Earth Circle - Heiden & Hexentum, Jahreskreisfeste und Wicca

Alte und neue Jahresfeste

Alte und neue Jahresfeste

Alte und Neue Jahresfeste
(Walpurgis)

von Jörg Wichmann
©Copyright: Jörg Wichmann
Aus: "Unicorn. Magie - Schamanismus - Wege zur Erde"
Heft 1/82.
Unicorn ist erschienen von 1982-85 in 13 heften.
Gesamtausgaben sind noch erhältlich bei:
Horus-Buchhandlung
Bismarckstr. 19
53113 Bonn

Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Wichmann freigegeben für Publikation auf Boudicca's Bard

Dieser Artikel über das Maifest soll der erste einer ganzen Serie über die alten und neuen Jahresfeste sein. Daher will ich, bevor ich zum eigentlichen Thema dieser Jahreszeit übergehe, zunächst einige allgemeine Überlegungen zu den Natur- und Fruchtbarkeitsriten anstellen.

Wir feiern heute noch fast alle Weihnachten, Ostern und genießen den l. Mai als zusätzlichen Feiertag, ohne uns über ihren Ursprung als alte Jahreszeitenfeste, als Feste der Sonne und der Vegetationszyklen im klaren zu sein. Fruchtbarkeitsriten erscheinen uns als Relikte einer lang vergessenen Zeit. Heute können wir Menschen alles andere als eigene physische Fruchtbarkeit gebrauchen, und viele meinen immer noch, das Problem der Fruchtbarkeit der Erde sei durch Kunstdünger endgültig gelöst. Die sog. 'Wissen'schaft' meint, die alten magischen Riten höllich, aber eindeutig abqualifiziert als ,,vorwissenschaftlich" bezeichnen zu können.

Was also können uns Menschen von heute noch die Riten der Jahreszeiten bedeuten?

Vielleicht sei vorher noch auf die Frage eingegangen, was diese Riten den Menschen von damals oder den heute noch naturverbundenen Menschen bedeutet haben mögen. Da gibt es, wie schon gesagt, die Theorie, daß die Riten und die Magie eine Form der vorwissenschaftlichen Weltbewältigung waren, in einer Zeit oder Kulturstufe, in der die Menschen die 'wahren' kausalen Zusammenhänge noch nicht durchschauen konnten, die uns erst die moderne Wissenschaft erkennen gelehrt hat. Diese Theorie kann man zwar längst als überholt betrachten, (sie wird von Autoren zu Anfang dieses Jh.s vertreten, wie z.B. Frazer etc.) sie sei aber doch noch erwähnt, da sie sich in den letzten Jahrzehnten in der populärwissenschaftlichen Literatur und Darstellung noch erheblich ausgebreitet hatte.

Eine andere Theorie zur Erklärung ist die, daß die Menschen durch Sympathiemagie versuchen, die Fruchtbarkeit der Erde anzuregen und den Lauf der Gestirne in der Regel zu halten. Sympathiemagie findet dort statt, wo der Vollzug einer Handlung, des Ritus, stattfindet, einen anderen ähnlich strukturierten Vorgang zu erzeugen oder zu verstärken, ohne kausal mit ihm verbunden zu sein. Ein Beispiel wäre, wenn Hexen auf Stecken oder Besen um ein Feld 'reiten' und versuchen, möglichst hoch zu springen, damit das Korn ebenso hoch wachse.

Der wohl tiefgehendste Erklärungsversuch bisher ist von neueren Ethnologen gemacht worden (s.z.B. alle Werke von H.P.Duerr) und geht davon aus, daß im Fest, im Kult, im Ritual für die Vollziehenden die gängige Realitätsauffassung und -erklärung außer Kraft gesetzt wird, daß der Mensch darin — und nicht nur darin — seine andere, seine unzivilisierte, unkonditionierte Seite erfahren kann und nur aus dieser Erfahrung heraus wirklich sich als 'zivilisiert', als ein in die Stammkultur integriertes Wesen erfahren kann. Damit eng zusammen hängt auch die in Festen häufig auftretende Aufhebung aller oder doch vieler Tabus, wovon wir ein kümmerliches Relikt noch in unserem Karneval erfahren können. Das Tabu wird nicht aufgehoben zur persönlichen, ungehemmten Vergnügung der einzelnen, wie man heutzutage so gern verstehen möchte. Wie wir sehen werden, besteht der/die einzelne als abgesondertes Bewußtsein, das sich 'vergnügen' könnte, in diesem Zustand gar nicht mehr, ist aufgelöst in den mythischen Zustand des außer-der-Zeit-Seins, der Ur-Zeit. Hier seien solche Theorien, derer es noch eine ganze Reihe mehr gibt, nur kurz angeschnitten. In einem anderen Artikel soll über grundsätzliche Deutungsversuche von Ritualen noch Näheres gesagt werden.

So wertvoll dieser Versuch des Verstehens auch für uns selbst sein mag, meine ich doch davon ausgehen zu können, daß sich der 'archaische Mensch' oder die 'naturnahe Kultur' in diesen Theorien wohl kaum selbst wiedererkennen würde. Das soll nicht bedeuten, daß die Theorien 'falsch' seien, oder daß es von vornherein müßig sei, sich über solche Dinge 'Gedanken' zu machen; doch der Mensch, der in den Riten lebt, hat eine mythische Denk-, Fühl-, und Erfahrungsweise, die wir durch theoretische Hilfskonstruktionen eben nur sekundär verstehen können.

