Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten - Innenpolitik

Moloch "Öffentlicher Sektor"

Re: Moloch "Öffentlicher Sektor"

Guten Abend Nörgler!

Zitat: Nörgler
Den Produktivitätszuwachs als Basis für die Lohnentwicklung zu nehmen halte ich für problematisch.

Abgesehen von dem Punkt der Arbeitslosen, den bjk schon angesprochen hat, sind es zwei weitere Punkte, die ich zur Diskussion stelle:

1. Der Produktivitätszuwachs kann auch ausgelöst werden durch Investitionen in moderne Anlagen und/oder Automatisierung beispielsweise mit Robotern. In diesen Fällen ist der Zuwachs also ausschließlich auf den Kapitaleinsatz des Unternehmens und nicht auf die Arbeitskraft zurückzuführen.Das habe ich in meinem vorhergehenden Beitrag schon behandelt.
Ich habe darauf hingewiesen, daß Mechanisierung, Automatisierung und die Informatisierung zum größten Teil bereits abgeschlossen sind. Diese Umstrukturierungen in der Industrie und auch bei mittleren, sogar kleineren Unternehmen hat nicht nur Arbeitplätze gekostet, sie hat darüber entschieden, welche Unternehmen noch am Markt teilnehmen.
Von dieser Seite ist also kein wesentlicher Produktivitätsschub in Konkurrenz zur menschlicher Leistung (dieser Begriff umfaßt mehr, als das, was herkömmlich unter Arbeit begriffen wurde) zu erwarten.

Zum Produktivitätsstand meinte Prof. Antonio Negri:
"Heute genügt es - um wiederaufzunehmen, was Gorz zum einen, Fitoussi, Caillé oder Rifkin zum anderen sagen - zwei Stunden am Tag zu arbeiten, um das Entwicklungsniveau und die Steigerungsraten der Automatisierungs- und Informatisierungsrhythmen zu garantieren, welche die Vollbeschäftigung ermöglicht haben.
Das bedeutet zwei Tage, im Höchstfall zweieinhalb Tage pro Woche.
Wenn die politische Linie einer gewissen Linken darauf abzielt, die Beschäftigung der garantierten Arbeitszeit beizubehalten, so handelt es sich schlicht und ergreifend um eine Mystifikation.



Zitat: Nörgler
2. Der Produktivitätszuwachs kann von Betrieb zu Betrieb sehr, sehr unterschiedlich sein. Sollte dann die Lohnentwicklung nur noch betriebs- und nicht mehr branchenbezogen erfolgen? Hier bestünde dann meiner Meinung nach die Gefahr, dass die Lohnentwicklung zu stark auseinander driftet. Dies könnte dann sogar innerhalb eines Konzerns der Fall sein. Wenn ich als Beispiel Siemens nehme als Hersteller von weißer Ware, Industrieprodukten wie Elektromotoren über Bahnausrüstungen bis hin zum Kernkraftwerk.Nein, keine betriebsbezogene Lohnentwicklung!
So wie das sogenannte Wirtschaftswachstum im Allgemeinen, oder Inflationsraten, oder Preissteigerungen ermittelt werden können, ist auch das Produktivitätswachstum ohne große Umstände zu ermitteln.

Diese Regelung ist aber, wie bereits in meinem vorherigen Beitrag angedeutet keine Patentlösung für alle Zeiten, sondern ein Weg zur Abfederung der notwendigen Umstrukturierung des gesamten Wirtschafts-und Sozialgefüges der Industriegesellschaften.

mfg
Baba Yaga

Re: Moloch "Öffentlicher Sektor"

Hallo Baba Yaga,

vielen Dank für die Antwort in der Sie folgendes schreiben:
"Ich habe darauf hingewiesen, daß Mechanisierung, Automatisierung und die Informatisierung zum größten Teil bereits abgeschlossen sind. Diese Umstrukturierungen in der Industrie und auch bei mittleren, sogar kleineren Unternehmen hat nicht nur Arbeitplätze gekostet, sie hat darüber entschieden, welche Unternehmen noch am Markt teilnehmen.
Von dieser Seite ist also kein wesentlicher Produktivitätsschub in Konkurrenz zur menschlicher Leistung (dieser Begriff umfaßt mehr, als das, was herkömmlich unter Arbeit begriffen wurde) zu erwarten.
"

Das klingt sicher gut und trifft auf Branchen wie die Automobilindustrie und deren Zulieferer mit absoluter Sicherheit zu. Ich wage aber sehr stark zu bezweifeln, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass gerade in der mittelständischen Industrie dies absolut nicht der Fall ist.

Gerade die Automatisierung stößt bei der Produktion von Gütern in kleinen und mittleren Serien doch noch an gewisse Grenzen. In Betrieben, die sich auf sogenannte Nischenprodukte spezialisieren ist der Einsatz von Robotern nicht möglich. Und wenn ich eine Eisengießerei als Beispiel herausgreife, dann kann in einem solchen Betrieb heute bereits das Gießen der Teile sehr stark automatisiert werden, aber dies trifft eben nicht zu für den Bau der erforderlichen Formen und vor allen Dingen auch nicht auf das Reinigen und Verputzen der Gussteile.

