Nun bricht der Huflattich aus hartem Boden. Im Niederwald zeigt sich das erste Grün. Die Damen trachten jetzt nach Frühjahrsmoden und Männerblicke werden scharf und kühn.
Schon schleppen Vögel Äste, Moos und Zweige zum Nesterbau für sich und ihre Brut. Hoch auf den Bergen geht der Schnee zur Neige. Ein leichter Hauch von Sommersonnenglut.
Der Bauer wirft die Saat nun in die Furchen. Die Säge kreischt im Wald und Hof und Hain. Schon Hochzeitsfest bei Säugern, Vögeln, Lurchen. Es zeigen Blüten sich am Wiesenrain.
Vorbei die langen, trüben Wintertage. Nun steigt der Saft und Leben zeigt sich schon. Wem nützen Jammerschrei und Wehgeklage? Der Frühling naht mit leisem Harfenton.
Wen kümmern Stürme noch und Regenschauer? Sie nehmen uns mitnichten mehr den Schwung, sind sie doch nur noch von begrenzter Dauer. Es ist nicht weit mehr bis zur Sommerung.
Das Beet, schon lockert Sichs in die Höh, Da wanken Glöckchen So weiß wie Schnee; Safran entfaltet Gewaltge Glut, Smaragden keimt es Und keimt wie Blut. Primeln stolzieren So naseweis, Schalkhafte Veilchen, Versteckt mit Fleiß; Was such noch alles Da regt und webt, Genug, der Frühling, Er wirkt und lebt.
Ein Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749, 22. März 1832)
Re: Jahreszeiten
Von: Struppi6679 (Ursprüngliche Nachricht)
Herbstlich sonnige Tage
Herbstlich sonnige Tage, mir beschieden zur Lust, euch mit leiserem Schlage grüßt die atmende Brust.
O wie waltet die Stunde
nun in seliger Ruh! Jede schmerzende Wunde schließet leise sich zu.
Nur zu rasten, zu lieben, still an sich selber zu baun, fühlt sich die Seele getrieben und mit Liebe zu schaun.
Jedem leisen Verfärben lausch ich mit stillem Bemühn, jedem Wachsen und Sterben,
jedem Welken und Blühn.
Was da webet im Ringe, was da blüht auf der Flur, Sinnbild ewiger Dinge ists dem Schauenden nur.
Jede sprossende Pflanze, die mit Düften sich füllt, trägt im Kelche das ganze
Weltgeheimnis verhüllt.
(Emanuel Geibel)
Re: Jahreszeiten
Von: Struppi6679 (Ursprüngliche Nachricht)
Herbshauch
Herbsthauch
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug, Hoffst du von Tagen zu Tagen, Was dir der blühende Frühling nicht trug, Werde der Herbst dir noch tragen!
Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch, Abends verstreut er die Rosen.
Lässt doch der spielende Wind nicht vom Strauch, Bis er ihn völlig gelichtet. Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch, Was wir geliebt und gedichtet.