Miro (Nov. 2005)
MAX (November 2005):
Die meisten Tore schieße ich nachts
Miroslav Klose ist neben Michael Ballack Deutschlands größte Hoffnung für die Fußballweltmeisterschaft. Für MAX betrat der Stürmer eine surreale Welt und spricht erstmals über seine nächtlichen CL- Spiele
MAX: Sie wollten in dieser Saison ein Stückchen mehr Drecksau sein, um noch erfolgreicher zu werden. Haben Sie sich gut entwickelt?
MIRO: Ich bin ja eher ein ruhiger Typ. Das ist mein Charakter. Aber man muss heute auch kaltschnäuzig sein. Ohne ein bisschen Drecksau zu sein geht es nicht.
MAX: Haben Sie nur Ihren Körper trainiert oder auch Mentaltraining gemacht?
MIRO: Fußball wird jedes Jahr schneller. Stillstand ist heute tödlich. Vor allem der Körper muss durchtrainiert sein. Der Rest kommt danach. Das Selbstvertrauen, das man braucht, um Tore zu schießen, kommt mit der Kraft.
MAX: Es sind doch alle auf einem athletisch hohen Niveau. Ist es nicht der Spielwitz und die Eleganz, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen?
MIRO: Wenn man auf so einem Level ist, stimmt das. Das Mental, der Witz, die Raffinesse machen den Unterschied zwischen Topmannschaft und Mittelmaß aus. Doch um dahin zu kommen, muss man bereit sein, sich zu schinden. Das ist eben die deutsche Mentalität. Über den Kampf findet man ins Spiel. Das war schon immer so, und das ändert sich auch nicht bis zur Fußballweltmeisterschaft 2006. Die Brasilianer sind eben anders. Und die können wir auch nicht kopieren. Das wäre doch nun wirklich albern.
MAX: Und wo bleibt bei Ihnen der Spaß?
MIRO: Ich komme immer glücklich zum Training. Fußball ist mein Ein und Alles. Das findet in meinem Kopf 24 Stunden statt.
MAX: Auch nachts?
MIRO: Ja, auch nachts. Ich träume von Fußball. Wenn ich ein Spiel gemacht habe, dann gehe ich im Kopf nachts noch mal die Situationen durch. Da erscheint dann der Gegner wieder vor mir, und ich umdribbel ihn. Nachts gewinnt man natürlich die Spiele alle.
MAX: Schießen Sie im Traum noch mehr Tore?
MIRO: Klar viel mehr. Wenn man ein CL-Spiel hatte, was immer sehr spät endet, dann ist man im Bett noch so aufgepumpt, so voller Adrenalin, da geht im Traum die Post ab.
MAX: Wann schlafen Sie tief ein?
MIRO: Nicht vor vier, fünf Uhr. Der Kopf rast, man geht das ganze Spiel noch mal durch. So ein CL-Spiel ist doppelte Anstrengung. Erst auf dem Platz, dann noch mal 90 Minuten im Zimmer. Man versucht, sich mit Büchern und Filmen abzulenken, aber meine Gedanken kommen immer wieder zurück. Das ist bei fast allen Spielern so.
MAX: Sportler durchleben Gefühlswelten in kürzester Zeit, für die andere Menschen ein ganzes Leben brauchen. Karriere, Sieg, Niederlage. Ups and Downs folgen in kurzer Taktung aufeinander. Wie geht man damit um?
MIRO: Ich unterhalte mich genauso mit meiner Frau, wenn ich von der Arbeit komme, wie andere Menschen auch. Ich erzähle ihr, was los war und wie es mir dabei gegangen ist. Nur, dass am nächsten Tag alles auch in der Zeitung steht.
MAX: Haben Sie mal nach einem Spiel geweint?
MIRO: Ja, sehr oft. Fußball ist meine Leidenschaft. Da gehört das Leiden dazu.
