FanserviceParadise - Hanson

Your Illusion

Your Illusion

Hey ihr (auch wenn's noch nicht so viele sind)!
Ich habe mich mal an meiner ersten Fanfic über Hanson versucht. Wie ihr feststellen werdet, ist diese noch nicht fertig, aber ich poste immer wieder mal ein neues Chapi.
Einen Disclaimer, denke ich, werde ich an dieser Stelle nicht benötigen. Schließlich sind wir hier ja in einem FF-Forum und da sollte man sich schon im Klaren sein, dass alles eben nur Fiktion ist.
Achso, und falls Rechtschreibfehler drin sein sollten... Ich gebe zu, ich bin zu faul meine kreativen Ergüsse noch mal zu lesen, aber auf der anderen Seite will ich damit ja auch nichts gewinnen, außer eure geschätzte Aufmerksamkeit.;)
Also viel Spaß beim Lesen und bitte fleißig reviewen

Eure Caramellino

Taylor:

„Klick“, machte es, als ich die Tür des Musikzimmers abschloss. „Dieser Raum ist vielleicht der Schönste im ganzen Haus“, dachte ich. Ich liebte unser kleines Haus in Tulsa, doch der Musikraum, den meine Eltern vor Jahren im hinteren Teil des Hauses angelegt hatten, strahlte eine ganz andere Art von Ruhe aus, die man so vielleicht nirgends im Haus fand. Ich mochte den Geruch der alten Instrumente und ich liebte vor allem das alte, schwarze Klavier, welches an der riesigen Fensterfront stand. Ich genoss es mit meinen nackten Füßen den Teppich zu betreten und strich über die Tasten des Klaviers, wie über den Rücken eines alten Freundes. Es war einfach schön mal wieder zu Hause zu sein. Behutsam berührte ich die Tasten und begann vor mich hin zu summen. Die Sonnenstrahlen vielen durch die Fensterscheibe auf mein Gesicht und ließen mich noch weiter in meine Gedanken eintauchen. Plötzlich pochte es an die Scheibe. Als ich die Augen erschrocken aufschlug, blendete mich die tiefstehende Sonne. „Taylor, mach schon auf! Hey, komm schon mach endlich auf!“, rief Mum und drückte ihr feines Gesicht und eine Hand an die Scheibe um in das Zimmer schauen zu können. Ohne ein Wort zu sagen, stand ich auf und öffnete die Verandatür, die zum Garten führte. „Wieso schließt du dich immer ein, mein Schatz?“, fragte sie stirnrunzelnd und legte aufmerksam den Kopf auf die Seite. „Es reicht mir langsam. Jedes Mal wenn ich hier rein möchte hast du dich eingeschlossen und ich muss um mein eigenes Haus laufen um über die Veranda hier rein zu gelangen. Ich habe ja nichts dagegen, aber irgendwie mache ich mir Sorgen, Schätzchen. Geht es dir nicht gut?“, bohrte sie weiter und fuhr mit einer Hand durch mein Haar. Ich ließ mich auf den Klavierhocker sinken. „Mum, nein...“, begann ich und drehte ihr den Rücken zu um mit der linken Hand wieder die Tasten zu berühren. „ Ich bin manchmal nur gern alleine“.
„Mhm“, entgegnete sie mir und schaute mich eindringlich ein. „Weißt du, das Klavier hab ich damals von deinem Opa geschenkt bekommen, als ich ein bisschen jünger war als du es jetzt bist. Ich habe es sehr gemocht“, fuhr sie fort und ging um das Klavier herum, bis sie mir wieder ins Gesicht sehen konnte. „Ich finde es irgendwie erstaunlich,… das alte Holz, … es riecht irgendwie immer noch nach…“, -„Musik“, wandte ich schnell ein. „Ja, seltsam was. Na ja, tust du mir noch einen Gefallen. Zoe ist draußen im Sandkasten und Mac rennt auch irgendwo rum. Kannst du ein bisschen auf sie aufpassen? Ich will nicht, dass Mac seine Schwester auf das Baumhaus hoch jagt. Und außerdem hast du dich jetzt schon über 2 Stunden eingeschlossen, ich finde das reicht für heute“, legte sie energisch bei und zwinkerte mir zu. Ich nickte, und stampfte barfuß in den Garten. Alles war in ein saftiges grün getaucht. Das Gras unter meinen Füßen war weich und auch die Bäume rings um unser Grundstück waren in ein grünes Blätterkleid gehüllt. Im Sandkasten unter einer der Bäume saß Zoe und wühlte im Dreck. „Hey Tay!“, rief sie mir entgegen, sie war die Jüngste in unserem neun-köpfigen Haushalt und zugleich unser Sonnenschein. „ Sag mal, wo ist eigentlich Mac?“, wollte ich neugierig von der 3-Jährigen wissen. „Der holt mir Steine aus dem Bach und Wasser. Wie soll ich denn sonst meine Sandkuchen fertig bekommen?“, verblüfft runzelte sie über meine dämlich gestellte Frage die Stirn. Ich lachte. Doch ein riesiger Platscher lenkte die Blicke auf den hinter den Bäumen entlanglaufenden Bach. Ich nahm Zoe auf den Arm und hielt Ausschau nach meinem kleinen Bruder. „Mac!“, rief Zoe. „Mist“, und plötzlich hob sich ein dunkelhaariger Lockenkopf aus dem Wasser. Zoe und ich lachten bis uns die Bäuche weh taten. „ Ich finde das alles gar nicht so witzig!“, stöhnte er. „Na komm schon da raus, Mac. Ich denke es wird Zeit für ne Dusche, oder Zoe?“ „Okay!“, stimmte sie zu. Als wir zurück im Haus angekommen waren, klingelte bereits das Telefon. Ich schickte die Kleinen ins Bad und nahm das Gespräch entgegen. „Hey, hier ist Nat!“, hörte ich die sanfte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Oh hey“, plötzlich fühlte ich mich unheimlich beflügelt. Natalie war so ziemlich der verständnisvollste Mensch, dem ich bisher begegnet war. Vor einem Jahr wurde sie mir von unserem Rowdy Steve nach einer Show vorgestellt. Seitdem waren wir unzertrennlich, zumindest wenn es um unsere Gefühle ging. Ich wusste auch nicht, wieso sie so besonders für mich war. Sie war ausgeglichen und nicht so anstrengend wie die anderen Mädchen, die ich bislang getroffen hatte. Zumindest fing sie nicht gleich an zu schreien, wenn sie mich sah. Sie war einfach toll. Während ich telefonierte, wendete ich mich dem Garten zu und ließ meinen Blick über die ruhige Natur schweifen. „Tay, können wir uns morgen treffen?“, fragte sie. „ Natürlich. Ich komm vorbei! Nach der Probe!“, in diesem Moment glaubte ich sie aufatmen zu hören. Diesen Gedanken verwarf ich aber ganz schnell wieder, denn die Kleinen riefen schon aus dem Badezimmer. „Nat, es tut mir Leid, aber Mac ist in den Bach hinterm Haus gefallen und  Zoe und er stellen gerade das ganze Bad auf den Kopf. Wir sehen uns morgen, ok?!“ –„Okay, ich freu mich auf dich. Ich liebe dich!“, säuselte sie in den Hörer. In diesem Augenblick kam es mir so vor, als wenn ich in unserem alten Baumhaus sich etwas bewegen gesehen hätte. „Tay?? Hey Tay, bist du noch da?“, Natalies Stimme riss mich jedoch aus meinen Gedanken. „Oh… ja, da war nur eben…“, „Tay liebst du mich?“, unterbrach mich Nat noch einmal. Etwas schockiert antwortete ich sofort und wendete meinen Blick vom Garten ab, um endlich wieder einen klaren Gedanken fassen zu können: „Nat? Was ist das denn für eine Frage. Natürlich liebe ich dich. Das weißt du doch.“ „Okay, dann sehen wir uns morgen. Ich freu mich schon-Tut, tut, tut….“, schon hatte sie aufgelegt. Ihre Frage, ob ich sie noch liebte, beschäftigte mich noch einen Moment. Während ich meinen Gedankengang abschließen wollte, drehte ich mich wieder um und erblickte wieder unser altes Baumhaus. Als ich sechs Jahre alt war, hatten Ike, Zac, Dad und ich das Baumhaus an mehreren Wochenenden zusammengebaut. In den vergangenen Jahren war dieses mehr und mehr in den Besitz meiner jüngeren Geschwister übergegangen. Manchmal zog sich Zac darauf zurück, wenn er sich mal wieder unverstanden fühlte und einfach keine Lust hatte, uns anderen 6 Kids aushalten zu müssen. Hatte ich wirklich in dem alten Baumhaus etwas gesehen? Eigentlich war ich mir sicher, dass es sich um einen Fuß handelte, der hinter dem winzigen Eingang zum Vorschein gekommen und blitzschnell wieder zurück gezogen worden war. Noch immer mit dem Telefon in der Hand, trat ich entschlossen in den Garten und wollte zum Baumhaus hochklettern, um mich von dem dort erwartenden Nichts zu überzeugen. Wieso sollte sich dort auch jemand, außer meiner Familie aufhalten. Ike und Zac waren Rollerbladen, Jessica war mit ihren Freundinnen shoppen, Avery war mit Mum einkaufen und Dad auf der Arbeit. Die Kleinen…. „Taaaayyyyy, Mac ärgert mich“, schrie plötzlich Zoe aus dem Bad. Ich wendete mich vom Baumhaus ab und machte mich schnell auf den Weg ins Bad. „Mac!“, rief ich mittlerweile wirklich genervt, als ich sah, dass er das ganze Badezimmer komplett unter Wasser gesetzt hatte. Ich dachte immer Zac wäre früher anstrengend gewesen, aber Mac toppte ihn in dieser Disziplin um Längen. „Es tut mir Leid!“, entschuldigte er sich kleinlaut und setzte eine Unschuldsmiene auf, sodass man ihm gar nicht böse sein konnte. Ich ging in die Hocke um ihm ernst ins Gesicht blicken zu können. „Mac, du kannst nicht immer alle ärgern! Ich mach dir einen Vorschlag. Du lässt Zoe mal in Ruhe und ich helfe dir dabei das Bad wieder in Ordnung zu bringen“, nach diesem Angebot  nickte Mac mit seinen dunklen, nassen Locken aufgeregt und wollte mich umarmen. Klatschnass wie er war drückte er sich an mich und legte seinen Kopf auf meine Schultern.

Am Abend beschäftigte mich das Geheimnis um das alte Baumhaus immer noch so sehr, dass ich gar nicht aufhören konnte aus meinem Zimmerfenster zu starren. „Hey ho, na was gibt’s Neues Tay?“, gut gelaunt setzte sich Zac neben mich aufs Bett. „Hey, du Träumer, in welchen unbekannten Sphären surfst du denn schon wieder?“ „Zac, lass ihn, wahrscheinlich ist er in Gedanken bei Naaatttt!“, machte sich jetzt auch noch Ike über mich lustig. „Sag mal versteckt er sie vielleicht im Baumhaus, weil er da unentwegt hinstarrt?“, fing Ike an zu stutzen. „Ja, der wartet bestimmt bis alle schlafen und dann lässt er die Nacht zum Tag werden … wohoo!“, brüllte Zac. Erst jetzt rissen sie mich aus meinem Bann. „Sagt mal, ist es euch auch schon mal so vorgekommen, als wenn jemand in unserem Baumhaus wohnen würde?“, ernst gemeint richtete ich die Frage an die Beiden, ohne meinen Blick vom Garten abzuwenden. „Hat er gerade geredet? Oh mein Gott!“, Zac blödelte theatralisch vor sich hin. „Wie meinst du das?“, fragte Isaac nach und ignorierte seinen kleineren Bruder. „Na ja mir kam es heute so vor, als wenn mich von da … Da seht ihr das, es hat sich was bewegt, “ hektisch deutete ich aus dem Fenster hinein in die Finsternis. „Wenn Liebe das Hirn verdünstet. Schlimmer als jede Krankheit“, murmelte Zac und stürzte sich auf mich und presste mich gegen die Matratze um dann unter starkem Gebrüll auf mich einzuprügeln. Ike kicherte vor sich hin und schloss sich dann der spaßigen Prügelei an, obwohl ich mich weniger danach fühlte. Auf einmal ging die Zimmer Tür auf und Dad trat ein: „Hey Jungs, denkt ihr bitte daran, dass die anderen schon schlafen. Hört endlich auf hier rumzubrüllen und hüpft auch endlich mal in die Federn“, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen, aber mit einem sehr bestimmten Unterton. „Die Jungs gaben endlich nach und legten sich bereitwillig in ihre Betten. „Taylor ist alles in Ordnung!“, vermutlich hatte ich vergessen, dass man mir meine gedankenversunkene Miene wieder ansah. „Daaad, er sieht Gespenster“, rief Zac von seinem Bett aus. „Tay?“, mein Vater, ein mittelgroßer Mann mit grau melierten Haaren, hakte nach. „Alles in Ordnung, Dad!“, ich wollte nicht wieder als verträumter Spinner abgestempelt werden. Sicherlich waren Ike und Zac nicht gerade die Typen, die es nicht auch mal wagten zu träumen. Nur war Zac zu cool und Ike zu schüchtern darüber zu reden. „Ok, gute Nacht Jungs“, wünschte uns Dad und klickte das Licht aus. Vielleicht war es ungewöhnlich, dass er seinen fast erwachsenen Söhnen noch gute Nacht wünschte, immerhin wurde Ike im November 21. Dennoch behielt er und Mum sich dieses Ritual bei. Selbst wenn wir unterwegs waren. „Tay? Sei nicht beleidigt, es war nur Spaߓ, sagte Ike während Zac bereits vor sich hin schnarchte. Ich antwortete nicht. Sollte er doch denken, dass ich schon schlief. Ich wusste, dass ich vielleicht zu sensibel war, was dieses Thema anging, aber mich störte es, wenn alle um mich herum behaupteten, dass meine Fantasie mich vom realen Leben abschotten würde. Ich wusste, was ich gesehen hatte. Ich war doch nicht vollkommen bescheuert. Nach endlosen Minuten in denen ich mir Gedanken machte über das was ich gesehen hatte oder nicht, überwältigte mich der Schlaf, wog mich in einer unheimlichen Ruhe und setzte mir mit aufgewühlten Träumen zu. Doch immer wieder spielte unser Garten eine große Rolle. Plötzlich spürte ich eine kalte Hand an meinem Hals, die langsam zu meinem Gesicht wanderte. Gebannt von meiner Schreckensvision, schaffte ich es nicht, aufzuwachen. „Taylor, Taylor“, hauchte es angsteinflößend. „Nein, nein!“, schrie ich und spritzte aus dem Schlaf. Meine Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Schweißgebadet versuchte ich meinen Puls und meine aufgeregte Atmung zu bändigen. „Taylor? Taylor?“, flüsterte es wieder ganz leise an meinem Ohr. Für einen Moment hielt ich die Luft an um die Quelle dieser Töne ausfindig zu machen. Meine Nackenhaare stellten sich auf, als wieder die kühle Hand mich berührte. Dieses Mal traf sie mich am Oberschenkel. Träumte ich immer noch? Wie konnte das nur sein? Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erblickte eine Gestalt, die direkt vor meinem Bett stand, und vielleicht nicht größer als ein Meter war. Erst jetzt fasste ich den Mut, die kleine Lampe über meinem Bett anzuknipsen. Vor mir stand eine völlig zerzauste Zoe, die Tränen in den Augen hatte. „Ich hatte einen schlimmen Traum“, flüsterte sie, „Darf ich bei dir schlafen?“. Verständnisvoll nickte ich und hielt ihr die Bettdecke auf, damit sie rein klettern konnte. Schließlich konnte ich sie in diesem Moment gut verstehen. „Ich hab dich lieb, Tay“, säuselte sie noch, drückte mir ein Küsschen ins Gesicht und kuschelte sich in meine Arme, bevor sie dann einfach einschlief.  