Doch können diese Theorien zumindest eines zeigen:
Der moderne Mensch, wie überlegen er sich auch fühlen mag, ist auf diesem Gebiet der Erfahrung seiner eigenen Ganzheit noch ein Neuling, hat lange - sehr lange - Reifeprozesse nachzuholen. Unsere Schattenseite, die magische Persönlichkeit, das Unbewußte, muß den weit davongelaufenen, vereinsamten Intellekt wieder einholen, sich mit ihm wieder zur voll integrierten Person vereinigen.

Damit soll natürlich die Wichtigkeit und Großartigkeit der intellektuellen Entwicklung nicht in Frage gestellt, sondern nur in ihrer Einseitigkeit herausgestellt werden. Die Frage ist natürlich, wie das zu bewerkstelligen Sei;
man kann ja schließlich nicht einfach beschließen, wieder mythisch zu denken, und wir können und sollten auch nicht wieder dahin zurück, wo wir — möglicherweise — hergekommen sind. Den neuen Mythos, von dem in letzter Zeit so verdächtig viel die Rede ist, wird uns niemand schenken, und wir werden ihn auch nicht bei Herrn Castaneda nachlesen können, die Arbeit werden wir uns schon selber machen müssen - d.h. wenn wir das wollen!

Wenn ich nun im Folgenden dazu übergehe, zu zeigen, was Riten heute noch bedeuten können, so muß ich betonen, daß ich damit meine ganz persönliche Meinung und Erfahrung ausdrücke. Die Ausführungen erheben also keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder gar Wissenschaftlichkeit. Es sei jedem belassen, eine völlig andere Auffassung von seinen eigenen Ritualen zu haben und zu behalten. Die Aspekte, die ich ansprechen möchte, seien als Anregungen gedacht und geben zumindest einen möglichen Aspekt der Durchführung von Riten an.

Zurück also zur Frage der Rituale heute, warum und wie?

Den Aspekt, der mir dabei am wichtigsten scheint, möchte ich gleich an den Anfang stellen. Riten können ein Vollzug jenseits der Zweckgebundenheit sein. Ich sage bewußt: können, denn meist werden selbst die Riten noch irgendwelchen dahinter- oder darüberstehenden Zwecken, Zielen oder Funktionen unterworfen. Diese Haltung setzt sich natürlich auch in jedem Deutungsversuch von Riten durch, denn deuten kann man eben dann am besten, wenn irgendwelche über das Konkrete hinausgehende Zwecke unterstellt werden. Wenn man unsere Vorfahren nach dem Grund ihrer Riten gefragt hätte, dann wäre sicherlich manche Antwort gewesen: Weil die Götter es so wollen! Weil unsere Vorväter das schon immer so gemacht haben! etc. Dieser Haltung mag natürlich z.T. auch mangelnde Reflexion zugrunde liegen; worauf es mir aber hier ankommt, ist, daß solche Riten keinem Zweck mehr unterliegen, der über sie selbst hinausgeht. Wie auch ein Spiel oder die Liebe keinen weiteren Zwecken unterworfen sind, so ist es auch das Ritual nicht. Und wer meint, ein Spiel wäre nur ein Einüben der 'lebenswichtigen Verhaltensweisen der Erwachsenen', der hat eben noch nie richtig gespielt. Im Ritual kann man in den völligen Freiraum der Seele gelangen, in die Zeit-zwischen-den-Zeiten, wie die Ethnologen sagen würden. Und in diesem Freiraum, diesem Zwischen-Raum, kann dann das Archetypische aufscheinen, kann eine tiefe innere Verbindung und Einbindung des Menschen in den universalen Rhythmus der Natur stattfinden. Im Vergessen des dauernden ..um zu..." befreit sich der Mensch von seinen persönlichen Ansprüchen und Zielen und macht sich offen und bereit für ein Mitschwingen im großen Reigen der Natur. Nicht umsonst ist schon von jeher der Tanz ein Hauptbestandteil vieler Riten gewesen und ihr liebstes Instrument die Trommel. Der Tanz und die Musik können so zum Ausdruck, zum Mitklang des Rhythmus der Natur werden, mit ihm verschmelzen und so die Enge unserer Persönlichkeiten und Wahrnehmungen sprengen.

,,Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeil versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt. " (Ludwig Wittgenstein)

So steht der Rhythmus an der Schwelle von der Zeit zur Ewigkeit. Im Vollzug des Mythos rutscht man in das ewige Jetzt; in den Moment, der sich wiederholt und doch immer neu ist. Und in diesem Zustand, der von außen besehen ein anderer Zustand des Bewußtseins sein mag, von 'innen' aber ein anderer Zustand der Welt ist, hat der Mensch die magische Einheit mit der Natur erreicht, und in dieser magischen Welt kann im gegenseitigen Mitschwingen auch der Natur ein anderer Impuls gegeben werden, so wie man eine riesige Glocke mit einem kleinen Stab zum Schwingen bringen kann, indem man sie im rechten Rhythmus immer wieder antippt.

