Bis zum fünften und letzten Glockenschlag schaffe ich es meine Atmung zu beruhigen,die Bücher ordentlich aubzulegen und mich neben Richard und Wieland zu knien. Im Gebet danke ich dem ewigen Richter und den Ehernen für die Lektion in Demut.
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Mit einem leichten Kopfschütteln beobachte ich Bruder Ulrich aus dem Augenwinkel. Wo hat er nur seinen Kopf? Bei der Andacht zu spät zu erscheinen wird jedem Novizen mit Stockschlägen aus dem Schädel getrieben. Zum Glück sind wir nicht in der Klosterkappelle bei unseren Brüdern, dort hätte Ulrich sich gleich die Strafe durch Ordenspriester Elias abholen können.
Herr Richard ist offensichtlich tief in die Liturgie versunken, er hat anscheinend nichts von Ulrichs Unzulänglichkeit bemerkt. Zumindest diese Scham bleibt uns erspart.
Mit einem weiteren dezenten Kopfschütteln versenke ich mich wieder in die Rezitation von Isarns Fünften Gesang zu Ehren Gorods und ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit löst das Unbehagen ab.
****************** Es gibt Wunder, die müssen im Dunkel geschehen...
Am orkischen Wesen soll die Welt genesen!
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Anfangs habe ich meine beiden Begleiter für umgängliche und aufgeschlossene Leute gehalten. Aber der Eifer in Bruder Ulrichs Augen, als er in den Gorodsdienst eilt, macht mich nachdenklich. Der gestrenge Blick Wielands, der zeigt für wie wichtig er die Zeremonie nimmt, bereitet mir ein flaues Gefühl im Magen. Was die beiden wohl von mir denken mögen, wenn sie von meinen Zweifeln, Ängsten und der Sehnsucht nach einem ruhigen Leben zu Hause erfahren.
Der Gedanke macht mir Sorgen. Ich versuche mehr schlecht als recht meine Unruhe zu verbergen. Es gelingt mir kaum der Liturgie zu folgen. Immer wieder schweifen meine Gedanken ab. Immer wieder überkommt mich die Furcht vor der Entlarvung meiner Verfehlungen. - Die beiden verstehen dabei ganz sicher keinen Spaß.
Nach der Zeremonie besteht Bruder Ulrich darauf mit uns seinen Wein zu teilen und beide drängen mich von meinen Erlebnissen in Grenzwacht zu berichten. Ich erinnere mich nicht gern daran. Die Gerüche in der Skavenfestung in Grenzwacht, die Geräusche der Kämpfe, das Leiden der Verletzten, die vielen Toten...
Dann berichte ich von Bruder Anton. "Er war ein Kirchenkrieger und führte eine Gruppe Späher bis tief in die Skavenfestung Kotaan. Er bezahlte die Erkenntnisse mit seinem Leben. Doch genau diese Erkenntnisse ermöglichten der Legion von Grenzwacht den Sieg über die Festung. Es dauerte beinahe sechs Monate bis es mir und den mir zugewiesenen Spähern gelang den Ort seines Leichnahms zu finden. Die Skaven hatten ihn verschleppt.
Es war schon tief im Winter, als die Legion einen weiteren Vorstoß in die Ruinen der geschleiften Festung machte. Meine Aufgabe war es den Leichnam zu bergen. Das dauerte beinahe zwei Tage. Die Skaven hatten die Reliquie auf das Hinterhältigste mit Fallen versehen. In dieser Zeit mussten die Späher meine Arbeit schützen. Die Skaven hatten das als Hinterhalt gelegt und .. sie schlugen zu. Eine ganze Kohorte der Legion musste uns entsetzen. Aber schließlich gelang es uns nach fast zwei Tagen die Reliquie zu bergen und alle Gefallenen und Verletzten zurück nach Grenzwacht zu bringen. Die Skaven zahlten einen fürchterlichen Preis. Die Jäger von der orkischen Sippe der Ummm löschten während der Kämpfe den gesamten Skavenstamm aus."
Ich erlaube mir einen tiefen Schluck Wein und betrachte meine zukünftigen Begleiter. Haben sie die Angst in meiner Stimme bemerkt, die jedesmal zurückkommt, wenn ich von Grenzwacht spreche? Erahnen sie, dass es meine Schuld war, dass so viele gute Tirdaner sterben mussten, weil meine Bergung zwei Tage brauchte? Weil ich nicht in der Lage war die Fallen schneller zu überwinden?
Spühren sie die Zweifel, die in meinem Herzen schwelen? Gorod verachtet meine Schwäche - und andere zahlen den Preis dafür. Mit dieser Last muss ich leben. Ich wünschte ich könnte zu Hause bleiben. Ich bin nicht so tapfer wie all die anderen. Ich bin nicht stark genug für diese Bürde. Ach, wäre ich doch nur ein ganz normaler Torfstecher ohne diese ... diese unseelige magische Begabung...