Am nächsten Morgen wurde ich bereits um 7 Uhr von Zoe geweckt. „Hey, du Quälgeist! Ich hab Ferien“, nörgelte ich verschlafen, während sie bereits im Bett rumhüpfte. „Ey, ihr… ich will schlafen“, fing jetzt auch schon Zac an und beschwerte sich im Bett über mir. Ike hingegen war bereits hellwach und schlüpfte beschwingt unter der Decke hervor. Gekonnt schnappte er sich Zoe und verließ grinsend das Zimmer. „Na toll, da kommt man Heim und denkt, man könnte sich von dieser anstrengenden Tour erholen, und was ist,… man wird wach gemacht“, resigniert schwang ich mich aus dem Bett und wuschelte mir verschlafen durch die Haare. „Tay?“, nuschelte Zac unter der Bettdecke hervor. „Ja?“, neugierig sah ich ihm entgegen. Es stellte schon ein groteskes Bild dar, wie dieser etwas zu groß geradene 16-Jährige mit dem Kissen über den Kopf in diesem Etagenbett lag. Ein Fuß baumelte sogar ganz hervor. „Halt die Klappe“, entgegnete er mir forsch. Also ließ ich meinen kleinen, muffeligen Bruder in Ruhe schlafen und wackelte nach unten in die Küche, wo bereits die gesamte Familie beim Frühstück saß. „Guten Morgen mein Schatz“, begrüßte mich meine Mutter und strich mir liebevoll durch die Haare. Sie stellte eine heiße Tasse Kaffee vor mich. Fasziniert schaute ich dem Dampf dabei zu, wie er sich von dem schwarzen Getränk abhob und sich in tanzenden Zügen in Luft auflöste. Dabei bemerkte ich gar nicht, dass mein Vater mich etwas fragte. „Taylor?“, raunte er und sah hinter seiner Zeitung hervor. „Oh tut mir Leid“, entschuldigte ich mich. „Junge, was ist nur mit dir los? Du scheinst immer so abgelenkt“, Dad blickte mir ernst entgegen. „Schon gut, kann ich nach den Proben rüber zu Nat fahren?“, stellte ich ihm stattdessen eine Gegenfrage. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du deine Schwestern nachher vom Ballett abholen kannst?“ Ich nickte, und schweifte mit den Gedanken schon wieder zu dem alten Baumhaus. Ich versuchte mich krampfhaft an die Träume von gestern Nacht zu erinnern. Ich nahm meine Tasse, und wanderte ziellos in den Garten. Dort atmete ich die frische Luft ein, schloss die Augen und ließ mich auf die Verandatreppe sinken. Die letzte Nacht war wie ausgelöscht. Ich versuchte die Bilder zu rekonstruieren, aber ich schaffte es nicht. Enttäuscht und etwas sauer auf mich selbst öffnete ich die Augen wieder. Ich stellte den Kaffee neben mich und steuerte auf das Baumhaus zu. Wenn dieses mich schon um meinen Schlaf brachte, dann wollte ich wenigstens wissen, was ich da gesehen hatte. Ich war fest davon entschlossen, dass ich auf dem Baumhaus die Antwort auf meine Frage stieß. Wenn die Nachbarn mich so gesehen hätten. Zum Glück wurde unser Grundstück von Bäumen ringsum vor neugierigen Blicken geschützt. Ich kletterte langsam die Leiter des Baumhauses hoch. Dieses lag immer noch ruhig in der Baumkrone, so wie wir es vor einigen Jahren gebaut hatten. Auch innen sah es kaum verändert aus. Das Holz hatte sich über die Jahre und die ständigen Wettereinflüsse ein wenig verändert. Ansonsten war nichts Außergewöhnliches an dem Häuschen festzustellen. Nur einige Schokopapierchen lagen wie wild auf dem Boden zerstreut. Wahrscheinlich hatte Mac dort oben verbotenerweise eine Masse an Süßigkeiten gehortet. Das Schleckermaul sah es nämlich nicht ein, vor dem Abendbrot auf seine geliebten Schokoriegel zu verzichten und teilen mit seinen anderen Geschwister… das kam gar nicht in Frage. Bei dem Gedanken, wie Mac sich ab und zu auf dem Baumhaus verschanzte um dort die Süßwaren in sich reinzustopfen, musste ich lächeln. „Und hast du dein Monster schon gefunden?“, Ikes Stimme tauchte unerwartet hinter mir auf. Ich erschrak mich so sehr, dass ich glatt eine Sprosse der Leiter verfehlte und mich gerade noch so davor retten konnte die gesamte Leiter herunter zu fallen. Er brach natürlich sofort in Gelächter aus. „Danke Isaac, für deine ernsthaft gemeinte Frage, aber Mac ist wohl das Monster“, antwortete ich ihm, als ich endlich wieder festen Grund unter den Füßen hatte. Er stutzte. „Na ja, Mac ist wohl ein Krümelmonster“, fügte ich hinzu und hielt ein Papierchen, dass ich bei meinem Absturz gerade noch so fassen konnte, hoch. „Oh!“, entgegnete mir Ike. „Hör mal Taylor, ich glaube wirklich, dass du dich da in etwas reinsteigerst. Was soll denn schon groß da oben sein? Vielleicht ein Eichhörnchen oder ein Vogel, aber das ist doch kein Grund sich deswegen solche Sorgen zu machen“, Ike war schon immer der Vernünftige gewesen. „Ich mach mir doch gar keine Sorgen“, fauchte ich jetzt schon fast genervt. Ich wusste gar nicht, wieso ich mich plötzlich so angegriffen fühlte. „Na gut, dann machst du dir eben keine Sorgen, aber du scheinst dich trotzdem damit zu beschäftigen. Ich glaube nur, dass du dich da zu sehr rein steigerst. Du solltest dich einfach mal ausruhen, verstehst du?“, ich wusste das Ike es nicht böse meinte, trotzdem stürmte ich wutentbrannt an ihm vorbei. „Tay!“, rief er mir hinterher. „Was? Ich weiß ganz genau, dass ihr denkt, ich würde spinnen. Tut doch nicht immer so, als wenn ich total weltfremd wäre“, mittlerweile war ich so aufgebracht, dass ich gar nicht mehr daran dachte, dass es gerade mal halb 8 am Morgen war. Ich stürmte durch das ganze Haus und knallte die Tür unseres Zimmers. „Ey“, stöhnte Zac. Ike platzte ins Zimmer und versuchte wieder auf mich einzureden: „Tay, das sagt doch kein Mensch. Komm mal wieder runter!“ „ Ich soll runter kommen. Ich mach doch gar kein Problem daraus. Lasst mich doch in Ruhe. Hört auf mir etwas einreden zu wollen!“, brüllte ich. In diesem Moment sah ich es ja ein, dass mir meine Augen wohl einen Streich gespielt hatten. Aber wieso machte jeder so ein Drama daraus? Wollte mich denn niemand verstehen? Ich bebte förmlich vor Wut und ich wusste, dass Ike zu harmoniebedürftig war, um dieses Gespräch weiter auszudehnen. Auf einmal meldete sich auch Zac, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte zu Wort: „Tay, beruhig dich mal!“ „Beruhigen?“, ich lachte bitter auf. Ich wollte mich beim besten Willen nicht beruhigen. Vielleicht war es total übertrieben sich jetzt so aufzuregen. Ike stand mittlerweile neben mir und versuchte mir brüderlich auf die Schulter zu klopfen. Ich schnappte mir meine Klamotten, die über dem Schreibtischstuhl hangen und funkelte beide, Zac und Ike, böse an bevor ich ins Badezimmer stürmte. Dort knallte ich erst mal die Tür. Die Probe konnten sie sich für heute echt in die Haare schmieren. Ich machte mich fertig und stapfte runter um mir die Autoschlüssel zu schnappen. Ike lief mir jetzt schon wieder her. Ich gab ihm gar keine Antwort. Ich hatte nur noch ein Ziel. Natalie. „Ike, lass den Sturkopf. Der reagiert sich schon wieder ab“, Zac klopfte Ike gelassen auf die Schulter. An seinem Gesichtsausdruck sah ich, dass Ike es verabscheute sich zu streiten. Sollte er doch ein schlechtes Gewissen haben. Schließlich war nicht ich derjenige, der ständig seinen kleineren Bruder kritisierte. Entnervt fuhr ich aus der Einfahrt und fuhr zu Natalie. Auf dem Weg hatte ich wenigstens einen Moment mich wieder abzureagieren. Natalie lebte noch nicht lange hier in Tulsa. Eigentlich stammte sie aus Georgia. Da sie vor kurzem ihren Highschool- Abschluss gemacht hatte, entschied sie sich in Tulsa zu studieren, um in der Tour-freien- Zeit näher bei mir zu sein. Ich wusste genau, dass  sie sich wünschte mit mir zusammen zu ziehen. Zur Zeit lebte sie im Studentenwohnheim. Auch sie hatte gerade frei und in Situationen wie diesen dachte ich ernsthaft über diese Idee nach. Bei dieser Vorstellung wurde es um mich herum wieder wärmer und ich fand Gefallen daran, sie wirklich in die Tat umzusetzen. Ich war so in meinem Gefühlswirrwarr verstrickt, dass ich kaum registrierte, dass ich wenig später schon im Gang zur ihrer Wohnung stand und wie wild an die Tür klopfte. Langsam öffnete sie und sah mich verwundert an. „Hallo!“, begrüßte sie mich und lächelte mich an. „Was ist denn mit dir passiert“, wollte sie neugierig wissen. Ihre Augen strahlten eine Geborgenheit und Verständnis aus. Sie schob mich in ihr kleines Studien-Appartment und zog den cremefarbenen Satin-Bademantel zu. Sie lehnte sich an die Küchenzeile. „Kaffee?“, sie hielt mir bereits eine Tasse hin. Ich lächelte. „Na, erzähl schon, oder wieso holst du mich jetzt schon aus dem Bett?“, forderte sie mich auf. Ich ging einen Schritt auf sie zu und küsste sie. Wie ich ihre Nähe vermisst hatte. Sie erwiderte meinen Kuss und lenkte mich sanft zum Bett hin, welches hinter einem Regal, das als Raumteiler fungierte, aufgestellt war. Wir wechselten kein einziges Wort. Wir verstanden uns blind und genossen uns und unsere Leidenschaft.

Nach einer Weile wachte ich neben ihr auf. Ihre dunklen Locken kitzelten in meinem Gesicht. Ich rutschte näher an sie ran. Ich liebte es ihre Haut auf meiner zu spüren und ihren Duft in mich einzusaugen. Ich küsste ihren Nacken. „Hey“, kicherte sie und drehte sich um. „Hey“, sagte ich. Ich konnte meine Blicke einfach nicht von ihr nehmen. „Was ist?“, sie küsste meine Nasenspitze und strich mir durch mein blondes Haar. „Ich liebe dich“, antwortete ich. Die Sonne schien durch das Fenster und ließ das Zimmer hell und gemütlich wirken. Sanft strich sie über meinen Arm und forderte mich auf, ihr jetzt endlich zu erzählen, wieso ich eigentlich schon so früh aufgetaucht war. Die Geschichte war schnell erzählt und jetzt durchbohrte sie mich mit ihren Blicken. Ob sie verständnisvoll oder –los waren, wusste ich in diesem Moment nicht einzuschätzen. „Ach Tay“, hauchte sie. Konnte sie etwa auch nicht verstehen, wieso ich mich so aufregte? War sie etwa genauso ignorant wie meine Familie? „Sei ihnen doch nicht immer so böse. Ich denke, du weißt ganz genau, wie sie das gemeint haben.“ „Mhm“, sie hatte Recht. Ich wusste wie sie es meinten, aber mich regte es auf, wenn Ike mich bemutterte. Diesen Gedanken sprach ich laut aus. Als ich bemerkte, was ich gerade sagte, fühlte ich wie das Blut in meinen Kopf stieg. Ich schämte mich dafür, wenn ich mich so kindisch vor ihr aufführte. Meine Probleme schienen in ihrer Gegenwart nichtig. „Ach Scheiße, schon so spät? Ich muss die Mädchen noch vom Ballett abholen“, stellte ich erschrocken fest, und sprang aus dem Bett. Flink schlüpfte ich in meine Kleider, die wie wild auf dem Boden zerstreut lagen. Dann drückte ich ihr noch einen Kuss auf die Stirn und versuchte so schnell es ging ins Auto zu gelangen. Auf dem Weg aus der Wohnung hörte ich noch, wie sie mir hinterher rief, dass ich sie anrufen sollte.
Bevor ich vor dem Ballettstudio vorfuhr, machte ich noch einen Zwischenstopp bei der Bäckerei und holte ein paar Donouts, als Entschuldigung dafür, dass ich so launisch gewesen war. Mit der Packung in der Hand betrat ich die  alte Halle und sah noch die letzten, wenigen Minuten der Ballettprobe. Als die Lehrerin das Ende der Stunde verkündete, stürmten die Mädchen auf mich zu. Zoe sprang auf meinen Arm und sah mich großen Augen an: „Tay, bist du wieder lieb zu uns?“ Jessica und Avery musterten mich argwöhnisch. Wahrscheinlich waren sie immer noch sauer, weil ich Ike den Morgen über so gemein behandelt hatte. Ich entschuldigte mich ausgiebig bei ihnen. Doch ich wusste ganz genau, dass die größte Entschuldigung noch bevor stand. Ich hoffte nur, dass Ike und Zac nicht zu aufgebracht wegen der geplatzten Bandprobe waren. Ich wartete noch bis die Mädchen ihre Sachen aus der Umkleidekabine geholt hatten. In der Zwischenzeit überlegte ich mir, wie ich Isaac erklärte wieso ich so explodiert war. Ich liebte meine Familie über alles, aber war es denn nicht normal, dass man sich ab und zu mal nicht ausstehen konnte. Ike war selten so gemein. Er fraß lieber seinen ganzen Frust in sich rein. Ich konnte mich kaum an einen Moment erinnern, in dem er die Fassung gegenüber uns verloren hatte.
Als wir zu Hause ankamen, suchte ich gleich Ike auf, um endlich mein Gewissen zu bereinigen. Ich wollte ihm nicht das Gefühl vermitteln, dass er zu aufdringlich war. Schließlich war er mein Bruder. Ike saß in unserem Zimmer und kritzelte auf einem Blatt Papier rum. „Kann ich mich zu dir setzen“, hakte ich vorsichtig nach, Ich wollte nicht, dass er mich gleich ablehnte, Ich versuchte einen besonders versöhnlichen Unterton hervorstechen zu lassen. Er sah von seinem Blatt auf und ließ mich neben ihm Platz nehmen. Er sprach kein Wort. „Hör zu,  es tut mir Leid. Ich hab mich aufgeführt wie ein kleines, beleidigtes Kind. Ich will nicht mit dir streiten, ich will nur verstanden werden und es macht mich wahnsinnig, wenn ich den Eindruck habe, dass ich in euren Augen immer noch der kleine naive Junge bin, der an Monster unter seinem Bett glaubt. Ich will nur ernst genommen werden, und nicht immer als der Tagträumer schlechthin verstanden werden“, versuchte ich ihm zu erklären. Schon wieder fühlte ich wie ich rot wurde. Mir fiel es schwer über meine Gefühle zu reden. Ich wusste auch nicht, wieso es mir so schrecklich viel ausmachte. Ike nickte und lächelte: „Schon okay!“ Damit symbolisierte er mir, dass alles verziehen war. Er boxte mir freundschaftlich auf den Oberarm. „Taylor, du weißt ganz genau, dass ich dich ernst nehme. Du weißt doch, was Zac immer sagt: Wir können uns gar nicht trennen, wir sind doch Brüder!“, fügte er noch hinzu. In diesem Moment überkam mich mein schlechtes Gewissen. Heute Mittag hatte ich wirklich noch mit dem Gedanken gespielt, ihn und meine Familie zu verlassen, auszuziehen um mit Nat unser gemeinsames Leben aufzubauen. Jetzt kam es mir so vor, als wenn ich meine Familie nur ausschließen wollte. Ike unterbrach meinen Gedanken, indem er mich ernst ansah und sich nach meiner geheimnisvollen Beobachtung im Baumhaus ausfragte: „ Und jetzt erzähl mal alles was du gesehen hast! Diesmal mache ich mich auch nicht lustig über dich, versprochen.“ Ich wiederholte was ich gesehen hatte, und hoffte erwartungsvoll auf seine Meinung. „Vielleicht hat sich einfach ein Nachbarskind im Baumhaus versteckt. Ich hab schon gesehen, dass die Kleinen öfters mit ihnen Verstecken spielen“, so lautete seine, was ich zugeben musste, passable Erklärung. Ich stimmte ihm nickend zu. Vermutlich hatte er Recht. Ich entschloss mich, das Thema einfach vergessen zu wollen. Es hatte keinen Sinn. Alle hatten Recht, die Erklärung war bestimmt simpel, wieso sollte ich mir also weiterhin Gedanken machen. Als ich Nat einige Minuten später anrief um ihr zu berichten, dass ich mich mit Ike wieder vertragen hatte, teilte ich ihr auch mein schlechtes Gewissen wegen den Auszugsplänen mit. Ihre Reaktion war anders als ich erwartet hatte. „Du willst mit mir zusammen ziehen?“, es gelang ihr nicht, ihre Vorfreude in ihrer Stimme zu verbergen. „Moment mal. Steiger dich bitte noch nicht so sehr herein, vor allem behalte das erst mal für dich, okay? Meine Familie weiß noch nichts davon und sie sollen es, wenn es so weit ist von mir erfahren.“ Sie schien nicht begeistert, akzeptierte aber meine Bedenken. An diesem Abend entschied ich mich, all meine Gedanken und Gefühle meinem Tagebuch anzuvertrauen. Während der Tour war ich nicht dazu gekommen irgendetwas zu notieren. Ich bewahrte es immer unter meiner Matratze auf, was mir einfach das sicherste Versteck vor meinen quirligen Geschwistern schien. Mein Tagebuch stellte ein Sammelsurium an Gedichten dar, aus denen irgendwann Lieder entstanden. Auch wenn früher oder später meine Gedanken ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden, dann sollten sie trotzdem nicht ungewollt in die falschen Hände gelangen. Ich empfand es als enormen Unterschied, ob ich freiwillig ein Lied daraus machte und es anderen vorspielte, oder ob irgendjemand meine puren Emotionen aus sehr persönlichen Situationen herausfilterte.
Der nächste Tag gestaltete sich ruhiger als der letzte. Nat hatte sich entschlossen mich zu besuchen, und kündigte ihr Vorhaben am Vormittag per Telefon an. Zac, Ike und ich hielten an diesem Mittag unsere Proben ein. Jedoch mussten wir immer auf Zac warten, der als einziger von uns drei noch von Mum und Dad unterrichtet wurde. Vor über 10 Jahren war Dad von seiner damaligen Ölfirma nach Südamerika versetzt worden. Dort hatten wir nur das erste Jahr an einer Schule verbracht. Aufgrund der ständigen Versetzung meines Vaters entschieden Mum und Dad uns von nun an selbst zu unterrichten. Ich hatte vor einem Jahr bereits meine Highschool- Abschlussprüfung an der Tulsa High überstanden. Dies stand zum Leidwesen Zacs noch vor ihm. „Bin ich froh, wenn dieser Mist endlich rum ist“, jammerte er, als er in den Probenraum hastete, „Dann widme ich endlich ganz meinem Schlagzeug.“ Er lachte und hämmerte darauf herum. Ike und ich lachten über seine ungeduldige Haltung gegenüber der Schule. Die Zeit verging schneller als man glaubte. Danach beschlossen wir zusammen den Nachmittag in der Küche bei einem Stück Apfelkuchen ausklingen zu lassen, den Mum gebacken hatte und die gesamte Straße in ein verheißungsvolles Dufterlebnis tauchte. „Na Jungs, alles klar?“, erkundigte sich unsere Mutter über den Stand der Proben. „Alles supi“, mampfte Zac. „ Nat ist übrigens oben, Taylor! Sie wartet schon 20 Minuten“, informierte sie mich. „Waassss?“, ungläubig starrte ich sie mit großen Augen an und ließ die Gabel zurück auf meinen Teller sinken: „Wieso hast du nichts gesagt?“ Ich sprang auf, und rannte die Treppen bereits hoch, da erwiderte sie: „ Na ja, sie wollte in deinem Zimmer warten, damit ich euch nicht unterbrechen muss!“
Nat hatte es sich hingegen in unserem Zimmer gemütlich gemacht, sah jedoch erschrocken von der Bettdecke auf, als ich in das Zimmer stürmte. „Wieso hast du dich nicht einfach in die Probe gesetzt?“, fragte ich neugierig. „ Ach weißt du, hier oben kann es auch ganz schön interessant sein“. Ich lud sie zu einem Stück Apfelkuchen ein. Ich wusste, dass meine Geschwister sich über ihren Besuch sehr freuen würden. Meine Geschwister liebten sie. Ein Wunder, dass sie sie noch nicht überfallen hatten. Man musste aber auch erwähnen, dass Natalie unheimlich verliebt in kleine Kinder  war. Vor allem Zoe war ihr besonders ans Herz gewachsen. Vor einem Jahr war sie so sehr von „Baby Zoe“ begeistert, dass meine Mutter sich im Scherz Gedanken machte, ob Natalie die Kleine nicht vorhatte sie zu entführen. Ich schmunzelte, als ich über die Erinnerungen nachdachte. Die Zeit verging wie im Flug. Mir kam es vor, als wenn wir gerade mal fünf Minuten am Tisch saßen und herum alberten. Doch in Wirklichkeit war es schon spät am Abend. Für Natalie hieß dies, dass es Zeit war ins Wohnheim zurückzukehren. „Am liebsten würde ich ja hier bleiben“, seufzte sie. „ Ja ich weiߓ, ich strich ihr liebevoll über den Rücken, „Komm, ich fahr dich noch nach Hause.“ Sie willigte ein und nach kurzer Zeit saßen wir im Wagen vor dem Campusgelände. Sie bedankte sich mithilfe eines Kusses, der mich unser Umfeld ganz vergessen ließ. Dabei rutschte ihre braune Umhängetasche vom Schoss. Einige Bücher und viele Blätter fielen aus ihr heraus, und verstreuten sich über den Fahrzeugboden. „Scheiße“, fluchte sie, bevor sie sich bückte um den ganzen Kram wieder aufzuheben. „Warte, ich helfe dir!“, sagte ich zu ihr, und war gerade dabei, auszusteigen um auf die Beifahrerseite zu gelangen. „Nein, nein, schon in Ord...Ordnung“, stammelte sie und stopfte jetzt nervös alle Dinge wieder zurück wo sie herkamen. Dann sprang sie aus dem Auto, noch bevor ich ihr die Tür öffnen konnte. Flüchtig drückte sie mir einen Kuss auf die Wange, und bahnte sich ihren Weg über die grüne Rasenfläche. „Ich komm morgen vorbei“, versprach ihr. Ein letztes Mal drehte sie sich in meine Richtung, und steckte sich eine Strähne hinter ihr Ohr. In der Dunkelheit war nur noch ihr strahlend weißes Lächeln zu erkennen, alles andere wurde in das tiefe Schwarz der Nacht gehüllt.

