Mutter der getöteten Kinder offenbar schon länger überfordert
Hamburg (ddp). Die Mutter der fünf im schleswig-holsteinischen Darry getöteten Kinder war offenbar bereits seit einigen Jahren mit der Betreuung und Erziehung überfordert. Bereits Ende April 2005 stand der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Kreises Plön erstmals mit der Familie in Kontakt, wie die Kreisverwaltung heute mitteilte. Die Familie suchte nach ddp-Informationen zu jenem Zeitpunkt ein Haus zur Miete, da der damals dreieinhalbjährige Sohn Liam mit seiner autistischen Behinderung durch ständigen Lärm die Nachbarn störte. Die Familie wandte sich auf der Suche nach einer neuen Unterkunft mit Hilfe des Kinderschutzbundes an die Öffentlichkeit.
Im Internet-Stadtmagazin «Preetz online» schilderte die Mutter Steffi B. im Juni 2005 hysterische Anfälle und Schreiattacken des Jungen. Um das Kind von seinen nächtlichen Tobsuchtsanfällen abzubringen, sei die Familie «in einer Nacht oft bis zu 20 Mal» aufgestanden und sogar spazieren gegangen, damit die Nachbarn Ruhe hätten. «Für die Nachbarn, die Eltern und auch für die Geschwister ist dieser Zustand eine große Belastung, und der extreme Schlafmangel hinterlässt seine Spuren», so die Schilderung. «Wir müssen unsere ganze Aufmerksamkeit auf Liam konzentrieren, und deshalb kommen seine Geschwister, auch wenn wir das nicht möchten, oft zu kurz», hatte die Mutter damals eingeräumt. Seit September 2007 wohnte die Familie in Darry.
Am 13. August dieses Jahres hatte eine Nachbarin den ASD erneut darauf aufmerksam gemacht, dass die Familie Hilfe brauche, so die Kreisverwaltung. Am 14. August habe sich auch der Familienvater an den ASD gewandt. Einen Tag später habe der Ehemann beim ärztlichen Bereitschaftsdienst des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Kreises vorgesprochen und von religiösen Fantasien seiner Frau berichtet.
Nach Angaben der Kreisverwaltung veranlasste die Leiterin des zuständigen Gesundheitsamtes daraufhin einen Hausbesuch. In dessen Ergebnis seien jedoch «keine akute Krisensituation, aber deutliche Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung» festgestellt worden, hieß es. Die Mutter sei daraufhin an einen Psychiater vermittelt worden.
Fünf Söhne tot, die Mutter unter Tatverdacht. Was war das für eine Familie, in der so etwas möglich wurde? Nach außen war es offenbar eine harmonische Familie. Die Zustand der Wohnung sei immer tipptopp gewesen, der Mann sei regelmäßig einkaufen gegangen, berichtet jetzt eine Vertraute von Steffi B., der Mutter, in einem Video-Interview, das stern.de exklusiv zeigt.
Die Vertraute von Steffi B. hatte die Erzieherin vor einigen Jahren kennengelernt und war bis zuletzt beeindruckt von der Kraft der fünffachen Mutter. "Die Wohnung war immer tipptopp in Ordnung, der Vater ging regelmäßig einkaufen und auch die Erziehung der Kleinen schien zu gelingen", sagt Marion Becker. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der mittlere Sohn Liam Autist war wegen seiner Krankheit ständig Lärm machte, war Becker besonders beeindruckt von dem offenbar harmonischen Familienleben. Web-exklusiv: Einblicke ins Leben der Familie B. .
Marion Becker hat keine Erklärung für das, was das Drama, das sich jetzt in dem 450-Seelen-Ort Darry an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste abgespielt hat. Offenbar hat sich die 31-jährige Steffi B. an den örtlichen Notdienst gewandt und gesagt, sie habe ihre fünf Kinder umgebracht. "Ich weiß, nicht warum das passiert ist", sagt die stellvertretende Vorsitzende des Kinderschutzbund in einem Video-Interview, das stern.de exklusiv vorliegt.
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Mehr zum Thema Kindstötung in Darry: Mutter klagte 2004 über ihre Situation Darry und Plauen: Warum töten Mütter ihre Kinder? Darry: Chronologie des Kontaktes mit der Familie "Die Kinder hatten sogar einen eigenen Toberaum mit einer Rutsche und anderem Spielzeug", so Becker weiter. Das einzige, was nicht so recht ins Bild passte waren die unüberhörbaren Sprachstörungen, unter denen wohl vor allem die älteren Kinder gelitten haben sollen. Becker dachte sich aber nichts dabei, "schließlich hätte es auch an der Veranlagung der Kinder liegen können".
