In Deutschland fassen so viele Menschen wie seit Jahrzehnten nicht mehr ins Auge, die Heimat zu verlassen und auszuwandern. Wurde man noch vor einigen Jahren mit einer solchen Idee im Kopf belächelt, so ernten die, die ihren Entschluss heute zügig in die Tat umsetzen, Bewunderung.
Die Zeit im Wandel. Warum wollen Sie eigentlich weg? Stinkt Ihnen die Heimat auch...? Zukunftsängste, null Bock auf Deutschland? Was ist passiert, dass Sie die Brücken hinter sich abreißen möchten...? Immerhin ist es ein großer Schritt ins Unbekannte, in einem fremden Land neu anzufangen. Sollte mich nicht besser 'durchhalten' und darauf bauen, dass die Perspektiven wieder besser werden?
Also ran, Leute – aber bitte nicht unflätig oder persönlich werden, auch wenn die Heimatverdrossenheit (oder das Unverständnis gegenüber Heimatverdrossenen) bis zur Halskrause reicht. Hier geht's um die Sache an sich, nicht um einzelne seltsame Ansichten, ja?
Ab Ende dieser Woche darf hier nach Herzenslust die Seele entladen werden...
Herzlichst, Euer Peter Thul
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hallo!
Freut mich dass sich jemand dafür interessiert.
Ich war für drei Jahre in Ecuador und habe dort wilde Pferde für reiche Pferdebesitzer angeritten, mit Hilfe eines Indianderjungen der mir die Pferde erstmal mit dem Lasso einfing. Wir hatten riesen Erfolg und haben über dem Durchschnitt verdient, bis ich wegen Visums aus dem Land reisen musste, aber heiraten wollte ich auch wieder nicht.
Dort habe ich mich das erste mal l e b e n d i g gefühlt, als ich nach Deutschland zurück gekommen war, kam ich mir vor wie in einem toten Land. Ich bekam schwerste Depressionen und fand keinen gesellschaftlichen Anschluss, mittlerweile habe ich mich wieder gefangen und bin einem Buddhistischem Zentrum beigetreten. Dort findet man noch interessante, nicht vom Materialismus geschädigte Menschen.
Nun bin ich auf der Suche nach Gleichgesinnten die auch ein Herz für Pferde haben um im Ausland eine Ranch aufzubauen. Hier sind die Preise unbezahlbar für mich, leider. Vielleicht schau ich mir mal Paraguay an.
Hast Du Kontakt mit Walter?? Ich möchte ihm nicht unnötig auf die Last fallen, da so viele ihm schreiben.
Ich hoffe mein Bericht war etwas interessant für Dich und wünsche Dir noch viel Erfolg bei Deinen Erungenschaften.
Viele liebe Grüsse von Anja
P.S. ich heisse Anja Pirkl geb. in München vor 33 jahren...
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Grüß Dich, Anja
schön, wie Du Deine Erfahrungen und Gefühle nach der Rückkehr in Deutschland beschrieben hast. Genau das empfinden fast alle, die nach längeren Auslandsaufenthalten zurückkehren. Selbst Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen, aber auch Auslandskorrespondenten usw.
Erst nach einer gewissen Distanz vom eigenen Volk (in Deinem Fall nach der Rückkehr) erkennt man, wo die Macken liegen. In Deutschland wird allgemein von den "Heimkehrern" die Humorlosigkeit, Verbiestertheit (gibt es so ein Wort überhaupt?) und das so wenig vorhandene Lebendige vermisst. Nach ein paar Jahren im Ausland hat man auch keine Probleme damit, die eigenen Landsleute schon von weitem auf der Straße zu erkennen (und die erkennen in uns das gleiche und denken sich ihren Teil *gg*).
Die Heimkehr ist für wahr nicht immer leicht. Die Schweizer haben das längst erkannt und helfen Rückkehrern bei der neuen Eingliederung auch mit psychischem Beistand. Die neuen Wiedereingrenzungen und Beschränkungen von persönlichen Freiheiten fallen nicht jedem leicht. Wegen dieser 'Beklemmung' wollen ja auch so viele weg...
Herzliche Grüße und viel Glück auf Deiner Suche,
Peter Thul
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hallo, Peter!
Ich komme gerade von Deiner Webseite (toll und super-informativ!) und jetzt wundere ich mich, daß hier so wenig ihren Kummer ablassen.
Es ist, wie Du es beschreibst: Haste nen guten Beruf, jahrelang studiert und sitzt wegen einer besch... Firmenfusion auf der Straße oder die Firma mit "aufstrebender Tendenz im Ossiland" war doch so ne Art sterbender Schwan, dann sitzt Du auf der Straße. Mit bestern Zeugnissen ausgestattet, bewirbst Du Dich, nach ein paar Monaten jobst Du schwarz und hast ständig Schiß, daß sie sich erwischen, aber irgendwie mußt du ja über die Runden kommen, dann merkst du, daß nix mehr läuft.
Aus der Traum von der Karriere!!! Und dann fängst du an, nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Fuck Old Germany!
