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Die Crisis-Theorie

Die Crisis-Theorie

Beim Reread von "PSS" bin ich nun erneut bei der Erläuterung der crisis Theorie hängengebieben. Mag sein, daß mir ein wenig das phsysikalische Wissen über Energien fehlt, aber ich muß (zu meiner eigenen Zerknirschung) gestehen, daß ich die Erklärung von der Gremnebulin nicht ganz folgen kann. Gibt es eine erleuchtete Seele, der sie mir erklären kann?

Der im Unwissen verharrende

stratos

Re: Die Crisis-Theorie

Hallo Stratos.

Hmmm.
Ins Blaue zu referieren ist gefährlich.
Besser wärs, Du stellst eine Konkrete Frage. Meinst Du die
Krisis-Sachen von Kap 14 oder Kap. 20 oder vom Showdown.

Grüße
Alex / molosovsky

Re: Die Crisis-Theorie

Ich meine in erster Linie der Gremnebulins Sermon im 14. Kapitel. Er zeichnet Yagharek ein Diagramm: Occult/ Thaumaturgical; Material; Social / Sapential. In diesem Dreieck versucht ter die Kräftebeziehungen auszumachen. Seine Begründung, was denn nun genau crisis energy ist, will mir aber nicht einleuchten; für mich ist das ziemliches "Nullgerede", was der "MUFTI" hier abzieht. Wie und wo manifestiert sich crisis energy? Wie kann sie beeinflußt, produziert, benutzt werden? Wie will er mit ihrer Hilfe Yagharek zum Fliegen bringen?
Mir ist das ganze einfach zu abstrakt, aber vielleicht können wir gemeinsam Licht ins Dunkle bringen.

Grüße, Stratos

Re: Die Crisis-Theorie

Ich muss gestehen, dass ich gar nicht so tief in die Materie eingedrungen bin, weil sich mir solche Zusammenhänge sowieso nur schwer erschließen. Ich hatte den Eindruck von einem netten Techno-Bubble, um einen Ausdruck aus dem Star Trek-Fandom zu benutzen. Techno-Bubble ist ein pseudo-wissenschaftliches Geblubber ohne tiefere Bedeutung (und Star Trek ist ja voll davon!).
Ich habe mich bei der Lektüre sowieso gefragt, ob und warum es Yagharek tatsächlich ausreichen würde, mit Hilfe der Krisis-Energie (passiv) zu schweben anstatt wie früher durch aktives Flügelschlagen zu fliegen...

Es grüßt




Actibus aut verbis noli tu adsuescere pravis.

Re: Die Crisis-Theorie

Meine Deutung zum Wissenschafts-Babbel von »PSS« (Seiten-Angaben = S.
engl./deutsch. — Deutsch ergänz ich später).

Es gibt drei große Passagen zur Krisis-Theorie von Isaac: Kap 14 (im
Gespräch im Yag, S. 201ff.), in Kap 20 (beim Erklären des
Krisis-Konduktors, S. 287ff.) und am Ende zur Mottenfalle.

Kap. 14: Man achte darauf, daß es darum geht, Materie dazu zu bringen
sich daneben zu benehmen, aus der Reihe zu tanzen.

Meine Assoziation zu ›Ontologische Kondundrum,wie man Materie dzu
bringt, äonenlange Verhaltensmuster zu ändern‹: Ontologie ist die Lehre
vom Sein, und sich gegen die Regeln die Naturgesetzte zu verhalten
heißt, sich gegen den Status Quo des Seins aufzulehnen.

Zum Dreieck: Es fällt mir auf, daß der Materie eine Ordnung der
›Reaktionen‹ von Stofflichem; zum Sozialen/Sapientialen eine ›andere
Art von Ordnung‹; zum Okkulten/Thaumaturgischen verborgene ›Dynamiken &
Kräfte‹ zugeordnet sind. Gegen den Urzeigersinn kann man großzügig ein
dialektisches Dreieck lesen, mit (A) als ›materielle Stoff-Welt‹, (B)
als ›geistig-kulturelle Mind-Welt‹ und (C) als ›verborgenen Welt der
zwischen A und B vermittelnden Beziehungen‹. Wenn A die These
darstellt, auf die B als Anti-These reagiert, dann bildet C die
Synthese der eingesetzten Manipulationen.

