WIEN,ÖSTERREICH,FREMDE LÄNDER,WELTALL,DIE NATUR - Inseln

Die auch stille Insel Mallorca

Die auch stille Insel Mallorca

Bei keiner Ferieninsel sind die Meinungen so geteilt wie bei Mallorca. Unter anspruchsvollen Urlaubern traut man sich fast nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen, dass die Insel schön ist - einfach schön. Das Image der "Putzfraueninsel" hat sie glücklicherweise längst verloren. Und der schlechte Ruf der Trinkerecke "Ballermann 6" bessert sich auch, nachdem die Behörden dort eine Sperrstunde eingeführt haben.

Schicki-Micki wie an der Cote d'Azur findet man hier nicht, auch nicht den falschen Disko-Glitz von Ibiza. Der Hochadel ist selten anwesend und wenn, sieht man ihn nicht. Also gibt es auch nirgendwo Schwellenangst, nicht einmal am Jachthafen der Hauptstadt Palma, wo erstaunlich viele teure Schiffe vor sich hindümpeln. Die Jacht von Spaniens König Juan Carlos fällt kaum auf, wenn sie dazwischenliegt.

Von allen Baleareninseln ist Mallorca die grösste - 100 Kilometer lang und 75 Kilometer breit. Wie bei den meisten Inseln reicht auch ihre Geschichte bis weit ins vorchristliche Zeitalter zurück. Schon 3000 Jahre v. Chr. lebten hier Menschen und schufen Bauwerke, die man Taulas, Navetas und Talayots nennt - Gewaltiges aus Stein und Holz, das noch heute manches Rätsel aufgibt.

In späteren Zeiten erlebte die Insel Vandalen, Spanier, Römer, Araber, sie gehörte zu Sizilien und zum Oströmischen Reich. Und immer wieder zu Spanien. Dazwischen lagen kurze Abschnitte mallorquinischer Selbständigkeit. Übrig blieb bis heute der Stolz der durcheinandergeschüttelten Einheimischen und ihre eigene Sprache. Regiert wird Mallorca freilich vom spanischen Festland aus, aber man hat sich viel Eigenständigkeit bewahrt.

Obwohl Mallorca mit seinen 3684 Quadratkilometern nicht gerade riesengross ist, weist es doch die verschiedensten Landschaftsformen auf. Der höchste Berg im Gebirgszug Sierra Tramuntana, der Puig Mayor im Nordwesten, ist fast 1500 Meter hoch. Es gibt Schluchten und Höhlen - die beiden bekanntesten liegen bei Porto Christo an der Ostküste: Cuevas del Drach und Cuevas dels Hams. In der findet man den möglicherweise grössten unterirdischen See der Welt, wo zuweilen sogar Konzerte stattfinden. Die Musiker mit ihren Instrumenten sitzen dabei in farbig angestrahlten Booten - der Kunstgenuss zwischen Tropfsteinen und Modergeruch ist für manche eher beklemmend, für andere ein attraktives Spektakel.

Es liegt auf der Hand, dass die Balearen heute vor allem deswegen so beliebt sind, weil man das ganze Jahr über dorthinfliegen und Traumferien mit Sonnengarantie erleben kann. Mallorca hat über fünf Millionen Touristen im Jahr, allein aus Deutschland kommen fast zweieinhalb Millionen. Einige tausend besitzen Häuser, leben und arbeiten hier - nicht immer zur Freude der Einheimischen, aber man hat sich arrangiert.

Man muss viel Geld mitbringen, um sich hier niederzulassen - das alltägliche Leben aber ist noch preiswert. Der neue Marmorflughafen ganz nahe bei Palma ist riesig, aber so perfekt durchorganisiert wie ein Bienenstock. Die Abfertigung funktioniert reibungslos. Pass oder Ausweis muss man weder beim Abflug noch bei der Ankunft vorweisen - Mallorca ist in der Tat fast das 17. deutsche Bundesland. Auch die allgegenwärtigen Baustellen und Kräne in den Aussenbezirken der Hauptstadt Palma erinnern an unsere Städte.