In meinem Fall, was das Auswandern betrifft: USA is mir zu schwierig, um reinzukommen. Dauert ja mindestens zwei Jahre, selbst mit Glück. In so'n Land wie Paraguay will ich nicht, Kanada geht kaum ohne Kohle, Australien ist genauso kompliziert wie die USA, also suche ich jetzt in Neuseeland nach einem guten Job (Entwicklung im Halbleiterbereich). Da gibt es zwar nur eine Firma, die für mich in Frage käme, aber was will ich machen?
Wie der Chemiker, von dem Du berichtet hast, in der Münchener U-Bahn Waggons waschen - nee, wirklich nicht! Das Traurige an der ganzen Sache ist, daß ich eigentlich gar nicht weg will, aber hier finde ich keine g'scheite Stelle, die meinen fachlichen Qualifikationen entspricht. Und für den Bund (*ggg*) bin ich zu alt.
Wo also, frage ich, leben wir, wenn man förmlich wegen seiner besch... Zukunftsaussichten im eigenen Land auswandern muß? Dem Staat geht es doch gar nicht so schlecht, den Firmen auch nich. Nur kriegen die für ihre Aktionäre alle den Hals nicht voll und da wird wegrationalisiert. Zum Kotzen ist das. Und der Staat hat dann die ganzen Arbeitslosen am Hals.
Nochmal mein Kompliment zu Deinen tollen Seiten! Da ist Dir ein echter Wurf gelungen (das Auswandererbuch hab ich jetzt auch bestellt). Ich melde mich wieder, wenn ich weiß wie es bei mir mit der Auswandere vorwärts geht. Vielleicht kann ich ja auch den ein oder anderen Tipp dann hier posten. Praktische Erfahrung ist halt durch nix zu ersetzen!
Bye, Frank
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hi, im Paradies...
Ich könnte hier 17 Seiten darüber schreiben, warum ich weg will! Ich lebe in Deutschland, in einem Land, wo die Autobahnen zugestopft sind, wo Dir bei jedem Schritt vorgeschrieben wird, was Du zu tun oder zu lassen hast, wo in Massen arme Viecher in Ställen für den Massenkonsum herangezüchtet werden und dabei die Leichen (Tiermehl) ihrer kranken, verreckten Artgenossen fressen müssen!
Ich will nicht bekloppt werden, weil ich gerne Schnitzel esse und ich will mir nie mehr sagen lassen, daß meine Regenrinnen sieben Zentimeter höher gesetzt werden müssen und das meine Rundbogenfenster in unserer Region gegen die Bauvorschriften verstoßen. Daher suche ich ein Land, wo man wieder durchschnaufen kann, wo ich meine Hauswände bemalen kann, wie ich will und wo ich auf dem Weg in die nächste Stadt nicht ständig in einer Autoschlange eingepfercht bin.
Kleine Wünsche nur, aber hier erfüllt sie mir leider keiner mehr!
Grüße an alle von Jürgen
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hallo Jürgen und @ll:
Sicher ist es kein Problem Deutschland so schlecht zu reden, so schlecht das jeder Zahlungsfreudige Investor innerhalb von 24 Stunden fluchtartig Deutschland verlassen will. Und genau da fängt die Deutsche Krankheit an (das gilt aber lange nicht für alle). Leider gibt es einige die nicht erkennen in welchem Luxus wir hier leben. Und das der ärmste hier global immer noch ganz reich ist.
Alles wird selbstverständlich (für einige). Alleine ein deutscher Rettungswagen hat mehr an Ausrüstung an Bord wie manche komplette Klinik auf der Welt.
Saubere Spritzen, Krebsvorsorge, mit die geringste Säuglingssterblichkeit auf der Welt. Gereinigte Straßen, wenn es kracht kommt ein Helicopter, Schneepflüge im Winter, mit das sauberste Trinkwasser auf der Welt, Unis (danke nachträglich von mir) an denen man umsonst studieren DARF! Ja darf!
Schöne Parkanlagen..ein Gedicht für die Augen. Feuerwehrautos mit besten Geräten wenn es Not gibt. Krankenhäuser die auch wenn es teuer wird immer noch bezahlbar sind. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Essen auf Rädern, beleuchtete Straßen in der Nacht, Seenotsrettungskreuzer, Naturschutzgebiete, Naturparks, gute Polizeistationen (weltweit gesehen), Pflichtverteidiger, Tierheime, billiges essen im Supermarkt. Wunderbare Schwimmbäder wo man für kleines Geld einen Tag in Muse verbringen kann. Kläranlagen die auf unsere Umwelt aufpassen (europaweit-weltweit-Spitzentechnologie).
Pressefreiheit, Demokratie, Meinungsfreiheit:
Noch besser: Urlaubsgeld, Krankengeld, 30 Tage Jahresurlaub; da verdreht der Rest der Welt die Augen. War selber 3 Jahre im Sudan und 2 Jahre in Mbabane/Swasiland Südafrika.
Die Leute dort an der Schule wollten immer wissen wie das ist wenn man jeden Tag essen hat und sauberes Wasser. Ich erklärte das das schon lange nicht mehr reicht. Wir haben soviel Wasser das wir damit unsere Autos waschen.