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Das Zittern in Richards Händen während der Zeremonie überzeugt mich endgültig vom Glaubenseifer dieses Mannes, denn selten habe ich einen Mann derart einen Gorodsdienst verfolgen sehen. Ich hatte zwar nur die Gelegenheit ihn aus dem Augenwinkel zu betrachten, aber was ich gesehen habe stimmt mich froh. Auch seine Schilderungen der Kämpfe in Grenzwacht sind von Bescheidenheit und Demut geprägt. Dieser Mann nimmt sich selbst zurüch und überlässt die Heldentaten in seinen Geschichten anderen. Auch das tun nicht viele. Er tut sogar so als ob er ein wenig Angst gehabt hätte, aber die Kirche in Askon würde uns doch keinen Feigling schicken. Mich kann er nicht täuschen. Bestimmt will er, dass wir uns in seiner Gegenwart bedeutsam fühlen, denn die einzig wichtige Person auf unserer Reise ist er selbst. Nur er wird das Artefakt fachgerecht bergen und nach Tirda bringen können. Huii, langsam steigt mir der Wein zu Kopf. Wieland, der alte Sauertopf, hat sich mal wieder zurückgehalten. Es wird Zeit, dass wir anfangen zu arbeiten.
"Ein Hoch auf die toten Helden Tirdas. Sie starben damit wir leben. Ehre ihrem Gedenken." Rufe ich nachdem Richards Erzählungen beendet sind.
"Das war eine gute Geschichte Bruder Richard. Deine Brüder sind bestimmt stolz auf dich. Nicht jeder Magister würde es zwei Tage in den verseuchten Tunneln der Ratten aushalten. Ich bin froh, dass du uns begleitest. Auf unsere Reise!" Ich proste Richard zu und wende mich den Büchern und der Karte zu.
"Das hier ist der Kontinent Talosia und hier ist Gorvit." Ich zeige auf den nördlichsten Teil der Karte.
"Was besseres habe ich leider nicht gefunden."
Re: Die Reise nach Gorvit ...
"Das Bergmassiv hier nennt man den Dunkelfels." Ich ziehe in ironischer Bedeutungsschwere die Augenbrauen hoch. Was sich manche Leute für Namen einfallen lassen, unglaublich diese Barbaren.
"Und es sieht wohl so aus, dass alle Zugangswege über Land unpassierbar sind. Zumindest waren sie es vor einer Weile noch. Den aktuellen Stand kennen vermutlich nur die Einheimischen."
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Skeptisch mustere ich die Karte. Natürlich erwarte ich nicht eine tirdanische Karte über solch ein Gorodverlassenes Land vorzufinden und wahrscheinlich spricht allein der Besitz dieser miserablen Karte schon für die Qualität unserer Bibliothek, aber trotzdem ärgert mich die Tatsache mit so etwas planen zu müssen.
Hatte der Bibliothekar kein weiteres Material über dieses Gorvit? Hast Du ihm die Dringlichkeit für weitere Nachforschungen klar gemacht Ulrich?
Ulrich hat schon einen leicht glasigen Blick mit dem er versonnen Herrn Richard betrachtet und zeigt das er wieder über irgendetwas nachdenkt. Eigentlich hätte er sich für seine Verfehlung bei der Andacht nicht noch mit Wein belohnen sollen.
Kopfschüttelnd wende ich mich wieder der Karte zu, Ulrich wird seine Buse sicher auf dem Isarnfeld abarbeiten können, es gibt in Gorvit genug Zeit die Waffe zu nutzen...
Herr Richard, ihr habt doch sicher auch genug Ausbildung erhalten als Magister, was sagt ihr zu der Karte. Ich würde ja den Weg über den Fluss bis zu diesem Dunkelfels vorschlagen und dann über einen Pass nach Gorvit zu gelangen. Oder wisst ihr schon mehr als wir über den Ort der Reliqui?
****************** Es gibt Wunder, die müssen im Dunkel geschehen...
Am orkischen Wesen soll die Welt genesen!
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Ich schaue zu Wieland und verschränke die Arme.
"Nein, ich hab ihm gesagt, dass wir eine Spazierfahrt machen, weil dort die Luft so gut ist. Und JA, ich habe noch weitere Informationen."
Mit dem Kopf nicke ich in Richtung der von mir mitgebrachten Bücher.
"Wir könnten aber auch mit einem Fischer oder Schmuggler versuchen das Gebirge zu umgehen. So wie damals in ... , in ... Ach verdammt, wie hieß dieses scheiß Kaff denn blos? Das mit dem verrückten Magier und seinen Jüngern und diesem komischen grünen Zeug, dass überall aus dem Boden quoll und dem Reliquienknecht die Füße weggefressen hat." Es liegt mir auf der Zunge.
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Schwarzenberg? Ich bin mir nicht sicher. Diese Gorodverlassenen Orte heißen doch alle gleich und sind alle gleich verkommen und verdorben. Lasst sie brennen sage ich und vergesst ihre Namen!