Was der Familie allerdings Sorgen machte, war ihre Wohnsituation. Liam sei rund um die Uhr laut gewesen, sagt Becker. "Die Familie selbst schien sich daran gewöhnt zu haben, nur die Nachbarn haben sich manchmal beschwert. Deshalb hätten sie sich ein freistehendes, behindertengerechtes Haus gesucht, damit "Steffi B., sich wenigstens wegen den Nachbarn kein schlechtes Gewissen haben brauchen", so Becker.
Sehen das ganze Interview mit Marion Becker exklusiv bei stern.de
nik
Artikel vom 06. Dezember 2007 http://www.stern.de/politik/panorama/:Kindst%C3%B6tung-Darry-Eine-Familie/604653.html?nv=rss
Im Fall der fünf getöteten Kinder von Darry hat es spätestens seit August 2007 enge Kontakte zwischen Sozialbehörden und der Familie gegeben. Die Mutter litt an psychischen Problemen, Kindergärten schlugen Alarm. Am Tag vor der Tötung verließ der Ehemann offenbar das gemeinsame Haus.
Die Familie der im schleswig-holsteinischen Darry getöteten fünf Jungen hatte offenbar bereits 2005 erstmals Kontakt mit den Sozialbehörden des Landkreises Plön. Seit August dieses Jahres gab es intensive Kontakte wegen psychischer Probleme der Mutter. Zudem meldeten sich besorgte Betreuer aus zwei Kindergärten von insgesamt drei Söhnen. Die Kinder wurden offenbar getötet, nachdem der bei der Familie wohnende Vater von drei der fünf Jungen am Tag zuvor das gemeinsame Haus verlassen hatte. Steffi B. hatte zwei Kinder von einem ersten Mann, drei Kinder von einem zweiten Mann. Ob das Verhalten des Vaters allerdings Auslöser der Kindstötung war, ist völlig offen. Diese Erkenntnisse haben Vertreter von Polizei, Staatsanwaltschaft und des Landkreises Plön am Donnerstagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Plön bekannt gegeben. Ein Dorf unter Schock
Darry: Behörden weisen Schuld von sich .
Mehr zum Thema Darry: Chronologie des Kontaktes mit der Familie Kindstötung in Darry: "Eine harmonische Familie" Darry und Plauen: Warum töten Mütter ihre Kinder? Erster Kontakt im April 2005 Nach Angaben des Plöner Landrats Volkram Gebel gab es bereits im April 2005 einen ersten Kontakt zwischen der Familie und dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Landkreises. Damals sei es jedoch lediglich um eine gesündere Wohnung für die Familie gegangen. Einen zweiten Kontakt habe es erst im August dieses Jahres gegeben. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Nachbarin den ASD des Landkreises auf Betreiben eines der Väter - unklar ist, um welchen der beiden es sich handelt - darauf aufmerksam gemacht, dass in der Familie etwas nicht stimme, sagte Gebel. Unklar war jedoch, ob es sich um den bei der Familie lebenden Mann handelte - oder den ersten Mann der Mutter.
Bei einem 30-minütigen Gespräch mit der Leiterin des Gesundheitsamtes berichtete ihr Ehemann laut Gebel Mitte August 2007 von "religiösen Fantasien" seiner Frau. Bei einem anschließenden Hausbesuch der Behörden sei zwar festgestellt worden, dass Steffi B. psychisch angeschlagen sei. Eine erzwungene Einweisung in die Psychiatrie sei als unnötig empfunden worden. "Die Frau war steuerungsfähig, hat klar argumentiert. Die religiösen Fantasien, von denen der Ehemann sprach, klangen an", sagte Petra Ochel vom Sozialpsychologischen Dienst in Plön bei der Pressekonferenz. Auch bei einer nachfolgenden Untersuchung durch einen Psychiater wurde eine zwangsweise Unterbringung der Frau als unnötig empfunden.
