Sisto gab es einen Stich, als Nathaniel das fragte. Er vertraute im wieder genauso wie früher. Er erwartete, dass er alles wusste, alles in die Hand nahm und ihm zeigte, wo es lang ging. Ihm Sicherheit gab. Aber konnte er das denn noch? Konnte er das überhaupt, wenn es wirklich darauf ankam? Er wusste ja auch nicht, was jetzt werden würde. Und er hatte Angst. Jetzt gab es zwei Möglichkeiten: Er konnte Nathaniel sagen, dass alles gut werden würde, er konnte versuchen, ihm Sicherheit zu geben - und ihn damit wieder anlügen. Oder er konnte ihm sagen, dass er es nicht wusste, dass er sich selbst fürchtete und keine Ahnung hatten, wohin sie unterwegs waren - ob es ein Anfang oder ein Ende war. Eigentlich war seine Entscheidung keine Frage. Er konnte Nathaniel nicht mehr anlügen. Das alte Spiel war vorbei, und das neue Spiel, wenn es überhaupt eines gab, war nicht mehr seines. Er konnte keine Regeln mehr bestimmen, und er war nicht mehr Herr der Lage. Er hatte nicht einmal mehr die Illusion, dass es so sein könnte. Es schmerzte ihn fast körperlich, sich von Nathaniel zu lösen, aber schließlich rollte er sich von ihm herunter und blieb neben ihm liegen. Er sah hoch an die Decke. "Ich weiß es nicht", sagte er, seine Zunge so schwer wie Blei. "Ich habe Angst. Ich weiß nicht, was kommt. Ich weiß nicht einmal, ob etwas zuende ist oder etwas angefangen hat. Ich weiß gar nichts." Er konnte Nathaniel nicht ansehen, schon gar nicht, als er Luft holte, um das letzte, entscheidende zu sagen. "Ich weiß nur, dass ich - dich liebe." Das tat er wirklich. Ob nun wie ein Geliebter oder wie ein Vater oder wie ein Bruder... er wusste es nicht. Dazu hatte er zu wenig Erfahrung mit diesem Gefühl. Aber das es da war, das spürte er so sicher wie kaum etwas zuvor.
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Re: Heulende Hütte
"Das ... das reicht mir" flüsterte Nathaniel. "Sag einfach gar nichts mehr Sisto. Es tut mir leid, dass ich gefragt habe. Du musst es nicht wissen. Lass mich nur ... lass mich nur bei dir sein." Er rutschte zu Sisto hinüber und presste sich an ihn. Sein Körper pochte jetzt vor Schmerzen und er brauchte Sistos Nähe. "Lass mich nur in deiner Nähe sein" sagte er mit erstickter Stimme. "Und wenn du jemals genug von mir haben solltest, dann bring mich um Sisto. Bitte zu mir diesen einen Gefallen, denn die letzten jahre waren schlimmer als der Tod. Ich töte für dich und ich lebe für dich, aber ich kann nciht meh von dir zurückgelassen werden."
Re: Heulende Hütte
Sisto spürte, wie seine Kehle eng wurde, und für ein paar Sekunden hatte er Angst, dass ihm die Luft wegbleiben würde, aber dann erinnerte er sich an das Gefühl: Es kam, kurz bevor man weinen musste. Er wollte nicht weinen. Er schluckte diesen Kloß im Hals herunter und blinzelte, immer noch an die Decke blickend. Aber seine Arme legten sich wie von selbst um Nathaniel und zogen ihn fest an sich. "Ich verspreche es", sagte er. Vorher hatte er nicht einmal geglaubt, dass sie beide jemals lebend hier herauskommen würden, aber jetzt wünschte er es sich. Er hatte keine Ahnung, was aus seinem Leben werden würde, wenn er zusammen mit Nathaniel diese Hütte verließ, aber er wusste dass es nie mehr dasselbe sein würde. Und er wusste auch, obwohl er Angst hatte, dass es nur besser werden konnte. Aber zuerst mussten sie hier überleben. Immer noch war nichts zwischen ihnen sicher, und Sisto wusste ja nicht einmal genau, wie er Nathaniel liebte. Nur dass er ihn liebte war ihm klar. Und dagegen wehrte er sich auch nicht. "Wir werden zusammen sein", sagte er fest, aber doch hörte man seiner Stimme ein wenig das Zittern an, dass seine enge Kehle verursachte. "Wir werden zusammen sein wie früher, Nate, nur diesmal sind es nur wir zwei. Wie du es dir immer gewünscht hast. Wie es sein sollte." Er schluckte und küsste den Jungen auf die Stirn. "Mein kleiner Nate."
