Gruppe Enigma - Texthaufen

Prosa für Nachdenkliche

Prosa für Nachdenkliche

Sonntagsrechnung (über den Daumen gepeilt)

Die Sonne scheint durchs Fenster. Der Kaffee duftet. Mein Mann raschelt mit der Zeitung. Ich surfe im Internet und mir ist langweilig. Ich lasse meine Gedanken schweifen.

Ich werde im Oktober 40 Jahre alt. Ich finde, das ist an sich schon schwer genug für mich!

Gerade zitiert mein Gatte aus der Zeitung, der durchschnittliche Mann rasiere sich in seinem Leben insgesamt 47 Wochen. So über den Daumen gepeilt. Das bringt mich auf eine, zugegebenermaßen von meiner momentanen geistigen Unterforderung reich genährte Rechenidee.

Alle 5 Wochen eine Woche. Macht pro Jahr 20%. Wow!
Okay, ich bin nicht gerade die Durchschnittsfrau. Darum beginne ich, individueller zu denken (denn diese zwanzig Prozent klingen mir doch recht pauschal) und tauche in die Untiefen der pragmatischen Hausfrauenmathematik hinab:

40 Jahre (2080 Wochen) minus 12 Kinderjahre (624Wochen) macht 28, macht 1456 Wochen. Minus 2 Schwangerschaften à 40, also insg. 80 Wochen und 2 Stillzeiten à 36 und 26 Wochen, also insg. 62 Wochen. 80 plus 62 gleich 142. In etwa über den Daumen gepeilt, nicht wahr?

Da ich aber noch nicht ganz 40 bin (das möchte ich hier nochmals betonen!), muss ich exakter werden: 39 Jahre sind 2028 Wochen plus 28 Wochen (Nov.-Mai) gleich 2056 minus 624 macht 1432 Wochen. Jetzt minus die 80 Schwangerschaftswochen, macht 1352, minus 62 Stillwochen, macht 1290. Daumenpeilend. Dann rechne ich 20% davon, das macht…

Hilfe, das ist Dreisatz, das kann ich nicht! Mein Mann weigert sich, solch einen Unsinn auszurechnen und so muss ich erstmal meinen Sohn zu mir rufen, der hatte das Thema nämlich gerade in der Schule. Er steht an meinem sonntäglichen Bett und errechnet für mich (ich sag ihm natürlich nicht die Textaufgabe dazu!), 20% von 1290 sind 258. „Danke, lieber Sohn.“, sage ich und er verschwindet.

Das heißt für mich: Ich habe bis zum heutigen Tage summasummarum 258 Wochen meine Tage gehabt! Igitt! Ich stelle mir das am Stück vor (nicht die Menge!) und verliere plötzlich den Spaß am Leben. Schnell beruhige ich mich wieder, denn ich erkenne, ich habe das Ganze ja schon hinter mir und dieses Wissen stimmt mich milder. Was für eine Leistung!

Doch dann frage ich mich bang, wie viele Wochen ich denn noch vor mir habe? Will ich an dieser Stelle überhaupt weiterrechnen? Mein Mann - im sonntäglichen Ehebett seinen Kaffee schlürfend - schüttelt verständnislos den Kopf und ich stürze mich mit meinem (weil noch nicht genug geforderten) in eine neue, waghalsigere Rechnerei:

Ich google erst einmal die Wechseljahre. Es ist wirklich schlimm, was ich bei Wikipedia lese, denn neben ihrem äußerst widerlichen Symptomenkomplex, kann die so genannte Menopause bereits mit dem 40. Lebensjahr beginnen und maximal bis zum 58. anhalten. Das wären ja noch 18 Jahre! D.h. 936 Wochen, plus den 20 Wochen bis zum Oktober, macht 956, davon 20 % macht 191,2 Wochen!!! Über den Daumen gepeilt. Wenn es ganz dumm für mich kommt. Denn, so lese ich, die Regelmäßigkeit geht zwar flöten, dennoch variiert die Dauer und Häufigkeit der Blutung immens. Entschuldigt bitte meine Offenheit! Ja, Himmel noch mal! Den Riesenschlamassel der Hitzewallungen, spontanen Depressions- und Aggressionsausbrüchen, Schlaf- und Libidostörungen mal ganz außer Acht gelassen!

Wisst ihr was, ich werde einfach nicht 40! Nein, ich bleibe so alt wie jetzt, denn das gefällt mir sehr gut und ich weiß ja jetzt, was ich schon geschafft habe!

….

Gesetz dem Fall, ich wäre vom Pech verfolgt und müsste mich wirklich noch achtzehn Jahre mit dem Mist herumquälen, dann hätte ich in meinem gesamten Leben…Moment, ich rechne…über meinen zarten Daumen gepeilte 449 Wochen meine Tage gehabt! Hört sich nicht gut an, was? Dennoch: Lebte ich, die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen zugrunde gelegt, wirklich 90 Jahre, 4680 Wochen also, dann könnte ich noch mal eben die 449 davon abziehen und bekäme 4231 menstruationsfreie Wochen heraus. Das klingt doch weitaus besser!

