Die Phileasson Saga - Spielberichte

029 - Auf den Spuren der Götter - unter Travias behütenden Händen

029 - Auf den Spuren der Götter - unter Travias behütenden Händen

Eintrag ins Reisetagebuch durch Shaya, Geweihte der Travia
Ort: Khunchom
Titel: Auf den Spuren der Götter – unter Travias behütenden Händen
Zeit:

Lange liegt die Zeit unseres Aufbruches zurück und ich versuche vergeblich die vergangenen Tage aufzuzählen, aber es gelingt mir nicht mehr. Wie lange bin ich schon auf dieser Fahrt? Wie fern scheint mir mein früheres Leben, wie eintönig und farblos verglichen mit den seltsamen Dingen, die wir täglich entdecken. Wahrlich, diese Fahrt ist mehr, als ein jeder Diener der Zwölfe jemals erhoffen könnte!

Meine Mentorin sagte mir einst folgende weise Worte:

Kind, Travias Hände sind rau, grau und von harter Arbeit geschunden. Doch es sind warme Hände, voller Glück und Zuversicht, Glauben und Hoffnung. Wenn du siehst, was alleine du in den wenigen Augenblicken deines Lebens verrichtest, was wir verrichten, was jemals verrichtet wird... kannst du dir dann die ungeheure Bürde der Göttin vorstellen? Siehst du dann die Herrscher Alverans, wie sie schützend ihre Hände über uns legen?

Wenn ich mir heute meine Hände anschaue, wo ich seit Wochen fern der Zivilisation bin, sehe ich Dinge viel klarer, die früher meinem Herzen verschlossen waren. Wie lange ist es her, dass wir an ein wärmendes Lagerfeuer kamen? Warum nur erkennt der Mensch das Schöne am Leben erst, wenn er es verliert? Travias Gebote sind das höchste Gut jener Menschen, die fern der Städte, jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. Nah am Untergang, dennoch bleibt der Glaube an die Zwölfe und ihre Gebote bestehen, wie wir in Frigorn sehen konnten. Denn was wäre der Mensch ohne Gastfreundschaft, Vertrauen und Freundschaft?

Unbändiger Stolz erfüllt mich, die ich dazu ausersehen wurde an dieser Fahrt teilzunehmen, an der Seite von Asleif Foggwulf Phileasson und seinen Gefährten: Travias Worte sollen durch meinen Mund in die entlegensten Ecken Aventuriens „und darüber hinaus“ dringen! Welche Ehre für mich unerfahrene Dienerin der Göttin!
Wenn ich mir die Mannschaft anschaue, sehe ich ebenso das Wirken der Göttin, wie es uns leitet und zusammenhält. Wohl aus den unterschiedlichsten Gebieten Aventuriens kommen wir alle, unterscheiden uns durch Stand und Verhalten stark und dennoch bilden wir eine Gesellschaft. Natürlich kam es zu kleineren Streitigkeiten, aber im Vordergrund steht immer das Ziel unserer Reise. Mag es für den Einen das Abenteuer, für viele die Ehre oder Ruhm sein, sie halten zusammen.

Letztlich will ich diesen Abschnitt unserem Kapitän Foggwulf widmen, der schon bei den letzten beiden Etappen seinen Siegeswillen und die dafür benötigte Kraft mehr als genug unter Beweis gestellt hat. Leider wissen wir nicht, wo Beorn ist und sind deshalb im Unklaren über unsere jetzige Position, allerdings sind wir allen frohen Mutes zu siegen. Und sollte uns doch jemals der Mut verlassen, müssen wir nur einen kurzen Blick in Phileassons eisgraue, zu allem entschlossene Augen werfen, in denen das Erbe der alten thorwalschen Sagen brennt!


Vieles kann und wird man über diese lange Reise durch Aventurien erzählen. Und doch, so viel man auch erzählt, man wird niemals alles wiedergeben können, was uns jeden Tag begegnete und wie schön und vielfältig die Welt überall ist. Wir reisten weit und jeden Tag konnten wir neue Wunder am Horizont entdecken. Nicht alles hielten wir fest, nicht jeder schrieb seine Gedanken auf. Und dennoch kann jeder von uns hier soviel lernen und Neues kennenlernen.
Im üblichen Fall schreibe ich weniger die Berichte für unser Reisetagebuch und überlasse anderen die Aufgabe über unsere Erlebnisse urteilen. Ich versuche damit meine neutrale Position zu wahren, die ich aufgrund meiner Stellung und Aufgabe inne habe. Selbst zähle ich mich schon seit langem zur Truppe. Viel zu lange und eng lebe ich mittlerweile mit allen meinen Kameraden zusammen um von ihnen noch als Fremden zu sprechen, die ich objektiv beurteilen könnte.
Sicher ist diese Vielfalt interessant und ich hätte mir niemals träumen lassen, dass die Welt so groß ist. Die anderen Gefährten gleichen sich wie Tag und Nacht und es vergeht kein Abend, wo sich nicht zwei oder mehr von ihnen in weltanschaulichen Diskussionen verstricke. Auch sind sie von Charakter und Gestalt so unterschiedlich, dass ein friedliches Zusammenleben, wie es meist der Fall ist, fast unmöglich scheint.

