Hat sich der politblog zu einem rechtslibertären Blog entwickelt?
Da Sie ein ehemaliger Insider sind, würde mich die Antwort auf diese Frage sehr interessieren.
mfg
coriolis
Da Sie ein ehemaliger Insider sind, würde mich die Antwort auf diese Frage sehr interessieren.
mfg
coriolis
Nun, zunächst einmal ist "Insider" übertrieben, denn tatsächlich habe ich die anderen Autoren des politblog nie von Angesicht zu Angesicht kennengelernt. War ja auch nicht unbedingt nötig, es genügte ja durchaus die Verständigung über Mail.
In dem Sinne halte ich den politblog auch nach wie vor für ein durchaus interessantes und beispielgebendes Projekt.
Was aber Ihre Frage angeht, so müssen Sie natürlich berücksichtigen, daß die "Personaldecke" des politblog überhaupt sehr dünn war. Als ich - aufgrund einer Einladung von DaRockWilda - dazu stieß, war DaRockWilda selbst der wichtigste Artikelschreiber. Und er schrieb auch gute, teilweise sehr provokative Artikel, die den Nerv vieler Leser trafen, die allmählich die Schnauze voll hatten von dem gleichgeschalteten Einheitsbrei aus SPIEGELSTERNWELT.
Ich denke, daß DaRockWilda schon lange ein "Libertärer" ist, darauf deutete aus meiner Sicht etwa seine Position zu den Waffengesetzen in den USA, z.B. http://politblog.net/nachrichten/2007/04/17/795-wir-fordern-waffen-fuer-alle-amerikaner-jetzt-sofort/.
Tatsächlich ist es ja auch so, daß sich in Fragen der Internationalen Politik zahlreiche Übereinstimmungen zwischen klassisch linken Positionen einerseits, und plaläolibertären / paläokonservativen Positionen andererseits ergeben.
Schauen Sie sich mal eine Webseite wie antiwar.com an (http://en.wikipedia.org/wiki/Antiwar.com bzw http://www.antiwar.com/). Es handelt sich um ein libertär bis paläokonservatives Medium, das sehr exzellente Artikel mit gründlicher Hintergrundrecherche bringt. Die Geister scheiden sich erst bei Fragen wie der Abschaffung des Sozialstaates und der "Wohlfahrt".
Nachdem ich Autor des politblog geworden war, wurde ich mir durchaus bewußt, daß es sich um eine etwas heikle Zusammenarbeit handeln könnte, war aber guter Hoffnung, daß auch bei bestehenden politischen Differenzen eine publizistische Kooperation möglich sein könnte.
In jener Zeit (März bis Juni 2007) kam der politblog wohl in den Ruf, ein "linker Blog" zu sein, möglicherweise hauptsächlich wegen meiner Artikel.
Die Dinge änderten sich, als pony_huetchen dazu kam (was ich ausdrücklich gefördert hatte). Man muss wissen, daß pony zu ihren "Jugendsünden" die zeitweilige Mitgliedschaft zu einer sehr rigiden Variante einer mao-stalinistischen Organisation der 70er Jahre zählt. Das prägt sie natürlich bis heute, und zwar negativ. Den Marxismus hat sie nach meiner Einschätzung niemals wirklich verstanden, sondern nur in einer extrem stalinistischen "ML"-Brachialvariante kennengelernt, weswegen sie heute auch glaubt, daß alles, was "links" ist, auch "ewiggestrig" ist. Markanterweise bemühte sich sich aber gleichzeitig auch um "linke Leser" des politblog. Ob sie eine überzeugte "Paläokonservative" ist, vermag ich nicht zu sagen, ich glaube eher, daß sie sich der Konsequenzen und Implikationen so mancher libertär-paläokonservativer Konzeptionen schlichtweg nicht im Klaren ist. Sie kokettiert auch bisweilen mit einem anarchistischen Selbstverständnis, ist sich aber offensichtlich ganz und gar nicht darüber im Klaren, daß echte Anarchisten mit dem "Anarchokapitalismus" nicht das geringste zu tun haben wollen (zu Recht).
Um die gestellte Frage zu beantworten: Wahrscheinlich war der politblog schon immer ein rechtslibertärer Blog gewesen, und nur in der Zeit, als ich für ihn schrieb (über 100 Artikel) erschien er als "linker Blog".