immer wieder finde ich die Forderung nach einer klassenlosen Gesellschaft aus der Linken und frage mich, was darunter wohl zu verstehen ist.
Zur Erklärung:
Der Witz am Kapitalismus ist ja jener, dass sich jeder ziemlich erfolgreich einbilden kann, an ihm auf der Sonnenseite teilhaben zu können. Dafür gibt es dann so fluffige Ammenmärchen wie Vom tellerwäscher zum Millionär oder Jeder ist seines Glückes Schmied etc. Gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge und soziale Strukturen, die eben die angenommene Chancengleichheit nicht zulassen und praktisch verhindern, werden - obwohl offensichtlich - konsequent ignoriert und trotz allem wird weiterhin geglaubt, dass man(n) nur recht fleißig sein müsse und bald zu den Siegern des Systems zu gehören. Von einem Klassenbewusstsein wie zu Marxens zeiten (ich bin Arbeiter und werde ausgebeutet. Das nix gut!) ist kaum etwas zu spüren: Selbst viele Arbeitslose gefallen sich mittlerweile darin, sich über die üblen "Sozial-Schmarotzer" herzerfrischend aufzuregen, ohne dabei auch nur einen Gedanken an die ideologische Konsequenz solcher Scheindebatten zu verschwenden. Eine Klasse der Arbeitslosen gab es ohnehin in Marxens katalog der Zugehörigkeiten nicht. Eben so wird ein Fließbandarbeiter sich den Kapitalisten wohl gedanklich näher fühlen, und ihn nicht als verordneten Widerpart begreifen, wenn sein privates Portfolio gerade gut da steht. Ist also Essig mit den Klassen und der Abschaffung der selbigen. Auch das Eigentum an Produktionsmitteln lässt die Klassenkategorien (Ausbeuter und Ausgebeutete) nicht mehr eindeutig zu: Zwar gibt es die Besitzer an Produktionsmittel und Gewinnabschöpfer aber sobald möglich, würde doch jeder gern am leichtgemachten Profit teilhaben wollen nur leider kann eben nicht jeder.
Wenn also pauschal die klassenlose Gesellschaft gefordert wird, dann möchte ich gern wissen, was die Klassengesellschaft ist und nach welchen Kriterien die so genannten Klassen unterschieden werden, die dann abgeschafft werden sollen. Was an Klassen gut oder schlecht sein soll und warum dringend überholungsbedürftig? Leben wir überhaupt noch in einer Klassengesellschaft?
Liebe Grüße
Ines
Re: Die Klassen- Gesellschaft?
Zitat: Isquierda Was an Klassen gut oder schlecht sein soll und warum dringend überholungsbedürftig? Leben wir überhaupt noch in einer Klassengesellschaft?Liebe Ines,
der Klassenbegriff des wissenschaftlichen Kommunismus bezieht sich auf gesellschaftliche Klassen. Diese Klassen werden nach ihrer Stellung innerhalb der Produktionsverhältnisse unterschieden. Das Unterscheidungsmerkmal ist das Eigentum an gesellschaftlichen Produktionsmitteln.
Die im Kapitalismus (also auch der BRD) für gesellschaftliche Entwicklungen wesentlichen Klassen sind die Bourgeoisie, die Klasse der Kapitalisten, der Eigentümer an gesellschaftlichen Produktionsmitteln, welche die Arbeitskraft von Lohnarbeitern einkaufen und ausbeuten, auf der einen und das Proletariat, die Klasse der an gesellschaftlichen Produktionsmitteln eigentumslosen Lohnarbeiter, die für ihren Lebensunterhalt gezwungen sind, den Bourgeois ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen und ausbeuten zu lassen, auf der anderen Seite.
Daneben kann man noch die Selbständigen (Eigentümer ihrer Produktionsmittel und gleichzeitig Produzenten) und weitere unbedeutende Klassen abgrenzen.
Das Problem (warum sie "schlecht" sind) besteht in den notwendig unvereinbar entgegengesetzten Interessen. Die Kapitalisten MÜSSEN aufgrund des Konkurrenzsystems ihre Lohnarbeiter möglichst stark ausbeuten (Profitmaximierung durch Lohnkostenreduktion, Arbeitszeitverlängerung u.a.), die Arbeiter haben aber das entgegengesetzte Interesse, was sie produzieren auch zu konsumieren. Aus weiteren Gründen, die mit der kapitalistischen Ökonomie zusammenhängen (Akkumulation und Konzentration des Kapitals, tendenzieller Fall der Profitrate) entsteht daraus unvermeidlich der Klassenkampf.
Ein wenig ausführlicher habe ich das in diesem Text dargestellt: http://www.weltformel.gmxhome.de/weltformel/texte/FK.HTML#kap20 .
Friede sei mit Euch
Torsten
Re: Die Klassen- Gesellschaft?
Zitat: Torsten Das Problem (warum sie "schlecht" sind) besteht in den notwendig unvereinbar entgegengesetzten Interessen. Die Kapitalisten MÜSSEN aufgrund des Konkurrenzsystems ihre Lohnarbeiter möglichst stark ausbeuten (Profitmaximierung durch Lohnkostenreduktion, Arbeitszeitverlängerung u.a.), die Arbeiter haben aber das entgegengesetzte Interesse, was sie produzieren auch zu konsumieren. Aus weiteren Gründen, die mit der kapitalistischen Ökonomie zusammenhängen (Akkumulation und Konzentration des Kapitals, tendenzieller Fall der Profitrate) entsteht daraus unvermeidlich der Klassenkampf.