Was mir als Geweihter der Travia natürlich stark auffällt ist die unterschiedliche Glaubensauffassung meiner Kameraden. Nicht drei hängen demselben Glauben an, die meisten glauben nicht einmal wirklich an das heilige Pantheon!
Foggwulf, Raluf und Ohm glauben in erster Linie an Swafnir, den mächtigen Walgott der Thorwaler, der in ewigem Kampf mit der Schlange Hranngar liegt. Ich muss lächeln, bei dem Versuch zu zählen, wie oft ich schon „Bei Swafnir!“ in dieser Zeit hörte. Jedoch sind sie von allen Anwesenden noch die Tolerantesten, glauben sie doch auch zum Teil an die göttlichen Herrscher Alverans.
Dem entgegengesetzt stehen unsere beiden Zwerge Thoram, Sohn des Coram und Eigor Eisenbeiß. Sie glauben an Angrosch, den wir Ingerimm nennen. Während Thoram noch halbwegs tolerant ist und zum Beispiel auch Rondra verehrt, beharrt Eigor als erzzwergischer Konservativer auf der Einzigartigkeit Angroschs. Und doch sind die Prinzipien die Angrosch vertritt (Standhaftigkeit, Mut, Fleiß, Beständigkeit und Gemeinschaft) unverzichtbar für ein Leben in einer Gemeinschaft, wie Travia sie gutheißt.
Alfonso di Cerbesson, unser Adeptus minor, steht schließlich vollends hinter den Lehren der Zwölfgötter. Die verderbte Magierphilosophie scheint für ihn nicht von Belang zu sein und so bleibt er in unserer Gemeinschaft meist der Einzige, der meine Gebete zumindest kennt. Ja, es mutet seltsam an, aber nicht einmal die einfachsten Tischgebete kennen diese – nun, Barbaren wäre zu abwertend ausgedrückt.
Und so versuche ich mein Bestes zu geben, wenn ich sie langsam an die alten Lehren heranführe:
„Alle unter einem Dach,
frei von Not und Ungemach,
vor uns Suppe, Brot und Bier:
Travia, wir danken dir!“
Mittlerweile beten es aber die meisten mit und freuen sich, wenn ich Glück und Segen für unsere Reise erbitte.
Crottet, unser nivesischer Jäger, lebt ganz im nivesischen Glauben der Himmelswölfe und spricht auch nicht viel darüber. Es liegt aber ebenfalls nicht in seinem Wesen den Glauben anderer anzuzweifeln und so sprechen wir nicht über das Thema. Noch schlimmer ist der Moha mit seinen vielen seltsamen Tapams und Tabus. Er reist mit uns und ist ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft, aber manchmal sondert er sich ab und geht seinen Traditionen nach, an denen er uns weder teilhaben, noch dabeisein läßt.
Bei Dirona bin ich mir oft nicht sicher, woran sie genau glaubt. Mal denke ich, dass sie eine götterfürchtige Mittelreicherin ist, mal scheint sie stark Rahja und Phex zu huldigen und manchmal spricht sie auch von der Erdmutter Sumu. Vermutlich liegt es an der Tatsache, dass sie eine Schöne der Nacht ist und nicht frei über ihren Glauben sprechen kann. Allerdings hat sie genug Selbstvertrauen um die Tempel der Zwölfe zu meiden. Wie Crottet und der Moha hat sie sicher ihren eigenen Weg spirituelles Glück zu finden.
Tharan der Elf ist schließlich der Schlimmste von allen. Er lehnt unsere Götter nicht ab, rollt aber stets mit den Augen. Er spricht vom Kreislauf des Seins und Vergehens. Von Nurti und Zerzal.
Zwar wissen wir mittlerweile durch unsere Entdeckungen im ewigen Eis, dass die Hochelfen an Götter glaubten (Nurti, Zerzal, Pyr Drakon und Orima), aber Tharan ist und bleibt wie die Angehörigen seines Volkes unbelehrbar: „Er kam aus dem Licht und wird zu gegebener Zeit dorthin zurückkehren!“ Diese Prinzipien sind unverrückbar und unerbittlich, warum also seine Gedanken an Götter verschwenden?
Auf Argumente reagiert er meist freundlich mit Abweisung und so halte ich mich meist an die ersten Genannten. Sie sind es auch, die am ehesten den Prinzipien Travias entsprechen. Zwar ist noch keiner von ihnen verheiratet, doch werden sie es bald sein, zumindest denke ich das. Tharan, Dirona und zum Teil auch der Moha verschließen sich gänzlich diesem heiligen Eid und bleiben lieber für immer in Einsamkeit.