Also alles in allem geht es uns hier super! Habt Ihr mal in VOX die Dokumentatiopn gesehen "Die Grenzen des Reichtums." Untertitel "Festung Europa"?
Wer vor lauter jammern über die böse Regierung auch mal wieder normal wird, sollte lieber fragen was er tun kann, bevor er sich hier vor lauter Weinerei und Gejammer zum Affe macht.
Z.B. wenn er fettgefressen unter dem Weihnachtsbaum sitzt im warmen deutschen Wohnzimmer und wieder traurig ist das an dem Festbraten etwas zuviel Fett ist. Hei; das ist aber ein Skandal, wieder ein Grund mehr Deutschland und sich selber zu hassen
Wer aber etwas an Vernunft und Gewissen übrig hat..und nicht immer noch mehr will, der sollte mal überlegen was es bedeutet in Europa zu leben. In Freiheit und mit genug von dem was man zum leben braucht. Und wer etwas über hat: www.aerzte-ohne-grenzen.de
Ich wünsche einen schönen Tag noch,
Günter
Und zum Ende mal eine Zahl damit man vor lauter jammern mal nachdenkt: Reden wir davon das alle 3-Minuten ein Mensch auf der Welt für immer erblindet wegen Mangelernährung!
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hallo Günther, du beschreibst Deutschland als die Schöne Neue Welt. Und sicherlich hast du Recht- aber es ist ja nicht so, dass ein Auswanderer nur ein infantiler Nörgler ist ein den Zuständen, hier sondern einer, der, der Enge und der Bequemlichkeit einer solch perfekten und vorgedachten Welt entfliehen will. Oder um es besser auszudrücken: Ein Auswanderer ist ein Mensch der lieber barfuss auf einem steinigen steilen Weg geht als eine ebene, glatte und geteerte Straße zu benutzen.
Re: Heimatfrust nix wie weg!
Ich bin zwar Österreicherin, aber fühle mich jetzt auch ganz einfach mal angesprochen. Tja die soziale Absicherung hier war vielleicht mal vor einigen Jahren ein Grund hier zu bleiben. Aber auch das wird immer schlechter. Jeden Monat kräftig Versicherung abdrücken und dann trotzdem alles selbst bezahlen müssen und das mit steigender Tendenz - also die Gründe hier zu bleiben werden immer weniger. Da lass ich doch lieber die Sonne in mein Herz - das ist sicher auch der Gesundheit förderlich. CU
Re: Heimatfrust nix wie weg!
Hola,
Ich wollte mich einfach nur mal " ausschreiben". Ich bin wahrscheinlich in aller Augen noch sehr jung ( 19 ). Vor mehr als 5 Jahren habe ich zum ersten Mal Barcelona besichtigt und seitdem erfüllt der Gedanke an diese Stadt meinen Alltag, den Morgen und den Abend. Mein Umfeld prophezeit mir eine erfolgreiche Zukunft ( Studium und mehr). Jedoch bin ich seltsamer Weise entschlossen, meine Sachen zu packen und runter zu gehen. Nächstes Jahr hoffe ich die Gewissheit zu haben, täglich über die Ramblas gehen zu können...
Mir geht es hier gut. Ich leide weder Hunger noch kann ich mich über Regierung oder Versicherungen negativ auslassen. Aber die Mentalität schmerzt mich. Verschlossen, kalt und oberflächlich, gar sachlich.
Ich wollte noch nie eine erfolgreiche Karriere um jeden Preis beginnen oder anstreben... Ich will nur in dem Land leben, was mir Sonnenschein schenkt, auch im Innern. Ich will einfach nur aufwachen und mit einem Lächeln den Tag beginnen, weil er in Barcelona beginnt....
Anders kann ich es einfach nicht ausdrücken, die Leistungen in Deutschland sind mehr als genügend und sie gewährleisten einen Wohlstand, ( selbst für Arbeitslose,... wenn ich z. B. nur allein an Ungarn denke, wird mir schlecht ), den ich wahrscheinlich nicht dort unten haben werde.
Aber es ist das Gefühl im Herzen worauf es ankommt. Lebensgenuss und Lebensfreude ist nicht mein Bild von Deutschland und ich assoziiere diese Begriffe auch nicht mit diesem Land. Ich will LEBEN und ein Gefühl von LEBEN habe ich hier nicht und deshalb will ich gehen.
Re: Heimatfrust – nix wie weg!
Hallo,
klar sind wir kalt... jobsüchtig... ein Beamtenstaat usw. Aber ist Flucht da der richtige Weg? Es ist ja eher Resignation, als Flucht. An sich leben wir doch in einem Land, dass wir uns selbst so aufgebaut haben, wie es jetzt ist (periodisch ändernde Politik mal vergessend). Sind wir nicht selbst auch kalt, schieben alte Leute ab, gucken liber in die Glotze als mit Freunden zusammenzu sitzen?
Wäre es nicht sinnvoll, im eigenen Umfeld etwas zu verändern versuchen, statt zu flüchten? Was meint ihr dazu? Sooo weit hergeholt ist das doch nicht, oder?