Ich könnte natürlich auch noch ein oder zwei Mal schwanger werden, ganz entspannt drei Jahre pro Kind stillen, dann reduzierten sich die 449 noch um…

„Stopp, Schatz, ich denke, wir wollen keine Kinder mehr!?!“

Mein Mann unterbricht damit mein morgendliches Gehirnjogging. Ich antworte schnell: „Natürlich nicht, Hase.“, hauche ihm einen Kuss auf seine unrasierte Wange und verlasse das Ehebett, um uns ein feines Frühstück zuzubereiten.

Beim Eierkochen arbeitet mein Gehirn wie von selbst weiter. Ich kann gar nichts dagegen tun: Wenn ein durchschnittlicher Mann pro Tag einmal ejakulierte, käme man auf 352 pro Jahr, das macht dann minus Kinderjahre…Ab wann kann denn ein Junge überhaupt? Nach dem Frühstück werde ich nicht meinen Sohn danach fragen, sondern lieber noch mal den Rechner starten und mich bei Wikipedia nach der Geschlechtsreife der Männer erkundigen. Au ja, das wird interessant!

Re: Prosa für Nachdenkliche

Ich finde das lustig! Und ich hätte das in Tagen ausgerechnet, in Wochen ist es so undramatisch.

Re: Prosa für Nachdenkliche

Mach doch!

Re: Prosa für Nachdenkliche

"Die Annahme der Existenz eines Hirns bei Fußballfans in früheren Untersuchungen wird von den russischen Experten mit der Verunreinigung von DNA-Proben durch intellektuelle Absonderungen wissenschaftlicher Mitarbeiter in nicht hinreichend bildungssteril gehaltenen Labors erklärt."



Ganz schön viele schöne Pointen:-)

Re: Prosa für Nachdenkliche

Das ist der Text von Johannes! Der lag noch so auf MySpace rum.
Ich weiß genau, dass ich Ärger krieg!
Aber ich wollte doch blos zitieren........!




Xenoturbella ist ein wenige Zentimeter langer hirnloser Strudelwurm, der auf marinen Schlammböden beheimatet ist. Da Xenoturbella genau wie die Wirbeltiere in der biologischen Taxonomie zum Überstamm der Neumünder gehört, ist er näher mit dem Menschen verwandt als zum Beispiel mit Muscheln oder Schnecken. Weichtiere wie diese gehören nämlich zum Überstamm der Urmünder, das heißt, sie hatten zunächst einen Mund ausgebildet, der schließlich infolge eines evolutionären Durchbruchsaktes zum After hinausmündete. Ganz im Gegensatz zum Menschen, bei dem der Arsch zuerst da war.

Im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft 2008 wurden nun neue Forschungsergebnisse publik, die ein weit engeres Verwandschaftsverhältnis des Menschen zum hirnlosen Strudelwurm nahelegen als bisher angenommen. Durch eine großangelegte Charakterstudie wurde von einem Biologenteam der Lomonossow-Universität die These aufgestellt und mit bunten Grafiken untermalt, dass das Verhalten von Fans in Stadien mit den gleichen Mechanismen beschreibbar ist wie das des hirnlosen Strudelwurms Xenoturbella. Die Annahme der Existenz eines Hirns bei Fußballfans in früheren Untersuchungen wird von den russischen Experten mit der Verunreinigung von DNA-Proben durch intellektuelle Absonderungen wissenschaftlicher Mitarbeiter in nicht hinreichend bildungssteril gehaltenen Labors erklärt. Ihre Arbeit "Ist der Mensch ein Abfallprodukt der Evolution? Eine vergleichende Untersuchung von Xenoturbella und FC Deutschland-Fans" gilt inzwischen auch in der Soziologe als richtungsweisend, da sie plausible Erklärungen dafür geben kann, warum - ganz egal wo man hingeht - irgend ein Arsch immer schon vorher da war.

Re: Prosa für Nachdenkliche

Und jetzt sind unsere Identitäten vertausch. Ich mach grad alles nur noch schlimmer.


Kann mir bitte einer HELFEN???!

Re: Prosa für Nachdenkliche

Was? Wie? Wobei? Vertauschte Identitäten? Werden jetzt alle zu diesen Xeno-Wurmdingern?
Hu!


Frauen neigen zum Gegenteil.

Re: Prosa für Nachdenkliche

Silke ist ein Xenowurm. Wer hier was reinschreibt, der flutscht durch den Urmund und tauscht mit ihr die Identität.


Das ist eigentlich alles.

Re: Prosa für Nachdenkliche

Schatzi, könntest du nicht einfach alles löschen und nochmal neu posten?

Bitte, bitte!

Re: Prosa für Nachdenkliche

Johann, ähm, ich mein Silke, kann ich Deinen Text bei Wikipedia nachlesen?