Xtcp - News

Musikindustrie will höhere Preise erzwingen

Musikindustrie will höhere Preise erzwingen

Die Musikindustrie ist nicht glücklich mit dem
Pauschalpreis für Musikdownloads bei Apples Download-Shop iTunes.
Zwei der vier großen Labels wollen eine deutliche
Preiserhöhung. Branchenbeobachter befürchten, das könnte
die Kunden zurück zu den illegalen Tauschbörsen treiben.



Die einstige Harmonie zwischen der gebeutelten Musikbranche und dem
Download-Vorreiter Apple hat Risse bekommen.

Als
Apples iTunes Anfang August auch in Japan begann, Musik über das
Internet zu verkaufen, klafften erstmals große Lücken im
Repertoire: Musik von Sony BMG und der Warner Music Group suchte man
dort vergeblich. Die beiden großen Labels hatten Apple die
nötigen Lizenzen verweigert. Den Grund dafür fand nun die
"New York Times" heraus: In ihrer aktuellen Ausgabe berichtet sie
über einen schwelenden Konflikt zwischen Apple und Teilen der
Musikindustrie.

Dass die einstige Harmonie zwischen der durch
massive Umsatzeinbußen gebeutelten Branche und dem
Download-Vorreiter Apple, der noch immer weltweit über 70 Prozent
aller legalen Musik-Downloads für sich verbuchen kann, inzwischen
deutliche Risse bekommen hat, berichteten vor Wochenfrist schon die
"Washington Post" und das Entertainment-Branchenblatt "Billboard". Den
Bossen der Musikwelt ist Apples Stärke im Marktsegment ein Dorn im
Auge. Apple diktiere mit zu großem Selbstbewusstsein die
Bedingungen. Für die Musikindustrie aber falle dabei nicht genug
ab.

Tatsächlich rechnet sich das langsam wachsende
Geschäft mit legalen Downloads über iTunes eher für
Apple als für die Musikfirmen. Die enge Integration von Hardware,
Software und Shop im iTunes-Geschäftsmodell nutzt Apple vor allem
als Kaufanreiz für seine iPod-Player. Die bringen es in den USA
auf Marktanteile, die noch immer auf satte 80 Prozent der Verkäufe
von MP3-Playern geschätzt werden: 21 Millionen der als gut, aber
nicht billig bewerteten Geräte gingen bisher über die
Ladentheke. Apple ist es mit der Vermarktung von Musik und iPods
gelungen, sich die eigenen Bilanzen gründlich zu sanieren.

Das
weckt Missgunst in den Reihen der Musikindustrie, die nach einer
leichten Erholung im letzten Jahr nun wieder erleben muss, wie ihre
Umsätze einbrechen.

Die Gretchenfrage: Kunden werben - oder melken?

Vor
zweieinhalb Jahren hatten die großen Musikkonzerne Apple
günstige Lizenzgebühren zugestanden, um endlich einen Markt
für legale Downloads zu schaffen, den sie gegen die Szene der
kostenlosen P2P-Börsen in Stellung bringen wollten, über die
vor allem Raubkopien verteilt werden. Der Apple-Deal setzte die
Standards auch für den Rest der keimenden Branche: Wer teurer als
Apple daherkommt, kann direkt wieder einpacken.

Jetzt wächst
der einst marginale Markt der legalen Downloads zu einem
spürbaren, kleinen Geschäft heran (geschätzt: circa zwei
Prozent der Gesamtumsätze der Musikindustrie) - und manche Firmen
im Musik-Business sehen den Zeitpunkt gekommen, daran auch zu verdienen.

Flexible Preise: Zuckerbrot und Peitsche

Sony
BMG und Warner drängen, wie Jeff Leeds in der "New York Times"
berichtet, auf eine Erhöhung des Preises von 99 Cent auf 1,49
Dollar für den Einzeldownload aktueller populärer Songs. Zum
Ausgleich solle der Preis für ältere Stücke deutlich
gesenkt werden.

Das aber halten auch viele Brancheninsider
für keine gute Idee. Zu groß sei die Gefahr, dass eine
Erhöhung der Download-Preise die Kunden wieder in die Arme der
P2P-Börsen zurücktreiben könne. Aus Kundensicht hat
Apple sowieso alles richtig gemacht: Auch Marktbeobachter halten die
99-Cent-Schwelle für die preisliche Oberkante, die der Kunde
online akzeptiert.

Zu den Kritikern des Preisdrucks gegen Apple
gehört Jimmy Iovine, Chef des Universal-Labels Interscope, der
laut "New York Times" die Phase der Kundenwerbung längst nicht
für abgeschlossen hält: "Ich glaube nicht, dass die Zeit
schon reif ist. Wir müssen noch viel mehr Menschen daran
gewöhnen, ihre Musik online zu kaufen. Ich glaube nicht, dass
Preiserhöhungen ein Weg sind, Kunden zu gewinnen."

Eine Frage des Stils?

Doch es scheinen auch nicht nur die Preise zu sein, an denen sich der Streit zwischen den Labels und Apple entzündet.

Ein
wichtiger Punkt ist die nicht nachlassende Abhängigkeit der
Industrie von Apple beim Online-Verkauf - bedingt auch durch das Fehlen
gemeinsamer Standards und Formate. Hilary Rosen, bis 2003 Chefin der
mächtigen Musiklobby RIAA, wünscht sich offene Standards
für den ganzen Markt: Egal, wo man seine Songs kaufe, sollten
diese auf jeder Hardware abspielbar sein. Sie glaubt, dass das die
Verkäufe von Apple sogar noch beflügeln könne - sowohl
online, als auch in Bezug auf iPods.

Apple dagegen fühlt
sich wohl mit dem Status Quo, und das bringt manchen der Plattenbosse,
die selbst einst als "mächtig" galten, in Rage. Mitte August
zitierte die "Washington Post" einen Musikmanager mit einer Aussage
über die Atmosphäre in Lizenzverhandlungen mit Apple. "Das
ist mehr wie ein Monolog", sagte der auf Anonymität bestehende
Manager dem Blatt. "Die sagen mehr oder minder 'So wollen wir das
machen', und wenn man etwas einzuwenden hat, ist man ein Idiot. Das
ist, als verhandele man mit einer Sekte."

Frank Patalong