Unvermittelt muss ich wieder an vorgestern denken. Es war am ersten Tag unserer Ankunft in Khunchom, da sprach mich der mittelreichische Händler Darian Fassbender an, der sich in Khunchom niedergelassen hatte. Er hatte eine Tulamidin aus gutem Hause kennengelernt und wollte mit ihr den heiligen Traviabund eingehen. Er hatte sie erst vor zwei Tagen gefragt und nun hatte ihr Vater zugewilligt. Frohgemut wollte er einen Priester aufsuchen, als er durch das Wirken der Göttin mir in die Arme lief. Die Kirche der Travia ist in den Tulamidenlanden nicht sehr weit verbreitet (man bedenke die verwerfliche Vielehe der Tulamiden) und so war ihm klar, dass die Göttin ihn zu mir gelenkt hatte.
Natürlich entsprach ich seinem Wunsch sie zu trauen und da wir noch weitere zwei Tage in der Stadt bleiben würden, freute ich mich bereits jetzt schon auf die kommende Hochzeit.
So verbrachte ich unseren letzten Abend in Khunchom nicht in Begleitung meiner Gefährten, sondern auf einer größeren tulamisch-garetischen Hochzeit. Der Großteil der Gäste bestand aus Tulamiden, die mich mit verhohlener Neugier musterten. Endlich kamen die beiden Brautleute und ich sprach den Segen Travias über sie, den sie nachsprachen:
Wir wollen leben wie die Wildgänse, einander treu und nie allein. – So sei es.
Wir wollen jedem Fremden Heimstatt bieten. - So sei es.
Wir wollen unser Heim ehren und pflegen. - So sei es.
Wir wollen den Verfolgten Schutz gewähren. - So sei es.
Wir wollen Sitte und Moral im Sinne Travias bewahren. - So sei es.
Und nach unserem Tode aufeinander warten in Travias Herberge. - So sei es.
Die Familie ist unser Hort, Sitte und Anstand unser Gesetz. - So sei es.
Die Heimstatt ist unsere Zuflucht. - So sei es.
Der Reisende ist uns ein Freund. - So sei es.
Die Treue umschließt den ewigen Bund. - So sei es.
Wir sind ein Teil der himmlichen Familie. - So sei es, ja so sei es.

Es wurde eine wunderschöne Feier. Es kamen Musikanten und feine Speisen wurden aufgetragen. Kinder spielten um uns herum und Lachen und laute Rufen erfüllte die Halle. Obwohl ich eine Fremde war, wurde ich sehr freundlich aufgenommen und konnte viele nette Leute kennenlernen. Es tat gut noch einmal unter sesshaften normalen Menschen zu sein und mit ihnen über Alltägliches zu plaudern. Hier mußte man sich keine Sorgen machen, hinterrücks angegriffen zu werden oder zu erfrieren oder gar zu hungern. Die Zeit im ewigen Eis, wo wir aneinandergekauert uns in den Schlaf wünschten, war hier vollkommen vergessen. Es war warm, bequem und die Götter schienen die beiden Brautleute anzulachen – und mit ihnen mich ebenfalls.
Spät am Abend kehrte ich in die Pension zurück, in der Foggwulf, Ohm und Ich nächtigten. Die beiden hatten ebenfalls irgendwo gefeiert und schliefen nun ihren wohlverdienten Rausch aus. Das Reisetagebuch lag aufgeschlagen auf Phileassons Truhe und so verbrachte ich noch einige Stunden mit der Lektüre unserer Abenteuer, bis ich mich letztlich entschied ebenfalls einen Eintrag zu machen. Ich kann nichts über Abenteuer und ruhmreiche Kämpfe sagen, aber ich kann das niederschreiben, was das Wichtigste im Leben eines Jeden bleibt: Innerer Friede und eine Familie, die einen behütet.
Wir sind nicht blutsverwandt und kennen uns noch nicht lange, aber trotzdem sind wir mittlerweile schon so vertraut miteinander, dass jeder seinen Platz in unserer Gemeinschaft gefunden hat. Der eine musste uns frühzeitig verlassen, der andere stieß erst später hinzu und doch bilden wir eine Gemeinschaft mit einer Seele. Einer Seele, die uns eint und uns in guten sowie schlechten Zeiten zusammenhalten lassen wird.