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Das Sakrileg von Kirchbrak

Das Sakrileg von Kirchbrak

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Das Sakrileg von Kirchbrak
von Walter-Jörg Langbein und Lars A. Fischinger

Dan Browns Bestseller Sakrileg heißt im Original "Der Da Vinci Code". Eine zentrale Rolle spielt hierbei das berühmte Gemälde "Das Abendmahl" von Da Vinci. Und auch in Deutschland gibt es dazu Spuren.



Laien wie Gelehrte streiten sich über Browns spannende Interpretation. Doch ob man seinen Schlussfolgerungen folgt oder nicht, eine kleine Kirche in Kirchbrak in Deutschland bietet ein Rätsel, das mindestens so mysteriös wie das von Leonardo da Vinci ist.

Die Tatsache, dass der Ortsname einen Hinweis auf die Kirche enthält, weist auf die besondere Bedeutung des Gotteshauses hin. Bereits um 800 nach Christus taucht der Name Kirchbrak erstmals in einem amtlichen Dokument des Klosters von Fulda auf. Wurde die Kirche im unwegsamen Brachland errichtet, um dort eine alte heidnische Kultstätte in Vergessenheit geraten zu lassen?

Es ist allgemein bekannt, dass die ältesten Kirchbauten oftmals über einst angeblich heidnischen Kultplätzen errichtet wurden. Wenn es den frühen Geistlichen nicht gelang, die Erinnerung an diese Plätze auszulöschen, dann wurde auf diesen einfach mit einer Kapelle oder Kirche überbaut.

War dies auch hier so und lässt der uralte Name auf einen alten Kult schließen? Maria Magdalena wurde durch Manipulationen aus dem Umfeld von Jesus Christus verdrängt. Man mag es als einen heimlichen Triumph der uralten Heiligen Frau ansehen, dass im Zentrum des Allerheiligsten der Kirche von Kirchbrak auch heute noch immer Maria Magdalena steht.

Kirchenschiff und Turm machen einen wehrhaften Eindruck. Geht man um das sakrale Gebäude herum, so denkt man zwangsläufig an eine mittelalterliche Wehrkirche. Und in der Tat suchten in kriegerischen Zeiten die Menschen im Gotteshaus Zuflucht. Die über einen Meter dicken Steinmauern der Kirche hätten gewiss so manchem Angriff standgehalten.

 

Ein Geheimnis der faszinierenden Art

Kaum jemand vermutet im Inneren der so trotzig und schlicht erscheinenden Kirche ein Geheimnis der faszinierenden Art. Hans Hölscher führt den Besucher in "Sankt Michael Kirchbrak im Weserbergland" in das Innere:

Wir betreten den Raum durch eine romanische Türe in der Südwand. Die Bogenfläche darüber ist mit einem Kreuz über einem Bogen ausgefüllt. Seit einigen Jahren liegt diese Darstellung dem Wappen der Gemeinde Kirchbrak zu Grunde (...) Wenden wir uns nach rechts zum Chor, wird unser Blick von dem farbenfreudigen barocken Kanzelaltar gefangen. Der vielgliedrige Aufsatz mit reicher Holzschnitzerei zeigt in Reliefdarstellung die Geburt Christi, das Abendmahl, die Kreuzigung und die Himmelfahrt Christi. Neben der dreiseitigen Kanzel stehen die vier Evangelisten, unten beginnend, von links nach rechts: Johannes, Matthäus, Lukas und Markus.

Der Kanzelaltar und dessen zentrale Darstellung des letzten Abendmahles ist von ganz besonderen Interesse. Sie ist sorgsam als hölzerne Reliefarbeit gestaltet. Ungewöhnlich für eine solch fromme Darstellung sind zwei Hunde im Vordergrund – sie tragen goldene Schmuckstücke. Dahinter befindet sich ein relativ kleiner Tisch. Jesus sitzt auf einem goldenen Thron, die rechte Hand zum Friedensgruß erhoben. Es mutet seltsam an, dass er als eigentliche Hauptperson so weit in den Hintergrund gerückt wurde. Um den Tisch haben sich die Jünger Jesu versammelt.

Wie auf den Darstellungen von Leonardo da Vinci oder auch von Philippe de Champaigne bilden sie kleine Grüppchen, die miteinander in Gespräche vertieft sind. Jesus wirkt irgendwie allein gelassen und ausgegrenzt.

 

Wer ist der 13. Jünger?

Wie viele Personen nehmen am Abendmahl teil? Zu erwarten sind natürlich 13: Jesus und seine zwölf Gefährten. Doch auf dem Altar von Kirchbrak stimmt etwas nicht. Jesus sitzt eindeutig in Gesellschaft von 13 Jüngern. Wer ist der dieser 13. Jünger? Können wir ihn ausfindig machen? Gibt es eine Person auf dem Abendmahlsrelief, die sich von allen übrigen unterscheidet?

