Ein Mensch kommt in eine dunkle Wohnung und sucht den Lichtschalter, findet ihn nicht und tastet sich vor. Da glimmt eine Zigarette aus einer Zimmerecke. Jemand spricht:
Möchtest du spielen? Spielst Du gerne? Habe ich Dich das schon einmal gefragt?
Gesetzt dem Fall, Du spieltest gerne, welches Spiel würdest Du denn dann bevorzugen? Welche Spiele wären Dir überhaupt bekannt? Oder wären es eher die unbekannten Spiele, die Dich reizten, Dich animieren könnten? Und gewönnest Du auch für Dein Leben gern oder würdest Du zugunsten eines angenehmen Spielverlaufes auf Deinen vielleicht heißgeliebten Ergeiz verzichten? Und ginge es Dir vielleicht um Macht beim Spiel? Auch um Unterwerfung gar? Welche Rollen spieltest Du lieber und welche lieber nicht?
Gesetzt dem Fall, Du sagtest mir, Du spieltest gern, dann könnte ich Dir nun einen Vorschlag machen und ich beschriebe ihn Dir kurz. Kurz beschriebe ich Dir das allzu einfache Regelwerk meines auserwählten Spieles und Du hättest die freie Wahl, zu entscheiden, ob Du mitspielen wolltest oder lieber nicht. Ich schaute Dich an, Du zögest vielleicht die Stirn kraus, schautest kritisch zu mir zurück und nicktest dann nach einigen Momenten zögerlich.
Ja, und dann begännen wir mit dem Spiel. Mit jenem, welches Dir jetzt ganz neu erschiene. Und ich würde schnell erkennen, dass Deine Entscheidung, Dein Ja, schon viel über Deine Einstellung zu Spielen preisgäbe und freute mich über Deine Bereitschaft, bäte Dich zuallererst um Dein Schweigen.
Schweigend stündest Du dann da, mitten im Raum, mir gegenüber und ließest die Arme hängen. Ich hörte Deinen Atem und ginge langsam einmal um Dich herum. Nun, ich ginge ein zweites Mal sehr, sehr langsam um Dich herum und nähme Dir dann Dein Glas aus der Hand, stellte es beiseite. Ich hörte Dein Räuspern und zöge Dir auch sehr langsam Deinen Pullover, Dein T-Shirt und danach Deine Hose und Deine Schuhe aus. Ich hörte Dich zum Sprechen ansetzen und verböte Dir das sofort. Ich würde Dich nämlich nicht mehr bitten. Nein, ich befähle Dir stattdessen, Dich nicht mehr zu bewegen, Deine Augen zu schließen, Deinen Mund leicht zu öffnen und zu warten. Und ich wartete dann auch. Lange. Ganz still stünden wir da, ich vor Dir und Du vor mir.
Und sollten Deine wunderschönen Mundwinkel vor Ungeduld zucken, so wüsste ich, dass wir beide uns für das richtige Spiel entschieden hätten.
Und im weiteren Verlauf unseres Spieles bemerktest Du vielleicht, welch merkwürdiges und auch angenehmes Gefühl es in Dir auslöste, Deine gewohnte Vormachtstellung aufzugeben und sich jäh in dunkle, wilde und unbekannte Niederungen hinab zu begeben. Um Dich hinzugeben. Sich dem Willen eines anderen vollkommen auszuliefern. Dein Herz würde klopfen, schneller klopfen vor Erregung und das ungewohnte Gefühl der Ohnmacht ließe Deine Wangen erröten. Ich genösse den Austausch der Rollen und spielte nun meine für mich ebenfalls ungewohnte Rolle mit Bravour und voller Macht. Flüsternd und überaus stringent. Voller Entscheidungsbefugnisse. Von Dir höchstpersönlich an mich abgegeben.
Ein Spiel ist immer auch ein Spiegel der Wirklichkeit, liebster Spieler, so dürfte ich Dich doch nennen, oder? Du lebtest ein Stück mehr in der Wirklichkeit, spieltest Du die eine oder andere Rolle mehr und noch ein paar Rollen mehr dazu und fügtest Dich in jede von ihnen vollkommen ein. Wäre es da nicht entsetzlich ermüdend, sollten alle Deine Rollen schon vorher klar und festgelegt sein? Wo bliebe dann Dein elendiger Wunsch nach Horizonterweiterung, nach dem Heben und Weiten Deines Geistes, Deiner Gefühle und Deiner körperlichen und seelischen Grenzen?
