So, ich habe vor einigen Tagen Steven Cockaynes "Das himmlische Kind", den 3. Teil der Glückssucher, ausgelesen; die Titel sind besonders bekloppt übersetzt. Insgesamt ist es eine sehr eigenwillige Fantasy-Reihe, besonders der Abschluss. Spannung wird nicht durch gefährliche Szenen erzeugt - davon gibt es auch eine handvoll, sie werden aber sehr beiläufig abgewickelt - sondern durch die sonderbaren Verknüpfungen, gerade mit der Erzähltechnik - selten habe ich ein so figilinsches Hantieren mit Handlungs- und Erzählsträngen erlebt - und dem Spiel mit SF und Fantasy Tropen: Ein Magier erfindet das Internet, der Evil Overlord (eine Art Dämon) wird zum Computer-Virus und einer der Helden (der Magier) entwickelt Antiviren-Software. Hat mich insgesamt aber nur halb überzeugt, denn die Plots waren mir einerseits zu alltäglich (deshalb der Tipp an Alex) und andererseits inhaltlich zu wenig Verknüpft; Tim Powers ist das in "Die Tore zu Anubis Reich" wesentlich besser gelungen. Sonst aber sehr lesenswert.
Da ich nicht nur zu meiner Erbauung lese, habe ich mir ein populäres Werk herausgesucht: Terry Goodkinds "Wizard's First Rule". Eh, ist das schlecht: Die eigenartige politisch-moralische Haltung des Autors, die sehr schnell deutlich wird, mal beiseite gelassen; es ist so schrecklich langweilig. Der Autor scheint nicht viel von der Auffassungsgabe der Leser zu halte, denn wichtige Punkte wiederholt er wenigstens drei Mal - und es sind keine dezenten Hinweise. Überraschende Wendungen sind damit ausgeschlossen. Überhaupt hat er eine ausgeprägte Tendenz alles mögliche zu beschreiben: Während einer wilden Verfolgungsjagd wird eine 1/2 seitige Beschreibung der Landschaft eingeschoben. Ein Kampf, in dem der Held mit einem Schlag einen Gegner tötet, wird über 2 Seiten ausgedehnt. Ich denke, ich werde demnächst eine Pause machen und etwas spannendes lesen.
@Alechandro: "Meister und Margarita" liegt auch in meinem SuB.
Theophagos
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Wegen COCKAYNE. Was ist denn da passiert bei den deutschen Covers? Grusel, schüttel, frücht! Die englischen sind echt hübsch und ich denke, bei solch schröcklichen deutschen Illus kann man das Geld für die Text-Lizenzen fast als rausgeschmissen betrachten. Typisch folgendes: die englischen Cover sind mysteriös und a bissi düster. Die deutschen Covers lassen mich vor lauter Bachblütentherapie-Farben mit grausen flüchten. Nie käme ich auf die Idee, die zu kaufen. Also wenn, dann werd ich diesem Autor auf Englisch ankosten, EGAL wie gut er übersetzt sein mag.
Grüße Alex / molo
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Bulgakows Der Meister und Margarita habe ich vor einigen Jahren gelesen und sehr geschätzt. Ich habe ein Faible für die russischen Klassiker wie Dostojewski, Tolstoi, Tschechow und eben für den satirischen Bulgakow.
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Grad hör ich im Radio, daß der großartige Band »London Eine Biographie« von Peter Ackroyd schon seit Sept. 2006 als Taschenbuch auf Deutsch zu haben ist, statt HC für 51,€ nun für (immer noch stolze) 25,€.
Ackroyd ist ja einer von diesen begnadeten Autoren, die sowohl hervorragende Fiktionen, als auch hinreissende Sachbücher liefern (Bios zu Wilde, Shakespeare und Dickens).
LINKS: Hier eine Rezi beim Wiener Falter. Und die Perlentaucher-Übersicht.
Allen Miéville-Fans, besonders den KING RAT-Freunden zu inniglichen Beherzigung anempfohlen! Wie sagt Elke: LESEN!
Grüße Alex / molo
Mein Blog: Molochronik
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Baxters Zeitschiffe weiß mich auf die Dauer doch nicht wirklich zu überzeugen. Gibt er sich zu Beginn noch sprachlich etwas Mühe, bleibt davon schon nach wenigen Seiten nicht mehr viel übrig und er verfällt in einen leider sehr heutigen (Wells-fernen) Sprach- und Erzählstil. Was wirklich stört, ist seine historische Schnoddrigkeit.
Kommt der Zeitreisende ja eigentlich aus dem Jahr 1891, ist er so gut wie in allen heutigen Physik-Theorien nicht nur bewandert, sondern kann sich auch problemlos mit auch heute noch sehr heftig diskutierten Theorien, wie Multiversen etc. beschäftigen, ohne auch nur die Braue zu zucken. Diese fehlende inhaltliche und sprachliche Historizität nervt doch sehr und zeigt keinen sonderlich tiefgehenden oder anspruchsvollen Ansatz.
Als klassische Geschichte zum Thema Zeitparadox ist der Roman ganz interessant, aber ansonsten eine einzige Enttäuschung.
