Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten - Innenpolitik

Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht

Am Samstag, den 20.09.2003 war ich anläßlich einer Demonstration der NPD und anderer rechter Gruppierungen gegen die Wehrmachtsausstellung sowie einiger Gegendemonstrationen eingesetzt.

Zu der rechten Demo fanden sich gerade ein mal 200 Leute ein. Das sind zwar immer noch 200 zu viel, da aber mit über 1000 gerechnet wurde, sehe ich das positiv.

Zur Gegendemo des DGB erschienen rund 4000 Personen, die während des gesamten Aufzuges durchweg friedlich waren.

Wie immer bei solchen Veranstaltungen gab es aber auch diesmal eine kleine Gruppe von Störern, denen es offensichtlich weniger um den berechtigten Protest gegen die rechte Demo ging als vielmehr um Randale. Und so dauerte es auch nicht lange, bis 60 – 70 von Ihnen bei der Aufnahme von Steinen beobachtet wurden. Also wurden Polizeikräfte zusammen gezogen und rund 200 Demonstranten eingeschlossen, unter denen sich die potentiellen Störer befanden. Ziel war es, diese aus der Fußgängerzone fernzuhalten, um dort Sachbeschädigungen zu verhindern.

Es fanden nun aber weder Durchsuchungen oder Festnahmen noch Personalienüberprüfungen statt. Stattdessen wurde den Eingeschlossenen erlaubt und ermöglicht, innerhalb der Einschließung am Schluß der DGB-Kundgebung mitzulaufen.

Mit den daraufhin einsetzenden Schmähungen und Beleidigungsversuchen hat man als Polizeibeamter zu leben gelernt. Ein Bürschchen, 19 Jahre alt, wie sich später herausstellen sollte, tat sich besonders hervor. Er versuchte ausgerechnet bei mir, die Einschließung zu verlassen. Ich verwehrte ihm das und erklärte ihm, warum die Einschließung erfolgte und er sie nicht verlassen könnte. Zum Dank durfte ich mir wenig druckreife Beleidigungen wie „Arschloch“, „Wichser“ und andere anhören.

Während ich ihn ignorierte, versuchte seine Freundin ihm den Mund zuzuhalten und in die Menge zurückzudrängen. Eine Minute später versuchte er das gleiche Spielchen bei dem Kollegen direkt vor mir. Dabei handelt es sich um einen weniger lebensalten Kollegen, der ihn ermahnte, die Beleidigungen zu unterlassen, andernfalls müsse er mit einer Ingewahrsamnahme rechnen. Anstatt wenigstens jetzt den Schnabel zu halten, griff der Trottel den Kollegen an und versuchte ihm einen Fauststoß ins Gesicht zu verpassen.

Die Folge dürfte klar sein: er wurde sofort von einem weiteren Kollegen gepackt, zu Boden gebracht und gefesselt. Seine Freundin, bis dahin stets bemüht, ihn zurückzuhalten und zu beruhigen, drehte angesichts dessen wohl durch und versetzte einem Kollegen eine Ohrfeige, woraufhin auch sie in Gewahrsam genommen wurde.

Was hat der Knaller jetzt erreicht?

1. Er wird vermutlich wegen Beleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Landfriedensbruch angeklagt.
2. Er hat seine Freundin mit ins Unglück gezogen.
3. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, die Gegendemonstration in den Augen Unbeteiligter zu diskreditieren.

Und was war sein Ziel? Vermutlich, die Polizei zu diskreditieren. Schließlich ist sie es ja, von der die Aggression ausgeht. Stimmt zwar nicht, wird aber von einigen Hasserfüllten Zeitgenossen aufgrund dieses Vorfalls wieder verbreitet werden. Insoweit hat er es wohl auch erreicht. Aber war es das wert?


