Re: TRAURIGe Gedichte
Späte Einsicht
(Drama aus den bayrischen Bergen. Frei nach Ganghofer.)
Geht's Zenzerl von der Alm ins Tal,
trifft sie beim Wildbach allemal
den Toni, der Forellen fischt
und ihr allweil sei' Lieab auftischt.
"I hab di wirklich gar so gern!
Was bleibst mir immer nur so fern?
Für'n frischen Fisch a Busserl nur ...",
so bettelt er in einer Tour.
Die Zenzi nimmt die Fisch' und lacht.
- So hat sie's immer schon gemacht.
Bis eines Tag's der fesche Toni
sich tröstet mir der Huaber-Froni.
Die Zenzi ist a sauber's Weib,
die Allerschönste weit und breit.
D'rum dauert's gar nicht allzu lang,
da kimmt der schmucke Seppel an.
Das ist ein reicher Bauerssohn,
der nimmt die Zenz in Brot und Lohn
- und macht ihr bald darauf den Hof.
Die Zenzi lacht: "Bin doch ned doof!
Aan Hof hast nur? Des is ned viel.
Na, - duu bist ned mei' Lebensziel!"
Der Seppel, ein sensibler Bube,
ertränkt sich in der Odelgrube.
So gingen Tag' und Jahr' ins Land.
Gar viele hat die Zenz gekannt,
doch keinen hat sie je erhört.
Kein einz'ger hat ihr Herz betört.
Sie wollt's nicht, lachte alle aus,
ging stets als Magd von Haus zu Haus
und bildete sich eitel ein,
der Schönste, Reichste "dürft'" sie frei'n.
... Heut ist sie siebzig Jahre alt,
lässt alle Männerherzen kalt.
Sie sitzt am Wildbach, seufzt beklommen:
"Hätt' ich den Toni nur genommen!"