Die Annahme, daß die Eck-Begriffe des Dreiecks Aspekte einer
umfassenden Kraft/Gesetzmäßigkeit sind, findet sich auch in unserer
Welt, wo man die Ambition einer ›Theorie für alles‹ verfolgt (die
Relativitätstheorie und Quantenphysik vereint).

Die Abschnitte über ›ruhende‹ oder ›potentielle Energie‹ und die Frage,
ob das Universum statisch (SEFTI) oder dynamisch (MUFTI) ist, wurde
auch in unserer Welt verhandelt (zuletzt: stürzt Universum zusammen,
driftet es auseinander oder pulsiert es). Die Sätze zur Thermodynamik
klingen durch (›Das Universum ist entropisch, die Ordnung nimmt
langfristig stetig ab‹), physikalisch beim Beispiel mit dem Holzstück,
sozial mit einer Gruppe Leut die unter Druck gesetzt werden.

Eine Krise nehmen wir ja als Fieber vor einer Änderung, Zäsur, Wahl
oder einem Wandel wahr. Krise bedeutet ›Entscheideungssituation-,
Wende- Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung‹, wie mein Duden kurz
sagt. ›Krise‹ kommt von gr. ›schneiden,trennen‹ und ist meines Wissens
mit ›Kritik‹ und ›Kriterium‹ (Beurteilungsgesichtspunkt für
{mittelalterliche Kampf}Richter).

Was Isaac für Yag bauen will ist ein Krisis-Wandler. Unter einer
Glassglocke wird einem Objekt (z.B. Stein, Stück Waterkræft) dessen
ruhende Krisisenergie entzogen, durch einen Analyse- und
Kodensator-Teil geschickt und als entsprechend eines gewünschten
Effekts veränderte Krisisenergie dem Zielobjekt aufgespielt.

Soweit mein Angebot einer ›Erkärung‹.

Und fliegen, auch ohne Flügelschlagrommantik, ist einem ›nur auf der
Oberfläche rummkrabbeln‹ an Mobilität schlicht überlegen. Die Garuda
sind ein stolzes Wüstenkrieger-Jägervolk.

Grüße
Alex / molosovsky

August-Bebel-Str. 10
D — 65933 Frankfurt/M.
http://molochronik.antville.org

Re: Die Crisis-Theorie

Hi Molo,

soweit, so gut. (Bzw. so weit so hervorragend, denn genau dies ist deine Zusammenfassung). Die Tatsache, daß Materie sich unter bestimmten Bedingungen anders verhält, etwa durch Thaumaturgie, ist sicherlich der entscheidende Hinweis. Auch der Zusammenhang mit der "Krise" der sozialen Materie (etwa die Hafenarbeiter) ist bei Mieville gut ausgearbeitet.

Dennoch steigt bei mir die Theorie an dem Punkt aus, wo die "crisis energy" ins Spiel kommt. Denn die "Krise" ist doch eher ein Zustand als eine meßbare Energie. Wenn wir Materie in der Krise beobachten, sehen wir drei Zustände 1. vor der Krise, 2. in der Krise, 3. nach der Krise. Stadium 2 wird dann erreicht, wenn Energie zugeführt oder weggenommen wird. In der Grimnebulins Dreieck wäre das etwa an der Spitze ein herbeigerufener Dämon (wie der von Rudgutter herbeigerufene Ambassador, der durch Opferungen bzw. eine Opfermaschine beschworen wird), im zweiten Winkel (dem "Material"-Aspekt) das Kochen von Wasser durch zugeführte Hitze, im dritten Winkel ("Social") ein durch miese Löhne aufgeheitzte Volksmenge (hier wurde Energie entzogen). Der kritische Zustand - ob nun mental, sozial oder materiell - ließe sich also durchaus energetisch beschreiben. Aber "crisis" selbst läßt sich nicht entziehen - und wenn doch, dann bleibt der Grimnebulin zu vage (und der ganze Abschnitt in der Tat Techno-Bubble mit ein paar physikalischen Versatzstücken)

Grüße, stratos

Re: Die Crisis-Theorie

Hallo Leute,
ich habe die Crisis-Theorie immer als Weiterentwicklung der Dialektik - tja, von Hegel? Marx? (oder dessen Nachfolger?) Frankfurter Schule? - gelesen. So firm bin ich da nicht. Sehr grob (gröbster noch als gröbst) gesagt geht es da um die Verbingung des Widerspruchs von Endlichkeit und Unendlichkeit in der Dialektik. (Hegel)
Vielleicht will einer (Alex) da mal nachhaken?

Theophagos