DER ENERGIEUMSATZ
DER ENERGIEUMSATZ
Energieverbrauch - Energiebedarf
Dr. Kurt A. Moosburger, Facharzt für Innere Medizin und Sportarzt
Der Energieumsatz kann mittels Kalorimetrie ermittelt werden. Da die direkte Kalorimetrie messtechnisch sehr aufwändig ist (Messung der Wämeabgabe des Organismus in einem Kalorimeter), wird heute in der Regel die indirekte Kalorimetrie angewendet. Deren Prinzip beruht darauf, dass die Nährstoffe oxidativ zu Wasser (H2O), Kohlendioxid (CO2
)
und stickstoffhältigen Produkten abgebaut werden. Somit lässt sich der Nährstoffumsatz über die Atemgasanalyse (O2-aufnahme und CO2-abgabe) sowie die Stickstoffausscheidung im Urin erfassen und der Energieumsatz unter Verwendung der bekannten physiologischen Brennwerte berechnen.Der tägliche Energieverbrauch bzw. -bedarf setzt sich aus dem Grundumsatz (GU), der nahrungsinduzierten Thermogenese, dem Bedarf für körperliche Aktivität (Arbeits- bzw. Leistungsumsatz als bewegungsabhängige Thermogenese) sowie der adaptativen Thermogenese (Thermoregulation, Stress) zusammen.
Weitere Energie verbrauchende Faktoren sind Wachstum, Schwangerschaft und Stillperiode.
A) Der Grundumsatz (GU, engl. BMR = basal metabolic rate):
Unter dem GU versteht man den Energieverbrauch unter strikten Ruhebedingungen. Er soll 12-14 Stunden nach der letzten Mahlzeit, kurz nach dem Aufwachen, bei völliger körperlicher Ruhe und unter thermoneutralen Bedingungen (27-31 Grad Celsius in unmittelbarer Körperumgebung) gemessen werden.
Der GU deckt den Energiebedarf aller inneren Organe, wie z.B. der stoffwechselaktiven Leber, der Nieren, des Gehirns und Nervensystems, des Herzmuskels usw. Sogar Fettgewebe verbraucht etwas Energie und natürlich auch die Skeletmuskulatur, selbst wenn sie nicht arbeitet (Fettverbrennung). Die Muskelmasse bestimmt im Wesentlichen die Höhe des Grundumsatzes, der somit auch von Geschlecht und Alter abhängt.
Nicht ganz so streng sind die Bedingungen für den Ruhe-Nüchtern-Umsatz (RNU). Dieser wird auch 12-14 Stunden nach der letzten Mahlzeit, morgens, bekleidet, bei 24-26 Grad C Raumtemperatur und beim bequemem Sitzen gemessen. Der RNU liegt ca. 5% über dem GU.
GU und RNU erfassen alle in Ruhe und postabsorptiv ablaufenden Arbeitsprozesse wie:
· Biochemische Reaktionen im Intermediärstoffwechsel für Wachstum, Umbau, Neubildung, Erhaltung und Speicherung von Körpersubstanz
· Transportprozesse: Transport von Metaboliten (Stoffwechselzwischenprodukte) und komplexen Stoffwechselprodukten über Zellmembranen sowie intrazellulär, Ionentransporte bei Nervenaktivitäten und Informationsprozessen
· unwillkürliche mechanische Arbeit: Herz-Kreislauf-Arbeit, Atmung, Erhaltung des Muskeltonus
Berechnung des GU (in kcal):
a) einfach: Frau : 700 + 7 x kg Körpergewicht
Mann: 900 + 10 x kg Körpergewicht
Bei Übergewicht (= erhöhter Körperfettanteil) sollte man für das Körpergewicht den Wert ansetzen, der früher als Normalgewicht bezeichnet wurde (Körpergröße minus 100).
oder: GU pro Stunde = ca. 40 kcal pro m² Körperoberfläche (die Körperoberfläche spielt eine große Rolle bei der Wärmeabgabe. Sie lässt sich aus Körpergröße und -gewicht berechnen bzw. sehr einfach anhand eines Nomogrammes ablesen)
b) komplizierter: Frau: 10 - 18 Jahre: kg x 0.056 + 2.898
19 - 30 J: kg x 0.062 + 2.036
31 - 60 J: kg x 0.034 + 3.538
über 60J: kg x 0.038 + 2.755
Mann: 10 - 18 J: kg x 0.074 + 2.754
19 - 30 J: kg x 0.063 + 2.896
31 - 60 J: kg x 0.048 + 3.653
über 60J: kg x 0.049 + 2.459 Werte in MJ/d ( x 239 à kcal/d)
Berechnung nach HARRIS und BENEDICT:
BMR (Mann) = 66.5 + 13.8 x w + 5 x h 6.8 x a
BMR (Frau) = 65.5 + 9.6 x w + 1.9 x h 4.7 x a
w: weight (Körpergewicht inkg)
h: height (Körpergröße in cm)
a: age (Alter in Jahren)
Der Grundumsatz ist aber bei körperlich inaktiven Menschen niedriger, als die Berechnungen erwarten würden! [siehe "FETTVERBENNUNG IM SPORT: MYTHOS UND WAHRHEIT"].