Nun sage mir, spielst Du nun für Dein Leben gerne oder nicht? Und dürfte ich Dich das morgen, nach Beendigung unseres Ohnmachtspieles, noch einmal fragen?
Re: Stell Dir vor!
gelesen.
Re: Stell Dir vor!
Hmmm... Klingt für mich erst mal wie eine Story, die in der BDSM-Library stehen könnte. Das Regelwerk des SM steht da irgendwie sehr im Mittelpunkt.
Frauen neigen zum Gegenteil.
Re: Stell Dir vor!
Keine Peitsche! Nicht.
Nie.
Re: Stell Dir vor!
Na, mehr die Psycho-Peitsche.
Frauen neigen zum Gegenteil.
Re: Stell Dir vor!
Das mit dem geöffneten Mund kam mir auch sehr bekannt vor. Das hast du doch aus dem Buch, ne? Ich mag die Geschichte. Nicht unbedingt was, was man auf einer Nachmittagsveranstaltung vorliest, aber abends würd ich mir das aus dem Regal ziehen zum gemütlichen Schmökern. Und hier im Enigma stehen die gut deine Rollenspielchendinger:-) Wie ich schon sagte, von dir sind wir das schon gewöhnt:-)
Re: Stell Dir vor!
Danke, Sillchen, ich weiß zu schätzen, wenn Du sowas sagst!
Ein geöffneter Mund ist doch, mal abgesehen von dem Buch, sehr sehr sinnlich, oder? Und mir ging es gar nicht um die tatsächliche Peitsche, auch nicht die psychologische, es ging mir um die Bereitschaft für eine andere Perspektive, für Experimente, ja klar, auch für Erotik. Vor allem für jemanden, der stets ähnliche Rollen zu spielen geneigt ist.
Re: Stell Dir vor!
Ich ja nie nich! Schade, dass wir heute kaffeemäßig nicht zusammenkommen:-(
Re: Stell Dir vor!
Gefällt.
Re: Stell Dir vor!
Das Schuldfragespiel
Stell Dir vor, Du wärest Mutter. Das wäre was!
Erst würdest Du es - unversehens oder geplant - und dann wärest Du es. Und zwar unwiederbringlich. Stell Dir vor, ganz zu Beginn erführest Du vom Arzt, zu dem Du gegangen wärest, weil Dir morgens öfters übel geworden wäre, Du trügest einen Keim in Dir, der wüchse und wüchse und den Du in nicht mal einem Jahr gebären und pflegen müsstest, komme was wolle.
Du dächtest zuerst gar nicht. Später dann dächtest Du Hurra! Noch später dann kotztest Du und verfluchtest Deinen Zustand. Und noch später dann Du wärest schon unförmig wie ein zerbeultes Reptilienei - dächtest Du nur noch ans Durchkommen und an Schlaf, nicht mehr an den großen Keim. Denn jede Bewegung wäre so mühsam und Du doch so ungelenk. Und der Druck nach unten in Deinem Leib so enorm, dass Du befürchtetest, Du könntest zerplatzen.
Irgendwann wäre der reife Keim dann Dein Kind. Dein unters Herz Gewachsene und tief mit Dir Verbundene. Und wenn Du es dann in getriebener Todesangst und unter unendlichen Schmerzen aus Dir herauspresstest, dächtest Du doch dabei wieder nur ans Durchkommen, an Dein nacktes Überleben. Aber gleich danach - schafftest Du Dein großartiges Werk tatsächlich - dächtest du und fühltest Du, wie sich in Dir ein absolut neues, komplett reines Gefühl einstellte und Du nenntest es vielleicht Liebe. Nicht zwingend würdest Du es so nennen, aber es könnte wohl so sein.