Wie gesagt, Ihre Theorien stimmen für die Fertigung von Großserien und für den gesamten Bereich der Automobilindustrie einschl. der Zulieferer. Dies ist aber nicht übertragbar auf einen großen Teil der mittelständischen Industrie mit lohnintensiven Produkten.

Nörgler

Re. Nörgler: Dann besteht weitgehend Konsens zwischen uns

Hallo, Nörgler!

Sie bestätigen mir genau das, was ich in meinen vorherigen Beiträgen bereits ausführte.
Produktivitätszugewinne über Automatisierung, Informatisierung und Mechanisierung sind nur noch im marginalen Umfang zu erwarten.
Die Betriebe, ob groß oder klein, haben weitgehend die neuen Techniken eingesetzt, was verbleibt ist jene Arbeit, die eben nicht roboterisiert werden können, das betrifft den handwerklichen Spezialbereich (wie z.B. eine Reparaturwerkstätte) und das betrifft den gesamten Bereich der organisatorischen, innovativen Arbeit.

Wenn es also auch weiterhin hohe Produktivitätssteigerungen gibt, sind diese auf die gesteigerte Intensität und qualitative Verbesserung der Arbeitsleistungen zurückzuführen!

Ich komme deshalb auf meine Aussage zurück, wobei ich meinte, daß es nie mehr zur sogenannten "Vollbeschäftigung" kommen werde (in den Industriestaaten), weil die steigende Produktivität der Arbeitnehmer die Arbeitsplätze vernichtet.
Das war meine Ausgangsüberlegung auf welcher sich dann meine Forderungen und Lösungsüberlegungen gründeten.

Grüße
Baba Yaga

Re: Moloch "Öffentlicher Sektor"

Ich habe darauf hingewiesen, daß Mechanisierung, Automatisierung und die Informatisierung zum größten Teil bereits abgeschlossen sind.

Mit Verlaub, das klingt wie der Haufen Professoren Ende des vorletzten Jahrhunderts, welche konstatierten, dass die Welt jetzt erklärt sei und es keine neuen, bahnbrechenden Erfindungen mehr geben wird.


Am Samstag habe ich den Future-Store in Rheinberg besucht und war begeistert. Ist die Zeit wirklich soooo fern, in der wir unseren Einkaufswagen nicht mehr an der Kasse ausleeren müssen, um ihn anschließend wieder einzupacken? Für Rentner könnte eine Parkbucht eingerichtet werden, wo diese schonmal vorab das passende Kleingeld heraussuchen können. Ich habe über die ganze Zeit des Einkaufs den kompletten Überblick über den Inhalt des Einkaufswagens und den zu bezahlenden Preis.

Dort kann man in absehbarer Zukunft seinen Einkaufszettel per mail abschicken und findet den dann auf seinem "Computer" am Einkaufswagen wieder. Wird in etwas fernerer Zukunft diese Mail vielleicht bald von meinem Kühlschrank abgeschickt? Erwartet mich dann zu Hause vielleicht eine e-mail mit Rezeptvorschlägen zur Zubereitung des soeben gekauften? Wird an der Fleischtheke vielleicht genau diese Portion abgepackt, welche ich für die geplante Mahlzeit für die angegebene Personenzahl benötige? Kann anhand des Bedarfs das Fleisch für den Supermarkt beim Schlachthof geordert werden?

Was wird aus dem Personal, welches dadurch eingespart werden kann? Na ja, soweit ist es noch nicht ganz, aber zwei hervorragende Dinge konnte man auch dort schon sehen: Die Gemüseabteilung wie auch die Fischtheke präsentierten sich in einer Qualität, wie man sie sonst nur aus dem Ka De We kennt. Und die Forelle wird zu einem verträglichen Preis frisch aus dem Aquarium gefischt und auf Wunsch ohne Aufpreis ausgenommen. Qualität ist Trumpf und sowohl für mich als Verbraucher ist es angenehmer, wenn sich das Personal um meine Bedürfnisse kümmern kann, anstatt stupide stundenlang Waren über den Scanner zu schubsen. Für das Personal sicher auch.

Was Du über Reparaturwerkstätten geschrieben hast, knüpfte nahtlos an meine Diskussion im DF mit Sascha an. Statt aufwendig defekte Teile zu reparieren, werden komplette Baugruppen gewechselt. Dies ist auch für das beschäftigte Personal angenehmer, als eine Kurbelwelle aus dem Stück zu feilen. Fehlerdiagnosen übernimmt auch heute schon größtenteils der Computer und der technische Fortschritt bleibt nicht stehen.

Anstatt zu schrauben in der Werkstatt programmiert heute einer die Computer für die Werkstatt.

Nein, der Fortschritt kann ebensowenig für beendet erklärt werden wie das Ende der Erfindungen festgestellt werden kann. Vor Jahren erlebten wir den Boom der Freizeitbranche, heute ist es die Wellnessindustrie, welche steigende Nachfrage zu verzeichnen hat. Was kommt morgen?

Irrtümer haben ihren Wert, jedoch nur hier und da,
Nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika.
(E.K.)