The Steve Howe Album
Seltsam, dass das Steve Howe Album noch gar nicht gewürdigt wurde, handelt es sich doch um eines der vielseitigsten Alben eines Yes-Mitglieds überhaupt. So sieht es aus:
Das Cover der LP ist eher tiefblau gehalten und somit schöner als das CD-Cover, aber Roger Deans Talaent ist auch hier unübersehbar.
Track List:
1 Pennants 4:30
2 Cactus Boogie 2:02
3 All's A Chord 4:56
4 Diary of a Man who vanished 2:34
5 Look over your Shoulder 5:02
6 Meadow Rag 2:41
7 The Continental 2:51
8 Surface Tension 3:29
9 Double Rondo 8:12
10 Concerto in D (2nd Movement) 4:51
Line up:
Ronny Leahy - Korg & Arp Synthesizers (Track 1&5)
Alan White - Drums (Track 1&5)
Clive bunker - Percussion (Track 2)
Patrick Moraz - Piano (Track 3)
Bill Bruford - Drums (Track 3)
Clair Hamill - Vocal (Track 5)
Graham Presket - Violin (Track 7)
59 Piece Orchestra conducted by Andrew Jackman (Track 9)
String Ensemble (Track 10)
STEVE HOWE - Guitars, Bass; Moog and Vocal on Track 3
Die Stücke sind so verschieden, dass mir ausgiebige Musikkenntnisse fehlen, sie angemessen zu beschreiben. Das Album ist - wen wundert's? - gitarrenlastig, wobei elektrische und Akustikinstrumente gleichermaßen ihren Platz finden.
Pennants beginnt mit einem auf den tiefen Saiten gespielten Riff, dass sich den Weg durch das ganze Stück bahnt. Darüber schweben hochtönige Gitarrentöne und der Rhythmus wird von Schlagzeug und Bass gemeinsam getragen. Das Stück verbreitet gute Laune und man ist nur enttäuscht darüber, dass es irgendwann vorbei ist.
Mit dem Cactus Boogie zeigt Howie, dass er auch diesen Stil beherrscht. Der Bass skiffelt vor sich hin, die Show Bud Pedal Steel scheppert fröhlich ihre Melodie dazu, während sie auf einer anderen Spur ihre Akkorde hineinslided. Kurz und witzig. So könnte es weiter gehen.
Tut es aber nicht. Beim nächsten Stück fährt Steve 8 seiner 14 hier verwendeten Gitarren auf, darunter solche Exoten wie die Danelectro Coral Sitar Guitar und die Bacon & Day Banjo Guitar. All's a Chord beginnt mit einer harmlosen Melodie auf der Akustikgitarre, die vom Moog übernommen wird. Ein Tremolo-Lauf auf der Akustischen leitet über zu Bass und Schlagzeug, die dann ein mehrstimmiges, von Rhythmuswechseln durchsetztes Gitarrenmedley (wenn man so will) begleiten. Nach 2:45 fühlt man sich plötzlich an Mood for a Day erinnert, so wie Howe die Saiten zupft. Jedoch nicht zu lange, denn dann beginnt er selbst zu singen und wird dabei im wesentlichen vom zarten Tastenspiel Patrick Moraz begleitet. Mit der Mood for a Day-Gitarre klingt das Lied schließlich aus.
Diary of a Man who vanished ist wieder ein kleines Stück, dass Howe auf der Fender Stratocaster vorantreibt. Außer der mehrfach overdupten Gitarre hört man stark nachhallende Töne, die an Peitschengeknall erinnern.
Look over your Shoulder ist das zweite Stück mit Gesang. Was uns der Text sagen will, weiß ich nicht, ist wohl auch nicht so wichtig. Claire Hamill wird zuerst lediglich von klaren Gitarrenakkorden unterstützt, die anderen Instrumente kommen nach und nach dazu. Das Ganze klingt jazzrockig und ist von der Stimmung her recht bluesig.
Den Meadow Rag spielt Howe auf einer einzigen Akustikgitarre, einer Martin 0018, ohne Overdubbing. Wie schon beim Cactus Boogie geht er hier weit vom Prog ab. Es ist einfach nur ein wunderschöner Rag.
Damit nicht genug: The Continental versetzt uns musikalisch in den Wilden Westen. Mit der Martin 0018 und Violine. Und das Waschbrett-artige Geräusch hat er sicher auch mit der Gitarre produziert..
Surface Tension, ein Gitarrensolo auf der Gibson ES 175 D, das melancholisch daher kommt. So kennt man Howe auch von anderen akustischen Musikstücken.
Für mich nun der unbestreitbare Höhepunkt des Albums: Double Rondo. Ein dem Spätbarock nachempfundenes Rondo, das Steve auf seiner Gibson Les Paul mit dem Orchester zelebriert. Ob er mit der Solovioline kommuniziert oder das ganze Orchester führt: nie klingt es arrogant oder überzogen. Das Stück ist eine einzige Woge aus harmonischen Akkorden, die wie in einem Kaleidoskop in immer neuen Formationen aus- und ineinander fallen. Der Mittelteil schwebt wie eine Feder im Dreivierteltakt daher und am Ende übernehmen die Bläser die Führung, so elegant und so schön, dass Dvorak vielleicht seine Moldau noch einmal überarbeitet hätte, würde er dieses Meisterwerk kennen.
Die LP/CD schließt besinnlich mit dem zweiten Satz des Concerto in D von Vivaldi. Ich kenne das Original nicht, vermutlich hat Vivaldi die erste Violine die Melodie spielen lassen. Steve hat sich wieder für seine Gibson Les Paul entschieden, die wunderbar zu dem String Ensemble passt. Wie mit einem langen Seufzer klingt die Musik aus und man möchte am liebsten sofort wieder von vorne anfangen.
Meiner Ansicht nach ist diese Scheibe ein Muss für jeden Musikfan, der sich von Steve Howes Musik solo oder in der Band angesprochen fühlt. 1979 wurde sie aufgenommen, daher ist der Klang nicht nachträglich aufgehübscht und verfremdet. Jede Gitarre kommt auf ihre einzigartige Weise rüber und man fragt sich, wie das Album wohl klingen würde, wenn man die Instrumente gegeneinander austauschen würde.