Um die Ursache von Ebbe und Flut rankten sich viele mythologische Erklärungen. Der griechische Philosoph Platon nahm an, das Innere der Erde bestehe aus einem Höhlensystem, das von Wasser und Feuer durchflutet sei und so die Gezeiten auslöse. Die nordische Sagenwelt erzählt indes, der Gott Thor habe bei einem Wett-Trinken drei gewaltige Züge aus einem Horn genommen - und dabei nicht gemerkt, daß dessen Ende im Meer lag. Andere Sagen erklären die Ebbe mit einem Ungeheuer, das im Ozean lebt und ab und an das Wasser einsaugt, der Windgott zwinge das Untier dann immer wieder, die Wogen auszuspucken. In christlichen Zeiten kam der Glaube auf, das Meer mache Platz für Wallfahrten und weiche freiwllig vor Personen zurück, denen Gott gewogen sei.
So vielfältig wie dererlei Deutungen waren auch die Wirkungen, die Ebbe und Flut in Beug auf den Menschen nachgesagt wurden. So hieß es, bei Flut empfingen Frauen männliche, bei Ebbe weibliche Kinder. Bei Flut geborene Menschen sollen prädestiniert dazu sein, tüchtige Seeleute zu werden. Wer an Weihnachten bei Flut geboren worden ist, taugt angeblich sogar zum Kapitän, wer am Christfest bei Ebbe auf die Welt kommt, neigt dagegen eher zu Schiffbruch. Der Gesundheit zuliebe ist es wichtig, sich bei Flut niemals die Haare schneiden zu lassen - sonst erkältet man sich, warnt der Aberglaube. Bei Ebbe ist es indes ratsam, Bäder zu nehmen und Wunden zu reinigen. Auch auf Tiere sollen die Gezeiten Einfluss haben. Angeblich wechseln Katzenaugen mit Ebbe und Flut die Farbe, und Hennen sollen bei Ebbe besser brüten.