So ist das Eintauchen in den Rhythmus der Natur auch ein Eintauchen in den Rhythmus der eigenen Seele und umgekehrt. Und daher sind die Jahresfeste nur sinnvoll in ihrer Geschlossenheit zu feiern. Ob man das eine oder andere Fest mehr oder weniger betont, ob man einen Zyklus von 4, 6 oder 8 Festen hat, ist dafür irrelevant. Wichtig ist, daß ein Zyklus besteht, in dem nach Möglichkeit auch durchgehende rituelle Motive in ihren jeweiligen Veränderungen erhalten bleiben. Ein buntes Potpourri aus verschiedenen Traditionen tut es da langfristig nicht, denn der Organismus, die Natur und die Seele sind Ganzheiten, aus denen man nicht ungestraft Teile fort- oder unberücksichtigt läßt. Durch den Lauf der Jahre kann dann auch der zyklische Lauf allen Seins erfahren werden, wird das gegenseitige Sich-Bedingen von Tod und Leben deutlich. Wenn aus den scheinbar abgestorbenen, dürren Ästen im Frühling wieder das leuchtende, frische Leben sprießt und im Herbst in seiner voll erblühten Fülle wieder in den sterbenden Moder des Waldbodens zurücksinkt, so ist dies ein Gleichnis, das keiner weiteren Erläuterung bedarf. So erfüllt sich die menschliche Sehnsucht nach Ewigkeit nicht im Warten auf eine ferne, nicht endende Zeit, sondern im völligen Eintauchen in den mythischen Augenblick.

Die meisten von uns sind allem Rituellen und Zeremoniellen weitgehend entfremdet (worden), haben es nur als hohle Form und leeren, leblosen Atavismus kennengelernt. Die Jahresfeste, die es bei uns noch gibt, sind ihrer ursprünglichen Inhalte weitgehend entkleidet und nur in wenigen Gegenden noch wirklich intakt.

Zur Neubelebung muß man zunächst einmal darauf achten, daß man nicht einfach irgendwelche (angeblich) alten Riten versucht nachzuahmen, nur weil sie so schön alt und von den so viel bemühten großen ägyptischen Eingeweihten entworfen sind. Ein schlichtes, selbstgemachtes Ritual, das einen wirklich innerlich berührt, ist viel sinnvoller als ein großartiges Theater, für dessen Verständnis man erst jahrelang üben muß. Nicht, daß es nicht darauf ankäme, wie ein Ritual aufgebaut und durchgeführt wird, aber die eigene Ergriffenheit ist es, die einen über die inneren Grenzen hinausträgt, nicht die geheimnisvollen Worte.

So sollen denn auch die hier angegebenen Riten und Ritualtexte nur als Anregungen dienen, auf die jeder seine eigenen Feste aufbauen kann. Solche Riten stellen dann auch eine willkommene Gelegenheit dar, die eigene Kreativität wieder zu beleben, und es spricht auch nichts gegen ziemlich ungeplante Rituale, in denen man sich ganz auf die eigene Spontanität und Eingebung verläßt, wenn man in solchen Handlungen schon etwas zu Hause ist. Es isf immer gut, mit Symbolen sparsam umzugehen, nichts zu überladen - was man nicht versteht, lenkt ja nur vom Wichtigsten ab.

Und wenn möglich sollte man auch Symbole umr Gesten nehmen, mit denen man wirklich etwas verbindet, eventuell welche, die man einmal geträumt hat. Ich will aus diesem Artikel keine Abhandlung über Ri-tualistik machen. Das soll in einer späteren Nummer nachgeholt werden. So viel sollte nur gesagt werden, um auch Anfängern einige Anhaltspunkte zugeben.

Bei der Behandlung der Jahresfeste gehe ich zunächst von einem Zyklus von 8 Festen aus, der ursprünglich aus dem keltisch-angelsächsischen Raum stammt und durch das 8-speichige Rad symbolisiert wird.

Vier dieser Feste sind durch die Wende- und Höhepunkte der Sonnenumlaufbahn gegeben. Es sind dies

die Frühjahrstagundnachtgleiche
ungefähr am 21. März,
die Sommersonnenwende
ungefähr am 21. Juni,
die Herbsttagundnachtgleiche
ungefähr am 21. September
die Wintersonnenwende
ungefähr am 21. Dezember

Die genauen Zeitpunkte kann man jeweils den Ephemeriden entnehmen. Die Tagundnachtgleichen werden auch als Äquinoktien (Equinoxien) und die Sonnenwenden als Solstitien bezeichnet.

Unser Weihnachtsfest liegt ungefähr auf der Wintersonnenwende und paßt inhaltlich mit der Kindesgeburt sehr gut in diesen Kontext, und das Johannifest liegt ungefähr auf der Sommersonnenwende.

Die anderen vier jeweils dazwischen liegenden Feste sind Feste des agrarischen Zyklus und wurden wohl vorwiegend von den älteren keltischen Stämmen gefeiert, bevor die angelsächsische Einwanderung auch die Sonnenfeste wieder mitbrachte und die beiden Festzyklen sich zu dem achtfachen Rad verbanden. Genau ist dieser Übergang jedoch nicht mehr feststellbar.