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Re: Heulende Hütte
"Ja" flüsterte Nathaniel heiser. Sie waren zu zweit ... ja und das hatte er sich immer gewünscht. Seine Schwester, die früher bei ihnen gewesen war war tot, weil sie es nicht überlebt hatte von Sisto zurückgelassen zu werden. Er schluckte. aber er hatte es überlebt. Wenn auch nur, um ihn wiederzufinden. Und er hatte ihn gefunden und Sisto hatte ihm gesagt, dass er ihn liebte. Und diesmal war es nicht nur ein Spiel auch wenn sein Herz immer noch laut und ängstlich klopfte wenn er darüber nachdachte. Er dachte an früher, wenn sie auch öfter so nebeneinander gelegen hatten. Sollte das jetzt wirklich wahr geworden sein? Er konnte es kaum glauben. Vielleicht war es ja auch wieder nur ein Traum, dessen Ende schon nahe war. "Oh Sisto, mir ist so heiß" stöhnte er. Das Fieber war wieder stärker geworden, durch die anstrengung oder die Erregung. Er würde richtig krank werden, das spürte er. Vielleicht ar es das. Vielleicht würde er wirklich nciht überleben. Vielleicht war es ihm eifnach nicht gegönnt, mit Sisto zu leben.
Re: Heulende Hütte
Sisto fühlte Nathaniels Stirn, und zum ersten Mal gab es ihm einen wirklich heftigen Stich der Besorgnis, als er fühlte, dass das Fieber wieder gestiegen war. Vielleicht hätten sie nicht miteinander schlafen sollen... Aber nichts in der Welt hätte ihn davon abhalten können. Zum ersten Mal spürte er, wie die Offenbarung seiner Gefühle ihn verletzlich machte. Er hatte Angst um Nathaniel. Angst, was werden würde, wenn der das hier nicht überlebte. Angst, dass es seine Schuld sein würde, wenn er starb. Angst, Angst, Angst... Er löste sich von dem Jungen und ging durchs Zimmer zu seinen Satteltaschen. Er hatte zwei Flaschen richtiges Wasser gekauft, und eine nahm er mit zum Bett, kroch wieder unter die Decke und zog Nathaniel an sich. Er machte ihm die Flasche auf und hielt sie ihm an die Lippen. "Du musst viel trinken", sagte er. "Trink, Nate. Nachher mache ich dir eine Suppe. Und wenn du zur Toilette musst, bringe ich dich. Wenn du sonst etwas brauchst, hole ich es dir. Ich mache dich gesund." Denn schließlich war ich es, der dich krank gemacht hat, fügte er in Gedanken hinzu, und es tat ihm weh. Er ließ Nathaniel viel trinken, und dann stellte er die Flasche auf den Nachttisch und zog den Jungen wieder an sich. Er wusste, dass es früher immer geholfen hatte, wenn er bei Nathaniel gewesen war. Durch ihn hatte er es überhaupt erst geschafft, älter als 14 zu werden, aber Sisto fragte sich, ob er diese Fähigkeit noch hatte. Ob er wirklich noch derjenige sein konnte, der Nathaniel gesund machen konnte. "Werd gesund für mich, Nate", flüsterte er. "Bitte."
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Re: Heulende Hütte
nathaniel nickte schwach. Er versuchte gegen die Krankheit die er in sich spürte anzukämpfen. Seit er 14 gewesen war, war er nicht mehr krank gewesen. Es war fast so, als sei mit Sistos gegenwart auch die alte Schwäche in ihn zurückgekehrt oder als lehne sich sein Körper jetzt dagegen auf, dass er all die Jahre seine Schwächen unterdrückt hatte. Und es tat so gut, dass Sisto sich um ihn kümmerte. Früher war er geradezu süchtig danach gewesen, erinnerte er sich. Jede einzelne Berührung von Sisto hatte er damals in seinem Gedächtnis bewahrt. Das Wasser tat gut und er fühllte sich etwas besser. Das Fieber machte ihn auch ein wenig high. Er lächelte. "Ich war so verliebt in dich damals, Sisto" sagte er. "Ich hätte alles getan, damit du mich berührst. Und ich dachte wirklich, dass ich dich töten würde, wenn ich könnte Sisto. Ich war mir so sicher..."