Ich greife mir eins der Bücher die Bruder Ulrich aus der Bibliothek mitgebracht hat. Die Barbarenvölker der Mittellande, toller Titel...
Ich wende mich Herrn Richard zu Nun Herr Magister, könnt ihr uns an Eurem Wissen teilhaben lassen. Ihr müsst hier nicht bescheiden sein, es dient alles Seinem Ziel.
****************** Es gibt Wunder, die müssen im Dunkel geschehen...
Am orkischen Wesen soll die Welt genesen!
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Ich schnipse mit den Fingern
"Schwarzenberg, genau so hieß der Ort. Zum Glück brauchte er seine Füße nicht um die Artefakte zu bergen. Ich werd nie vergessen, wie wir ihn auf diesem komischen Karren zum Hafen geschleppt haben. Und gebrannt hats da am Ende ja auch zu genüge."
Mit einem Seufzer schnappe ich mir eines der Bücher und grinse vor mich hin. Was wohl aus der armen Sau geworden ist?
Ich räuspere mich um mir bei meinen Brüdern Gehör zu verschaffen. Dann fange ich mit einer Stimme, die ich für eine gute Karrikatur eines Schulmeisters halte, an aus dem Buch vorzulesen.
"Der größte Teil Gorvits ist eine weite, karge Steppe mit vereinzelten großen Wäldern und einigen eisigen Flüssen. Die Bewohner leben vom Handel mit Vieh und der Fischerei, denn die Vegetation des Landes verhindert eine intensive Agrarwirtschaft. In der Bergregion leben nur wenige Menschen des Landes, jedoch einige Orks und Goblins."
Ich rolle mit den Augen. "Na, wenn das nicht einladend klingt." Und weiter lese ich vor.
"Das Wetter in Gorvit ist meist sehr kalt und unnachgiebig. Schneestürme sind an der Tagesordnung. Sollte es jedoch für ein paar Wochen zu einem Sommer kommen, sind diese unerträglich heiß und schwül."
Demonstrativ schlage ich das Buch zu. "Spitze, ist doch fast wie hier bei uns in Tirda."
Ich schaue zu Wieland.
"Und jetzt überrasch mich und sag mir, dass dies ein Land voller friedfertiger Schöngeister und Philosophen ist!"
Re: Die Reise nach Gorvit ...
Ich betrachte nachdenklich die Karte. Die vielen weißen Flecken deuten nicht darauf hin, dass unsere Reise von kurzer Dauer sein wird. So wie ich die Kirche kenne, wird sie uns zudem auch noch die Aufgabe mitgeben so viele dieser weißen Stellen aufzufüllen wie möglich. Ich nehme einen Schluck von Ulrichs Wein. Die gemessene Position des Artefaktes liegt am Rand eines der weißen unbekannten Gebiete.
"Die vermutete Position des Artefaktes dürfte etwa in dieser Gegend hier sein.", sage ich und zeige mit dem Finger auf eine weiße Stelle im Landesinneren. "Ich werde unterwegs natürlich immer wieder weitere Messungen vornehmen müssen. Damit können wir uns dann dem Fundort immer genauer annähern."
Unwillkürlich seufze ich leise und ergänze meine Worte dann: "Das kann Wochen dauern bis wir den Platz gefunden haben."
Ich betrachte die Karte weiter und blicke immer wieder zu den beiden Kirchenmännern, die für die Sicherheit des Artefaktes sorgen werden. Ein weiterer Schluck von Ulrichs Wein begleitet meine Gedanken. Ich frage mich was aus dem Kollegen Magister geworden ist, von dem er berichtet hat. Dabei gesellen sich weitere unangenehme Fragen hinzu. Ob ich meine Familie jemals wiedersehen werde? Was, wenn ich auch als Krüppel heimkehre?
Die Berichte über den Kollegen machen mir Angst. Mit einer Verkrüppelung müsste ich wahrscheinlich nie wieder auf diese gefährlichen Reisen gehen. Aber was nützte mir das? Meinen Traum von der Torfstecherei könnte ich dann getrost an den Nagel hängen. Wahrscheinlich müsste ich dann an irgendeinem Lehrstuhl die nächste Generation von Reliquienknechten ausbilden, damit andere arme Kerle auf diese furchtbaren Missionen geschickt werden könnten. Bei meinem Glück wäre das bestimmt ein Lehrstuhl in Sturmfels oder Goroda, fern ab der Heimat.
Über eine Sache mache ich mir jedenfalls keine Illusionen: Wenn es brenzlig wird, werden die Beiden eher das Artefakt in Sicherheit bringen als mich!
Unwillkürlich kommt mir ein anderer Gedanke: Meine Gabe ist nach außen hin sichtbar. Wie die Beiden wohl reagieren werden, wenn sie das erste Mal die Zeichen sehen und mir in die Augen schauen? Ich stelle mir ihre überraschten Gesichter vor. Dabei zeichnet mir Ulrichs Wein ein amüsiertes Schmunzeln ins Gesicht. Die trüben Gedanken sind für einen Moment lang vergessen.