-Rahmen hinaus gehen.

Den
Angaben von Report Mainz zufolge nach liegt der Fall des hessischen
Hühnerhalters jetzt beim Staatsanwalt. Hätte nicht viel eher
der zuständige Veterinär intervenieren müssen?


Aber
natürlich. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Betriebe
nicht so regelmäßig kontrolliert werden, wie es sein
müsste. Ein Grund dafür ist die in vielen
Veterinärämter bestehende Unterbesetzung. Es kann keiner mehr
hingehen. Zugleich ist in den letzten Jahren durch neue Auflagen und
Vorschriften der Europäischen Union der Arbeitsaufwand immens
gewachsen. Ganz schwierig aber ist, dass der Vollzug des Tierschutzes
nicht immer ein Vergnügen ist, um es charmant zu sagen.

Was meinen Sie damit?

Häufig
finden Tierschutzfälle in sozialen Brennpunkten statt. Oder sie
legen sich mit wirtschaftlich gesehen großen Unternehmen an.
Beide Fälle bedeuten Ärger. Manchmal gerät man auch in
bedrohliche Situationen. Amtstierärzte sind beim Vollzug von
Maßnahmen zum Tierschutz auch schon zusammengeschlagen worden.
Zudem bringt auf der Karriereleiter Tierschutz keinen Veterinär
weiter. Das führt dann einige Kollegen dazu, dass sie sich lieber
um die gleichfalls wichtigen Bereiche Tierseuchenrecht oder
Lebensmittelüberwachung kümmern. Denn das lässt sich
eleganter lösen.

Interview: Stephan Börnecke