Die oben unter a) angeführte einfache Formel ist für die Praxis nicht nur ausreichend, sondern erfahrungsgemäß sogar am zweckmäßigsten.
Der Grundumsatz macht ca. 50 bis 70% des Energieumsatzes aus.
B) Die nahrungsinduzierte (= postprandiale) Thermogenese:
Die nahrungsinduzierte Thermogenese (thermogene Wirkung der Nahrung) entspricht der Steigerung des Energieumsatzes nach Nahrungsaufnahme. Körpertemperatur und Wärmeabgabe an die Umgebung steigen nach Nahrungsaufnahme. Die postprandiale (=nach Nahrungsaufnahme) Thermogenese beruht darauf, dass für Verdauung, Resorption und Transport der Nährstoffe Energie benötigt wird und dass die diskontinuierliche Nahrungsaufnahme eine zwischenzeitliche Speicherung von Nährstoffen erfordert, um eine kontinuierliche Energieversorgung aller Körperzellen zu gewährleisten. Der Energieaufwand für diese Leistungen bewirkt eine postprandiale Steigerung des Grundumsatzes.
Die postprandiale Thermogenese ist geschlechts- und altersunabhängig und hängt nur von Art und Menge der aufgenommenen Nahrung ab. Sie macht durchschnittlich 10% (8 - 15%) des täglichen Energieumsatzes aus und entspricht 2 - 4% der mit Fett, 4 - 7% der mit Kohlenhydraten und 18 - 25% der mit Protein aufgenommenen Energiemenge.
Die postprandiale Thermogenese hält nach einer proteinreichen Mahlzeit ca. doppelt so lange an wie nach einer kohlenhydrat- oder fettreichen Mahlzeit gleichen Energiegehaltes.
C) Die bewegungsabhängige Thermogenese = Arbeitsumsatz, Leistungsumsatz:
Der Energieaufwand für körperliche Aktivtät und damit auch der tägliche Gesamtenergiebedarf lässt sich abschätzen bzw. aus dem Grundumsatz mit einem Multiplikationsfaktor je nach Belastungsintensität halbwegs genau ermitteln. Dieser Multiplikator wird als PAL-Wert (physical activity level) bezeichnet.
Für den Zeitraum leichter körperlicher Aktivität kann man GU x 1.5, bei mittelschwerer körperlicher Aktivität GU x 2 2.5 und bei schwerer körperlicher Aktivität je nach Intensität bis zum 6-fachen des GU veranschlagen.
Der Energieverbrauch bei körperlicher Belastung hängt wesentlich vom Ausmaß der eingesetzten Muskelmasse ab (je mehr Muskeln arbeiten müssen, desto höher der Energieumsatz) und natürlich von der Intensität der Muskelarbeit.
Den Arbeitsumsatz kann man kalorimetrisch (mit tragbaren Geräten oder mittels Telemetrie) ermitteln.
Am praktikabelsten lässt sich der Energieverbrauch bei einer bestimmten Belastungsintensität mittels einer Ergospirometrie bestimmen (Fahrrad oder Laufband), und zwar nach der Formel
kcal pro Stunde = VO2 (Sauerstoffaufnahme in Liter pro Minute) x 60 x 5
(Faktor 60 = Umrechnung min à Std, Faktor 5 = Umrechnung Liter O2 à kcal)
wobei man für jede Belastungsstufe entsprechend der jeweiligen O2-Aufnahme den Kalorienverbrauch errechnen kann, oder, wenn man nur die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max, siehe DIE MAXIMALE SAUERSTOFFAUFNAHME ) kennt, den Energieverbrauch prozentuell davon ermitteln kann:
z.b. bei 70% VO2max à VO2max x 60 x 5 x 0.7
Eine noch einfachere Ermittlung des Energieverbrauchs ermöglicht eine Software, die bei jeder Belastungsstufe anhand der Sauerstoffaufnahme (VO2) auch die metabolische Einheit "MET" errechnet:
1 MET ist die O2-Aufnahme einer erwachsenen Person im Sitzen
= 3.5 ml VO2 pro Minute und kg Körpergewicht
1 MET = 50 kcal/m² /h = 58 Watt/m²
[METs x 3.5 x kg Körpergewicht] / 200 = kcal/min
Das Energieäquivalent von 1 MET in kcal/min = ca. 1 kcal pro kg Körpergewicht und Stunde (bei einem Körpergewicht von z.b. 70 kg entspricht 1 MET ca. 1.2 kcal/min).
