Offener Brief an (linke) Männer
In Folge einiger unschöner Begebenheiten im Internet (sonst kann ich sowas vermeiden) ist folgender Aufruf entstanden. Mir geht es darum, zu sensibilieren, dass Feminismus emanzipatorische Politik für alle ist, aber aus Sicht der Frauen, und eben durchaus mit im weitesten Sinne linker Politik kompatibel ist. Leider sehen das selbst linke Männer oft anders und grenzen Linke aus, weil die eben Frauen sind und auch in der linken Politik die Frauen nicht vergessen wollen. Feminismus als Widerspruch zu linker Politik zu denken, schwächt die Bewegung um ein weiteres mal und führt sie ad absurdum. Emanzipatorische Politik, die eine Emanzipation der Frauen nicht gutheißt, sogar ausgrenzt, stellt sich selbst ins Abseits.
Lieber Anarchist, lieber Linker, lieber Mann,
wir gehen auf die gleichen Demos, lesen die gleichen Bücher, wir mögen die gleiche Musik, wir tragen beide gern schwarz. Wir investieren Zeit und Geld, leisten viel und erreichen einiges. Gemeinsam. Wir kämpfen zur selben Zeit am selben Ort gegen Kapital und Staat. Wir sind Linke.
Mit einem Unterschied, wenn wir miteinander schlafen, nimmst du ein Kondom und wenn nicht, bekomme ich ein Kind. Du bist ein Mann, ich bin eine Frau. Solange wir einer Meinung sind, ist das egal: Repression und Ausbeutung sind unser aller Problem. Nur wenn ich dich kritisiere oder die Asymetrie der Geschlechter, dann nennst du mich Feministin, drehst dich um und lässt mich im Regen stehen. Solidarität wird hier zur Einbahnstraße. Die Welt ist so wie du sie wahrnimmst und das schlimmste, was einem Mann darin passieren kann, ist: Im Sitzen zu pinkeln und zu wenig Geld für zuviel Arbeit zu bekommen. Dass du als Frau überhaupt kein Geld für noch mehr Arbeit bekommst, ist für dich sicher schlimm, aber doch ein Frauenproblem. Und ich glaube, in Russland kacken alle im Stehen. Darauf könnten wir uns doch einigen.
Ich erwarte nicht, dass du dich um meine Kinder kümmerst, weil mir was unter den Nägeln brennt. Nett ist, wenn wir uns dann so und dort treffen, dass ich trotzdem dabei sein kann. Vielleicht bringst du deine Kinder ja mit, dann hat auch deine Frau mal frei. Wir müssen auch nicht einer Meinung sein, aber fair miteinander umgehen. Dazu gehört, dass du mich respektierst und solidarisch bist, wenn ich dich darum bitte. Selbst wenn du nicht verstehst, was mich bewegt. Dafür verspreche ich, keinen Blödsinn zu wollen.
Versteh mich bitte nicht falsch, es ist nicht schlimm, dass du ein Püppchen heiratest und sie dann Hausfrau wird und sich um die Kinder kümmert, während wir die Plenas rocken und Konzerte schmeißen. Es ist auch nicht schlimm, wenn du Emma Goldman nicht kennst und Simone de Beauvoir. Ich kann auch verzeihen, dass du mich Alice Schwarzer nennst, weil dir zuviel Feminismus auf die Nerven geht. Und ich verzeih dir Proudhon, als noch ein Kind seiner Zeit, und dir verzeihe ich sogar ein bisschen Sexismus. Dafür nenne ich dich dogmatisch und gehe rechtzeitig in Deckung. Es ist auch nicht schlimm, dass du selbst kein Feminist bist. Aber es ist schlimm, wenn du dich grinsend umdrehst, wenn mich jemand Fotze nennt. Und es ist auch schlimm, wenn Feminismus für dich kein Thema ist.
Ich verlange nicht, dass du verstehst, wie es ist, heute eine Frau zu sein, aber ich wünsche mir, dass du mich verteidigst, wenn mir jemand zu nahe tritt. Ich werde das Gleiche für dich tun. Ich bin eine Freundin, Genossin und Linke. Steh bitte zu mir, wie ich zu dir.
Liebe Grüße
Eine linke Freundin