­Wenig später kam ich fröhlich zu Hause an. Der Gedanke an den nächsten Tag stimmte mich vergnügt. „Meine Mutter stand am Fenster als ich den Weg zum Haus zurück lief. Sie öffnete mir die Tür und fragte mich nach dem Grund, meiner plötzlich auftauchenden, guten Laune. „Hat wohl was mit der Liebe zu tun“, rief Zac hinten aus dem Wohnzimmer. Ich pfiff vergnügt vor mich hin, schnappte mir aus dem Musikzimmer eine Gitarre und verschwand nach oben in unser Zimmer. Dort verbrachte ich noch einige Stunden damit eine neue Melodie auszutüfteln. Ich wollte sie unbedingt an diesem Abend fertig stellen, denn dieses Lied wollte ich Natalie am nächsten Tag schenken. Sie war das Wichtigste in meinem Leben, dafür alleine verdiente sie etwas Besonderes. Sie machte aus mir einen besseren Menschen. Doch das wusste ich schon länger. In meinem Tagebuch standen so viele wundervolle Dinge über sie, das würde reichen um ein ganzes Haus damit zu füllen. Dieses Material wollte ich einfach nur in etwas Kreatives umsetzen und ihr damit meine Zuneigung zeigen. Ich saß im Schneidersitz auf meinem Bett, neben mir die Gitarre und ich hob die Matratze etwa an, um an das versteckte Tagebuch zu gelangen. Doch da war kein Tagebuch mehr. Verwirrt sprang ich aus den Kissen, und setzte mich genau vor die Matratze um überprüfen zu können, ob ich das Buch vielleicht einfach nur etwas weiter zur Bettmitte hin verschoben hatte. Aber was ich sah war…Nichts. Mein Tagebuch mit all meinen Gedanken, Gefühlen, Träumen und Ängsten war nicht mehr aufzufinden. Ich hatte es am Abend zuvor ganz sicher unter diese verdammte Matratze gelegt. Oder war ich vielleicht zu müde gewesen, und hatte es doch wo anders hingelegt. Ich durchwühlte mein ganzes Bett, sah unter den Kissen nach, unter der Decke, schmiss mich auf den Boden um unter das Bett schauen zu können. Langsam verfiel ich in Panik. Ich durchsuchte das komplette Zimmer in der Hoffnung endlich fündig zu werden. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Wenn ich sicher war das Tagebuch unter mein Bett gelegt zu haben, dann musste es sich jemand anderes genommen haben. Wer von meinen neugierigen Geschwistern war denn dieses Mal die diebische Elster? Ike schloss ich aus, denn er war selbst viel zu feinfühlig um eine solche Situation scharmlos auszunutzen. Zac hingegen interessierte mein Gekritzel nicht. Er würde es früher oder später sowieso aus den Liedern, die wir schrieben erfahren und daraus machte er sich des Öfteren einen Reim. Ansonsten kamen nur noch die neugierigen Mädchen in Frage, denn Mac war zu faul zu lesen, in seinem Alter nicht gerade eine Seltenheit und Zoe war dieser Fähigkeit noch nicht mächtig. Also musste entweder Jessica oder Avery hinter diesem mysteriösen Vorfall stecken. Ich stürmte mittlerweile Wut entbrannt aus dem Zimmer ins Erdgeschoss um meiner Empörung Luft zu machen. Mum, Dad, Ike, Zac und Jessica waren die Einzigen, die an diesem Abend noch nicht im Bett lagen. „Ah, da ist ja mein Sohnemann Nummer 2“, lachte mein Vater auf, als ich das Zimmer betrat. „Jessica, warst du in meinem Zimmer?“, mit großen blauen Augen sah sie mich fragend an. „Ehm, ja, als Natalie da war!“, gestand die 13-Jährige. „Hast du mein Tagebuch genommen“, ich musste mir Mühe geben nicht zu laut zu werden. Auf der einen Seite wollte ich meine Geschwister nicht wecken, auf der anderen Seite wusste ich, dass sie unheimlich sensibel war. Es war nicht meine Absicht sie zum Weinen zu bringen. Schnippisch sprang sie vom Sofa auf. „Du spinnst doch! Warum sollte ich dein bescheuertes Tagebuch genommen haben“, erwiderte sie lautstark. „Weil du schon immer neugierig warst, du kleine Schnüfflerin“, unterstellte ich ihr in einem sehr harschen Tonfall. Ich sah schon die ersten Tränen in ihren Augen glitzern. Sie stürmte auf mich los, schob mich aufgebracht zur Seite und verließ ohne ein Wort zu sagen, aber mit großer Mühe ihre Tränen nicht offen zu zeigen, das Wohnzimmer. „Taylor, musste das sein“, ermahnte mich meine Mutter. „Ja, verdammt noch mal es musste sein, weil man in diesem scheiß Haus nicht eine Minute mal seine Privatsphäre haben kann“, brüllte ich. „Ich bin es leid, selbst meine intimsten Gefühle mit meiner ganzen Familie teilen zu müssen. Nie hat man was für sich! Mir steht es bis hier, ich werde mit Natalie zusammen ziehen!“, verkündete ich und ließ meine Familie vor den Kopf gestoßen zurück.
Auch am nächsten Tag hatte sich meine Wut kaum gelegt. Zwar kam es zum Glück nicht zu einem weiteren Gefühlsausbruch, der war mir zugegeben nämlich wirklich peinlich, dennoch waren die Verhältnisse immer noch sehr angespannt. Beim Frühstück musterten mich meine Geschwister mit verständnislosen Blicken, während meine Eltern mich mit einer Mischung aus Sorge und Mitleid umnebelten. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich vollendete mein Frühstück und zog mich zurück ins unser Zimmer zurück. Ich wollte einfach alles nur noch hinter mich bringen. Jessica war immer noch sauer auf mich. Sie würdigte mich keines Blickes. Aber war sie denn nicht selbst Schuld daran. Ich hatte ihr nicht befohlen mein Eigentum an sich zu nehmen und ohne Grund verdächtigte ich sie auch nicht. Sie liebte es in Sachen anderer Menschen rum zu wühlen. Dieses Mal ging es definitiv zu weit. Hatte ich denn kein Recht auf ein bisschen Privatsphäre. Ich teilte doch schon wirklich alles mit ihnen, konnte es nicht akzeptiert werden, wenn ich wenigstens dieses kleine Stück für mich alleine behalten wollte. Ich war immer der liebe, brave Bruder, ich würde alles für meine Familie tun. Das wussten sie. Natürlich war es als Mitglied einer neun-köpfigen Familie nicht immer leicht, aber ich steckte gerne zurück, weil ich auf keinen Fall wollte, dass es einem schlecht ging. Ich habe immer mehr gegeben als verlangt, doch das wurde nicht zur Kenntnis genommen. Bevor mein Vater auf die Idee kommen konnte ein Gespräch mit seinem rebellischen Sohn aufzusuchen, plante ich für heute das Haus zu verlassen. Ich hatte nicht vor auch nur irgendjemandem etwas davon zu erzählen. Ich packte ein paar Sachen zusammen, und rauschte unbemerkt ab. Ich dachte nicht mehr nach. Alles was noch einigermaßen wichtig erschien, war die Zeit so gut es ging herumzukriegen. Als ich mich auf den Weg zu Natalie machte, legte ich noch einen Zwischenstopp an einem kleinen Laden ein. Um endlich mit unserer Wohnungssuche beginnen zu können, fehlten noch die Zeitungen mit dem Immobilienteil. Ich setzte mich noch eine Weile auf eine kleine Mauer neben dem Geschäft. Bevor ich zu Natalie ging, wollte ich unbedingt noch ein paar Anzeigen heraussuchen, um sie damit überraschen zu können. Bei der Vorstellung wie sehr ihre dunklen Augen anfangen würden zu strahlen, besserte sich meine Stimmung. Konzentriert kaute ich auf dem roten Stift rum, als ich die Seiten nach Wohnungsanzeigen durchforstete. Da! Perfekt für die erste gemeinsame Wohnung. Ich wusste es würde ihr gefallen. Eine kleine 3 Zimmer Wohnung mit einem kleinen Balkon. Sie wurde als hell beschrieben und ich malte mir aus, dass wir aus dem 3. Zimmer ein kleines Arbeitszimmer für Natalie einrichteten. Ich war stolz auf sie, weil sie zur Uni ging. Sie war so intelligent, und sie war dabei wirklich was aus ihrem Leben zu machen. Zwar hatte ich mit meinen 18 Jahren auch schon Etliches mit unserer Musik erreicht, trotzdem bewunderte ich sie. Irgendwann wollte ich eventuell auch zur Uni, aber diese Pläne hatte ich so lange auf Eis gelegt, wie es uns noch möglich war mit der Musik unser Leben zu unterhalten. Deswegen war ich im Gegensatz zu vielen anderen in meinem Alter in der Lage meiner Familie mit der eigenen Wohnung den Rücken zu kehren. Verliebt kritzelte ich auf der Zeitung herum und zeichnete einen kleinen Comic, in dem mein Comic-Selbst Natalies Comic Figur fragte, ob sie mit ihm in die markierte Wohnung aus der Zeitung ziehen wolle. Nachdem ich mein Kunstwerk vollbracht hatte, sprang ich von der Mauer. Vergnügt kam ich bei Natalie an. Auf dem Rücken hatte ich meinen Rucksack, der mein ganzes Hab und Gut für die nächsten Stunden beinhaltete. Ich schob ihr die Zeitung unter der Tür durch, bevor ich an die Tür klopfte. Es dauerte einen Moment, doch dann öffnete sie mir. Sie hatte Tränen in den Augen und schlug fassungslos die Hand vor den Mund. Sie schüttelte den Kopf und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre zarten Wangen. „Jaaaaaa, Tay! Ich will mit dir zusammen ziehen!“, jubelte sie und sprang mit einem Satz an mir hoch. Ich umklammerte sie und Natalie strich mit ihren kleinen Händen über meinen Nacken. „Ich bin so glücklich“, flüsterte sie mir ins Ohr und küsste mich hunderte Mal. Ich trug sie zurück in ihre Wohnung. „Wollen wir gleich anrufen und einen Termin vereinbaren?“, aufgeregt sprang sie vor mir rum, nachdem ich sie runter ließ. Ich stimmte ihr zu. Sie schnappte sich das Telefon und wählte schnell die Nummer. Sie strahlte. Ich konnte meine Augen nicht von ihr nehmen. Ich war so glücklich, dass sie sich so darüber freute. Sie machte einen Termin für den übernächsten Tag aus. „Danke Tay!“, sagte sie immer wieder und strich mir die halblangen, blonden Strähnen aus den Augen. Ich schlang meine Arme um ihre Taille und küsste ihren Nacken. In diesem Moment konnte uns einfach nichts trennen. Es war alles perfekt. Kaum zu glauben, dass wir bald zusammen ziehen würden. Auf den morgigen Tag freute ich mich, und ich wusste, ihr ging es nicht anders. „Ich muss unbedingt Mary anrufen“, jubelte sie. Mary war ihre beste Freundin, die sie schweren Herzens in Georgia zurück gelassen hatte. Bei jeder Gelegenheit versuchte sie Mary auf dem Laufenden zu halten. Ich konnte es ihr nicht verübeln, dass sie auch nun ihrer Freundin mitteilen wollte, wie glücklich sie über den Entschluss mit mir zusammen zu ziehen sei. Deswegen entschloss ich mich eine Dusche zu nehmen. Durch meinen kleinen Zwischenstopp vor dem kleinen Geschäft war ich doch unangenehm geschwitzt. Ich schnappte mir also meine Tasche und ging in das kleine Bad, während Nat aufgeregt die Nummer in den Hörer tippte. „Maaarrryy“, jauchzte sie in das Gerät, „Mary, es ist etwas Wunderbares passiert“. Dann prasselte das Leitungswasser auf meinen Kopf und dämpfte jedes Geräusch um mich herum, bis es in eine gleichmäßige Ruhe überging. 

