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Empfehlungen: Harte SF

Empfehlungen: Harte SF

Ich bin allzu großer Freund des Begriffs „hard SF“. Ich finde, es handelt sich dabei um eine extrem schwammig definierte Unterkategorie, die aus historischen Gründen über die Maße fetischisiert wird. Wenn man das mit der Härte auch nur halbwegs ernst nimmt, bleiben nicht mehr allzu viele Texte übrig, während es andererseits immer jemanden gibt, der jede noch so überdrehte Space Opera und jeden abstrusen High-Concept-Kram als „hard“ anpreist, als wäre das eine Qualitätsauszeichnung

Heißt ja aber nicht, daß ich da nichts empfehlen könnte, wenn mich beim Grillen jemand fragen täte. Also genug gemoppert und los:


Voyage von Stephen Baxter

John F. Kennedy überlebt den Attentatsversuch in Dallas und stößt in den 1970ern dann eine bemannte Mission zum Mars an. Extrem realistisch in der Schilderung der Institution NASA und der technischen Entwicklung der entsprechenden Vehikel. Und weil der Autor Engländer ist, auch alles andere als die Hochglanz-Wunschphantasie, die man bei dem Thema vielleicht erwarten könnte.

Großartige SF von einem Ingenieur für Ingenieure. Hat meinen Wortschatz um den Begriff bikonisch erweitert. Unbedingte Empfehlung.


Inherit the Stars von James P. Hogan

Eine absolute Rarität: Ein Science-Fiction-Roman, in dem science, Wissenschaft, tatsächlich eine entscheidende Rolle spielt,
und zwar nicht nur als Detailkram irgendwelcher Maschinerie, sondern als wissenschaftliche Methode selbst. Alles geht damit los, daß eine mit einem Raumanzug bekleidetete Leiche auf dem Mond gefunden wird, und dann entwickelt sich die Sache rasch zu einem archäologischen Krimi, der spannend bleibt bis zum Ende des Buches.

(Stammt von 1977, was sich sowohl durch charmante technische Details bemerkbar macht, die heute alltägliche Selbstverständlichkeiten sind, aber hier als Zukunftsmusik zum Staunen des Lesers ausführlich geschildert werden, als auch durch beiläufigen historischen Sexismus mit humoristischem Unterhaltungswert.)

Band 1 der „Gentle Giants“-Reihe, und mit Abstand auch der beste. (Bd. 2 geht noch, danach würde ich aufhören.) Einer meiner Lieblingsromane. Allerwärmste Empfehlung. Antiquarisch kaufen und alles stehen und liegen lassen und einfach lesen. SF vom Feinsten.


Lunar Descent von Allen Steele

Blue collar workers (d.h. Rockmusik hörende, Bier trinkende amerikanische Industriearbeiter) auf dem Mond. Keine hohe Literatur, aber technisch knackig und ordentlich geschrieben. (Einer der Protagonisten ist übrigens Rollenspieler und organisiert im Hintergrund eine Hardcore-oldschool-D&D-Dungeoncrawl-Gruppe. Auf dem Mond.)

Der beste Roman der sogenannten „Near-Space“- oder „Rude Astronauts”-Reihe. (Wem das gefällt – der Band Orbital Decay taugt auch noch halbwegs.) Durchaus lesenswert.


Red Mars von Kim Stanley Robinson

Band 1 einer Trilogie, worin der Mars terraformiert und besiedelt wird. Unter anderem spielt ein detailliert beschriebener Weltraumaufzug eine wichtige Rolle. Etwas dröge, aber technisch durchaus durchdacht und auf jeden Fall einen Versuch wert.

Dieser Roman ist ein ziemlicher Brocken; danach hatte ich keine Motivation mehr für die Nachfolgebände. Der Autor ist ein kluger Kopf mit interessanten Ideen, aber alles andere als ein guter Stilist und nimmt sich selbst wirklich sehr ernst. Bedingte Empfehlung.


Crashlander von Larry Niven

Ein „fix up“, d.h. in diesem Fall ein aus bestehenden Kurzgeschichten zusammengestrickter und mit einer (belanglosen) Rahmenhandlung zusammengespannter Sammelband. Die einzelnen, im „Known Space“-Universum angesiedelten Episoden schildern die ziemlich unterhaltsamen Abenteuer des Raumpiloten Beowulf Shaeffer. Nicht wirklich harte SF, aber die meisten der Kurzgeschichten drehen sich um ein interessantes technisches oder wissenschaftliches Detail und dessen unvorhergesehene Folgen.