Ein weiterer Fall fiel mir auf: in der Menge wurde durch zwei Kollegen eine Ingewahrsamnahme durchgeführt. Den Grund der Maßnahme bekam ich nicht mit, allerdings sah ich, wie sich der Adressat heftig wehrte. Das Trio kam dadurch ins Straucheln, wodurch eine unbeteiligte Frau angerempelt wurde und zu Fall kam. Sofort sprangen ich und ein Kollege auf die Frau zu, um ihr aufzuhelfen. Daran wurden wir jedoch von aufgebrachten Demonstranten gehindert! Wir wurden aufgefordert, die Frau in Ruhe zu lassen, der wir nur wieder aufhelfen wollten. Versuche, den Irrtum aufzuklären, wurden von diesen Eiferern niedergebrüllt. Gleichzeitig warfen sie uns vor, die Aggressionen gingen von der Polizei aus. Den Widerspruch werden sie vermutlich bis heute nicht erkannt haben.

Der Einsatz hat mir, wie viele ähnliche vorher, gezeigt, was ideologische Verblendung, ungerechtfertigte Vorurteile und hochkochende Emotionen aus sonst vielleicht „normalen“ Menschen machen kann.


Lensman

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Welch triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu zertrümmern, als ein Vorurteil.

Albert Einstein

Re: Erfahrungsbericht

Zum Lensmanbericht!

Also, wenn ich das richtig verstanden habe, sollen sich da 60-70 Leute darum "bemüht" haben Steine von der Straße aufzuheben?

Wie muß man sich das denn vorstellen?

War das ein Feld- oder Schotterweg, oder haben die sich hingesetzt und das Straßenpflaster aufgegraben?

...oder wurden sie bereits als "potentielle Störer" wegen ihrer Kleidung, ihrer schwarz-roten Fahnen, ihrer Embleme, "identifiziert"?

Weshalb sind schwerbewaffnete, knackige, hochmotivierte Sondereinheitler nicht in der Lage, am Graben Beschäftigte herauszugreifen und an ihrem Tun zu hindern?

Ach, ja, es sind Milizen und keine grünen Polizeibeamten, die agieren in geschlossenen Formationen und Phalangen, da kommt dann nur ein Kessel in Frage, gelle?

Deshalb wurde von der Sondereinheit der Polizei (Milizen) ein Kessel um 200 (oder vielleicht doch noch einigen mehr?) Demonstranten gezogen!!!!
Es wurden also weit mehr als 100 friedliche Menschen, die ihr Demonstrationsrecht wahrnahmen durch schwerbewaffnete Polizeiketten, nach der Schilderung muß es zumindest eine Doppelreihe gewesen sein, festgehalten und am Weggehen gehindert!!!!!

Ich will die geschilderten Ausfälle und Beleidigungen des 19-Jährigen und seiner Freundin nicht beschönigen, oder gar verteidigen, aber verstehen kann ich die Wut und die Aggression der indirekt Festgenommenen und zeitlich unbestimmt Festgehaltenen schon.
Sie haben sich als "die Anständigen" aufgefordert gesehen, ein sehr, sehr hohes Rechtsgut gegenüber den NAZI-Sympathisanten zu verteidigen, aber ausgerechnet sie werden vom "Arm der Staatsgewalt" in ihren Rechten verletzt.

Zitat: Lensman
"Stattdessen wurde den Eingeschlossenen erlaubt und ermöglicht, innerhalb der Einschließung am Schluß der DGB-Kundgebung mitzulaufen".Wie generös, kann man da nur noch sagen!!!!!!
Der Satz entlarvt eigentlich die gesamte Haltung und Einstellung, die Lensman, als Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols, gegenüber den Demonstranten empfand!

Nein, Demokratie ist in Deutschland ein Lippenbekenntnis geblieben!
Der Bürger hat Untertan zu sein!
Das zeigt nicht nur Lensmans Darlegung, das atmet in weit größerem Ausmaß Böttchers Beitrag, den ich eben hier zur Diskussion stellte!