Nach dieser Erfrischung wickelte ich mir ein Handtuch um die Hüfte und stapfte aus dem Badezimmer. Der Hörer lag wieder auf seinem gewohnten Platz und Natalie saß strahlend auf dem Bett. „ Mary, kommt mich besuchen“, sagte sie ohne dass ich fragen musste. „Schön, wann denn?“, neugierig setzte ich mich zu ihr. Sie holte tief Luft, als wenn sie mir etwas Wichtiges zu sagen hätte. „Morgen! Ich weiß, es ist kurzfristig, aber sie hat eben noch ein Last Minute Ticket ergattert, was gar nicht so teuer war und ich dachte, es macht dir vielleicht nichts aus. Du magst sie doch auch, oder?“, nervös kratzte sie sich die Stirn. „Oh! Ja, natürlich mag ich sie. Na ja, kein Problem, das kriegen wir schon hin“, murmelte ich, dabei überraschte mich die Entscheidung ihrer Freundin jetzt so plötzlich nach Oklahoma zu kommen. Na ja, ich wollte ihr die Vorfreude nicht verderben und machte mich hingegen mit dem Gedanken vertraut am nächsten Tag wieder nach Hause zu gehen. Vielleicht war es auch an der Zeit um endlich zu Hause deutlich zu machen, was im Moment meine Pläne waren. Doch erst einmal wollte ich nicht daran denken und die Zeit mit meiner Süßen verbringen. Anstatt uns diesen Abend vor den Fernseher zu setzen, entschlossen wir uns mit Freunden zu verabreden. Seit Wochen hatte ich meinen besten Kumpel nicht mehr gesehen und da Natalie unbedingt Anschluss suchte, hielt ich es für eine gute Entscheidung sie mitzunehmen. Wir verabredeten uns zum Billard spielen. Da Nat immer noch so begeistert von der Idee war mit mir zusammen zu ziehen, konnte ich es ihr nicht ausreden, unser Vorhaben erst einmal nicht herum zu erzählen. Als wir jedoch ankamen und Natalie ihr Dauergrinsen nicht mehr verbergen konnte, war unser „Geheimnis“ längst schon keines mehr. Kevin, mein Sandkastenfreund, roch natürlich den Braten und Natalie sprudelte nur so mit der Neuigkeit hervor. „Was?“, ungläubig sah er mich an. „Ihr zieht zusammen? Und was sagen deine Eltern“, wollte er neugierig wissen. „Ach…!“, stöhnte ich nur, und strich mir durch meine Haare, die mir die Sicht auf den Billardtisch nahmen. „Du hast es noch gar nicht angesprochen?“, stellte er fast höhnisch fest. „Doch!“, ich verfiel in mein altes, wortkarges Verhalten. Typisch, wenn jemand auf ein eher unangenehmes Thema zu sprechen kam. Kevin stutzte. Auch hier wusste er mehr, als ich preisgab. „Hör mal Tay, ich denke das ist eine Phase“, begann er. Ich wurde hellhörig. Wollte er mich jetzt etwa kritisieren? Für Dinge von denen er nichts verstand. Ich drehte mich um um herauszufinden, ob sich Natalie in Reichweite befand. Sie aber stand bei einer anderen Freundin und plauderte. „Was für eine Phase?“, zischte ich Kevin an, während ich mich ihm wieder zu wendete. „Na ja, Nat ist wirklich nett, aber wieso willst du mit ihr zusammen ziehen?“, er zog eine Augenbraue hoch. „Wieso nicht?“, ich setzte den Queue neben meinen Fuß auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hatte wirklich keine Lust darauf, dass nun auch noch mein bester Freund meine eigenen Entscheidungen in Frage stellte. „Du bist gerade 18 geworden, musst du deswegen alles über’s Knie brechen?“, weiter kam er nicht, denn ich winkte ihm energisch ab. Abgesehen davon, wollte ich nicht, dass Natalie seine Zweifel an unserer Liebe aussprach. Denn darauf würde diese Unterhaltung hinauslaufen. Den Abend über hörte Kevin nicht auf spitze Bemerkungen zu äußern. Daher wollte ich bereits schon nach wenigen Stunden nach Hause. Ich hatte keine Nerven dazu mir seine tollen Ratschläge anzuhören. Schließlich war ich alt genug, und konnte selbst entscheiden, was richtig und was falsch für mich beziehungsweise uns war. Kurz angebunden verabschiedete ich mich von meinen Freunden und schlenderte dann, Hand in Hand, mit Natalie die Straße entlang. „Wieso bist du so still?“, fragte mich Nat. Ich merkte noch nicht mal, dass ich schon eine Zeit lang nichts mehr gesagt hatte. Ich grübelte immer noch über die Kommentare von Kevin nach. Wieso wollte denn niemand einsehen, dass ich und sie einfach zusammen gehörten und wir deswegen auch räumlich nicht mehr distanziert leben wollten? „Nichts“, log ich, denn ich wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlte. Oder noch schlimmer, dass sie sich Vorwürfe machte und sich ungewollt von diesem Idioten verstand. Warum er so etwas sagte, wusste ich wirklich nicht. Bald darauf kamen wir wieder am Studentenwohnheim an. Natalie kuschelte sich in dieser Nacht ganz dicht an mich und verfiel in einen tiefen Schlaf, ich hingegen lag die ganze Nacht wach und dachte über uns nach. Ich schämte mich, dass ich aufgrund dieser Vorfälle alles durchdachte. Dieses bescheuerte Gefühlswirrwarr sollte aufhören. Wir würden zusammen ziehen, egal was kam. Dachte ich jedenfalls in diesem Moment.
Kaum waren wir am nächsten Tag aufgestanden, verging die Zeit wie im Flug. Die Bedenken der letzten Nacht waren wie weggeblasen, und gelassen kochte ich für meine Liebe Spaghetti, während sie duschte. Vergnügt sang ich vor mich hin. Das war es was mir fehlte. Mein Klavier. Sobald ich zu Hause war, wollte ich mich direkt an das alte, dunkle Klavier setzen und in die Musik eintauchen. Wie lange ich das schon nicht mehr gemacht hatte. „Hey!“, Natalie riss mich aus meinen Tagträumereien und schlang von hinten die Arme um meine Taille. „Das riecht so lecker“, kicherte sie und naschte von der Soße. „Ey“, protestierte ich und drehte mich um. Zärtlich strich ich ihr mit einer Hand die feuchten Haare aus dem Gesicht und ließ diese auf ihrer weichen Wange verharren. Mein Blick wanderte über ihre ebene Haut und versank in ihren braunen Augen. Wir vertieften uns in einen innigen Kuss. „Tay? Ich hab Hunger“, lachte sie auf. „Ok, lass uns essen“, stimmte ich ihr strahlend zu. Ich war verdammt stolz darauf, dass es ihr schmeckte, und ich konnte mein Lächeln nicht mehr aus meinem Gesicht verbannen. Kaum hatten wir unser Mahl verdrückt und den Tisch abgeräumt, klopfte es an ihrer Tür. Erwartungsvoll ging sie zur Tür und öffnete diese. Als sie ihre Freundin mit einer Reisetasche erblickte, quietschte sie und sprang ihr in die Arme: „Maaarrryy!“
Dies war der Punkt an dem ich mich entschied zu gehen. Nicht, dass ich genervt gewesen wäre, aber ich fand es war Zeit mich zurück zu ziehen und die Beiden alleine zu lassen. Schließlich hatten sie sich lange nicht gesehen und hatten sich bestimmt viel zu erzählen. „Du brauchst wirklich nicht zu gehen, Taylor!“, erklärte mir Mary. „Nein schon in Ordnung, ich hab noch einiges zu Hause zu klären. Lasst es euch gut gehen, und schön dich mal wieder getroffen zu haben. Vielleicht sieht man sich nochmal“, verabschiedete ich mich von den Beiden. Ich schnappte mir meine Tasche und verließ nach einem Abschiedskuss von Natalie die kleine Wohnung. Ich marschierte vergnügt nach Hause, bis mir auf der halben Strecke bewusst wurde, dass ich meinen Haustürschlüssel bei Natalie liegen gelassen hatte. Da es gut möglich war, dass sich um diese Zeit keiner zu Hause befand und ich anders nicht ins Haus gelangen würde, machte ich kehrt. Natalies Wohnung lag im Erdgeschoss des Studentenwohnheims. Weil ich zu faul war um den ganzen Komplex zu laufen, wollte ich an Natalies Fenster klopfen, damit sie mir den Schlüssel hinausreichen konnte. Ihr Fenster stand noch vom Morgen sperrangelweit offen, und ich konnte bereits vom Gehweg die zwei Mädchen auf der Couch sitzen sehen. Ihre Köpfe waren geneigt, und in irgendetwas vertieft. Mit schnellen Schritten trat ich an das Fenster, doch sie nahmen mich nicht wahr. Sie starrten hingegen auf ein kleines Buch und kicherten. Schlagartig wurde mir bewusst, was für ein Buch das war. „Nat, das ist so verdammt süß. Er ist so schrecklich in dich verliebt. Ich kann es kaum fassen, wie er über dich schreibt. Ich beneide dich“, jubelte Mary. „Jaa, er ist so toll. Ich muss dir noch was zeigen“, entgegnete Natalie. Ich war geschockt. Das was ich da sah, konnte ich einfach nicht fassen. Natalie blätterte durch mein Tagebuch und fing an zu zitieren: „Natalie ist wohl das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin glücklich mit ihr, und ich kann mir sogar vorstellen, mein Leben für immer mit ihr zu teilen. Sie ist einfach genau richtig und ich bin so dankbar, dass sie mich genauso liebt. Ich fühle mich bei ihr so wohl, und ich weiß genau, dass sie die Richtige ist. Sie wird die Frau sein, die ich heirate und mit der ich Kinder haben werde, auch wenn sich das total kitschig und bescheuert anhört. Aber wie kann etwas bescheuert sein, wenn es sich so wunderbar und gut anfühlt?“ Die Worte kamen mir so bekannt vor. Kein Wunder, denn diesen Eintrag hatte ich erst vor Kurzem verfasst. „Oh mein Gott, er ist soo süߓ, schwärmte Natalie und sank mit dem Tagebuch auf der Brust zurück in die Couchlehne. „Weißt du Mary, ich bin so glücklich mit ihm und ich wünsche mir so sehr, dass er mich endlich heiratet. Ich weiß es ist verrückt, aber ich wollte schon immer früh heiraten und ich will Kinder mit ihm. Am liebsten gleich“, träumte Natalie vor sich hin. „Ja, aber du hast doch gerade dein Studium angefangen?! Willst du das etwa aufgeben?“, fragte Mary, jedoch ließ sie keinen entsetzten Unterton verlauten, wie man es sich hätte eher vorstellen können. „Ach, ich weiß nicht, ich will eigentlich gar nicht studieren. Es macht mir keinen Spaß. Ich will lieber mein Leben mit ihm verbringen. Stell dir doch mal vor, wenn wir verheiratet wären, dann könnte ich immer bei ihm sein, und müsste nicht hier im elenden Studentenwohnheim versauern“. „Und was sagt er dazu? Ich meine, ich kann dich so gut verstehen, aber will er das auch?“, informierte sich Mary über den Stand der Dinge. „Ich hab die Pille abgesetzt!“, eröffnete sie ihr plötzlich aus heiterem Himmel und ihre Augen blitzten frech auf, wie bei einem kleinen Kind, dass sich seiner Missetat überaus bewusst war, sie aber nicht bereute. „Nat!“, empört  sah Mary sie an. „Mary, ich weiß, dass es richtig ist. Es ist verrückt, aber er liebt Kinder. Du müsstest sehen, wie er mit seinen Geschwistern umgeht. Wenn es erst mal so weit ist, dann wird er ganz vernarrt sein. Ich weiß es einfach und wir werden glücklich sein“, faselte sie. Ich konnte es nicht fassen. Eine Leere erstreckte sich in mir. Sollte ich mich bemerkbar machen? Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Konnte ich da wirklich meinen Ohren trauen? Natalie hatte mein Tagebuch gestohlen und plauschte nun gemütlich über meine tiefsten Emotionen mit ihrer Freundin. Wenn sie es vielleicht für sich behalten hätte, dann wäre es auch nicht in Ordnung gewesen, aber so kam ich mir vor, als wenn sie mich die ganze Zeit nur beschissen hätte. „Taylor!“, erschrak Natalie plötzlich und versuchte mein Tagebuch zu verstecken. Ich raffte mich auf und versuchte meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Ich stieg durch das Fenster in die kleine Wohnung ein und baute mich vor ihr auf. „Wie… wie lange stehst du schon da draußen?“, stotterte Natalie. „Hör endlich auf damit. Gib mir mein Tagebuch!“, forderte ich, während ich mir meine Schlüssel schnappte. „Was … welches Tagebuch!“, sie stellte sich dumm. Langsam verlor ich die Fassung. „Hör endlich auf mit mir zu spielen!“, fauchte ich aufgebracht und griff hinter ihren Rücken, um meinen Besitz wieder an mich zu nehmen. „Taylor, es ist nicht so, wie du denkst. Es tut mir leid, aber lass es dir doch erklären!“, forderte sie. Ich war erschüttert über ihre bodenlose Dreistheit. „Was verdammt nochmal? Was willst du mir noch erklären? Warum du mir vielleicht ein Kind anhängen willst, ohne überhaupt mit mir darüber gesprochen zu haben? Du setzt die Pille ab und ich soll mich fügen? Ich dachte du liebst mich. Und dann stiehlst du mir noch mein Tagebuch und trittst alles breit, meine Gefühle, alles was irgendwie im Geringsten eine Bedeutung für mich hat? Jetzt soll ich dir noch zu hören? Ich will dich einfach nicht mehr sehen, verstehst du?“, mittlerweile war ich so aufgebracht, dass ich meine Wut und Enttäuschung nicht mehr vorenthalten konnte. Mary schenkte ich keine Beachtung, denn diese Sache war schrecklich geschmacklos und ich wollte so schnell es geht weit weg von Natalie. „Tay, ich liebe dich. Bitte, ich brauche dich. Ich weiß es war falsch, aber du wünschst dir doch auch Kinder!“, sie hatte immer noch nicht meinen Standpunkt begriffen. In diesem Moment wurde ich immer wütender: „Schon möglich, aber ich möchte das selbst entscheiden. Außerdem bin ich erst 18 und du gehst zur Uni, verdammte Scheiße“, in dem Chaos von Enttäuschung, tiefer Traurigkeit und Wut realisierte ich langsam das diese Unterhaltung, wenn man das so nennen konnte, keinen Sinn mehr hatte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Wohnung. Mit einem großen Knall läutete ich so das Ende unserer bisher bestehenden Beziehung ein. Ich wusste nichts mehr, ich wusste weder ob ich sie liebte oder vermissen würde. Ich war mir nicht darüber im Klaren, ob sie jemals wirklich in mich verliebt war oder ob ich nur ein Mittel zum Zweck war. Ein Mittel um ein finanziell abgesichertes Leben mit einer gewissen Popularität zu erreichen. Verwirrt stolperte ich in Richtung zu Hause, doch dort sollte ich erst nach einigen Stunden der Einsamkeit eintreffen.

Re: Your Illusion


Ich war immer noch verwirrt, als ich zu Hause ankam. Müde von den heutigen Erlebnissen, tappte ich durch das Haus. Es schien niemand zu Hause zu sein. Zum Glück, denn ich hatte keine Lust auf nicht enden wollende Diskussionen. Mein Vorhaben, mich an das Klavier zu setzen, hatte sich demnach auch erledigt. Wie betäubt streifte ich meine Turnschuhe von den Füßen, ließ sie achtlos verstreut liegen und ging in den Garten. Wenn ich mich so recht erinnere, war es wohl kein gehen mehr, sondern eher ein Schlurfen. Ich hatte nicht die Kraft eine aufrechte Haltung zu bewahren. Das Gras unter meinen Füßen war feucht, und  versprühte eine gewisse Kälte. Eine Kälte, die mir so hart vorkam. Ich konnte mich kaum erinnern, wann ich jemals so … ach ich konnte mich an gar nichts erinnern. Vielleicht war das auch besser so. Meine Hand tastete nach der Holzleiter des alten Baumhauses. Die Sonne stand schon ganz tief, und tauchte den Abendhimmel in ein warmes rot. Ich musste ewige Stunden draußen umher geirrt sein, denn als ich bei Natalie weg gelaufen war, konnte es kaum später als 14 Uhr gewesen sein. Ich fühlte mich so schrecklich leer. Es war, als wenn in mir eine kleine Seifenblase zerplatzt wäre, die zuvor mein ganzes Leben um einiges bunter gestaltet hatte. Vorsichtig kletterte ich die Leiter hoch. In diesem Moment schien es mir, als sei das hier der ideale Ort um sich vor der ganzen Welt da draußen zu verstecken. Kaum saß ich auf dem Holzboden, mit den Beinen vor mir, da brachen auch schon meine ganzen Emotionen aus mir heraus. Die Tränen hatten sich zu lange aufgestaut, und ich konnte sie einfach nicht mehr zurück halten. Ich schämte mich meiner Tränen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Hatte ich Natalie zu wenig das Gefühl gegeben, geliebt zu sein? Musste sie deswegen mein Tagebuch stehlen? War ich ihr gegenüber zu verschlossen gewesen? Ich fühlte mich schäbig. Sicherlich war ich an der Sache Schuld. Ich hatte sie dahin getrieben. Ich verstand einfach nicht, wieso sie alles hinschmeißen wollte, wegen einem Kind. Natürlich liebte ich Kinder, und irgendwann wäre sie auch die richtige Frau dafür gewesen, aber doch nicht jetzt. Ich konnte mich kaum noch beruhigen. Aufgewühlt schlug ich mit der Faust an die Baumhauswand. Für einen Augenblick hielt etwas neben mir die Luft an. Bildete ich mir das gerade ein? Vorsichtig drehte ich den Kopf nach rechts und wischte mir mit dem Ärmel die Tränen und die Strähnen aus dem Gesicht. In der Ecke saß zusammen gekauert ein junges Mädchen, dessen Gesicht kaum zu sehen war. Ihre extrem dunklen Haare verbargen die Sicht auf ihr Gesicht. Sie zitterte am ganzen Körper und schluchzte vor sich hin. „Hey“, sprach ich, nachdem der erste Schreck vergangen war, sie an. Sie reagierte nicht. Da ich mich kaum aufrichten konnte, krabbelte ich ein wenig näher an sie heran. Erst jetzt erblickte ich, dass das Mädchen weder Schuhe noch saubere Kleider anhatte. Abgesehen davon, war ihr ganzer Körper übersät von blauen Flecken. Mir stockte der Atem und für einen Moment war Natalie aus meinem Kopf verschwunden. Mir wurde plötzlich Einiges klar. Das Mädchen versteckte sich wohl schon länger hier oben, und was ich vor einigen Tagen gesehen hatte, entsprach nicht meiner aufgeregten Fantasie, sondern der puren Realität. „Hey“, wiederholte ich mich. Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihr aus, und versuchte die fettigen Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Bei diesem Versuch legte ich eine klaffende Platzwunde an ihrer Stirn frei. Sie zuckte zusammen, und funkelte mich mit tiefdunklen Augen an. Ehe ich mich versah, war sie dabei aus dem Baumhaus zu springen. „Bist du verrückt, ich tu dir nichts. Komm zurück! Willst du dich umbringen?“, rief ich ihr entgegen. Doch da sprang sie schon vom Baum herunter. Ich schnappte nach Luft und blickte ihr fassungslos nach. „Alles in Ordnung?“, wollte ich wissen. Aber sie antwortete nicht. Sie saß nur auf der Wiese und rieb sich den Knöchel. Als ich Anstalten machte, zu ihr herunter zu klettern, raffte sie sich auf und rannte davon. „Bleib doch stehen“, schrie ich ihr noch hinterher, aber da verschwand sie schon zwischen den Bäumen. „Hey Taylor, was machst du denn da oben“, neugierig kam Ike aus dem Haus gelaufen und starrte mich an. „Scheiße“, fluchte ich. Mir war es unangenehm, dass mich jemand vielleicht beim Weinen gesehen hatte. Ich tauchte hinter der Baumhauswand ab. „Taylor, komm schon, ich hab dich gesehen“, lachte Ike. Wenn er gewusst hätte, dass es mir überhaupt nicht zum Lachen war. Ich rubbelte an meinen Augen, in der Hoffnung die Rötung würde verschwinden, dabei machte ich es nur noch schlimmer. Ich hatte gar keine Zeit mir weiterhin über das völlig verstörte Mädchen Gedanken zu machen. Die Leiter knarrte unter Ikes Gewicht. „Alles klar bei dir?“, fragte er und versuchte mit großen Augen mich in der Dämmerung zu erkennen. „Ja“, brummte ich. Ich hatte Angst, dass meine Stimme brüchig klang und mich verriet. Am liebsten wäre ich ins Haus gerannt, aber Ike versperrte den winzigen Ausgang. „Was hat dich denn hier oben hin verschlagen? Ich war hier schon Jahre nicht mehr“, stellte er beschwingt fest. „Mhm“. Er lehnte sich neben mir an die dicken Bretter, und atmete tief die frische Luft ein. „Schön hier draußen, was?“, Ike war wahrscheinlich der Harmoniebedürftigste in unserer Familie. Man merkte ihm nicht an, dass ich ihn und den Rest der Familie so schlecht behandelt hatte. Im Nachhinein hatte ich ein wirklich schlechtes Gewissen. Ich merkte gar nicht, wie Ike anfing mich zu mustern. „Warum bist du so still?“, als wenn er eine Vorahnung hatte, legte er tröstend die Hand auf meinen Arm. Ich wich zurück. Ich konnte jetzt keine Nähe zulassen, denn dann würde ich mich wohl kaum noch zurück halten können. Hastig stand ich auf, und haute mir den Kopf an der niedrigen Decke an. „Lass mich“, japste ich noch und kletterte geschwind das Baumhaus herunter, um ungestört in mein Bett flüchten zu können, was ja eigentlich total absurd war. Denn in unserem Zimmer wäre ich mal wieder nicht ungestört. Ich gab vor schon zu schlafen und belauschte meine Brüder, bis ich feststellte, dass Zac genüsslich schnarchte. Ich musste mir keine Mühe geben und deckte mich auf. Es war stickig hier drin, oder kam es mir nur so vor, weil es mir so schlecht ging? Die halbe Nacht zerbrach ich mir den Kopf über Natalie, unsere Beziehung und unsere Liebe. Dabei trat immer wieder das Bild von dem verschreckten Mädchen vor mein inneres Auge. Unglaublich, dass ich mich von meiner Familie wirklich überzeugen lassen hatte, dass sich nichts im Baumhaus befand. Doch dieses Mädchen war der lebende Gegenbeweis. Wer weiß, wie lange sie schon dort oben saß. Es lenkte mich einen Moment von meiner gescheiterten Beziehung ab. Ich wollte so gern wissen, wieso dieses Mädchen so verstört gewesen war und wieso sie solche schlimmen Verletzungen hatte? Hatte die etwa jemand zugefügt, oder stammten sie von einem Unfall? Vielleicht war sie in einen solchen verwickelt gewesen, und durch die Kopfverletzung verwirrt und wusste nicht mehr wo sie sich aufhielt? Aber das konnte doch nicht sein, schließlich war die Wunde sehr frisch gewesen, aber sie hielt sich ja schon länger im Baumhaus auf. Zumindest war es schon einige Tage her, als ich das erste Mal Notiz von ihrer Existenz nahm. So gern hätte ich gewusst, wie sie hieß. Ich hätte ihr gerne geholfen. Für den nächsten Tag nahm ich mir vor, das Baumhaus zu beobachten und herauszufinden, vor was sie sich da oben versteckte und vor allem, wieso? Ohne Zweifel war ich erschöpft, doch an Schlaf war auch diese Nacht nicht wirklich zu denken. Irgendwann übermannte mich dann doch die Müdigkeit und ließ mich in einen kurzen und traumlosen Schlaf sinken.
Am nächsten Morgen schien alles wie ein schlechter Traum. Irgendwie hoffte ich, dass Natalie und ich immer noch glücklich waren und mir meine nächtliche Fantasie einen bösen Streich gespielt hatte. Unfassbar wie sehr ich sie vermisste. Mir fehlte ihr Lachen und wie sie mich ansah, aber ich konnte doch nicht vergessen was sie sich da rausgenommen hatte. Und wie sehr mich die Blicke meiner Familie nerven würden. Na ja ich versuchte nicht darüber nachzudenken. Bewegungslos blieb ich im Bett liegen und starrte den Lattenrost von Zacs Bett über mir an. Das Tageslicht schien durch das Fenster herein. Ike war irgendwo im Haus und meine Geschwister wurden von meinen Eltern unterrichtet. Wir hatten noch nie wirklich eine Schule besucht. Als mein Vater von seiner Firma mal ein Jahr nach Südamerika versetzt wurde, hatten wir unser erstes Schuljahr auf einer amerikanischen Schule verbracht. Doch dann entschieden sich unsere Eltern gegen die Schule und erklärten sich bereit, uns zu Hause zu unterrichten. Dann brachte der Ältere seinen jüngeren Geschwistern etwas bei. Vermutlich war Ike gerade dabei sich um die Bildung unserer Geschwister zu kümmern. Normalerweise wäre es auch meine Aufgabe gewesen, den Kleinen Geschichte oder andere Sachen zu erklären, aber ich fühlte mich nicht in der Stimmung. Ich raffte mich auf, und machte mich für den Tag bereit. In der Küche stand eine Kanne Kaffee bereit und die örtliche Tageszeitung. Ich schlug diese auf, und versuchte etwas über das Baumhausmädchen herauszufinden. Vielleicht wurde sie vermisst oder ein anderer Vorfall würde auf ihre Situation hinweisen. Doch nichts. Ich drehte mich zum Garten hin und überlegte, ob sich das Mädchen wieder da oben befand. Aber als ich nach oben kletterte, fand ich nichts vor. Ich war gerade dabei, die Leiter wieder herunter zu steigen, da viel mir was in der Ecke, in der sie am Tag zuvor gesessen hatte, auf. Dort lag doch wirklich eine kleine Schachtel. Ich kehrte um und hob die kleine Packung auf. Es war ein sehr starkes Schlafmittel. Plötzlich taten sich mir schreckliche Gedanken auf. Wollte sich das Mädchen damit etwa umbringen? Mit zittrigen Händen öffnete ich die Packung, um herauszufinden, ob sie schon welche zu  sich genommen hatte. Aber der Inhalt war noch völlig unberührt. Die Vorstellung daran, dass sie sich wirklich was antun könnte, ließ mir den Atem stocken. Was musste nur vorgefallen sein, dass so ein junges Mädchen so schreckliche Dinge plante? Die Tabletten nahm ich erst einmal mit. Meinen Eltern sollten von der ganzen Sache nichts erfahren. Sie würden mir ohnehin nicht glauben. Ich wollte das Mädchen unbedingt noch einmal sehen, um herausfinden zu können, was passiert war. Aber wenn ich zu meinen Eltern rennen würde, dann wäre das sicherlich nicht mehr möglich. Sie würden sie für eine Stalkerin oder einen kranken Menschen halten, der auf unserem Grundstück nichts zu suchen hatte, und vor allem nicht in die Nähe der Kleinen sollte.