Im Rausche der großen Hormonstürze heultest Du und lachtest Du und streicheltest du Dein Kind. Und wenn es weinte, tröstetest Du es und verzweifeltest so oft daran, ihm in seiner Not doch nur so begrenzt helfen zu können, so wie Du es gerade könntest. Weil Du doch auch nur selbst ein Keim, ein Spross, ein Kind, ein Mensch wärest. So begrenzt und manches Mal so verzweifelt wie es selbst doch auch. Und wenn dann Stunde um Stunde verginge und kein Ende des Geschreis und des Leids abzusehen wäre, dann legtest Du es vielleicht beiseite und kochtest Dir ein Kaffee oder zerschnittest Deine Lieblingsbluse, vielleicht brülltest Du gar genauso laut. Oder lauter. Du könntest es auch mitten ins Gesicht schlagen vor lauter Wut, aber Du tätest es wahrscheinlich - und natürlich hoffentlich - nicht.
Dein Keim, Dein Spross, Dein Kind wüchse mit der Zeit weiter heran, wüchse und gediehe und brüllte und tobte herum. Ab und an schmuste es auch mit Dir, und Du mit ihm und Du nenntest es vielleicht Dein Ein und Alles. Tätest Du das?
Nun ja, es würde dann viel zu schnell größer und netter, unverschämter und höflicher, komplizierter und schlauer und ehe Du Dich versähest, wüchse es über Dich hinaus und machte Dich klein neben ihm, so fürchterlich klein und alt. Dein Keim, Dein Spross entwickelte ein Mundwerk - ein freches wohlmöglich - und würfe Dir gar vor, Du hättest dies und jenes falsch gemacht, Dich nicht genug oder gar viel zu viel gekümmert und das an den falschen Stellen. Es könnte sein, dass es sich später, viel später, sogar abwendete von Dir, Dich fortan verachtete und kein Wort mehr mit Dir wechselte. Und Du stündest dann da und hättest Dein Ein und Alles plötzlich verloren. Für immer verloren an etwas, welches Du dann vielleicht Undankbarkeit nenntest. Das könnte sein!
Und ein letztes Mal schriebe es Dir einen Brief, schickte ihn vielleicht quer über den Erdball und Du läsest ihn und säßest still in Deiner stillen Wohnung und wärest traurig, vielleicht aber auch nur empört. Dummer, einfältiger Spross, dächtest Du vielleicht. Warum nur dächte er, müsse er diesen pseudoselbstanalytischen Aufsatz verfassen und all die scheinbaren Gründe für seine kleinen Probleme - die sich aufsummen zu etwas Größerem - blank legen und Dir jenen auch noch übersenden? Natürlich schriebe er auch darüber, wie alles mit Dir, seiner Mutter, zu tun hätte und nähme das dann gleich als Beispiel dafür, dass er zwar nie Hilfe suchte und doch alle Schuld immer auf andere - auf Dich - zu schieben wüsste. Des Weiteren erläuterte er in seinem Pamphlet aus Übersee, er habe trotz allen Komplimenten nie das Gefühl, schriftstellerisches, schauspielerisches oder photographisches Talent zu haben, lehnte dies alles gar ab und verfiele immer mehr in einer Orgie des Selbstmitleides. In der Hoffnung, doch vielleicht eine wunderbare welch auch immer geartete? - Unterstützung zu bekommen, in der er sich doch so gerne bade. Und er schöbe diese ganze Misere natürlich wieder auf Dich, seine Mutter, schließlich wäre er ja ein Schreibaby gewesen und von Dir, ach so mies behandelt worden.
Und zu guter Letzt käme wohl noch ein Satz a la Ach, macht ja eh keinen Sinn und es folgte ein Aber umbringen werde ich mich bestimmt trotzdem nicht, wobei er darauf bedacht wäre, Dir mütterliche Leserin dennoch Mitleid zu entlocken. Aber Du hättest dann vielleicht schon nach der Hälfte dieses einseitigen Geweines aufgehört zu lesen und Dir stattdessen einen großen Cognac genehmigt. Dir ein gutes Buch zur Hand genommen oder eine Freundin angerufen. Vielleicht. Und vielleicht nicht.
Stell Dir vor, Du wärest tatsächlich Mutter und müsstest Dir all das antun?