Baba Yaga
...und denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!!!!

Re: Erfahrungsbericht




Hmm,

habe beide Beiträge zweimal gelesen - - - und lese aus beiden Beiträgen berechtigte Empörung zu bestimmten Vorfällen heraus.

Beide Standpunkte und unterschiedliche Sichtweisen halte ich für legitim - - - und mit demokratischen Grundsätzen vereinbar - - - ja sogar für notwendig! Denn Demokratie lebt von unterschiedlichen Denkansätzen.

Aber wie Ralf schon an anderer Stelle klargemacht hat, ist es anscheinend eine Erblast der "Linken", sich lieber selber erbarmungslos zu zerfleischen, statt auf unterschiedlichen Wegen zum gemeinsamen Ziel, der sozialen Gerechtigkeit zu gelangen. Siehe KPD versus SPD versus PDS und und und ... ... ...!

Lensman meinte, in seinem zunächst durchaus sachlichen Bericht unbedingt unterschwellige persönliche Provokation einbringen zu müssen - - - bewußt boshaft hoffend, Baba würde feuerspeiend mit ihrem Mörser durch die Lüfte herbeisausen und gegen ihn ihren Besen schwingen.

Unsere streitbare Forumshexe konnte auch gar nicht anders, denn Lensmans absichtlich aufreizendes Fazit ließ den hingeworfenen Fehdehandschuh klar erkennen - - - und welche Hexe und schon gar eine Baba Yaga kann da widerstehen?!

Und schon haben wir wieder Zank und persönlichen Streit statt sachlichem Disput und engagierter fairer Auseinandersetzung unterschiedlicher Sichtweisen auf hohem Diskussionsniveau!

Ich lasse den Thread trotzdem mal hier so stehen und schließe ihn auch nicht - - - allerdings erwarte ich von Euch beiden Angesprochenen, daß ihr diesen persönlichen Heckmeck laßt. "Bekriegt" Euch meinetwegen im inneren Bereich im Café. Dort werde ich gleich anschließend einen Thread mit dem Namen "Schlamm-Catchen" einrichten.

Der Administrator

Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden

Re: Erfahrungsbericht

>> "Natürlich war das Fazit provokativ, aber darin Böswilligkeit zu erkennen ist eine Unterstellung ..."

Gewollt und nicht gekonnt

Unter diesem Motto, lieber bjk, kann man deinen Beitrag getrost abhaken.


Boshaft, mein lieber Lensi, boshaft ist noch lange nicht böswillig - oder?

Komisch: beide Wörter werden im Mackensen/von Hollander mit "von schlechter Gesinnung" erklärt. Eine schwere Sprache, in der Tat ...


Ach ja, im Interesse des Forumklimas habe ich Deinen letzten Beitrag ins Café verschoben. Belaß es dabei.

Natürlich, wenn du das wünscht. Allerdings hättest du das bereits mit dem zweiten Beitrag dieses Threads tun sollen. Stattdessen hast du es vorgezogen, anzuheizen. Bist du jetzt böse, daß es nicht funktioniert hat?


Mit freundlichen Grüßen
Lensman

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Albert Einstein

gerechtigkeitshalber

habe ich den sachlichen Teil von Lensmans Beitrag hier wieder eingestellt, bjk


Kommen wir also zur Sache: die erkannten Störer agierten innerhalb der größeren Gruppe. Diese hatte lange genug Zeit, sich räumlich zu distanzierten und dadurch von polizeilichen Maßnahmen verschont zu bleiben. Stattdessen boten sie den Störern den Schutz der Menge.

Wäre die Sachlage eskaliert, wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen worden. Der „Kessel“ war deshalb die minder schwere Maßnahme, zumal die „friedlichen Demonstranten“ den Störern Schutz gewährten.