In den nächsten Tagen versuchte ich mich so gut es ging, von Natalie abzulenken. Sie machte es mir aber nicht gerade leicht, indem sie ständig anrief oder sogar ankündigte vorbeizukommen, damit wir reden könnten. Da ich darauf wirklich keine Lust hatte, nahm ich mir vor an diesen Tagen einfach zu verschwinden. Ich besuchte meinen Kumpel Kevin und entschuldigte mich wegen meinem Verhalten an dem Abend, als wir Billard spielen waren. Wie ironisch das Schicksal sein konnte. Gerade an diesem Abend hatte mich Kevin noch vor einem möglichen Fehler bewahren wollen, und am nächsten Tag stellte sich heraus, dass seine Vorahnung sich bestätigte. Im Nachhinein kam es mir vor, als hätte ich mich wie der größte Trottel aller Zeiten verhalten. „Es tut mir echt leid, Kevin. Ich hätte niemals gedacht, dass Nat mit solchen falschen Karten spielt!“, entschuldigte ich mein Benehmen. „Schon in Ordnung. Wahrscheinlich wäre ich auch ausgeflippt. Na ja, man kann manchmal einfach nicht in die Menschen reinschauen!“ Mir fiel ein Stein vom Herz, als mir bewusst wurde, dass Kevin nicht nachtragend war. Zum Glück, denn ich wäre verzweifelt gewesen, wenn ich nun auch mit Kevin nicht mehr hätte reden können. Wir kannten  uns schon seit ewigen Zeiten, und wir waren bisher durch dick und dünn gegangen, aber ob unsere Freundschaft wirklich standhalten würde, wenn eine Frau im Spiel war? Ja sie konnte es. Neugierig wollte er aber jetzt doch die ganze Geschichte über das plötzliche Beziehungsaus von mir und Nat hören. Ich erzählte es ihm, und es war gut, endlich den Ballast loswerden zu können. „Ganz schön krass“, staunte er, nachdem ich geendet hatte. „Mhm“, seufzte ich. Irgendwie war es so absurd, dass es mir schon irreal vorkam. „Weißt du, ich hab mich noch nie so in einem Menschen getäuscht“, fügte ich hinzu. Aufmunternd klopfte er mir auf die Schultern. Er wusste besser als ich, dass alles irgendwann wieder in Ordnung kam, was mir unglaublich schwer fiel es zu glauben.
Nach den Stunden bei Kevin trat ich wieder den Nach-Hause-Weg an, in der Hoffnung, dass Natalie vielleicht gar nicht bei mir zu Hause aufgetaucht war, oder wenn doch, bereits wieder verschwunden sei. Natürlich war sie nicht mehr da, als ich zu Hause ankam, aber meine Mutter war hellhörig geworden. Vor wenigen Tagen hätte ich niemals das Haus verlassen, ehe Natalie da gewesen wäre. Und jetzt? Jetzt war ich einfach gegangen. Ich hatte ihr nichts mehr zu sagen. „ Hey mein Schatz“, begrüßte mich meine Mutter, „Nat war da!“ „Mhm“, ich wusste nicht wie ich mich dazu äußern sollte. „Wieso warst du nicht da? Habt ihr Streit? Du hast gar nichts erwähnt“, fragend sah mir meine Mutter in die Augen. Es war als wenn ich in einen Spiegel blicken würde, und genau meine Augen vor mir sah. „Mhm nein“, antwortete ich sehr knapp. „Tay! Du redest nie mit mir. Jetzt sag doch ein einziges Mal was mit dir los ist?“, forderte sie mich energisch dazu auf, endlich mein Schweigen zu brechen. „Nat und ich haben uns getrennt und ich möchte sie nicht mehr sehen!“, entgegnete ich schnippisch und deutete somit an, dass die Unterhaltung beendet war. Fast schon schockiert ließ ich sie alleine in der Küche stehen. Ich steuerte das Baumhaus an. Vielleicht war eine neue Spur, ob das Mädchen sich mal wieder da oben aufgehalten hatte. Doch nichts wies in dem kleinen Holzschlag daraufhin. Es waren jetzt schon einige Tage vergangen, seit ich sie da oben gesehen hatte. Langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Da kam mir eine Idee. Ich würde ihr Essen in das Baumhaus stellen. Möglicherweise kam sie erst nachts, sofern sie keinen Schlafplatz hatte. Dann konnte es doch wahrscheinlich sein, dass sie Hunger hatte. Und wenn von dem Essen etwas verschwand, dann wäre es für mich ein Hinweis, dass sie noch da war. Abgesehen davon, konnte ich ihr dadurch symbolisieren, dass ich ihr nichts Böses wollte. Ihr erschrockener Blick hatte so viel Angst widergespiegelt, und ich konnte mich kaum an einen Moment erinnern, an dem ich jemals so viel Angst gesehen, geschweige denn, gefühlt hatte. Während ich darüber nach dachte, wie wohlbehütet wir doch aufgewachsen waren, packte ich, unbemerkt von meiner Familie, ein wenig Essen zusammen. Ich ergänzte noch eine Wolldecke, die ich mit den Broten in das Baumhaus legte. Es kühlte doch sehr ab über Nacht, und ich konnte mir gut vorstellen, dass man sich in der Kälte und auf dem harten Holzboden ziemlich alleine und verlassen vorkam. Wenn ich es nur irgendwie konnte, dann wollte ich ihr so gut es ging helfen und ihr Leid erträglicher machen. Nun konnte ich nur noch hoffen, dass sie auch nochmal auftauchte.
Die Trennung von Natalie und mir sprach sich schnell in der Familie rum. Doch keiner wagte sich auch nur ein einziges Mal darüber zu sprechen, zumindest nicht in meiner Gegenwart. Nach und nach begannen sich die Beziehungen in unserer Familie zu entspannen. Eigentlich war ja auch ich der einzige der Spannungen verursachte. Ich sah ein, dass ich meine Geschwister oft zu Unrecht beschuldigt hatte. Natalie hingegen gab nicht auf, und versuchte immer wieder mich zu einer Aussprache zu bewegen. Ich war immer noch zu sehr verletzt, um über den ganzen Vorfall sprechen zu können. Sie verstand mich sowieso nicht. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nicht sagen können, ob ich jemals bereit gewesen wäre mit Natalie noch mal eine Beziehung zu haben. Vielleicht war es einfach besser, wenn wir es dabei beließen. Ich stellte die Bandproben vor alles, und versuchte so wenig wie möglich an Natalie zu denken. Nachmittags versprach ich den Kleinen mit ihnen ins Schwimmbad zu gehen. Ike und Zac schlossen sich uns an und so verbrachten wir den Tag im Tulsaner Schwimmbad. Natürlich hatte ich am Morgen schon im Baumhaus nachgesehen, ob sich etwas getan hatte. Aber nichts. Im Schwimmbad angekommen, breiteten wir unser Gepäck auf der Rasenfläche aus. Nachdem die Rasselbande mit Sonnencreme und Schwimmflügeln versorgt war, machten wir uns auf den Weg zum kühlen Nass. Es dauerte keine Viertelstunde, da begannen sich Mädchen um uns zu scharen. „Duu? Du bist doch einer von den Hansons!“, brustete ein blondes Mädchen los, dass sich vor Ike aufgebaut hatte. Ike sah nervös um sich. Mir war klar, dass ihm das doch sehr unangenehm war und er innig hoffte, nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Über seine hilflosen Blicke konnte ich nur schmunzeln. Schnell bildete sich eine Mädchentraube, die uns auf jeden Schritt begutachtete. Sie kicherten und manche schrien sogar. Wir drei würden uns wohl nie daran gewöhnen können, dass Mädchen fürchterlich anfingen zu schreien, wenn sie uns sahen. Wir waren vielleicht nicht gerade die hässlichste Band, aber um uns erklären zu können, wieso ab und zu Mädchen in einer Hysterie ausbrachen, fehlte uns die Fantasie. Langsam begann ich nachzuvollziehen, wieso ihm nach weglaufen war. Im Großen und Ganzen war es in Ordnung, nach ein paar Autogrammen und ein paar netten Gesprächen ließen uns die Mädchen wieder alleine. Nach einem gelungenen Schwimmbad Besuch fuhren wir wieder mit der Rasselbande nach Hause. Daheim angekommen, spielten die Zoe und Mac im Garten. Vor allem Mac kletterte das Baumhaus ständig hoch und runter und wunderte sich schon wieso sich da oben so viel Essen befand. „Das ist ja mal was. Ich hab mir so was schon immer gewünscht“, jauchzte er und schnappte sich sofort den Teller um das Obst zu futtern. „Nein! Mac lass das!“, forderte ich ihn ernst auf. Erschrocken sah mich der sieben Jährige an. „Tay, manchmal bist du echt komisch“, schmatzte er und ließ sich nicht beirren. Ich entschloss mich nicht weiter darüber aufzuregen. Ich würde am Abend einen neuen Teller herrichten. Ich verlor mich dermaßen in meinen Gedanken, dass mir gar nicht auffiel, wie meine Brüder mich musterten. Sie kicherten und lachten, und als ich endlich bemerkte was los war, da zwinkerte mir Zac nur frech zu. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, und ging in die Küche um den nächsten Teller vorzubereiten. Der Abend verlief so schnell. Nur wenige Stunden später war es dunkel und ich saß auf Ikes Bett, um den Garten zu beobachten. Zac war bei Freunden und übernachtete dort. Nachdem Ike die Kleinen zu Bett gebracht hatte, lehnte er im Türrahmen unseres Zimmers. „Ach Tay, du alter Narr“, lächelte er und setzte sich neben mich auf das Bett. „Wie geht’s dir eigentlich so?“, wollte er wissen. „Äh? Gut?! Wieso fragst du?“, wollte ich wissen. „Na, wegen der Sache mit Nat!“, ich merkte, dass Isaac nur sehr vorsichtig das Thema anzuschneiden versuchte, „Ist es wirklich zu Ende? Was ist überhaupt vorgefallen?“ Er konnte seine Neugierde nicht länger verbergen. Ich entschloss mich ihm den Vorfall zu erklären. Nachdem er verstanden hatte, um was es ging, sah er mich nur mitleidig an. „Liebst du sie noch?“, platzte es aus ihm raus. „Ja“, ohne zu zögern antwortete ich. „Meinst du, du kannst ihr verzeihen?“ Ich wünschte mir in diesem Moment so sehr, dass ich irgendwann über Natalies Fehltritt hinweg sehen konnte. Immer wieder erinnerte ich mich an die vielen schönen Zeiten und schenkte den Schlechten keine Beachtung. Trotzdem sagte mir mein Kopf, dass es falsch war, sich wieder auf sie einzulassen. „Ich weiß es nicht!“, entgegnete ich. „Na ja vielleicht, ich wünsch es dir auf jeden Fall!“, fügte Ike hinzu, bevor er ins Bett kletterte und mir eine gute Nacht wünschte. Der Mond stand hell am Himmel und erleuchtete den gesamten Garten. Das Gespräch mit Ike hatte zwar gut getan, aber auf der anderen Seite schwirrten nun wirre Gedanken in meinem Kopf umher und setzten mir in Form von Albträumen zu. Mitten in der Nacht, ich wusste nicht wie spät es war, schrak ich aus meinem unruhigen Schlaf auf. Aufgebracht japste ich nach Luft und sah mich im Zimmer um. Ike schlief immer noch ruhig und stieß nur ab und zu im Traum Seufzer aus, Zacs Bett hingegen war nach wie zu vor leer. In meiner Verwirrtheit fragte ich mich im ersten Augenblick, wieso mein Bruder nicht dort zu finden war. Doch dann viel mir wieder ein, dass er bei Freunden übernachtete. Nachdem ich mich gesammelt hatte, entschloss ich mich in die Küche zu stapfen um mir ein Glas Milch zu holen. Das Umherwälzen hatte mich durstig gemacht. Um nicht die gesamte Familie aus dem Schlaf zu reißen, ließ ich das Licht bei meiner nächtlichen Wanderung durch das Haus aus. Ich versuchte so leise wie möglich in die Küche zu gelangen. Und ich schaffte es. Genüsslich nippte ich an der frischkalten Milch, die ich mir eingeschenkt hatte und schaute dabei in den Garten. „Ob sie wohl da war?“, schoss es mir durch den Kopf. Es war Nacht, was sollte sie dort oben? Vor was sollte sie sich denn in der Nacht verstecken müssen? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Ich war gerade dabei den Gedanken wieder zu verwerfen und wieder nach oben zu gehen, als ich inne hielt und einen Moment überlegte. „Wieso eigentlich nicht? Wieso schaust du nicht einfach nach?“, fragte mich meine innere Stimme. Ich gab nach und bahnte mir meinen Weg über die Veranda in den Garten. Es war finster und die Hitze über den sonst so sommerlichen Tag war verflogen. Über einen längeren Zeitraum konnte es echt unangenehm werden. Vom Rasen aus war nichts zu erkennen. Wenn mich jemand gesehen hätte, wie ich nachts durch den Garten streifte, dann hätte mich derjenige sicherlich für verrückt erklärt. Aber meine innere Stimme gab nicht nach. Vielleicht täuschte ich mich auch. Egal, dann hätte ich nichts verloren und würde ohne weiteres zurück in mein Bett krabbeln. Die Bäume rings um unser Grundstück wiegten sich im Wind und nur die Sterne am Nachthimmel, sowie der Mond spendeten ein wenig Licht. Ich kletterte vorsichtig das Baumhaus hoch und lugte neugierig in die Ecke, in der das Mädchen das erste Mal gesessen hatte. Kaum zu glauben, da lag sie, eingemummelt in die Decke, die ich zuvor dort hingelegt hatte. Selbst das deponierte Essen hatte sie verdrückt. Um besser sehen zu können, setzte ich mich nun komplett in das Baumhaus. Ich war zufrieden, dass sie wieder aufgetaucht war. Das war doch eindeutig ein Fortschritt. Ich wollte so gern erfahren, wer sie war. Ich versuchte angestrengt einen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen, aber es war zu dunkel. Sie musste sich doch fürchterlich gruseln, nachts in diesem Baumhaus. Überall raschelte etwas, und alles bewegte sich gruselig. Ich erinnerte mich daran, wie Ike, Zac und ich als Kinder gerne im Baumhaus übernachten wollten, und als es endlich soweit war, schlich ich mich nachdem die beiden Jungs eingeschlafen waren, heimlich wieder ins Haus, weil ich mich so fürchtete. Gedankenverloren blieb ich bei ihr sitzen, bis ich irgendwann so müde war und einschlief. Die Kälte hingegen registrierte ich schon nicht mehr.