Die Termine dieser Riten sind durch Überlieferung festgelegt und variieren ohnehin etwas, hinzu kommt dann noch, daß bei er Umstellung des Julianischen auf den Gregorianischen Kalender sich ein Fehler von ca. vierzehn Tagen eingeschlichen hat, der eine heutige genaue Festlegung des Termins nahezu unmöglich macht. Das ist aber auch nicht nötig, denn es handelt sich eben um Riten der Vegetationszyklen, durch die Saat und Ernte und auch der Viehaustrieb geregelt wurden. Daher müssen diese Feste ohnehin von Gegend zu Gegend leichte Unterschiede aufweisen. Wenn man solche Feste in irgendeiner Form feiern oder beachten möchte, richte man sich am besten nach dem eigenen Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Es wäre sinnlos, wollte man in einem kalten Jahr, in dem noch lange-Schnee liegt, das Walpurgisritual wirklich am l. Mai durchführen, nur weil es so im Kalender steht.

Ich werde also hier die üblicherweise angesetzten Termine angeben und eventuelle starke Abweichungen bestimmter Überlieferungen gesondert erwähnen; ansonsten kann davon ausgegangen werden, daß innerhalb einer Bandbreite von einigen Tagen die Termine genau sind.

Der keltische Sommer begann mit dem Bealtaine-Tag, unserem Maifeiertag, dem die Walpurgisnacht vorausging. Am l. August wurde die Ernte gefeiert, Lushnashad oder Lammas, das Fest des Lichtgottes. Der Winter begann mit Samhain oder Hallowe'en am l. November, was unserem Fest Allerheiligen entspricht, das auch ein Fest für die Toten ist. Imbolc oder Candlemass, unser Lichtmeß liegt auf dem l. oder 2. Februar und ist das Fest der größten Kälte einerseits und der wiedererstarkten Sonne andererseits.

Das keltische Jahr war auf diese Weise in zwei Hälften geteilt durch Samhain und Bealtaine. Das Jahr begann mit dem Winter, der dunklen Jahreszeit, so wie auch der Tag mit dem Abend, bzw. dem Einbruch der Nacht begann. (1

Generell sind - auch im germanischen Bereich - die Trennungslinien in Zeit und Raum Einbruchstellen für die andere Wirklichkeit, die Welt der Toten und Elfen, der Götter und Dämonen. Insbesondere gilt das für den Sommer- und Winterbeginn, Walpurgis und Allerheiligen, in geringerem Maße auch für alle anderen Termine, die eine zeitliche Grenze markierten. So sind auch Mitternacht und Mittag als Stunden der Geister verrufen, und der Tau der Morgendämmerung hat besonderse Heilkräfte. Man mußte also an solchen besonderen Tagen spezielle Schutzmaßnahmen gegen böse Geister und Hexen treffen und konnte außerdem den Einbruch des Ander-weltlichen, die Aulhebung aller Grenzen auch zu Divi-tationszwecken, d.h. zum Vorhersagen der Zukunft und des Schicksals benutzen.

Weitere Erläuterungen folgen dann zu den jeweiligen Jahreszeiten.

Es ist geplant, diese Zeitschrift im ersten Erscheinungsjahr zu Walpurgis, Erntefest, Allerheiligen und Lichtmeß herauszugeben um dann im zweiten Lauljahr zu den Äquinoktien und Solstitien überzugehen, damit die Artikel jeweils aktuell sind.

Aus den anfangs dargelegten Gründen soll in diesen jedes Heft einleitenden Aufsätzen der aktuelle Naturbezug in den Vordergrund treten. Der Schwerpunkt soll bei neuen Riten liegen, wie sie heute praktiziert werden — oder praktiziert werden können. Als Hintergrund soll auch einige Information über ähnliche Riten aus früherer Zeit gegeben werden.

Walpurgis
Wer verbindet damit nicht zunächst den wilden Hexenritt auf dem Brocken? Die Hexe tritt als bedrohliche, unheilstiftende Gestalt auf, oder wie im Faust als verführerischer Dämon. Selbst bis in das bekannte Kinderbuch von der 'Kleinen Hexe' hat die Vorstellung der bösen Hexenversammlung an diesem Tag ihren Weg gefunden.

Damit, zu sagen, die Kirche hätte diese Vorstellungen von den bösen Hexen und den wilden Walpurgisorgien einfach erfunden, um die Bevölkerung einzuschüchtern, macht man es sich zu leicht. Es hat ja, wie eingangs schon angedeutet wurde, auch in vorchristlicher Zeit schon die Vorstellung von der besonderen Gefahr dieser Tage gegeben, schon immer waren in solchen Nächten der Jahreszeitenwechsel die Geister unterwegs. Aber es hat auch große Freudenfeste gegeben. Riesige Feuer wurden auf den Berggipfeln entzündet, und da Walpurgis/Beal-taine ein Fruchtbarkeitsfest ist - am Beginn des Sommers und des Viehaustriebs — ist sicherlich auch manches getan worden, die menschliche Fruchtbarkeit zu fördern.