Ein wenig ausführlicher habe ich das in diesem Text dargestellt: http://www.weltformel.gmxhome.de/weltformel/texte/FK.HTML#kap20 . Friede sei mit Euch
TorstenLieber Torsten,
am Kriterium des Eigentums an Produktionsmittel gemessen, verstehe ich die Unterteilung in Klassen, aber dennoch messe ich dem Eigentum an PM nicht solch entscheidende bedeutung bei: man kann auch etwas nutzen, es benutzen lassen, ohne daraus Gewinn zu schöpfen. Wenn ich zum Beispiel eine Firma hätte, so könnte ich auch andere produzieren lassen, ohne sie auszubeuten, also ohne den Mehrwert (Profit) den Produzierenden vorzuenthalten. Ich gehe dann halt nur ohne Gewinn aus dem geschäft. Das widerspricht der kapitalistischen Logik, aber ist möglich. Demnach führt also auch nicht das Eigentum an Produktionsmitteln zur Unterteilung, sondern viel mehr das Eigentum an sich. Denn das Eigentum, im Sinne des rechtlichen Konstrukts und als legales Mittel etwas zu rationieren, den Absatz und Preis willkürlich zu bestimmen, wiegt schwerer, als der Umstand, andere produzieren zu lassen: Nach meinem Dafürhalten sorgt also lediglich das Eigentum (an sich) für die Ungleichheit und nicht zwingend das Eigentum an PM. Es gibt also die Großgruppe (in deinem Wortlaut: Klasse) der Profiteure und die der Nichtprofiteuren.
"Die Kapitalisten MÜSSEN aufgrund des Konkurrenzsystems ihre Lohnarbeiter möglichst stark ausbeuten (Profitmaximierung durch Lohnkostenreduktion, Arbeitszeitverlängerung u.a.), die Arbeiter haben aber das entgegengesetzte Interesse, was sie produzieren auch zu konsumieren. "
Die arbeiter konsumieren doch. Ich fürchte nur, sie haben es satt, den Umweg über den markt zu machen [-> Rohstoff->Verdelung->Handel-> Konsum (sehr verkürzte Darstellung)] und den Mehrwert (Profit) aus den zum verkaufsfertigen Produkt zusammengesetzten Rohstoffen, den Produktionsmitteleignern zu überlassen, oder? Es wäre doch viel sinniger, das Produzierte auch ohne es überteuert, dh. zzgl. Gewinn (im sinne von profitorientiert) kaufen zu müssen, sondern es gleich nach produktion selbst zu verbrauchen. Der Umweg, dass eben jener, dem die PM gehören, für sich auch das Recht beansprucht, aus dem Eigentum an PM auch Gewinn auf das fertige Produkt aufzuschlagen und einzustecken, macht den Kapitalismus aus: Privateigentum ist das eigentliche Vergehen. Aber da sind sich Anarchisten und Kommunisten ja auch weitgehend einig. Nur dann geht es los: Volkseigentum ist nämlich auch nicht besser, weil "Volk" ein vager Begriff ist und willkürlich bestimmt werden kann, wer dazu gehört: Niemandem gehört etwas und niemand hat das Recht, Konsumgüter dem Verbrauch zu entziehen oder aus Produktion Gewinn zu ziehen. Und schon überhaupt nicht, wenn die produktion durch andere erledigt wird, die dafür lediglich ein Entgelt bekommen. Der Konsum ist also kein entgegengesetztes Interesse (auch Firmeneigner haben ein interesse daran, dass ihr Produkte konsumiert werden), sondern es ist ein gemeinsames Interesse: man stellt etwas her, dass dann verbraucht werden soll. Der Interessenkonflikt zwischen AG und AN entsteht erst, wenn jemand aus der Produktion Gewinn schlagen will, den er als privat ansieht und dies legalisiert wird. Sobald der AN sich als ungerecht entlohnt sieht, was er zwangsläufig wird, wenn er feststellt, dass er durch seiner Hände Arbeit noch jemand reichlich entlohnt wird, entsteht der Konflikt. Und dieser kommt zum Vorschein, weil es Eigentum gibt. dabei ist es unerheblich, wem was gehört: Sobald jemand für sich in Anspruch nimmt, etwas zu rationieren, in dem er es dem markt entzieht (in diesem Fall: Zahlungsmittel), wird es Konflikte geben.
Das hat mit "Klassenkampf" wenig zu tun, sondern ausschließlich mit dem Eigentums-begriff. Die Sortierung nach "Klassen" ist auch der kritischen Auseinandersetzung im Weg: Es werden Feindbilder katalogisiert und gewertet, die so eigentlich nicht existent sind. Aktuell ist es nämlich einfach so, dass so mancher AN für sich in Anspruch nimmt, etwas zu haben (Mein Haus, mein Auto, mein Pferd...), aber auf der anderen seite beklagt, nicht genug zu bekommen: Er will schlicht noch mehr. Auf der anderen Seite ist es keineswegs zwangsläufig, aus dem Besitz an PM Ausbeutung organisieren zu müssen und den Gewinn den Produzierenden vorzuenthalten. Es wird nur getan, weil man es will und auch darf.
Um wieder mal zu hypothetisieren: Welche Auswirkungen könnte es haben, wenn es gesetzlich, moralisch und praktisch unmöglich wäre, Gewinn aus der produktion zu ziehen? Wenn es schlicht verboten wäre, etwas für sich zu behalten, nur weil einem die Firma gehört? Wenn zum beispiel kontrolliert würde, dass Gewinn auf die Produzierenden verteilt würde? Wenn nicht Eigentum automatisch dazu führen würde, willkürlich den Preis zu bestimmen?