 

Das Mädchen:

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wusste ich nicht mehr wo ich war. Verwirrt versuchte ich mich zu besinnen, doch mir stockte der Atem als ich den blonden Jungen schlafend im Baumhaus vorfand. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, und seit wann er schon da schlief. Hatte er die ganze Nacht neben mir ausgeharrt? Aber wieso? Ich vermutete, dass es circa 5 Uhr am Morgen sein musste. Denn es war schon hell und die Vögel zwitscherten. Ich wurde nervös, denn ich wollte nicht entdeckt werden. Wahrscheinlich würde sich seine Familie wundern, wieso er nicht in seinem Zimmer war, oder er würde möglicherweise aufwachen. Diese Situation wollte ich unbedingt vermeiden. Wer wusste schon, wie er reagieren würde. Denn es war ja nicht das erste Mal, dass er mich auf ihrem Grundstück erwischte. Aber warum hatte er mir dann eine Decke und Essen in das Baumhaus gestellt? Weil er mich ausschimpfen wollte? Vielleicht hatte er aber auch nur Mitleid. Nein, das war Grund alleine jetzt zu verschwinden. Ich wollte nicht die mitleidigen Blicke von ihm oder sonst wem ertragen. Ich entschloss mich, dass es besser wäre, wenn ich gehen würde, und deckte mich auf. In diesem Moment realisierte ich erst mal wie stark es über Nacht abgekühlt hatte. Der Junge musste doch frieren?! Er lag da, zusammen gekauert in einer Shorts und in einem weißen T-Shirt. Irgendwie ging von ihm eine unheimliche Anziehungskraft aus. Ich wusste, dass ich verschwinden musste, aber ich konnte mich in diesem Augenblick einfach nicht von ihm losreißen. An dem Abend, als er mich in dem Baumhaus erwischt hatte, hatte ich mich nicht getraut ihn direkt anzusehen. Ich hatte Angst gehabt, er könnte mich vielleicht irgendwann wieder erkennen und mir Schwierigkeiten bereiten. Nun, da er keine direkte Bedrohung für mich darstellte, schlich ich mich näher an den Schlafenden und schaute ihn mit brennendem Interesse an. Sein längeres blondes Haar, fiel ihm wirr ins Gesicht. Ich wollte unbedingt wissen, wie er aussah. Mich packte der Gedanke ihm das Haar aus dem Gesicht zu streichen, und ohne weiter die Folgen abzuwägen setzte ich meinen Gedanken sofort in die Tat um. Sein Haar war unglaublich weich und seine Haut so zart, dass ich geistesabwesend die feinen Gesichtszüge des Jungen begutachtete. Er sah so friedlich aus und obwohl er nicht bei Bewusstsein war, strahlte er eine unheimliche Milde aus. „Natalie bist du es?“, murmelte er im Schlaf. „Ach du Scheiße“, ich konnte mir ein Fluchen kaum verkneifen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich versteifte mich bei dem Gedanken daran, dass er augenblicklich aufwachen könnte, nur weil meine Naivität mal wieder überhand genommen hatte. Er murmelte unruhig etwas vor sich hin, aber ich verstand kaum von was er sprach. Er drehte sich von Seite zu Seite und begann erneut nach ihr zu Fragen. Ich wusste, wer sie war. Ich hatte die beiden oft genug, während meinem Aufenthalt hier oben beobachten können. Ich nahm meine Decke und legte diese vorsichtig über ihn, bedacht darauf ihn nicht ein weiteres Mal annähernd aus dem Schlaf zu reißen. „Natalie? Ich vermisse dich!“ „Ja ich bin’s Natalie. Schlaf jetzt weiter!“, spielte ich mit. Schnell versuchte ich von dem Baumhaus herunter zu kommen. Da mir der letzte mehr oder wenige verzweifelte Sprung von hier oben nicht sonderlich gut getan hatte, wählte ich dieses Mal die Leiter. Immer noch hatte ich Angst entdeckt zu werden und beeilte mich so sehr, von diesem verdammten Baum herunter zu kommen, dass ich vor Aufregung eine Sprosse nach der anderen verfehlte. So schnell ich konnte, bahnte ich mir meinen Weg durch die umstehenden Bäume. Es war zwar früh am Tag, trotzdem hatte ich Angst entdeckt zu werden. Obwohl das doch sehr unwahrscheinlich war, denn ich hatte kaum Bekannte hier in der Nähe. Um ehrlich zu sein, eigentlich niemanden. Ich war alleine. Die Erinnerung an bessere Zeiten stimmte mich traurig und so lief ich ziellos umher. Immer wieder kam mir der blonde Junge in den Sinn. Ich glaubte mich sogar an seinen Namen erinnern zu können. Schließlich hatte ich ihn und seine Familie oft belauschen können. Sicherlich war dies nie meine Absicht gewesen, aber dies war eben der kleine Nebeneffekt an meinem Versteck. Sein Name war Taylor, genau so hieß er. Ich wusste, dass er mit unzähligen Geschwistern und seinen Eltern in dem Haus am Standrand lebte. Natalie war seine Freundin. Doch schon seit einiger Zeit war sie nicht mehr aufgetaucht. Bestimmt hatte es was damit zu tun gehabt, als sie alleine eines Nachmittags in seinem Zimmer war. Ich konnte vom Baum aus beobachten, wie sie heimlich irgendetwas in ihre Tasche gesteckt hatte. Na ja. Ich war alleine. Es gab nur mich, und die andere Seite des Lebens, in deren Genuss ich wohl nie kommen würde. Ich versuchte mich so gut es ging mit der Situation abzufinden. Aber manchmal war es einfach nicht möglich. An manchen Tagen konnte ich Taylor belauschen, wie er traurige Lieder auf dem Klavier spielte. Dann schloss ich für einen Moment die Augen und vergaß alles um mich herum. Er war ein fantastischer Pianist. Doch er war nicht oft zu Hause. Oft waren er und seine 2 Brüder, deren Namen ich mir nicht mehr behalten konnte, tagelang verschwunden. Aber wieso, wusste ich nicht. Ich stolperte die Straße entlang. „Nach Hause gehen! Ja, ich würde so gerne nach Hause gehen. Für mich gibt es kein Zuhause mehr!“, stellte ich fest und ließ mich im nahegelegenen Park auf eine Bank gleiten. Traurig stützte ich meinen Kopf in die Hände. Ich war verzweifelt. Ich hatte Schmerzen und keiner konnte mir helfen. Außer vielleicht Taylor? Nein, das musste ich mir eingestehen. Auch er würde mir nicht helfen können. Ich wunderte mich, wieso er letztens so fürchterlich traurig gewesen war. Es war ihm peinlich gewesen, dass jemand seine Tränen gesehen hatte. Er war überrascht gewesen, weil er wohl kaum damit gerechnet hatte, dass ich mich dort aufhielt. Ich musste aufhören mir den Kopf über jemanden zerbrechen, den ich gar nicht kannte, und dem ich wohl wirklich egal war. Alles was ich noch besaß, trug ich bei mir. Meine Kleidung war durch das viele Übernachten unter freiem Himmel dreckig und auch schon ziemlich zerschlissen. Das Einzige was mir am Herzen lag, war das Bild, das ich in meiner Hosentasche trug. Ich versuchte es heraus zu kramen. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass mein Foto nicht mehr da war, wo ich es zuletzt hingesteckt hatte. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, als ich angestrengt darüber nachdachte, wo ich es das letzte Mal in den Händen gehalten hatte. Natürlich… gestern Abend kurz bevor ich im Baumhaus eingeschlafen war. Jeden Abend schaute ich mir das Foto an, und trauerte den alten Zeiten nach. Sicherlich hatte ich es nicht in die Tasche, sondern an ihr vorbei gesteckt. Was sollte ich jetzt nur machen? Alles was mir noch am Herzen lag, war verloren. Entweder ich würde am Abend zurück kehren oder ich musste mich damit abfinden, dass ich von nun an in gewisser Weise alleine war.

Re: Your Illusion

 

Taylor:



„

Natalie?
Bist du es?“, schlaftrunken und völlig neben der Spur hatte ich das Gefühl
Natalie würde neben mir liegen und sich an mich kuscheln. Dabei strich sie mir
zärtlich durch das Gesicht. Wahrscheinlich versuchte sie mich zu wecken. Ich
war so benommen und ich fror fürchterlich. Ich wagte nicht die Augen zu öffnen,
denn das würde das Ende meines Traumes bedeuten, was es ja sicherlich war.
Warum antwortete sie nicht? Sie war doch da. Ich spürte doch, wie sie mir durch
die Haare strich. Erneut fragte ich nach ihr und gestand ihr, dass ich sie
vermisste. Ich wurde unruhig. Mein Verstand war vom Schlaf völlig benebelt. „Ja
ich bin’s Natalie. Schlaf jetzt weiter,“ beruhigte sie mich und drückte mir die
Decke fest an den Körper, bevor sie plötzlich verschwand. Ich hörte ihre
Schritte dumpfer werden, und döste völlig ruhig weiter. Nach wenigen Minuten
erwachte ich nun vollkommen aus meinem Traum. Verdutzt sah ich auf. Warum war
ich im Baumhaus? Hatte ich dort etwa geschlafen? Langsam kam die Erinnerung an
den letzten Abend zurück. Trotzdem war ich immer noch benommen und gleichzeitig
enttäuscht, denn Natalie war gar nicht da gewesen. Ich hatte mir alles nur
eingebildet. Oder nein. Nicht alles war Einbildung gewesen. Das Mädchen hatte
mich zugedeckt, und jetzt war sie verschwunden. Ohne etwas zu sagen. Dann war
sie es wohl, die mit mir gesprochen hatte. Oder war es wirklich ein Traum
gewesen? Ich musste mich einfach einen Moment lang sortieren. Am Besten ich
ging wieder zurück ins Haus, bevor alle anderen wach wurden. Völlig zerstreut
wie ich war, hatte ich keine Ahnung wie früh es musste. Ich setzte mich auf,
und schüttelte die Decke zu recht, damit ich sie wieder zusammen falten konnte.
Aus der Decke flatterte etwas kleines Quadratisches. Müde hob ich es vom Boden
auf, und sah es mir genauer an. Es war ein kleines Foto, was eine Familie
zeigte. Eine Familie wie man sie sich vorstellte – glücklich. Sie bestand aus
einer Mutter, einem Vater und zwei Mädchen. Das Bild war schon ein wenig älter,
denn die Mädchen waren vielleicht nicht älter als acht und sechs Jahre alt. Auf
der Rückseite stand geschrieben: Mexiko 1992. Das Mädchen war also Mexikanerin.
Hatte sie vielleicht Streit mit ihren Eltern und kam als illegale Einwanderin
über die Grenze? Ich konnte es nicht lassen, über ihren Hintergrund zu
spekulieren. Das Bild war an den Kanten rissig und die Farben verblassten
langsam. Fragen über Fragen schossen mir durch meinen Kopf, aber ich fand keine
Antworten. Das Mädchen, und ich hätte so gern ihren Namen gewusst, machte mich
immer neugieriger. Die ganze Situation war so mysteriös und seltsamerweise
machte ich mir Sorgen. Ich sorgte mich über das Wohlbefinden eines Menschen,
das ich gar nicht kannte. Ich hoffte aus tiefstem Herzen, dass sie noch einmal
auftauchen würde. Solange würde ich das Bild aufbewahren. Es war schon recht
merkwürdig. Jedes Mal wenn sie auftauchte, vergaß sie ein Bruchstück ihres
Lebens dort oben im Baumhaus. Es wirkte fast schon absichtlich, als wollte sie
somit indirekt ihre ganz eigene Geschichte erzählen. Vielleicht konnte ich ihr
ja das Bild kopieren und so weit bearbeiten, dass es nicht mehr so abgegriffen
aussah. Ja, das war es, ich würde mir etwas wegen dem Bild einfallen lassen.
Entschlossen kletterte ich aus dem Baumhaus und stapfte zurück in mein Zimmer.
Das ganze Haus war noch in friedliche Stille getaucht. Zufrieden kuschelte ich
mich um viertel nach 5 ins Bett und fiel in einen tiefen Schlaf. Nichts hätte
mich aus diesem reißen können. Außer eine quietschende Zoe, die vergnügt auf
meinem Bett herum hüpfte, um mich zu wecken. „Tayyyy! Steh auf und spiel mit
mir“, forderte mich die 3- Jährige auf. Ich wälzte mich noch einmal müde hin
und her bevor ich sie aus dem Rückhalt schnappte und kitzelte. Sie jauchzte vor
Freude. Dann hielt ich inne und ließ sie sich vom Getobe erholen. Zoe japste
keuchend nach Luft. Plötzlich fing sie an zu grinsen und schlang ihre kleinen
Arme um meinen Hals: „Ich bin so froh, dass du nicht gehst!“ Von diesem
Geständnis war ich überrascht. Natürlich war ich mir bewusst gewesen, dass mich
meine Geschwister vermissen würden, wenn ich ausgezogen wäre, aber dass sie das
so beschäftigte, löste Überlegungen in mir aus. Sie legte ihren Kopf auf meine
Brust und ich strich ihr durch ihr blondes Haar. „Weißt du, ich kann ja nicht
ewig hier wohnen bleiben. Wir werden alle mal erwachsen und dann brauchen wir
unsere eigene Wohnung“, versuchte ich der Kleinen zu erklären. „Mhm ja, aber du
bleibst doch jetzt erst mal hier?“, neugierig sah sie auf. „Ja klar. Erst mal bleibe
ich hier. Ich kann doch nicht meine kleine Schwester alleine lassen“, kicherte
ich. Sie grinste und legte ihren Kopf wieder zurück. „Wow, wer ist das denn?“,
stellte sie mir urplötzlich die Frage und deutete auf das Bild aus dem
Baumhaus, was neben meinem Kopfkissen lag. „Mhm ich weiß es nicht“, gab ich
wahrheitsgemäß zu. „Das Mädchen ist ganz schön hübsch!“, säuselte sie. „Darüber
habe ich noch gar nicht nachgedacht“, gestand ich und warf einen weiteren Blick
auf das Mädchen und seine Familie. „ Tay, hast du Tomaten auf den Augen?“, Zoe
hatte für ihre drei Jahre einen ganz schön energischen Tonfall. „Stimmt, du
hast recht. Sie ist wirklich ganz schön hübsch“, gestand ich mir ein. Meine
kleine Schwester nickte zufrieden. In ihren Augen, war ich schon ein ganz
schöner Trottel, wenn ich noch nicht mal die Schönheit dieses Mädchen erkannte.
Sie blickte mir von der Fotografie mit ihren tiefdunklen Augen entgegen. Das Mädchen
wirkte so glücklich im Gegensatz zu den letzten Malen als ich sie gesehen
hatte. Ich stellte mir vor, dass sie sich an dem letzten Abend in den Schlaf
geweint hatte. Womöglich war sie im tiefsten Innern genauso traurig und
verletzt wie ich. Wieder entflammte in mir das Bedürfnis mehr über sie zu
erfahren. „Wie alt ist sie?“, löcherte mich Zoe weiter mit neugierigen Fragen.
Nachdem ich einen Moment lang darüber nachgrübelte, wie alt sie wohl wirklich
war, gab ich zu, dass ich keinen blassen Schimmer hatte. „Tay, woher hast du
dann das Bild, wenn du das Mädchen nicht kennst?“, nun geriet ich auch noch in
die Kritik einer meiner Schwestern. Na wunderbar. Da ich keine passende Antwort
parat, noch Lust zu weiteren Diskussionen hatte, beschloss ich es dabei zu
lassen. Lieber lieferte ich mir mit Zoe eine weitere wilde Kitzelschlacht, bis
wir beide erschöpft vom vielen Lachen aufgaben. Den restlichen Tag verbrachten
meine Brüder und ich in unsrer zum Probenraum umgebauten Garage und übten
fleißig an neuen Liedern. Die nächste Tour würde folgen, und dafür wollten alle
drei von uns fit sein. „ Hat irgendjemand von euch zweien eine Idee für einen
guten Song?“, fragte Zac, dessen Tatendrang man förmlich sehen konnte. Wie
unter Strom tippte er die ganze Zeit seine Drumsticks an. Ich begann mein Hirn
anzustrengen. Sollte ich etwa über die kaputte Beziehung zu Natalie ein Lied
schreiben? Verlegen kratzte ich mich am Kopf, und beschloss noch einmal darüber
nachzudenken. An diesem Nachmittag genoss ich mal wieder wirklich in der Musik
aufzugehen. Ich liebte es so mich in einer Melodie zu verlieren. Durch den
ganzen Stress in letzten Tagen hatte ich ganz vergessen, dass es ja auch noch
ein Leben außerhalb der Konflikte gab. Nach und nach entpuppte sich aus unserer
Klimperei ein neues Lied. Am Abend waren wir alle drei zufrieden und glücklich.
„Wir müssen bald wieder ins Studio“, jauchzte Ike vor Begeisterung. Zac sah
mich mit großen Augen an und brachte nur ein entzücktes „Oh jaa!“, hervor.
Lachend schüttelte ich den Kopf und erinnerte mich daran, dass wohl Ike immer
am meisten unzufrieden mit den Ergebnissen aus dem Studio war. Da musste man
schon verdammt viel Überzeugungskunst aufbringen, um Ike seine Befangenheit,
und er hatte beim besten Willen keinen Grund seine Arbeit anzuzweifeln, zu
nehmen. „So Jungs, ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich habe einen
riesen Hunger“, stöhnte ich. „War ja klar“, kritisch hob Ike seine Augenbrauen.
In diesem Moment machte sich ein knurrendes Geräusch aus Zacs Richtung bemerkbar.
„Mhm, also ich könnte jetzt auch einen Happen vertragen“, stimmte er mir mit roten
Ohren zu. Gemeinsam schlenderten wir zurück ins Haus um uns in der Küche einige
Sandwiches zuzubereiten. Mum saß auf der Couch und erholte sich gerade von
Mackenzies und Zoes Zickereien. Wahrscheinlich hatte Mak seine Schwester mal
wieder geärgert. Nichts Neues. „Na Mum?“, fragte Zac und setzte sich zu ihr auf
die Couch, während ich den Kühlschrank plünderte. „Ach gut, mein Lieber! Die
Kleinen machen mich noch fertig. Das waren definitiv die letzten, “ stöhnte sie
und beäugte kritisch mein Tun in der Küche. „Sag mal Tay, bist du ausgehungert
oder wieso verarbeitest du gerade den halben Kühlschrank?“ Einen Moment lang
hielt ich inne und lief rot an. Eigentlich wollte ich unbemerkt noch 2
Sandwiches für das Mädchen machen. Natürlich sah es in den letzten Tagen so
aus, als wäre ich am verhungern. Denn immer wieder fehlte eine Portion
Lebensmittel mehr. Als wenn es in einem neunköpfigen Haushalt groß auffallen
würde… Na ja meiner Mutter fiel es auf. „Na, ich hab eben Hunger“, redete ich
mich verlegen heraus. Sie stand auf und stapfte, während sie sich die Hand
stützend ins Kreuz hielt hinter den Küchencounter und strich mir sanft über den
Rücken. „ Dann lass es dir mal schmecken.“ Man sah ihr immer noch an, dass sie
wirklich sehr erleichtert sein musste, mich nicht an Natalie „verloren“ zu
haben. Sie mochte Natalie wirklich sehr, aber die Tatsache, dass ich so
überstürzt mit ihr zusammen ziehen wollte, hatten seltsame Gedanken und
vorallem Befürchtungen in ihr ausgelöst. Sie ging aus der Küche und in einem
unbemerkten Augenblick schnappte ich mir zwei bereits fertige Sandwiches und
huschte in den Garten. Diese verstaute ich wieder an ihrem üblichen Ort im
Baumhaus. Jetzt hieß es abwarten. Wahrscheinlich würde sie heute Abend schon
wieder auftauchen. Eine gewisse Vorfreude machte sich in mir breit. Genüsslich
saßen wenige Minuten später all meine Geschwister und meine Eltern beim
Abendessen. „Wie war’s heute bei den Proben?“, fragte unser Vater in die Runde.
„Guad, hoben einon neun Zoong geschribben“, mampfte Zac mit vollen Backen.
Meine Eltern starrten ihn nur fragend an. „Ehm… Mum, Dad ich hab noch etwas was
ich mit euch besprechen möchte“, kündigte Ike groß an. Ich sah von meinem
Teller auf. „Dann mal los“, forderte ihn Dad beschwingt auf. „Also ich dachte,
ich werde ja im November schon 21 und vielleicht ist das jetzt langsam mal der
Zeitpunkt um auszuziehen. Einfach um euch zu entlasten“, erklärte Ike sein
Vorhaben, von dem niemand etwas geahnt hatte. Mum ließ ihr Sandwich aus der
Hand fallen und starrte entsetzt in die Runde. „Wieso will jeder meine Söhne
ausziehen? Was hab ich nur falsch gemacht, dass alle weglaufen?“, fragte sie
sich und schüttelte resigniert den Kopf. „Diana!“, sagte mein Vater mit fester
Stimme. „Ich will euch damit nicht kränken, es war nur eine Idee. Ich will auch
nicht weit weg, … nur wäre es doch mal an der Zeit“, fügte Ike hinzu und senkte
den Kopf. „Na ja wir müssen es auch nicht jetzt besprechen“. Damit war das
Thema für diesen Abend beendet und das Abendessen zu Zacs Bedauern auch. Meiner
Mutter hingegen war der Appetit deutlich vergangen. Sie hatte sich zurückgezogen
und mein Vater redete mit ihr. Wir kümmerten uns hingegen um unsere kleinen
Geschwister und brachten sie zu Bett. „Wieso willst du auf einmal weg?“, wollte
Jessica wissen, während sie Zoe dazu brachte in ihr Nachthemd zu schlüpfen. „Na
ja, es war nicht böse gemeint,“ versuchte sich Ike zu rechtfertigen. „Ja, aber
wieso willst du weg?“, stichelte sie weiter. „Jess, jetzt lass ihn doch!“, fiel
ich ihr ins Wort und versuchte sie ein wenig zu beruhigen. Ich wusste ganz
genau, dass Ike es nicht ausstehen konnte, wenn er ins Kreuzfeuer seiner
äußerst kritischen Schwester geriet. Ich konnte ihn verstehen. Schließlich war
es ja noch nicht also lange her, als ich noch fest davon überzeugt war, dass wenn
ich ausziehen würde, sich mein Verhältnis zu meiner Familie bessern würde. Ikes
Absicht hingegen unterschied sich von meiner meilenweit. Ich glaubte ihm, dass
er wirklich nur daran dachte, weil er sich einfach zu alt fühlte um sich mit
seinen Brüdern noch ein Zimmer zu teilen. Meiner Meinung nach, war da wirklich
nichts Verwerfliches an seinem Vorhaben. Doch Jess hörte nicht auf und verlieh
ihrer Stimme hingegen einen gewaltigen Nachdruck. „Es reicht jetzt!“, zischte
ich sie ungewohnt scharf an und packte sie am Handgelenk. Sie sah mich mit
großen Augen an, schnaubte und dampfte wütend ab. Mir war klar, dass sie nun
hatte, was sie wollte. Sie hatte Ike ein schlechtes Gewissen eingeredet, was
natürlich total unbegründet war. Zoe saß in ihrem Nachthemd auf dem Bett und
blickte immer abwechselnd zwischen mir und Ike hin und her, als hätte sie Angst
nur einen Moment der Situation versäumen zu können. „Ike!“, ermahnte ich ihn,
um ihn aus seinen Selbstzweifeln zu reißen. „Scheint wohl nicht so einfach zu
sein“, sagte er mit einem sarkastischen Lächeln und sah mir in die Augen. „Natürlich
ist es das. Wenn es das ist, was du willst und du es für richtig hälst, dann
kann dir hier keiner rein reden. Auch nicht Jessica oder Mum,“ gab ich ihm zu
verstehen, „Abgesehen davon heißt das ja nicht, dass du für immer untertauchen
willst.“ „Nein, ich glaube es ist die falsche Entscheidung gewesen“, begann er.
„Ike, verdammt noch mal!“, wieso ließ er sich immer so sehr von anderen
beeinflussen. Er steckte lieber zurück als irgendjemanden zu kränken. „Also ich
finde es nicht schlimm, wenn du ausziehst, Isaac. Taylor hat mir erklärt, dass
jeder mal ausziehen muss. Aber ich will dich dann ganz oft besuchen!“, meldete
sich nun auch Zoe zu Wort, die wir schon ganz vergessen hatten. Daraufhin
mussten wir beide schmunzeln und ich glaubte sehen zu können, dass er anfing
sich endlich mal zu entspannen.

 

Re: Your Illusion

hi

erstmal: ich wollte den text wieder nicht-eingerückt machen, aber jetzt geht es nicht mal mehr bei mir. ich weiss nicht, was da nicht stimmt. ich schreib da nochmal hin.

ach, der arme ike. den mag ich irgendwie richtig gerne. ích finde es süss, dass er immer so um die anderen besorgt ist. und zoe finde ich auch irgendwie cool.

ich bin mal gespannt, was taylor jetzt mit dem foto anstellt und vor allem: wo ist die familie des mädchens und was ist passiert?

hast du shcon weitergeschrieben?

lg

mizu

Re: Your Illusion


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Kaum war
Ruhe eingekehrt, und alle schienen zufrieden und glückselig zu schlafen, bahnte
ich mir meinen Weg in den Garten. Als ich die Tür öffnete, hauchte mir eine
frische Brise entgegen, die mir die Gänsehaut in den Nacken trieb.
Erschrockenüber diese niedrige
Temperatur Ende August schloss ich schnell die Tür. Wenn ich nur darüber nachdachte,
dass ich die ganze letzte Nacht da draußen verbracht hatte, machte sich mein
Hals mit einem kratzenden Gefühl bemerkbar. Ich rollte mit den Augen. Das war
ja ein hübsches Überraschungsgeschenk. Ich hoffte nur, dass es bis Morgen
wieder verschwunden war. Ich holte tief Luft, versuchte mir warme Gedanken zu
machen und riss die Verandatür schnell auf. Mit einem großen Satz landete ich
mit nackten Füßen im Garten. Mir stockte der Atem, denn die feuchte Kälte
drängte sich zügiger in meinen Körper als ich erwartet hatte. „Na ja, dann
nichts wie los“, dachte ich mir, „Je schneller du wieder rein kannst, umso
besser“. Mit raschen Schritten erreichte ich das Baumhaus und stieg nach oben.
Das gab es doch nicht. Hier oben war nichts. Von dem Mädchen war weit und
breit, zumindest auf diesen wenigen Quadratmetern keine Spur. Ich war mir so
sicher gewesen, dass sie zurück kehren würde. „Vielleicht war sie da, und hat
wieder was liegen lassen?“, schoss es mir durch den Kopf. Nervös und frierend
durchwühlte ich das gesamte Baumhaus. Noch nicht mal die Decke hatte sie
mitgenommen und die Sandwiches lagen noch unberührt auf ihrem Teller.
„Verdammter Mist“, fluchte ich und gab dem rauen Holzbalken einen Klaps. In
diesem Moment vernahm ich etwas aus dem Augenwinkel. Ich schnappte nach Luft.
„Warum kann dieses T-Shirt nicht einfach länger sein, wenn es einmal kalt ist?“,
meckerte meine innere Stimme. Da, das war es. Unter dem Baumhaus plätscherte
der kleine Bach vor sich hin und am Ufer lag irgendetwas. Ich beeilte mich das
Baumhaus zu verlassen. Bei den letzten Sprossen wurde ich übermütig und
übersprang sie, was natürlich dazu führte, dass ich umknickte. Kurze Zeit
darauf lag ich wie ein Käfer auf dem Rücken und rieb mir den Knöchel. „ Jordan
Taylor Hanson, du bist so bescheuert, lass dir das gesagt sein,“ brachte ich
unter einem schmerzverzogenem Gesicht hervor. Zum Glück war es tiefste Nacht,
jeder andere hätte mich nämlich für verrückt erklärt, wenn er meine
Selbstgespräche belauscht hätte. Ziemlich benommen rappelte ich mich auf und
humpelte an das Bachufer. Das Wasser brachte ein aufgeregtes Glitzern hervor,
was zu bestaunen gewesen wäre, wäre es nicht so erschreckend kalt gewesen. Ich
schob mit der linken Hand eine Haarsträhne hinter das Ohr und versuchte den
Fleck, den ich in der Dunkelheit vom Baumhaus aus beobachten konnte, wiederzufinden.
Ich setzte einen Fuß nach dem anderen und überquerte das Kieselsteinufer.
Hinter einem Baum entdeckte ich plötzlich das was ich gesucht hatte. Ich ging
einen Schritt darauf zu und trat auf einen spitzen Stein. Diese Nacht war doch
verhext. Langsam fand ich es nicht mehr witzig, ich wollte nur noch zurück ins
Haus. Ich beeilte mich zu der Stelle zu kommen. Und da lag sie in ihren kurzen
Hosen ohne Schuhe und einem alten T-Shirt unter dem wuchtigen Baum. Wieso hatte
sie sich nicht wieder ins Baumhaus gelegt, da wäre sie wenigstens geschützt
gewesen vor dem eisigen Wind. Einen Moment hielt ich inne und betrachtete wie
sie sich zusammengerollt hatte. „Echt unmöglich! Eine weitere Nacht bleibe ich
auf keinen Fall hier draußen und sie auch nicht!“, schoss es mir durch den
Kopf. Ich beugte mich über das Mädchen um sie zu tragen. Dabei fielen mir immer
wieder die Strähnen hinter den Ohren hervor und kitzelten sie. Einen Bruchteil
einer Sekunde glaubte ich sie aufgeweckt zu haben, doch dann drehte sie sich
nur auf dem unbequemen Untergrund zur Seite. Die Kälte schien mir wirklich die
Gedanken einzunebeln. Meine Ungeduld steigerte sich, deswegen nahm ich etwas
hibbelig das Haargummi vom Handgelenk und band meine Haar aus dem Gesicht.
Erneut beugte ich mich über das Mädchen, schob vorsichtig meine Hand unter ihre
Beine und zog sie an meinen Oberkörper. Ihre Haut war fürchterlich ausgekühlt.
Wie konnte sie diesen Temperaturabfall in der Nacht nur aushalten? Mir fiel
auf, dass sie nicht sonderlich schwer, und die Knochen an ihrem Rücken standen
besonders hervor. Wenige Minuten später trat ich wieder in das warme
Wohnzimmer. Ich war überrascht, denn das Mädchen schlief tief und fest weiter,
obwohl ich sie durch den ganzen Garten getragen hatte. Behutsam legte ich sie
auf die Couch und suchte nach einer Decke, um sie zu zudecken. Ich ließ mich
auf den Sessel gegenüber fallen und holte erst einmal tief Luft. Ich fror immer
noch. Nur langsam verdrängte die aufsteigende Wärme die Kälte. Auch ich deckte
mich zu und grübelte über die Situation nach. Währenddessen beobachtete ich
sie. Sie sah so unglaublich jung aus. Wie alt sie wohl war? Vielleicht 16?!
Oder jünger? Nein, jünger als Jessica war sie auf keinen Fall. An der Stirn
unter den Haaren blitzte eine blutig aussehende Platzwunde hervor. Hatte sie
sich die selbst zugefügt oder hatte jemand nach geholfen? Mir brummte der Kopf
und jetzt fing auch noch meine Nase an zu laufen. Oh Mann. Heute Abend war ja
echt gelungen. Aber wenigstens hatte ich das Mädchen aus der Kälte holen können
und am nächsten Morgen würde ich mehr über sie erfahren. Dieser Gedanke
beruhigte mich so sehr, dass er mich in den ruhigsten Schlaf seit Wochen
versetzte. Am nächsten Morgen wurde ich in aller Frühe von den ersten
Sonnenstrahlen geweckt. Es war gerade mal kurz nach 5 Uhr morgens, aber mein
Hals kratzte so sehr, dass an eine weitere Runde Schlaf wohl kaum zu denken
war. Ich stand auf, schüttete etwas Kaffeepulver in den Filter der
Kaffeemaschine und lauschte dem gleichmäßigen Zischen des Gerätes. Das Mädchen
schlief immer noch tief und fest. Langsam machte ich mir echt Sorgen. „Ist sie
gestern da draußen vielleicht erfroren und ich hab die Leiche ins Haus
getragen?“, schoss es mir durch meinen Kopf. Ein Gefühl von Ekel machte sich in
mir breit. „Jetzt sei doch nicht albern“, murmelte ich selbsttadelnd vor mich
hin und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, nachdem dieser vollkommen
durchgelaufen war. Vorsichtig nahm ich die Tasse und trug sie zum
Wohnzimmertisch. Dort setzte ich mich vor die Couch und führte meine
Observation fort. Mir war klar, dass spätestens um 8 Uhr die Küche überfüllt
war von kleinen quirligen und großen zickigen Geschwistern. Bis dahin musste
mir was einfallen. Ich beugte mich über die Schlafende, die weit die Decke über
ihren Kopf gezogen hatte. „Gut, dann muss sie heute Nacht noch gelebt haben“,
atmete ich, obwohl ich mir kindisch vorkam,erleichtert auf. Auf einmal bewegte sie sich. Sie drehte mir den Rücken
zu, und brachte somit weitere blaue Flecke und riesige Blutergüsse zum
Vorschein. Ich traute meinen Augen nicht, und an ihrem Hals zog sich ein
enormer Abdruck entlang. Es sah fast so aus als… Aus heiterem Himmel starrten
mich zwei große, schwarze Augen, die erfüllt waren von Panik, an. Mir entfuhr
ein überaus erschrockenes „Woah“ als ich mich zurück stieß und dabei auf dem
Hintern landete. Blitzschnell setzte sie sich auf und schlang ihre Arme um die
nackten Beine. „Hey, du hast mich ganz schön erschreckt“, kicherte ich verlegen
und hoffte im tiefsten Innern, dass niemand von meiner Familie durch den
Aufschrei geweckt worden war. Sie hingegen saß da, als wartete sie nur darauf
flüchten zu können. Ihre dunklen Augen traten ihr fast aus dem Kopf, so sehr
waren sie durch ihre Nervosität geweitet. „Ich heiße Taylor“, stellte ich mich
vor und rückte wieder etwas näher an die Couch heran um ihr die Hand zu
schütteln. Sie sah mich schweigend an und rückte nur weiter weg. „Ich eh, hab
dich am Bachufer hinter dem Haus gefunden und es war so kalt. Deswegen hab ich
dich mit ins Haus genommen. Du brauchst also keine Angst zu haben. Ich tu dir
nichts!“, machte ich ihr klar und sah verdutzt auf meine ausgestreckte
Hand.„Also, “ langsam wurde ich nervös,
„wie heißt du?“ Wieder sagte sie nichts. „Okay, du hast Hunger, oder? Ich mach
dir was, du musst nur sagen was du dir wünschst?!“, ich versuchte sie mit allen
Mitteln zum Reden zu bewegen, aber nichts brachte sie hervor. Also beschloss
ich morgens um 5:30 Uhr Rührei mit Speck und Toast zu kochen. Der Duft des
Essens lockte die kleine Ausreißerin von ihrem Couchplatz zur Küchentheke. Eingehüllt
in die Decke stand sie da, und schloss für einen Moment die Augen, sog den Duft
der Eier und des Specks tief durch die Nase und öffnete dann wieder ohne ein
Wort zu sagen die Augen. Ich verkniff mir ein Lachen und tischte stattdessen
das Frühstück auf. „Guten Appetit“, wünschte ich ihr und setzte mich neben sie
an die Küchentheke. Mit großen Augen sah sie sich um und zögerte einige
Sekunden. Doch dann schien sie sich zu überwinden und setzte sich zu mir. Kaum
hatte sie die Gabel in der Hand, war der Teller auch schon leer. Ich hatte in
meinem Leben kaum jemanden gesehen, der so schnell das Essen in sich
reinstopfte. Zac zählte ich da als eine Ausnahme. Unfassbar wie hungrig sie
doch war. Ohne sie zu fragen, füllte ich ihren Teller erneut, und stellte ihn
vor sie. Aufmunternd nickte ich ihr zu. Wieder war im Handumdrehen der gesamte
Teller leer geputzt. Ich lächelte, denn es beruhigte mich, dass ich ihr
wenigstens den Hunger auf diese Weise nehmen konnte. Auch ich beeilte mich und
achtete nicht darauf, dass ich mit meinem Arm an ihren stieß. Ich dachte noch
nicht mal über diese winzige Berührung nach, sie aber erhob sich sofort von
ihrem Platz und wich zurück. Das konnte ja heiter werden. „Sonst schreien die
Mädels auf unseren Konzerten und würden vielleicht einiges dafür geben, dass
ich sie nur einmal berühre und dieses ist total angewidert. Das Schicksal kann
echt ironisch sein“, dachte ich kurz amüsiert, bevor ich wieder auf sie
einredete. „Hör zu, ich weiß nicht, was dir passiert ist. Aber ich möchte dir
wirklich nichts Böses. Im Gegenteil ich will dir helfen. Du brauchst wirklich
keine Angst zu haben, aber es wäre echt einfacher, wenn du mir wenigstens
deinen Namen verraten würdest.“ Nichts. Sie zeigte keine Reaktion. „Vielleicht
ist sie nur schüchtern“, redete ich mir ein und grübelte stattdessen darüber
nach, wie ich sie am Besten erst einmal vor der Familienherde geheim halten
konnte, ohne sie wieder rauszuwerfen. Denn das, wollte ich auf keinen Fall. Ich
brauchte Zeit um ihr Vertrauen zu gewinnen und somit ihr Geheimnis zu lüften.
Aber wie sollte ich in diesem Haus ohne einen einzigen Verbündeten einen
Menschen verstecken? Relativ schnell wurde mir klar, dass es mir nicht gelingen
würde das Mädchen von der Familie fernzuhalten, ohne wenigstens zwei Personen
von meinem Vorhaben einzuweihen. Ike und Zac, auch wenn Zac mit seinen fast 16
Jahren eine unheimliche Quasselstrippe sein konnte, und es ihm bestimmt nicht
leicht fiel, dieses Geheimnis für sich zu behalten, schienen mir ideal. Warum
ich mich nicht gleich meinen Eltern anvertraute? Irgendwie wusste ich, dass Mum
und Dad sich nach einer ziemlich kurzen Diskussion dafür entscheiden würden die
Polizei einzuschalten. Sicherlich würde ich dann von dem Mädchen nichts mehr
sehen oder hören. Möglicherweise war es egoistisch meiner eigenen Neugierde so
nachzugeben, aber ich half ihr doch dabei, oder? Ich musste mir nur noch
überlegen, wie ich Ike und Zac dazu brachte mir in dieser Angelegenheit zu zuhören.
Natürlich war sie der lebende Beweis dafür, dass ich mit der Sache im Baumhaus
recht behalten hatte. Aber wenn ich wieder davon anfinge, dann war mir der
Spott im ersten Moment garantiert. Ich würde es eben aushalten müssen,
entschied ich und lächelte ihr sanft zu.