Obschon nicht mehr genau der Gang der Dämonisierung festzustellen ist, kann doch als eine sehr plausible Erklärung angenommen werden, daß christliche Vertreter bei dem Versuch, die heidnischen Feste abzuschaffen, die Angstvorstellungen der Menschen mit auf die Feste und Orgien übertrugen und diese als gleichermaßen dämonisch darstellten, wie sich die Heiden ohnehin den Umzug der Geister und Toten vorstellten. (2

Die an diesem Fest ursprünglich verehrte Göttin wurde dann durch eine christliche Heilige — die Hl. Walpurga — ersetzt, die man als Schutz gegen die Dämonen anrufen kann.

Die Hl. Walpurga war eine fromme Äbtissin, die im Jahre 763 gestorben ist. Ihr ist nicht nur der l. Mai, der Tag ihrer Heiligsprechung, heilig, sondern auch der 25. Febr., ihr Todestag, und der 4. Aug., der Tag ihrer Abfahrt von England nach Rom im Jahre 720. Die Tatsache, daß Walpurgis die Nacht der großen heidnischen Feiern war, versuchte man dann kirchlicherseits so zu erklären, daß die Hl. Walpurga so fromm war und so um die Reinheit der Frauen bemüht, daß der Teufel ihren heiligen Tag ganz besonders entweihen will.
So wurde sogar die Ursache der Datierung ins Gegenteil verkehrt.

Nach anderen Geschichten soll Walpurga in der Mainacht von bösen Geistern verfolgt werden und bei den Menschen Schutz suchen. Diese Geschichte dürfte sich an Sagen anschließen, in denen Feen oder Waldfräulein von der Wilden Jagd oder von Riesen verfolgt wurden. (Informationen z.T. aus Biedermann — Handlexikon) Damit war dann der größte Teil der Umwandlung eines alten Festes vollzogen. Doch ganz ist es nie gelungen, die mit dem l. Mai verbundenen Fruchtbarkeitsvorstellungen auszurotten, wie an den immer noch stattfindenden Maifeiern und dem in seiner Symbolik ja sehr eindeutigen Maibaum zu sehen ist.

Der Maibaum und besonders die um ihn stattfindenden Tänze waren bei christlichen Vertretern seit jeher unbeliebt, und er wurde während der puritanischen Herrschaft in England 1644 bis 1661 verboten. So hat also ein unübersehbares phallisches Symbol in all seiner Urtümlichkeit bis heute überlebt. Es gibt hier im Rheinland noch jetzt lebendige Bräuche, daß die männl. Jugendlichen eines jeden Dorfes sich einen Maibaum aufrichten und die ganze Mainacht Wache halten, um ihn vor den Jungen des Nachbardorfes zu schützen. Und in den Volksliedern klingt auch noch manches von alten Maibräuchen nach, die immer schon ein Fest der Liebeswerbung waren:

„Ich geh den Mai zu hauen
hin durch das grüne Gras,
schenk meinem Buhl die Treue,
die mir die Liebste was.
Und ruf, daß sie mag kommen,
wohl an dem Fenster stan,
empfangen den Mai mit Blumen.
Er ist gar wohlgetan."

Oder:

„Ich ging in den Busch und brach mir einen Mai,
der Mai und der war grüne...
Ich ging vor Herzliebchens Fenster stehn,
ich redt mit falscher Zunge:
Herzlieb steh auf und laß mich ein,
ich bring dir den Mai von Grüne!"

Mit dem 'Mai' ist hier ein Birkenzweig gemeint. Es kann aber auch in manchen Fällen eine Kiefer gewesen sein. Dem Hineinbringen des Maibaums ins Dorf ging oft ein rituelles Vernichten des Todes in Form einer Puppe voraus. Er wurde in einen Fluß geworfen oder in Stücke gerissen und verbrannt (nach Frazer). Aus Böhmen stammt folgender Spruch, der bei Eintritt des Mai's ins Dorf gesungen wurde:

„Der Tod schwimmt im Wasser,
Der Frühling kommt, uns zu besuchen,
Mit Eiern, die sind rot.
Mit gelben Pfannkuchen.
Wir haben den Tod aus dem Dorf getragen,
Wir tragen den Sommer hinein."
(Frazer, S. 453)

Dabei trugen die Mädchen einen mit grünen, roten und weißen Bändern geschmückten jungen Baum, an dem eine als Frau verkleidete Puppe hing.

In manchen Gegenden (in Schweden z.B.) war auch ein symbolischer Kampf zwischen Sommer und Winter in Form von zwei berittenen Gruppen oder zwei Einzelkämpfern üblich, der jeweils vom Sommer gewonnen wurde.

Vom Birkenstecken und Maibaum rührt möglicherweise auch das Bild vom Besen her. Es war üblich, auf Stecken im Kreis oder um das Feld zu reiten und diese Stecken (daher noch unser 'Steckenpferd') waren z.T. an einem Ende zu einem phallischen Symbol zurechtgeschnitzt. Da in der Zeit der allgemeinen Heiden- und Hexenverfolgung ein solcher Stecken natürlich sehr auffällig war und leicht durch den Pfahl auf dem Scheiterhaufen ersetzt wurde, nahm man dafür einen Besen, der ja in jedem Haushalt vorkam. Ich kann nicht beurteilen, wie authentisch diese Erklärung ist - sie stammt von englischen Hexen -, zumindest scheint sie jedoch sehr einleuchtend.