Aber sobald man sein in aller Regel äusserst komfortables Hotelzimmer bezogen hat, können unbeschwerte Ferien beginnen.

Wenn auch das Netz der Linienbusse gut ist und die Taxis wenig kosten, sollte man sich - zumindest für ein paar Tage - ein Auto mieten. Auch das ist preiswert. Eine Landkarte liegt im Wagen; auf diese Weise kann man darangehen, die lebhafte Küste und das oft ganz stille Hinterland zu erforschen. Das Strassennetz ist ausgezeichnet. Wie auch immer man unterwegs ist: Es gibt eine Menge zu entdecken.

Zunächst fällt die grosse Fruchtbarkeit der Insel auf. Da ist die bunte Blütenpracht der Mandelbäume im Februar; in den prallen Orangen- und Zitronenplantagen (die guten Navel-Orangen kommen von hier) wird im Mai oder Juni geerntet. Da sind die Olivenhaine mit ihren uralten riesigen Bäumen, die schon die Römer auf die Insel gebracht haben. Und überall dazwischen drehen sich die mallorquinischen "Norias". Das sind Wasserschöpfräder mit gewaltigen, oft segeltuchbespannten Flügeln, die einst die Insel - strategisch fein durchdacht - mit Wasser versorgten und fruchtbar hielten. Etliche funktionieren noch heute. Es gibt aber auch Getreide- und Ölmühlen; manche kann man besichtigen.

Jeden, der hier ist, zieht es einmal in das kleine Bergnest Valldemosa, wo der Musiker Frédéric Chopin 1863 seine Schwindsucht auskurieren wollte - in einem wunderschön gelegenen grossen Kloster, das aber längst von den Mönchen verlassen war. Chopin komponierte hier viele seiner elegischen Klavierstücke, war aber ansonsten kein sehr beliebter Gast, denn er lebte "in Sünde" mit George Sand, der nicht weniger bekannten Schriftstellerin aus Frankreich.

Obwohl sie in zwei nebeneinanderliegenden ehemaligen Mönchszellen wohnten, war dies einfach nicht schicklich - auch nicht, dass die weit ältere Geliebte von Chopin Zigarren rauchte. Die feine Gesellschaft der Insel akzeptierte das Paar nicht. Und nachdem George Sand ihr Buch "Winter auf Mallorca" beendet hatte, reisten beide wieder ab.

Heute sind die Zellen des Liebespaares eine der Touristenattraktionen, obwohl man nur zwei Klaviere und ein paar handgeschriebene Briefe nebst einigen Notenbögen sehen kann. Weit interessanter sind die original erhaltene Klosterapotheke aus dem 17. Jahrhundert und die Räume des ehemaligen Priors.

Einen Tag sollte man sich Zeit nehmen für eine kleine Reise mit der Eisenbahn. Mehrmals täglich fährt der uralte "Rote Blitz" am Bahnhof der Hauptstadt Palma ab und befördert seine Gäste quer über die Insel nach Soller. Unterwegs gibt es immer wieder traumhafte Ausblicke, nebst einem Fotostop auf halber Fahrt.

Nach einem knappen Stündchen ist man in der hübschen Altstadt von Soller mit ihren vornehmen Bürgerhäusern in den vielen schmalen Gassen, wo sich Einheimische und Touristen zum Einkaufen treffen. Vor der Pfarrkirche St. Bartolomé gibt es zahlreiche Cafés und Bistros. Wenn man davor sitzt, muss man die Zehen einziehen, so nahe fährt die alte Trambahn daran vorbei, die einen zum Hafen bringt. Der ist vier Kilometer von der Stadt entfernt und liegt hufeisenförmig, von Leuchttürmen und Kanonen flankiert, in einer kleinen Bucht.

Soller dient vielen Wanderern auf der Insel als Ausgangspunkt sowohl in den Norden als auch ins Landesinnere. Es gibt in jeder guten Buchhandlung ausgezeichnete Landkarten mit Routenbeschreibungen. Immer mehr Touristen entdecken auf diesen Wanderwegen die stillen Winkel der Insel, wo die wirklichen Schönheiten liegen, und bedauern diejenigen, die sich ausschliesslich am Meer zwischen tausenden sonnenölglänzenden lauten Menschen grillen lassen.