Re: Your Illusion

Schon wieder die bescheuerten Smilies, die ich noch nicht mal selbst eingefügt hab. Du siehst die doch auch, oder? *mich nervös umschau*
Ich bin doch nicht wahnsinnig... Die wollen mich fertig machen Die reiben mir immer wieder unter die Nase, dass ich zu dumm zum Posten bin, oder das Forum es nicht zulassen wird, dass ich mal nen ästhetischen Beitrag poste.... :'( So nach dem Motto: "Du kommst hier nicht raus! Wir kriegen alle!!!!!!!"





Re: Your Illusion

ohhhhhhhhh, cooles kapitel! er hat das mädchen wirklich mit ins haus genommen! *aufgeregt sei* jetzt bin ich ja mal gespannt wie legolas' bogen!

aber woher hat sie diese ganzen verletzungen und warum diese berührungsangst? die arme tut mir jetzt schon leid, irgendetwas verdammt schlimmes muss ja passiert sein.und warum redet sie nicht? taylor ist doch so lieb zu ihr! T-T' ob sie noch auftaut? wenigstens ein bisschen?

ich bin mal sehr gespannt, wie zac und ike darauf reagieren und ob sie taylor dabei helfen werden. oder ob sie erstmal dagegen sind.

hast du das neue kapitel schon geschrieben?

mit den smileys ... ja, ich sehe sie in der tat auch. ich werde mich nach dem essen mal dran machen, denen eine mail zu schicken. x'D vielleicht ist das forum von einem dämon besessen. immerhin habe ich es erscahffen und ich habe auch schonmal ein bild gemalt, was von einem dämon besessen ar U.U'

mizu

Re: Your Illusion

Hallöchen :)
Danke, es freut mich, dass dir das Kapitel gefällt. Hab gestern sogar wirklich noch an dem Neuen geschrieben und ist sogar schon fertig. Mal sehen, wann ich es on stelle, vielleicht sogar schon morgen Abend zur Feier des Tages Auf jeden Fall schreib ich gleich wieder weiter... Die Sucht nimmt überhand.


Danke, dass du dich drum kümmerst... Ja das Forum ist eben frech... Vielleicht muss ich mich auch einfach damit abfinden... Finde es nur sehhhhrrrr gruselig :D


caramellino <3



Re: Your Illusion

So zur Feier des Tages... Viel Spaß beim Lesen.


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Das Mädchen:



Jetzt saß
ich da. Auf einer fremden Couch in einem fremden Wohnzimmer in einem absolut fremden
Haus. Der blonde Junge, von dem ich noch vor wenigen Stunden so fasziniert war,
hatte mich mittlerweile in eine Schreckstarre versetzt. „Einfach nicht
bewegen!“, redete ich mir in Gedanken ein. Er hingegen schien auch nicht
sonderlich damit gerechnet zu haben, dass ich jeden Augenblick aufwachen
könnte. Entsetzt hatte er einen Schrei ausgestoßen, als er über mich gebeugt
Notiz von mir nahm und sich nach hinten geworfen hatte. Wie zum Teufel war ich
hier her gelangt und vor allem was wollte er von mir? Die ganze Situation jagte
mir fürchterliche Angst ein. Am liebsten wäre ich aus dem Haus gestürmt, aber
irgendetwas hielt mich davon ab. In seinen Augen flackerte etwas Nervöses. Sein
Gesicht sah aus, als hätte er gerade Tote wieder auferstehen sehen. Doch
langsam entspannte sich seine Miene und er lächelte mir zu. Er streckte mir die
Hand entgegen und stellte sich als Taylor vor. Argwöhnisch begutachtete ich ihn
und rutschte angespannt hin und her. Geduldig erklärte er mir, dass er mich vom
Bachufer aus hier her gebracht hatte. „Ach ja, da war etwas“, fing ich an mich
zu erinnern. Natürlich, am Abend zuvor war ich wieder in den Garten der Familie
zurück gekehrt. Mein eigentliches Ziel war es gewesen, mein Foto zu suchen. Da
es zu hell gewesen war um unbemerkt ins Baumhaus zu klettern, hatte ich mich am
Bachufer hinter den Bäumen versteckt, um den Abend abzuwarten. Dort hatte mich
die Müdigkeit übermannt und ich musste eingeschlafen sein. „Du bist so
schrecklich doof“, ich machte mir Vorwürfe. Wie würde es jetzt wohl weiter
gehen? Der Junge redete immer wieder auf mich ein, doch ich driftete mit meinen
Gedanken weiter ab. Jede Bewegung die er machte, löste in mir einen
Fluchtreflex aus, den ich nur mit aller Gewalt unterdrücken konnte. Abgesehen
davon, hatte ich unheimliche Magenschmerzen. In den vergangenen Stunden hatte
ich noch keine Mahlzeit zu mir genommen, wenn man das, was ich ab und zu als
Essen zu Gesicht bekam überhaupt als eine „Mahlzeit“ bezeichnen konnte. Nur
seine belegten Brote, die er im Baumhaus deponierte, hatten mich vor dem
sicheren Wahnsinn durch das ewige Hungern gerettet. Jetzt erfüllte die Wohnküche
ein sanfter Duft von Rühreiern und Speck, der verführerisch um meinen Kopf
tanzte. Ich rang mit mir selbst. Konnte jemand, der dich aus der nächtlichen
Kälte holte, der dir Brote ins Baumhaus schmuggelte, und nachts neben dir
ausharrte wirklich böse sein? Konnte dieser Junge irgendwelche schrecklichen
Absichten hegen, wenn er sogar morgens in der Küche stand und mir einen Eimer
voll Rührei auf meinen Teller schaufelte? War er das Wunder, auf das ich schon
so lange hoffte? „Nein, denk erst gar nicht dran!“, ermahnte mich eine leise
Stimme in meinem Hinterkopf. „Du bist ihm nichts wert und du wirst es nie sein.
Du wirst nie irgendjemandem etwas bedeuten. Alle, die du kanntest haben dich
enttäuscht. Jetzt sei nicht schon wieder so naiv und hoffe auf ‚deine Rettung‘.
Nimm was du kriegen kannst, und verschwinde solange es noch möglich ist.“ Ich
war hin und hergerissen. Woran, um Himmels Willen, sollte ich nur seine
Absichten erkennen? Ich fühlte mich allein gelassen. Ich war den Tränen nahe
und rang mit mir selbst, diese nicht zu zeigen. Ich wollte nicht noch mehr Angriffsfläche bieten, mich nicht noch verletzlicher
machen, als ich ohnehin schon war. Eine Welle von Hunger bahnte sich an und für
einen kurzen Augenblick vergaß ich alle Bedenken und widmete mich vollkommen
meinem Teller. Wie unbeschreiblich gut dieses einfache Essen schmeckte. Ohne
Frage, befand ich mich zu diesem Zeitpunkt in einem kulinarischen Paradies.
Aber mein Glückszustand hielt nicht lange an. Er lächelte dreist und dann… Dann
berührten sich unsere Arme. Er zeigte keine Reaktion, tat so, als wäre nichts
gewesen und ich… Ich sprang auf und flüchtete in die Ecke des Zimmers.
Schockiert sah er von seinem Teller auf. „Ich will hier raus. Sofort!“, tausend
Bilder schossen durch meinen Kopf. Eines so unerträglich wie das andere. Mein
Innerstes rebellierte und meine Eingeweide fühlten sich an, als wären sie in
ein Säurebad getaucht. Ich hatte mich in ihm getäuscht. Er war nicht meine
Rettung, er war ein Mistkerl. Nervös verlagerte ich mein Gewicht vom einen Bein
auf das andere. Es gab keinen Ausweg. „Es war doch nur eine unbeabsichtigte
Berührung, krieg dich ein“, schimpfte meine innere Stimme. „Hör
zu, ich weiß nicht, was dir passiert ist. Aber ich möchte dir wirklich nichts Böses. Im Gegenteil ich will dir helfen. Du
brauchst wirklich keine Angst zu haben, aber es
wäre echt einfacher, wenn du mir wenigstens deinen
Namen verraten würdest,“ begann nun auch der Junge auf mich einzureden. Ich
atmete tief ein. Ich sah ihm an, dass er die Welt nicht mehr zu verstehen
schien. Er erwartete eine Antwort, aber ich blieb stur und schwieg. Ich wollte
mich nicht noch in einige misslichere Lage bringen, als sie sowieso schon war.
Für einen Moment schien er nachzudenken. Mir war es egal, über was er sich wohl
den Kopf zerbrach. Denn kein einziges Problem, dass er wohl hatte, konnte so
schlimm und so aussichtslos scheinen wie meine eigenen. Ich war verzweifelt.
Ich konnte nicht mehr. Warum war ich eigentlich überhaupt noch am Leben? Warum
war ich nicht auch schon tot? In dieser Sekunde wünschte ich mir nichts
sehnlicher, als einfach umzufallen. Nichts geschah. Eine warme Träne nach der
anderen rann über mein Gesicht. Ich hatte nicht mehr die Kraft dazu, gegen
meine Gefühle anzukämpfen. Mir war hundeelend. Ich saß in einem fremden Haus
und weinte bittere Tränen und es war keiner da, der nur annähernd beruhigende
Worte für mich finden konnte. Mein Schluchzen, und es war mir schrecklich
peinlich, hatte Taylor aus seinem Gedankengang gerissen. Panisch sah er mich
an. „Hey, hey,…“, mehr brachte er nicht hervor. „Hey… nein. Hör auf. Hör bitte
auf zu… zu weinen. Bitte. Ich … du… wir kriegen das alles schon hin. Jetzt komm
schon. Na mh, bitte hör doch auf“, flehte er und kam einen Schritt auf mich zu.
Adrenalin schoss durch meinen Körper und versetzte mich in allerhöchste Alarmbereitschaft.
Trotzdem flossen die Tränen immer noch in Strömen. „Bitte komm nicht näher.
Bitte bleib wo du bist!“, betete ich innerlich. Doch er ließ sich nicht
beirren. Ich wich zurück bis ich mit dem Rücken zur Wand stand. Ich hatte
solche Angst. Angestrengt versuchte ich meinen Weinkrampf zu kontrollieren,
aber er wurde nur noch schlimmer. Meine Atmung verlief nur noch stockend.
„Nein, du brauchst doch nicht zu weinen“, mitleidig verzog er das Gesicht und
näherte sich immer mehr. Seine Stimme hallte in meinen Ohren wider. Aber er
redete nicht energisch auf mich ein, sondern mit einer Milde, die er im
Baumhaus schon im Schlaf besessen hatte. Und dann… dann breitete er die Arme
aus und umarmte mich. Ich wusste nicht wie mir geschah. Ich wollte doch weg.
Ich stemmte mein gesamtes Körpergewicht gegen ihn. Ich wollte ihn zur Seite
stoßen und raus rennen, ihn vergessen, ihn nie wieder sehen, ihn schlagen und
ihn beschimpfen, mit den schwersten Gegenständen bewerfen … und er… hielt mich
fest mit einer Bestimmtheit die mir die Knie weich werden ließ. Sanft strich er
mit der Hand über mein Haar und redete weiter auf mich ein. Ich gab auf. Ich
leistete keinen Widerstand mehr. Ich ließ meinen Kopf an seiner Brust ruhen und
heulte mir die Seele aus dem Leib. Ich schämte mich. Konnte sich denn nicht der
Erdboden auftun und mich verschlucken? Mich befreien aus dieser Umarmung, die
mich wahnsinnig machte, die mir den Magen umdrehte, mich aufwühlte und die mich
doch irgendwie beruhigte.







Re: Your Illusion

hi!

also, ich möchte folgendes sagen:

ich finde, dieses "geburtagskapitel" einfach saumässig stark!

ich finde es so genial und nachvollziehbar, wie du die gefühle des mädchens rübergebracht hast. irgendwie leidet man einfach richtig mit ihr und man kann diese innere zerrissenheit spüren, die sich einerseits zu taylor hinzieht und andererseits von ihm wegdriften lässt. den wunsch ihm nahe zu sein, aber auch das verlangen, aus der situation zu entfliehen. und doch irgendwie kann sie nciht wiederstehen, die hilfe anzunehmen und etwas gutes dahinter zu erkennen.

udn dann diese umarmung - irgendwie war das voll gänsehautfeeling. es war so ... man konnte spüren, dass taylor sich wünscht, sie würde ihm vertrauen und dass sie es sich auch wünscht, es aber einfach nicht kann. es war eine mischung aus bedrückend, rührend und ausdrucksstark.

jetzt bin ich mal gespannt ob du noch ausführst, wie taylor zu dieser plötzlichen reaktion kam.

liebe grüße

mizu