Interessant ist dieser Symbolwechsel auch insofern, als dadurch der Birkenstab, der der großen Fruchtbarkeitsgöttin Freya heilig war, ersetzt wurde durch den Besen, Symbol der weiblichen Hausarbeit, womit in den Geschichten über den Hexenritt auch schon ganz klar gesagt wurde, wo man denn diese Hexen zu suchen habe.

So trugen sie also statt des heiligen Phallus die Karikatur ihrer eigenen Diskriminierung.
Das große Feuer, um das getanzt wurde, ist nicht nur typisch für das Maifest/Bealtaine, sondern findet sich auch bei den meisten anderen Jahresfesten.

Bealtaine (oder in der anglisierten Form: Beltane) heißt:
'Feuer des Bei', eines keltischen oder vorkeltischen Gottes, dessen Name auch Beli, Balar oder Balor war (nach Farrar). Und mit seinem Feuer waren vielerlei Schutzriten für das kommende Jahr verbunden. In Irland trieb man das Vieh durch die Feuer, um es vor Seuchen zu schützen oder man sprang an vielen Orten selbst hindurch, um sich vor Krankheit und Unheil zu bewahren. Es fanden auch symbolische Hexen- und Dämonenverbrennungen in diesen Feuern statt.

In Irland war das Belfeuer so wichtig, daß es nur der Hohe König in Tara selbst anzünden durfte. Von der zurückbleibenden Glut wurde dann wieder jedes Herdfeuer in den Häusern entzündet.

Im alten Rom war der l. Mai der Verehrung der Laren, der Hausgeister, gewidmet. Die Neuentzündung des Herdfeuers stellt ja auch eine solche Weihehandlung des Hauses dar, denn der Herd mit seinem Feuer war schon von jeher das heilige Zentrum des Hauses.

Am Tage nach dem Bealtaine/Walpurgisfest wurde in vielen Gegenden Großbritanniens und auch in den Alpen das Vieh ausgetrieben.

Es ließen sich hier noch reihenweise weitere Volksbräuche und -rituale anführen, wie z.B. das erste Waschen in einem Brunnen am l. Mai Schönheit bringt etc., doch soll es hiermit an historischen Details genug sein. Wer Näheres darüber wissen möchte, der möge bei Frazer oder in einschlägigen volkskundlichen Werken nachlesen. Durch diesen Exkurs in die Ritengeschichte ist nun schon eine große Menge an Material und an Ideen vorgegeben, die man in neueren Riten mitbedenken sollte.

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus.... Zwar haben eine ganze Anzahl von Bäumen schon längst ausgeschlagen, aber der Mai ist doch der Monat, in dem die wieder beginnende Belebung und Begründung der Erde am deutlichsten wird.

Schon sind die Schwalben wieder da, und am l. oder 2. Mai treffen auch die Mauersegler wieder ein, um unsere Städte mit ihrem Netz von hohen, schrillen Schreien zu überziehen und selbst im letzten Winkel der Großstädte noch zu verkünden, daß die warme Jahreszeit begonnen hat. Die Birken leuchten schon seit Tagen in der Pracht ihres frischen, hellen Grüns und auf dem Waldboden blühen bald die Maiglöckchen.
Aber noch ist die Wärme mild und die Erde duftet frisch, die Sonne schmunzelt eher, als daß sie lacht, und der Wind ist angenehm lau.
Und wer Lust hat, kann in dieser Zeit den Beginn des neuen Sommers feiern, wie all die Elfen und Naturgeister, die jetzt wieder aus ihren Winterquartieren herauskommen und der Erde neues Leben verleihen.
Viele verschiedene Elemente eines solchen Frühlingsfestes sind ja schon in der Betrachtung der alten Bräuche aufgetaucht. Sicherlich wird das Anzünden oder Wiederanzünden des heiligen Feuers eine wichtige Rolle spielen, und der Fruchtbarkeit kann man durch das Pflanzen eines Baumes oder durch Liebesrituale huldigen, deren jeweilige Ausgestaltung dem Geschmack der Ausführenden überlassen bleibt.

Inwieweit man ein Frühlingsritual in irgendwelche anderen zeremoniellen Formen betten will, hängt auch von der jeweiligen Tradition ab, in der man steht. Christen werden es mit der Messe verbinden und die Anhänger des Wicca-Kults, deren Beltane-Ritus wir im Anschluß als Beispiel zitieren werden, verbinden es mit ihrem Anrufen des Mondes.

Mit freundlicher Genehmigung von Janet und Stewart Farrar folgt nun ihr Beltane-Sabbat-Text in leicht gekürzter Form (es wurden nur Wiederholungen gekürzt). Dies ist nur eine Form, in der dies Wicca-Ritual gefeiert werden kann. Jede Gruppe (coven) hat da weitgehende Freiheit. Leider können wir natürlich nicht in der l. Ausgabe schon die gesamten dazu gehörigen Riten der Eröffnung und Schließung des Kreises und des Großen Ritus abdrucken. Es werden jedoch noch nähere Ausführungen zum Wicca-Kult folgen und wer auf eine zeremonielle Einleitung und Abschließung Wert legt, sei zunächst auf das hinten abgedruckte Pentagramm-Ritual verwiesen, das dem Wicca-Ritus sehr ähnelt.