Man braucht also nur die MET's der jeweiligen Belastungsstufe, die einen interessiert, mit dem Körpergewicht zu multiplizieren, um den Kalorienverbrauch pro Stunde für diese Belastungsintensität zu ermitteln.
D) Die adaptive Thermogenese:
Darunter versteht man die Energiebereitstellung für die Anpassung an veränderte Bedingungen wie z.B. Stress, intensive geistige Arbeit oder Temperaturveränderungen.
Zur Thermoregulation: Unter thermoneutralen Bedingungen (27 31°C nahe der Körperoberfläche) ist keine zusätzliche Wärmeproduktion zur Erhaltung der Körpertemperatur notwendig. Bei Erhöhung der Körpertemperatur, die mit einem Einsetzen der Transpiration einhergeht (Schwitzen als sichtbares Zeichen der Wärmeabgabe) kommt es zu einem höheren Energieumsatz (pro Grad Körpertemperatur um ca. 13%). Ebenso bedingen Temperaturen unterhalb der thermoneutralen Zone eine Zunahme des Energieumsatzes, zunächst durch zitterfreie Thermogenese (braunes Fettgewebe, Muskulatur, Leber, UCP = uncoupling proteins 1,2,3), bei stärkerem Absinken der Körpertemperatur durch muskuläre Kontraktionen, die sog. Zitterthermogenese, die den Energieumsatz vorübergehend auf das doppelte des GU ansteigen lassen können.
Der Energieumsatz für die Thermoregulation beträgt unter normalen Lebensbedingungen maximal 5% des täglichen Energieumsatzes.
Berechnung bzw. Abschätzen des täglichen Energiebedarfs
Um den täglichen Energieumsatz (total energy expenditure = TEE) und damit Energiebedarf zu ermitteln, muss man zum Grundumsatz den Arbeitsumsatz (also den höheren Energieumsatz während des Zeitraums körperlicher Aktivität) addieren und dann noch ca.15% für den Energieaufwand der nahrungsinduzierten Thermogenese sowie Thermoregulation hinzuzählen.
Für die Praxis ist es meistens ausreichend, den durchschnittlichen täglichen Energieumsatz vom Grundumsatz ausgehend zu bestimmen. In Abhängigkeit von der körperlichen Aktivität wird er mittels PAL (siehe oben) als Mehrfaches des Grundumsatzes angegeben.
Den täglichen Energieumsatz und damit Energiebedarf kann man im Falle nur leichter körperlicher Arbeit mit GU x 1.5, bei mittelschwerer körperlicher Aktivität mit GU x 1.8 und bei schwerer körperlicher Arbeit mit GU x 2 grob abschätzen.
Eine weitere Berechnungsmethode für den täglichen Energieumsatz ist der Energiequotient nach ROBBERS und TRAUMANN. Dieser ist die Energiemenge, die der Mensch pro kg Körpergewicht und Tag verbraucht bzw. benötigt. Dieser Berechnung wird das Sollgewicht (entsprechend BMI 20 -24.9) zugrunde gelegt.
Der Energiequotient beträgt
· bei Bettruhe 24-26 kcal/kg/Tag
· bei leichter körperlicher Arbeit ca. 32 kcal/kg/Tag
· bei mittelschwerer körperlicher Arbeit ca. 37 kcal/kg/Tag
· bei schwerer körperlicher Arbeit 40 bis 50 kcal/kg/Tag
Daneben lässt sich mittels BIA (Bioelektrische Impedanzanalyse) der Grundumsatz sowie der tägliche Gesamtenergieverbrauch anhand der Körpergewebszusammensetzung in Verbindung mit dem Ausmaß der körperlichen Aktivität relativ genau ermitteln.
Generell wird der individuelle Energieverbrauch bzw. -bedarf gerne überschätzt, sowohl der Arbeitsumsatz bei sportlicher Betätigung als auch der tägliche Gesamtenergieumsatz (So wie das Ausmaß der Energiezufuhr erfahrungsgemäß gerne unterschätzt wird).
Dr.KurtA. MoosburgerFacharzt für Innere Medizin u. Sportarzt
http://gin.uibk.ac.at/moosburger-ka
Juli 2001 (überarbeitet im November 2005)
Quelle/Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Kurt A. Moosburger, Facharzt für Innere Medizin und Sportarzt
Datum der letzten inhaltlichen Aktualisierung / Revision: November 2005
http://gin.uibk.ac.at/thema/