Es grüßt
Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Ich habe - um mich von Goodkinds "Wizard's First Rule" zu erholen - zwischendurch Charles Williams "Krieg im Himmel" gelesen. Zunächst zum Autor. Der war bei den Inklings - und Mitglied in der "Fellowship of the Rosy Cross" (ein Ableger vom "Hermetic Order of the Golden Dawn" - Aleister Crowley & Co.). Der Mann war also ein Christ, aber was für einer: Ein Mystiker! Er steht Arthur Machen deutlich näher als Tolkien. "Krieg im Himmel" spiegelt das denn auch wieder: Okkulte Verschwörungen, christlicher Mystizismus und hinzu gibt er noch einen guten Schuss Police Procedure (das war in Zeiten des klassischen Whodunnit & hardboiled übrigens wirklich originell). Es geht um den Gral, der in einem Dorf nahe Londons gefunden wird. Eine Vielzahl von Figuren wird nun in die Wirren um dieses Machtzentrum hinein gezogen. Die Figuren sind bisweilen etwas typenhaft besetzt, aber gerade wenn man meint, man habe sie durchschaut, machen sie etwas Unerwartetes. Sein mystizistisches Verständnis vom Christentum & Gott bewahrt ihn davor, ins Kitschige abzugleiten. Der naive Preister: "Am Ende siegt das Gute!" - Einer, der es besser weiß korrigiert: "Am Ende geschieht Gottes Wille." Gottes Wille ist eben nicht das Gute. Hübsch ist auch die Ironie, mit der Williams sich der Figuren annimmt. Ursprünglich habe ich den Roman gelesen, da Williams als Erfinger der Urban Fantasy gilt - aber auch darüber hinaus fand ich den Roman durchaus lesenswert. Ein Manko ist nur die etwas typenhafte Besetzung, aber im historischen Kontext betrachtet, sogar noch relativ originell.
Und jetzt geht es zurück zum Goodkind Machwerk.
Theophagos
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Ich habe gerade "Spiegelhaut" gelesen, den Autor verrat ich nicht :-) . War ganz gut. Auch wenn ich mich sehr anstrengen musste, mir die Spiegelwesen in der Gefangenschaft der Spiegelungen vorzustellen. Erleichtert wurde mir das dann erst ganz am Ende. Als Sholl in den U-Bahn-Schacht zu den Vampiren runter ist, hab ich mich wohl ziemlich gegruselt :). Eigentlich hatte ich die meiste Zeit über ne Gänsehaut. Was ich mochte war, dass hier keine Postapokalypse mit einer ungewissen Zukunft für die Menschen beschrieben wurde, sondern die Menschheit sozusagen zu Ende starb. Die letzten Augenblicke der Menschheit waren ziemlich beklemmend aber auch ganz klar und selbstverständlich. Das Ende war für mich dann eben sehr befriedigend. JA genau, die Auslöschung der Menschheit empfand ich als befriedigend. N bischen schräg.
Gruss Alechadro
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Hmm, du schreibst "Spiegelhaut" und nicht "The Tain" oder "Spiegel" - daraus schließe ich, dass du die "Moloch"-Ausgabe gelesen hast. Wie gefallen dir denn die anderen Geschichten?
Mit den Spiegelwesen hatte ich keine Probleme, fand aber die Vampir Variante ganz hübsch. Dass die Menschheit untergeht, habe ich so übrigens nicht verstanden - sie ist nur nicht mehr uneingeschränkter Herrscher. Sholl ist ja was besonderes und ob er sich dem angemessen gegenüber verhält oder nicht ist unklar. Auch der Spiegelmensch - und vielleicht viele andere - bleiben unangerührt; mir scheint das Ende doch recht ungewiss und offen.
Theophagos
Re: SUBs...oder was lest Ihr derzeit?
Stimmt, Sholl war was besonderes und da waren der Spiegelmensch und andere, welche unangetastet blieben. Aber die Menschheit wurde so brutal besiegt und reduziert, dass sie hier eben davor ist zu vergehen. Doch noch siegen können sie nicht und als Sklaven unter dem Joch der Spiegelwesen wäre es keine Menschheit. Ich mag den Gedanken uns in dieser Geschichte sterben zu lassen. Ich finde das als Schluss mal schön gewagt und unkonventionell und er würde so schön passen. Der Krieg hatte ja was katastrophenartiges. Es wusste keiner oder kaum einer was von der Spiegelwelt und seinem Joch, der Krieg brach dann plötzlich herein und die Kräfteverhältnisse waren so ungleich. Aber natürlich ist das Ende offen und lässt viel Spielraum. Ich bin vieleicht mit meinem "....Juhuu, wir sterben endlich mal..." n bischen schnell gewesen ;). Die Vampirvariante fand ich auch ganz nett. Ich mochte auch die Fauna der Spiegelwelt, die Münder, Augen und Hände. Das war auf sehr schön zarte Weise gruselig. Das auch die Fauna der Menschenwelt durch die der Spiegelwelt dahingerafft wurde, nährt noch meine Interpretation des Untergangs. Die anderen Geschichten habe ich noch nicht gelesen. Ich lese Kurze Geschichten und Erzählungen gerne zwischen den langen. Ich habe da ja auch noch die Kurzgeschichten von Swanwick auf meinem Nachtschrank, von denen ich auch schon ein paar gelesen habe. Bisher waren die von recht gut bis hmm... eigenartig. Jetzt habe ich mir von Iain Banks "Der Algebraist" geschnappt. Von Banks (falls den einer kennt) habe ich ich bisher nur "Die Wespenfabrik" und "Bedenke Phlebas" gelesen, wobei ich die Wespenfabrik eher erwähnenswert finde.
Den Algebraisten fand ich jetzt eher so mittelmässig, viele schöne Ideen in keinem wirklich originellen Background. Vor allem die Vorstellung der unglaublich langlebigen Dweller hat mir gefallen, leider fand ich die Dweller dann nicht konsequent umgesetzt.