Zirkusnummer Bundespräsident
kopiert aus: http://www.jungewelt.de/2004/03-05/002.php
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05.03.2004
Kommentar
Ulrich Schwemin
Durchgeknallt
Deutschland sucht den Bundespräsidenten
Die bundesdeutsche Journaille ist völlig durchgeknallt. Wolfgang Schäuble oder Annette Schavan, Siemens-Chef Heinrich von Pierer, Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof oder doch lieber der FDP-Langweiler Wolfgang Gerhardt? Seit Tagen werden diese Namen auf den Titelseiten gehandelt, garniert mit Geschichten von nächtlichen Autoverfolgungsjagden zwischen Politikern und Kameraleuten und aufgeregten Verhandlungen. Auch ARD und ZDF hatten den Ernst der Stunde erkannt und präsentierten das drehende Personenkarussell als Spitzenmeldung der Hauptnachrichtensendungen. Die Nichtinformation als Hauptinformation. Und das an einem Tag, an dem das Bundesverfassungsgericht eines der wichtigsten Gesetze der letzten Jahre zum Abbau der bürgerlichen Demokratie, den großen Lauschangriff, für weitgehend verfassungswidrig erklärt hatte. Nicht so wichtig. Hat man schließlich schon vorher gewußt. Ein Teil der Kandidaten und ein Teil derer, die über die Aufstellung der Kandidaten zu entscheiden hatten, war am Zustandekommen dieses Gesetzes übrigens führend beteiligt. Kein Grund zur Aufregung. Damit haben sie sich schließlich für höchste politische Ämter empfohlen.
Natürlich geht es bei dem ganzen Gerangel nur am Rande um den kommenden Bundespräsidenten. Wer wird oder bleibt CDU-Chef, wer darf den Bundeskanzler beerben, welchen Stellenwert hat in einer künftigen schwarzgelben Koalition die FDP, wer sichert sich wie die größten Pfründe? Das sind die Beträge, um die es den Beteiligten im Hintergrund geht. Eine größere Bedeutung für Zeitungsleser und Fernsehzuschauer erhält die Sache aber dadurch auch nicht.
Deutschland sucht den Superstar, hieß es vor einem Jahr, und ein Millionenpublikum beteiligte sich an diesem Wettlauf der Dilettanten. Deutschland sucht den Bundespräsidenten ist die würdige Fortsetzung dieser Soap. Das Niveau ist ähnlich, die Absicht gleich: allgemeine Volksverblödung. Brot und Spiele das hat auch im alten Rom zeitweilig funktioniert, als das Reich abstieg. Wer glaubt, daß Daniel Küblböck zur Unterhaltung taugt oder Heinrich von Pierer zum Bundespräsidenten, dem kann man straflos auch die Rente wegnehmen, die Kosten für die medizinische Versorgung überhelfen, zu Arbeiten unterhalb der eigenen Qualifikation zwingen. Das ist die Kalkulation. Bis jetzt geht sie auf.
Heute werden die Zeitungen voll sein mit Gründen, warum Horst Köhler als Kandidat eine gute oder schlechte Wahl ist. Seine wichtigste Empfehlung wird fehlen: Daß er erfolgreich seinen Job gemacht hat, zwei Drittel der Welt in tiefster Armut zu halten.
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Bislang habe ich bewußt dieses erbärmliche Theater von Politikern und Journaille nicht beachtet - - - bis ich diesen bissig-hervorragenden Kommentar von Ulrich Schwemin aus der "junge Welt" gelesen habe. Ich mußte ihn einfach hier einstellen!
Und wieder sehe ich mich bestätigt, daß Politik und Journaille jedesmal mediale Ablenkungsmanöver starten, wenn Gefahr droht, Volkes Stimmung gegen die Politik der Sozialverbrecher und Grundrechtsbrecher ist am Eskalieren!
bjk
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Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!