Es sei außerdem darauf verwiesen, daß diesem Text ein großer quellenmäßiger Wert zukommt, denn bislang ist in deutscher Sprache noch keine vollständige Wicca-Ri-tualanweisung veröffentlicht.

Beltane-Sabbat - Wicca-Ritual

Die Vorbereitungen

Der Kessel wird in die Mitte des Kreises gestellt, mit einer brennenden Kerze darin; diese repräsentiert das Bel-Feuer. Zweige von Weiß- und Schwarzdom dekorieren den Altar, und gewundene Haarbänder aus beiden — mit entfernten Dornen — werden für die weiblichen Hexen gemacht. Die Zweige sollen am Maiabend selbst gesammelt sein, und es ist üblich, sich vor dem Schneiden bei jedem Baum zu entschuldigen.
Wenn Eichenblätter gefunden werden können, macht man aus ihnen ein Haarband für den Hohenpriester in seiner Rolle als Eichenkönig.
Ein grüner Schal oder ähnliches, wenigstens einen Quadratmeter groß, wird neben den Altar gelegt. Soviele Wachsstifte — oder dünne Kerzen — wie Teilnehmer werden neben den Kessel gelegt. Das geweihte Mahl soll aus einer Schale voll Nüssen bestehen.

Wenn ein Ritus für den Wächter des Hauses geplant ist, wird sein Symbol an den östlichen Rand des Kreises plaziert mit einem Räucherstäbchen, das im rechten Moment entzündet werden kann.

Das Ritual

Nach der Einleitung verteilen sich die Teilnehmer im Kreis zwischen Kessel und Außenrand und beginnen sanft und rhythmisch zu klatschen.

Der Hohepriester nimmt den grünen Schal auf, rollt ihn zu einem Strick auf und hält jedes Ende in einer Hand. Er bewegt sich auf die Hohepriesterin zu und tut so, als wolle er ihr den Schal über die Schultern werfen und sie damit an sich ziehen; aber sie zieht sich, ihn weiterlockend, von ihm zurück.

Während die Gruppe mit dem rhythmischen Klatschen fortfährt, verfolgt der Hohepriester weiterhin die Hohepriesterin. Sie gibt nach und verlockt ihn, zieht sich aber immer zurück, bevor er sie mit dem Schal fangen kann. Sie gleitet zwischen den anderen hin und her, und die Frauen der Gruppe treten dem Hohenpriester in den Weg, um ihr zu helfen ihn zu nasführen.

Nach einer Weile, sagen wir nach zwei oder drei Runden um die Gruppe, erlaubt die Hohepriesterin ihm, sie zu fangen, den Schal um ihre Schultern zu werfen und sie an sich zu ziehen. Sie küssen und trennen sich, und der Hohepriester gibt den Schal an einen anderen Mann weiter.

Der nächste Mann verfolgt dann seine Partnerin, usw. Das Klatschen wird die ganze Zeit über fortgesetzt. Nachdem sie auch gefangen ist und sie sich geküßt und getrennt haben, wird der Schal an den nächsten Mann weitergegeben, und so fort, bis jedes Paar teilgenommen hat.

Der letzte Mann händigt den Schal wieder dem Hohenpriester aus.

Wieder verfolgt der Hohepriester die Priesterin; aber diesmal ist der Schritt viel langsamer, fast feierlich, und ihr Locken und Nachgeben ist ernster, als locke sie ihn in eine Gefahr; und diesmal greifen die anderen nicht ein. Die Verfolgung geht weiter, bis sich die Hohepriesterin zwischen Altar und Kessel stellt, Gesicht zum Altar in zwei bis drei Schritten Entfernung. Dann bleibt der Priester mit dem Rücken zum Altar stehen und fängt sie mit dem Schal.

Sie umarmen sich ernst aber herzlich; aber nach einigen Sekunden des Kusses läßt der Priester den Schal seinen Händen entgleiten, und die Priesterin läßt ihn los und tritt einen Schritt zurück.

Der Hohepriester fällt auf die Knie, setzt sich auf die Fersen und läßt den Kopf auf die Brust sinken.

Die Hohepriesterin breitet die Arme aus — das Zeichen, mit dem Klatschen aufzuhören. Sie ruft dann zwei Frauen mit Namen auf, stellt sie links und rechts neben ihn, mit den Gesichtern nach innen, so daß die drei sich über ihn hinweg angesehen. Die Priesterin hebt den Schal auf, und die drei breiten ihn über den Hohenpriester.

Die Hohepriesterin schickt die Frauen zurück und ruft zwei Männer beim Namen auf. Sie trägt ihnen auf, die beiden Altarkerzen zu löschen (nicht die Kerze für das Erdelement!) und schickt sie zurück auf ihre Plätze. Die Priesterin dreht sich um und kniet direkt vor dem Kessel nieder. Sie winkt dem Rest der Gruppe, sich zu ihr um den Kessel zu setzen.
Nur der Priester bleibt vor dem Altar, kniend und 'tot'.
Wenn alle an ihren Plätzen sind, bläst die Hohepriesterin die Kerze aus und schweigt einen Moment. Dann spricht sie:

"Das Bel-Feuer ist ausgelöscht, und der Eichenkönig ist tot. Er hat die Große Mutter umarmt und ist an seiner Liebe gestorben; so ist es gewesen, Jahr für Jahr, seit dem Beginn der Zeit. Doch wenn der Eichkönig tot ist — der der Gott des erwachenden Jahres ist — ist alles tot; die Felder tragen kein Korn, die Bäume keine Früchte, und die Geschöpfe der Großen Mutter tragen keine Jungen. Was sollen wir deshalb tun, daß der Eichkönig wieder lebe?"