Wie gesagt, unterhaltsam. Gehört mit zum Besten, was der Autor geschrieben hat – klare Empfehlung.


The Planiverse von A. K. Dewdney

Ich … ich zitiere einfach mal die Beschreibung der englischen Wikipedia:

„In 1977, Dewdney was inspired by an allegory of a two-dimensional universe, and decided to expand upon the physics and chemistry of such a universe. He published a short monograph in 1979 called Two-Dimensional Science and Technology. In July 1980, this was reviewed by Martin Gardner in Scientific American, and shortly after this, all copies of the monograph were sold out. In 1981, following the success of the monograph, Dewdney published A Symposium on Two-Dimensional Science and Technology, which contained suggestions for how a two-dimensional universe would work from scientists and non-scientists on varied subjects. Dewdney wrote The Planiverse as a frame story in which to display the scientific and technical features from these previous works […]“

Ein mit zahllosen Schwarz-weiß-Zeichnungen prachtvoll illustrierter Spaziergang durch eine zweidimensionale Welt, bis ins allerkleinste Detail technisch ausgetüftelt. Der Autor ist Mathematiker und Informatiker. Man merkt es. (Das ist positiv gemeint.) Eines der faszinierendsten und kuriosesten Bücher, die ich kenne; auch eines meiner liebsten. Empfehlung, aber nicht für jeden.


Leviathan Wakes von „James S. A. Corey“

Nicht wirklich harte SF: Es wird ab und zu von g-Kräften und vom Austausch von Luftfiltern geredet, aber damit ist es dann gut. Eigentlich handelt es sich bei diesem Roman um space opera – er fühlt sich beim Lesen aber an, als wäre alles sehr technisch und futuristisch. Ein guter Trick, den die zwei Autoren hinter dem Pseudonym da abziehen – wie das greebling bei Raumschiffmodellen im Film, die technische Details vortäuschen, wo keine sind, solange man nicht näher hinsieht.

Keine hohe Literatur, aber ein unterhaltsamer Spannungsroman, der hauptsächlich durch den Kontrast zwischen den zwei Hauptfiguren funktioniert, dem etwas naiven Raumschiffkapitän Holden (mit seinem coolen Schiff und seiner coolen Gang, alles sehr Firefly) und dem desillusionierten, zynischen Kriminalpolizisten Miller (vom Ceres, jawohl, wir sind ja schließlich in der Zukunft).

Der erste und mit großem Abstand beste Band der Expanse-Reihe. (Die nächsten zwei Bände bieten mehr oder weniger nochmal den wiederaufgewärmten und bei näherer Betrachtung ziemlich hirnrissigen Plot von Bd. 1, nur ohne die Hauptattraktion Miller, und sind daher ziemlich öde. Die späteren Bände werden auch nicht mehr wirklich besser.)

Ein guter Schmöker. Spannend geschriebene Genre- bzw. Unterhaltungsliteratur, die den Leser nicht als totalen Idioten verkauft, ist ja leider ziemlich selten, daher betrachte ich dieses Buch als einen Glücksfall und empfehle es.


The Martian von Andy Weir

Eine Robinsonade, worin es ziemlich wichtig ist, auf dem Mars Kartoffeln zu ziehen. Die technischen Details bilden die Hauptattraktion dieses Romans; der Erzähler/Protagonist bleibt hingegen ziemlich farblos, Charakterzeichnung beschränkt sich praktisch auf Nerdhumor. Man merkt, daß der Text ursprünglich im Selbstverlag in die Welt kam.

Wollte ich mal erwähnen; empfehlen kann ich den Roman nicht. Andererseits ist er kein Tausend-Seiten-Wälzer und die Chemie bzw. Biochemie der marsianischen Ag­ri­kul­tur mit improvisierten Mitteln ist schon halbwegs interessant.


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‘In general, Bumblebee Man only speaks in simple, over-enounced Spanish sentences. His catchphrases of choice are typically “Ay, ay, ay, no me gusta!” (“I don’t like it!”), “Ay, ay, ay, no es bueno!” (“That’s not good!”) and “Ay, Dios no me ama!” (“God doesn’t love me!”).’