Re: Heulende Hütte
"Schschsch", sagte Sisto und strich Nathaniel übers Haar. Aber dass der von früher redete, war jetzt irgendwie genau das richtige. Etwas von Sistos Sicherheit kehrte zurück, und er streichelte die heiße Haut des Jungen und sah ihn liebevoll an. "Ich weiß das", sagte er. "Weißt du, mir sind schlimme Dinge passiert, und ich habe anderen Schlimmes angetan. Sehr schlimmes. Aber das schlimmste, was ich dir je angetan habe, war, dich im Stich zu lassen. Und das schlimmste, was mir je angetan wurde - nun, sagen wir, eins der schlimmsten Dinge - war, von dir fortgehen zu müssen. Aber damals... Ich konnte damals einfach nicht - so sein wie jetzt." Warum er es jetzt konnt, wusste er auch nicht. Konnte er es überhaupt? Und wie lange würde er es können? Bis dieses - Ding wieder in ihm auftauchte und ihm jegliche Fasern seines Menschseins raubte. Aber, seltsamerweise, fühlte er sich jetzt besser gewappnet. Er hatte es immer für albern gehalten, aber Liebe schützte. Tatsächlich. Sie machte verletzlich, aber sie schützte auch. "Bevor ich zu dir kam, habe ich mich niemals um jemanden gekümmert", sagte er. "Das konnte ich nur bei dir. Denn du warst der einzige, der mir nicht egal war. Und ich habe gespürt - ich denke zmindest, dass ich es gespürt haben muss - dass du derjenige sein kannst, der mich wieder ganz machen kann. Bei dem ich das furchtbare vergessen kann." Er dachte kurz nach. "Aber anscheinend war es damals nicht der richtige zeitpunkt. Vielleicht musste all das passieren, all das Schreckliche, damit ich jetzt hier so mit dir liegen kann."
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Re: Heulende Hütte
"Ich hoffe so, dass es diesmal gut geht" flüsterte Nathaniel und es klang fast wie ein Gebet. In der Zeit in der er Sisto gejagt hatte, hatte er so viel von sich selbst aufgegeben. Es war kein Platz gewesen für Wünsche oder Träume. Er hatte Sisto töten wollen und danach kam nur ein dunkles Nichts. Aber jetzt ... konnten sie vielleicht zusammen etwas erschaffen für das es sich zu leben lohnte. Vielleicht. So ganz wagte er es noch immer nicht zu glauben. "Sisto" flüsterte er. "ich fühle mich so schwach und müde ... wie damals immer. Bitte bleib bei mir, damit ich ruhig schlafen kann." MIt diesen Worten fielen ihm die Augen zu.
Re: Heulende Hütte
"Natürlich bleibe ich bei dir", antwortete Sisto leise. Er merkte, wie Nathaniel sich in seinen Armen völlig entspannte und einschlief. Er wollte ihn so gerne gesund machen... Wenn es möglich gewesen wäre, dann hätte er sofort die Krankheit übernommen. Nathaniel kam ihm wieder so schwach vor wie damals, und er wollte einfach nicht, dass er ihn doch noch verlor. Dann wäre er Schuld. Die ganzen Jahre über hatte Nathaniel scheinbar ohne Krankheiten gelebt, aber jetzt wo sie wieder zusammen waren... Es war, als hätte Sisto in sich ein Gift entwickelt, gegen das er nichts tun konnte. Früher war es ein Heilmittel gewesen, mit dem er Nathaniel gesundgepflegt hatte, aber im Lauf der Jahre ohne ihn war es umgekippt, wie Milch die zu lange stand, und hatte sich in etwas Schlechtes verwandelt. Jetzt machte er Nathaniel krank durch seine Anwesenheit - soe schien es wenigstens. "Oh Gott, bitte nicht", flüsterte er und drückte den Jungen an sich. Wenn das wirklich so sein sollte, könnten sie nie zusammensein. Niemals. "Bitte werd gesund. Bitte, Nate. Für mich. Für uns." Er merkte gar nicht, dass er weinte, und das, obwohl er es Jahre nicht mehr getan hatte. Immer noch still vor sich hinweinend fiel er schließlich in einen unruhigen Schlaf.
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Re: Heulende Hütte
Nathaniel wachte irgendwann am frühen Morgen aus seinem sehr unruhigen Schlaf auf. Er war durchgeschwitzt wegen des Fiebers und fühlte sich nicht besonders wohl. Vor allem aber musste er dringend auf die Toilette und er fürchtete, dass er es nciht mehr lange aushalten würde. Erst wollte er alleine aufstehen, aber er fühlte schon als er sich aufsetzte, dass er zu schwach war, um das zu schaffen. "Sisto" flüsterte er und sein Hals fühlte sich staubtrocken an. Seine Wangen brannten vom Fieber und weil es ihm unangenehm war Sisto wegen so etwas aufzuwecken. Jetzt war er wirklich wieder der kleine Junge ... vielleicht sehnte er sich insgeheim danach und darum war sein Körper krank geworden. "Sisto ..." er schüttelte ihn leicht an der Schulter. Sisto sah ihn sofort hellwach an, wie eine Raubkatze die immer auf der Hut war. "Ich ... ich muss auf die Toilette" sagte er schüchtern.