Ein Wort zu den „knackigen, schwerbewaffneten und hochmotivierten Sondereinheiten“: ob wir tatsächlich knackig sind, sollen andere entscheiden. Von schwerer Bewaffnung und vor allem hoher Motivation kann überhaupt keine Rede sein. Ich habe Samstags wahrlich besseres zu tun als das Versammlungsrecht einiger ewig Gestriger vor den Attacken einiger anders orientierter Irrer zu schützen. Und „Sondereinheiten“ sind wir schon gar nicht, von „Milizen“ ganz zu schweigen.

Was das Herausgreifen der Steinesammler angeht: das ist bei weitem nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen und zu suggerieren suchen. Wenn wir anrücken, gehen die doch stiften. Wollen Sie das Ganze dann in eine „offene Feldschlacht“ ausarten lassen? Den Protest, den Sie dann (berechtigterweise) vom Stapel lassen, möchte ich lieber nicht erleben.

Eingeschlossen wurden tatsächlich rund 200 Leute, eher noch ein paar weniger. Und es handelte sich um eine einfache Reihe. Und ja, es wurden einige Rechte dieser Personen verletzt. Aber warum versuchen Sie, die Verantwortung dafür mit aller Gewalt der Polizei in die Schuhe zu schieben? Wurde die nicht vielmehr von den Störern gesetzt? Und sind die „friedlichen Demonstranten“ nicht auch deshalb mit eingeschlossen worden, weil sie sich nicht zeitig von den Störern distanzierten?

Ich habe im Verlaufe der Einschließung mit einigen der Demonstranten gesprochen. Darunter gab es welche, die sich jeglichem Argument verschlossen und gar nicht zuhörten. Die disqualifizieren sich in meinen Augen von selbst, denn von Demokratie verstehen die so viel wie eine Kuh vom Schlittschuh laufen.
Andere dagegen zeigten sich aufgeschlossen. Natürlich waren auch sie skeptisch, einer zog die Parallele zu 1933, als die Polizei auch zunächst nur Gesetze verteidigte, nach dem Umbruch aber keine Konsequenzen zog, weil die Gesetze selbst verbrecherisch wurden. In meinen Augen hinkt der Vergleich an einer wesentlichen Stelle: damals war die Polizei, im Gegensatz zu heute, nicht fest in der Demokratie verwurzelt. Es handelte sich jedoch um ein wirklich fruchtbares Gespräch, weil ich ohne Gebrüll die Beweggründe der Polizei darlegen konnte. Und siehe da: man äußerte, trotz aller Skepsis, Verständnis für die Maßnahme.

Was Sie, Baba Yaga, bei mir an Einstellung gegenüber den Demonstranten entlarvt haben wollen, entbehrt wie immer jeglicher Grundlage. Halten Sie sich doch die Alternative vor Augen: Personalienfeststellung, Durchsuchung und gegebenenfalls erkennungsdienstliche Behandlung bei denen, die Steine dabei hatten. Diejenigen, die keine hatten, hätten unter diesen Umständen die Demonstration nicht mitmachen können. Wäre Ihnen das lieber gewesen?

Insgesamt kann ich wohl feststellen, daß es nicht mein Beitrag ist, der das von Ihnen gewünschte zeigt, sondern Ihre blühende Phantasie. Schließlich konnten gut 4000 Demonstranten ungestört ihren Unmut gegenüber den Rechten deutlich machen. Eine Sitzblockade auf dem Marschweg der Rechten wurde nicht aufgelöst, sondern umgangen, eine „Spontandemo“ (merkwürdigerweise mit Anlage und Lautsprechern) direkt gegenüber des Versammlungsortes der Rechten wurde kurzerhand genehmigt, obwohl sie offensichtlich vorbereitet war.

Auch die sonst eher polizeikritische bis –feindliche Dortmunder Presse äußerte sich zufrieden über den Ablauf der Veranstaltungen.

Re: Erfahrungsbericht

Danke.


Lensman

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