Ich kann mich noch an meine erste rote Karte in Cottbus erinnern. Da hat mich einer provoziert und ich habe ihn umgeschubst und bin für drei Spiele gesperrt worden. Das ist richtig in mich reingegangen. Ich war erst 20 und konnte damit noch nicht so gut umgehen. Ich war völlig fertig. Das war das Bitterste. Aber auch der Abschied von Kaiserslautern war enorm emotional. Da flossen bei mir die Tränen in Strömen.
MAX: Seit 8 Monate haben Sie Zwillinge. Hat Sie diese Erfahrung stärker gemacht?
MIRO: Ganz bestimmt. Das ist eine tolle Erfahrung für mich, aber es ist natürlich auch anstrengend mit Zwillingen. Aber das meiste macht natürlich meine Frau. Und vor den Spielen brauche ich meinen Schlaf. Ich übernehme aber meist die Schicht, wenn ich von einem Spiel nach Hause komme. Ich bin doch eh wach. Da kann ich auch mit den Kindern auf dem Arm noch um den Esstisch ein bisschen auslaufen.
MAX: Der moderne Vater kann aber auch Windeln wechseln, Milch warm achen, Lieder singen. Kann das auch ein Fußballprofi?
MIRO: Was denken Sie denn? Kein Problem. Mir macht das Spaß. Der einzige Nachteil von Zwillingen ist, wenn man den einen auf dem Arm hat, guckt der andere dich mit großen Augen an. Dann legt man den einen weg und nimmt den anderen. Da fühlt man sich ganz komisch und ungerecht.
MAX: Fußballer gelten ja nicht als Stil-Ikonen. Ist Ihnen Ihre Kleidung wichtig?
MIRO: Allein habe ich ja kaum Zeit für Modefragen. Meist fahre ich in ein Werk, zu Boss oder jetzt zu Strenesse, dem neuen Ausrüster der Nationalmannschaft und suche mir da Sachen aus.
MAX: Wer berät Sie?
MIRO: Meine Frau. Die hat ein gutes Auge. Mein Gott, wie bin ich früher rumgelaufen. Mir war es egal, ob ich einen schwarzen Gürtel zu weißen Schuhen anhatte oder Adiletten dazu. Heut achte ich darauf, was zusammenpasst. Mein Stil hat sich total gedreht. Wenn beispielsweise zwei Brauntöne nicht exakt zueinander passen, ziehe ich das nicht mehr an. Ich bin da sehr penibel geworden.
MAX: Früher stiegen die Spieler mit Plastiktüten ins Flugzeug.
MIRO: Ich gehe bestimmt nicht mehr mit Adiletten zum Flughafen. Die Zeiten sind vorbei. Übrigens für fast alle Spieler. Wir sind modebewusster geworden. Wir stehen fast permanent in der Öffentlichkeit. Da will man auch nicht aussehen wie ein Schlumpf.
MAX: Der unglücklichste Spieler der Welt ist sicher der Kameruner Pierre Wome, der in der WM- Qualifikation den entscheidenden Elfmeter verschossen hat. Dem armen Mann haben sie hinterher das Haus angezündet und er muss um sein Leben fürchten. Hätten Sie den Mumm bei der WM in so einer Situation den Elfer zu schießen?
MIRO: Ja. Davon bin ich überzeugt.
MAX: Keine Selbstzweifel?
MIRO: Nein. Im Spiel entwickelt man das Selbstbewusstsein für solche Situationen. Wenn man gut gespielt hat bis dahin und Selbstvertrauen hat, geht man auf den Punkt, legt sich den Ball hin und haut ihn rein. Da ist man sich vorher ganz sicher. Da kann nichts schief gehen.
MAX: Wenn Sie einen Spieler auf der Welt eindeutschen könnten, wen würden Sie in die Nationalelf nehmen?
MIRO: Da muss ich nicht lange überlegen: Zinedine Zidane. Das ist der beste Spieler der Welt. Mit Ronaldinho zusammen. Wenn ich zwei nehmen darf, nehme ich die beiden.
Christian Krug
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Gruß Moemi