Die Gruppe antwortet:

"Entzünde wieder das Bel-Feuer!"

Die Priesterin spricht:

"So sei es!"

Die Priesterin nimmt dann eine kleine Kerze, erhebt sich, geht zum Altar, entzündet sie an der Erdkerze und kniet wieder vor dem Kessel nieder. Mit der Kerze entzündet sie wieder die Kesselkerze und sagt darauf:

"Nehme jeder von Euch eine Kerze und entzünde sie am Bel-Feuer."

Die Gruppe tut dies, und zuletzt entzündet die Hohepriesterin eine Kerze für sich selbst. Sie ruft die beiden Frauen wieder zu sich, erhebt sich und wendet sich dem Priester zu. Sie winkt den beiden Frauen, den Schal vom Kopf des Hohenpriesters zu heben. Sie tun es, und legen ihn auf den Boden.

Die Priesterin sendet die Frauen zurück und ruft die beiden Männer wieder. Auf ihr Geheiß entzünden sie die Altarkerzen von neuem mit ihren eigenen Kerzen und gehen zurück.

Sie hält dann eine ihrer beiden Kerzen dem Hohenpriester hin (der sich bis dahin noch nicht bewegt hat) und spricht:

"Komme zurück zu uns, Eichenkönig, daß das Land fruchtbar sei."

1
Faune und Nymphen. Anonymer ital.
Kupferstich, 16. Jh.

Der Priester erhebt sich und nimmt die Kerze an. Er sagt:

"I am a stag of seven tines;
I am a wide flood on a plain;
I am a wind on the deep waters;
I am a shining tear of the sun;
I am a hawk on a cliff;
I am fair among flowers;
I am a god who sets the head afire with smoke."

Priesterin und Priester führen einen Kreistanz um den Kessel, der Rest der Gruppe folgt, alle tragen ihre Kerzen. Die Stimmung wird fröhlich und während sie tanzen, singen sie:

"Oh, do not teil the Priest of our Art,
Or he would call it a sin;
But we shall be out in the woods all night,
A-conjuring Summer in!
And we bring you news by word ofmouth
For women, cattle and corn -
Now is the Sun come up from the South
With Oak, and Ash, and Thorn!"

Die beiden Verstexte bleiben hier unübersetzt, einmal um ihre poetische Form zu behalten, zum anderen auch, weil bei einer Weiterverwendung des Rituals ohnehin eigene, passende Texte und ein Lied mit Melodie gefunden werden mußten.

Sie wiederholen die letzte Zeile ad hb., bis die Priesterin ihre Kerze ausbläst und sie neben den Kessel legt. Die ändern tun das Gleiche. Die gesamte Gruppe faßt sich an den Händen und sie kreisen schneller und schneller. Dann und wann ruft die Priesterin einen Namen oder den eines Paares auf, die sich dann von den anderen lösen, über den Kessel springen und sich dem Kreis wieder anschließen. Wenn alle gesprungen sind, ruft die Hohepriesterin 'Nieder!' und alle setzen sich.


Dies ist das eigentliche Ende des Beltane-Rituals. Wer will, kann noch den Großen Ritus (die symbolische oder wirkliche rituelle Vereinigung von Priesterin und Priester, die hier jedoch nicht mehr ausgeführt werden soll) und die Ehrung des Hausgeistes anschließen. Dann folgen das Fest und lustige Streiche, falls man zu solchen aufgelegt ist. Beltane und Hallowe'en sind traditionelle Nächte zum Unsinn treiben — auch für die Geister!


1) Zur weiteren Information über die keltische Hell-Dunkel-Symbolik und Zweiteilung der Zeit lese man: 'Celtic Heritage' von Alwyn & Brinley Rees

2) Ein gutes, klar nachweisbares Beispiel solcher sekundärer Sinn-verkehrung findet sich beschrieben bei Ginzburg — 'Die Benan-danti'


Literatur;

Janet and Stewart Farrar - Eight Sabbats for witches

1981 London - R. Haie Deutsche Lieder - Hrsg. Ernst Klüsen . 1981 Frankf. - Insel Alwyn and Brinley Rees - Celtic Heritage

1961 - Thames& Hudson J. G. Frazer - Der Goldene Zweig

1977 Frankf. - UUstein Brüder Grimm - Deutsche Sagen

1974 Stuttg. - Parkland Goethe - Faust II. Teil H. Biedermann - Hexen

1974 Graz - Verlag für Sammler H. Biedermann - Handlexikon der magischen Künste

1973 Graz - Akademische Verlagsanstalt C. Ginzburg - Die Benandanti

1980 Frankf. - Syndikat H. - P. Duerr - Traumzeit

1978 Frankf. - Syndikat Ottfried Preussler - Die kleine Hexe

1957 Stuttgart - Thinemanns 0. R. Braun - Kleine Geschichte unserer Feiertage und Jahresfeste

1979 Pähl - Hohe Warte

Quelle : Boudiccas Bard