Neben Baden, Tauchen, Surfen und Wandern wird auf Mallorca eine Sportart gepflegt, die dort gar nicht so exclusiv ist, wie manche meinen: das Golfen. Über zwei Dutzend Golfplätze gibt es, und es ist schwer zu sagen, welcher der attraktivste ist. Alle liegen wunderschön und fügen sich harmonisch in die Natur ein, alle sind das ganze Jahr hindurch bespielbar. Und auf manchen (nicht auf allen) kann man Golf-Grundkurse buchen Informationen darüber gibt es in jedem Hotel und in den Tourismusbüros.

Wer einen Urlaub der besonderen Art machen möchte, kann das auf einer Finca tun. Fincas sind Landgüter, die oft noch bewirtschaftet werden und wo man, wenn man möchte, an der aussergewöhnlichen mallorquinischen Familienatmosphäre teilnehmen kann. Das ist "Urlaub auf dem Bauernhof" in hoher Qualität. Rund 50 solcher Agroturismo-Fincas sind über Mallorca verteilt. Sie sind sehr unterschiedlich ausgestattet - es gibt Häuser mit wertvollen Antiquitäten und riesigen hochherrschaftlichen Räumlichkeiten, die aber nur eine kleine Zahl von Gästen aufnehmen.

Andere Fincas sind einfacher, immer aber gemütlich und originell. Dort kann man auch mit Kindern unterkommen. Die Fincas liegen meist an besonders schönen, aber abgelegenen Plätzen. Die Preise sind unterschiedlich. Zu gewissen Zeiten gibt es Sondertarife, vor allem ausserhalb der Hauptferienzeit.

Die echte mallorquinische Küche unterscheidet sich von der spanischen genauso wie die Sprache. Leider werden die Restaurants, in denen typisch mallorquin gekocht wird, immer weniger. Aber mit ein bichen Geduld kann man sie noch finden, die kleinen urigen Landgaststätten, wo die Würste von der Decke hängen, die Köchin persönlich die dampfende Suppenschüssel aus Ton auf den Tisch stellt und wo man mit Holzlöffeln isst.

Im Landesinneren bestehen die dicken Suppen aus Brot und Gemüse, Kohl und Hülsenfrüchten; an der Küste kommt der Fisch dazu. Dann heissen sie "Zarzuela" oder "Caldera de Pescado". Andere typische Gerichte sind Spanferkel, die hier im Ofen gebacken werden und deren krosse Haut am Ende eines festlichen Mahles vom Chef persönlich auf einem Teller zerteilt und dem Gast stückchenweise überreicht wird. Huhn mit Backpflaumen und Pinienkernen ist eine Köstlichkeit, die auf der Zunge zergeht.

Und das typische "Frito Mallorquin" besteht aus Leber, Nieren und anderen Innereien, die mit Zwiebeln und Kartoffeln in Öl in einer riesigen Pfanne gebraten werden. Das Frito ist ein Verwandter der schwäbischen Schlachtschüssel: Bei Hausschlachtungen lud man auf den Fincas Freunde zu diesem Essen ein, damit die Innereieddn noch am gleichen Tag verspeist werden konnten. Heute, im Zeitalter der Kühlschränke, ist das nicht mehr ganz so eilig.

Geblieben aber ist, dass man meist im Freien unter Olivenbäumen isst, wo man mit den Einheimischen auf Holzbänken an langen Tischen sitzt und deren schlichten, aber bekömmlichen Landwein aus Binissalem oder Felanitx trinkt. Oder aber feinen Muskateller aus der Gegend um Banyalbufar.

Essen und Trinken ist sehr preiswert auf der Insel, man muss sich nur die Mühe machen, sein Hotel mit dem überall gleich schmeckenden pauschal gebuchten Menu zu verlassen und nach den verschwiegenen Kneipen in den kleinen engen Gassen oder draussen auf dem Land zu suchen.