Der 13. Gefährte am Tisch fällt sofort auf. Bei Leonardo da Vinci und auch bei Philippe de Champaigne mag man darüber streiten, ob die Frau zu Jesu Seite nicht vielleicht doch ein Mann mit ausgeprägt femininen Zügen ist. Der dreizehnte Jünger des Abendmahles von Kirchbrak ist aber ganz sicher eine Frau.

Welche Frau ist es? Ob uns die Bibel einen hilfreichen Hinweis gibt, der das dargestellte Szenario erklärt? Im Evangelium des Lukas (Kapitel 8, Vers 1 bis 3) wird der Bibelleser fündig. Dort steht geschrieben, dass Jesus nicht alleine oder nur von seinen Jüngern begleitet durch das Land zog. Zusätzlich waren noch "etliche Frauen, die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern" bei Jesus, wie es Lukas sagt.

Eine dieser Frauen war Maria Magdalena. Sie und andere Frauen, denen Jesus ebenfalls geholfen hatte, waren scheinbar eine Art Dienstpersonal, denn sie "taten Handreichungen". In der Darstellung des Abendmahls in der Kirche von Kirchbrak steht vorne rechts im Bild eine sehr junge Frau oder ein junges Mädchen. Sie schenkt einem der Jünger aus einer goldenen Flasche ein. Wer mag diese Frau gewesen sein?

Soll es sich um Maria Magdalena handeln, die aus Dankbarkeit für die Heilung durch Jesu Jesus und seinen Jüngern als eine Art Magd mit ihnen zog? Diese Vorstellung wäre gewiss nach dem Geschmack von Evangelist Lukas. Doch Lukas schreibt nicht objektiv und degradiert Maria Magdalena bewusst, um sie zu erniedrigen und Petrus zu erhöhen. Er hetzt gegen Maria Magdalena als potenzielle direkte Nachfolgerin Jesu.

 

Die Theologin Jane Schaberg, Professorin für religiöse Frauenstudien von der Universität von Detroit, veröffentlichte in der Fachzeitschrift Bible Review 1992 einen wichtigen Artikel: "Wie Maria Magdalena zur Hure (gemacht) wurde". Für so manchen Theologen sind die Erkenntnisse, zu denen die Theologin kommt, auch heute noch ein Sakrileg. Unterstellt sie doch letztlich, dass Maria Magdalena eine ursprüngliche Zeugin für die fundamentalen Daten des frühen christlichen Glaubens ist.

Erst aufgrund theologischer Machtspiele und unterschiedlicher Interessen wurde sie zur Hure herabgewürdigt. Es galt, die Frauen in Jesu Gefolgschaft klein zu schreiben. Speziell für Lukas galt: Frauen hatten untergeordnete Funktionen auszuüben. Sie wurden als geheilte Menschen oder als finanzielle Wohltäter geduldet, aber nicht als starke Frauen in Führungspositionen. Dabei erfüllte doch gerade Maria Magdalena die strengen Anforderungen für die apostolische Nachfolge Jesu.

Betrachtet man das Abendmahl in der Kirche von Kirchbrak oberflächlich, so könnte man in der Tat voreilig jenes weibliche Wesen als Maria Magdalena in einer dienenden Rolle identifizieren. Betrachtet man das kunstvolle Schnitzwerk aber genauer, so wird zweierlei deutlich, dass die junge Frau vorne rechts nicht in den Kreis der Jünger gehört. Sie ist eine Außenstehende. Während alle anderen Personen um den Tisch sitzen, steht sie daneben.

Doch ein weiterer Blick enthüllt eine Sensation. Entgegengesetzt sitzt links hinten eine zweite, ebenfalls eindeutig weibliche Gestalt. Sie gehört zweifellos in den Kreis der Jünger. denn sie befindet sich offensichtlich innerhalb der Gruppe um Jesus eine Jünger.

Vordergründig mag man das Schnitzwerk von Kirchbrak als kunstvoll gestaltete Illustration zu Lukas und seinen Herabwürdigungen der Maria Magdalena sehen. Man kann aber auch die dienende Frau als Konkurrentin zur ihr entgegengesetzt platzierten Jüngerin verstehen.

Wer schuf die erstaunliche Darstellung des Abendmahls von Kirchbrak? Wir wissen es nicht. Doch man kann seine klare Positionierung der beiden Frauen als Protest gegen Lukas versehen. Maria Magdalena war demnach keine Dienerin, sie gehörte dem inneren Kreis jener Menschen an, die sich um Jesus zusammen geschart hatten. War sie nur eine gleichberechtigte Frau in der Gesamtgruppe? Oder war sie vielleicht mehr?

Quelle: http://www.freenet.meome.de/app/fn/artcont_portal_news_article.jsp?catld=95730