"Normale Haushaltssituation" Allerdings habe es Mitte August Meldungen eines Kindergartens zweier Söhne gegeben, dass die Eltern mit der Betreuung der Kinder möglicherweise überfordert seien, berichtete Landrat Gebel. Bei einem Hausbesuch Anfang September sei allerdings kein verwahrloster Haushalt vorgefunden worden. "Das war eine relativ normale Haushaltssituation", sagte Gebel. Den Eltern sei empfohlen worden, einen Antrag auf Jugendhilfe zu stellen. Anfang Dezember habe der Kindergarten eines dritten Kindes gemeldet, dass sich der Allgemeinzustand dieses Jungen verschlechtert habe. Der Vater sei gebeten worden, mit dem Jungen zum Arzt zu gehen. Der Vater habe dies zugesagt. Es war der 4. Dezember, ein Tag vor der Tötung der Kinder. Danach, so Gebel, habe der Vater das Haus der Familie verlassen. "Nach meinem Eindruck war das Familienleben so gestaltet, dass der Familienvater öfters außerhäusig war, dass er aber durchaus dort wohnte und sich um die Familie kümmerte", sagte Gebel. .
Oberstaatsanwalt Uwe Wick berichtete, dass die Mutter am Donnerstagnachmittag ihrem Pflichtverteidiger vorgeführt worden sei. Die Staatsanwaltschaft habe einen Antrag auf fünffachen Mord mit vollkommener Schuldunfähigkeit gestellt, sagte er. Die Obduktion der fünf Kinderleichen habe ergeben, dass ihnen Schlafmittel verabreicht worden seien. Gestorben seien sie an Erstickung. Die beiden Väter der Kinder seien informiert worden, berichtete Stefan Winkler, Leiter der Mordkommission Kiel. "Beide waren geschockt und befinden sich in ärztlicher Behandlung", sagte Winkler.
stern.de
Artikel vom 06. Dezember 200 http://www.stern.de/politik/panorama/:Darry-Vater-Haus-Tag-T%C3%B6tung/604657.html?nv=rss
Re: Jugendamt Plön: Mutter ermordert fünf Kinder
06. Dezember 2007 FAMILIENTRAGÖDIE IN DARRY Mutter war psychisch krank - in Anstalt eingewiesen
Steffi B. ist psychisch krank und schuldunfähig - da ist sich die Staatsanwaltschaft inzwischen sicher: Die 31-Jährige, die in Darry ihre fünf Söhne erstickt haben soll, ist in eine Klinik eingewiesen worden. Ihr Mann hatte mehrfach die Behörden eingeschaltet, dann verließ er die Familie. ANZEIGE
Darry - Lange vor der Tragödie gab es Notsignale, Hilferufe. Jedes Mal minutiös festgehalten und dokumentiert. Es gab auch Hilfsangebote, Gespräche, Unterstützung. Jedes Mal schien alles auf einem guten Weg.
Trotzdem sind jetzt fünf Kinder tot.
Die 31-jährige Steffi B. aus dem schlewig-holsteinischen Darry gilt als dringend verdächtig, ihre fünf Söhne Jonas, Justin, Ronan, Liam und Aidan im Alter von drei bis neun Jahren getötet zu haben. Sie soll den Jungen Schlafmittel zugeführt, sie dann erstickt haben - im Zustand von Schuldunfähigkeit, sagt der Staatsanwalt. Steffi B. ist seit längerem psychisch krank, jetzt soll sie dauerhaft in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht werden.
GETÖTETE KINDER: DIE FAMILIENTRAGÖDIE VON DARRY
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Familienvater K. hatte seine Frau und die Söhne am 4. Dezember offenbar verlassen - einen Tag später waren die Kinder tot. Das berichtete der Landrat von Plön, Volkram Gebel, heute auf einer Pressekonferenz. Der Vater hatte schon mehrfach die Behörden eingeschaltet - an Unterstützung durch behördliche Stellen mangelte es nicht. Es habe seit geraumer Zeit eine "intensive Begleitung" der Familie durch sozialpsychiatrische Fachleute gegeben, sagte Gebel. Der Landrat dokumentierte ausführlich die Kontakte zwischen Behörden und der Familie:
DIE KONTAKTE DER BEHÖRDEN ZU FAMILIE B. Die ersten Kontakt Die Behörden hatten schon länger Kontakt mit der Familie. Erstmals baten die Eltern den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Jugendamtes in Plön im April 2005 um Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung. Danach gab es nach Angaben des Landkreises erst wieder im August 2007 Kontakt zum ASD und dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes. Es folgten mehrere Gespräche sowie Besuche im Haus der Familie - dem. Landrat von Plön zufolge an folgenden Tagen: 13. August 2007 Der Vater bat den ASD über Nachbarn und telefonisch um Hilfe. Am folgenden Tag berichtete er über die familiären Verhältnisse und Eheprobleme. Dem Vater wurde eine Beratung durch die Erziehungs- und Lebensberatungsstelle empfohlen. 15. August 2007 Der Ehemann berichtete dem ärztlichen Bereitschaftsdienst des Sozialpsychiatrischen Dienstes von religiösen Fantasien seiner Frau. Die Leiterin des Gesundheitsamtes stellte keine akute Gefährdung fest. 16. August 2007 Der Sozialpsychiatrische Dienst besuchte die Frau zu Hause. Er fand deutliche Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung, stellte aber keine akute Krisensituation fest. Es wurde der Besuch der Frau bei einem Psychiater verabredet. Ein Mitarbeiter eines Kindergartens meldete, er sehe die Entwicklung der beiden dort gemeldeten Kinder gefährdet. 17. August 2007 Der Psychiater, der die Frau aus früheren Behandlungen kannte, sah keinen Anhaltspunkt für eine zwangsweise Unterbringung. 29. August 2007 Erneuter Hausbesuch bei der Familie in Darry. Das Gespräch wurde auf den 5. September verschoben. Die Eltern sahen keinen Unterstützungsbedarf bei der Erziehung, wünschten aber eine Entlastung im Haushalt und bei der Versorgung der Kinder. Der Familie wurde bis zum 30. November eine Unterstützung im Umfang von 15 Stunden zugesagt. 28. November 2007 Die Mitarbeiterin des ambulanten Dienstes hatte den letzten Kontakt mit der Familie. 4. Dezember 2007 Der Kindergarten des dritten Kindes meldete dem ASD, der Allgemeinzustand habe sich verschlechtert und die aktuelle Hilfe sei wohl nicht ausreichend. Die Mitarbeiterin des ASD forderte den Vater in einem Telefonat auf, sich wegen des Kindes an einen Arzt zu wenden, was dieser zusagte. 5. Dezember 2007 Die Betreuerin der ambulanten Hilfe wollte nachmittags die Familie aufsuchen. Die Mutter gestand in der Psychiatrie Neustadt die Tötung ihrer fünf Söhne. Die Polizei fand die Leichen im Haus der Familie.
Schon am 15. August rief Ehemann K. die Bereitschaft des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD). Er schilderte "religiöse Phantasien" seiner Frau, bat um Hilfe. Dem Paar wurde eine Beratung angeboten, die es auch wahrnahm.
Dabei traten nach Aussage Gebels "Beziehungsprobleme" und eine psychische Erkrankung Steffi B.'s zu Tage. Steffi B. begab sich in psychiatrische Betreuung - die sie aber nicht regelmäßig in Anspruch nahm.
Psychische Probleme, religiöse Phantasien
Zur selben Zeit meldeten die Betreuer des Kindergartens, den zwei der Söhne besuchten, die Entwicklung der Kinder sei "gefährdet". Die Eltern seien offenbar mit der Betreuung überfordert.
TV-HINWEIS Die toten Kinder von Darry
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Foto: DPA Video: SPIEGEL TV
Mehr zum Thema im SPIEGEL TV Magazin: Sonntag, 9.12.2007, 23.30 Uhr, RTL Wieder wurden die Behörden tätig, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes wurden mehrmals bei der Familie in Darry vorstellig. Steffi B. habe in den Gesprächen zwar eingeräumt, "psychische Probleme" gehabt zu haben, dennoch wirkte sie einer Sozialarbeiterin zufolge "steuerungsfähig". Sie habe zum Beispiel klar argumentieren können.
Das Haus der Familie habe nie verwahrlost gewirkt. Bei einem der Besuche der Sozialarbeiter lief eine Waschmaschine, es wurde Essen zubereitet. Ein Hilfsprogramm für die Familie sei erstellt worden, 15 Betreuungsstunden wurden vereinbart.
Die angespannte Situation zwischen Steffi B. und ihrem Ehemann muss sich zugespitzt haben. Am 4. Dezember meldete der Kindergarten eines der Söhne, der Allgemeinzustand des Jungen habe sich weiter verschlechtert, die aktuelle Hilfe sei wohl nicht ausreichend.
Eine Mitarbeiterin des ASD forderte den Vater in einem Telefonat auf, sich wegen des Kindes an einen Arzt zu wenden. Er sagte den Angaben zufolge zu. Doch nach Aussage des Plöner Landrats Gebel lebte der Vater eben nur bis zu jenem 4. Dezember im Haus der Familie. Ob er seine Frau genau an diesem Tag verließ und ob dies mit dazu führte, dass die Mutter ihre Söhne tötete, ist offen.
"Wir haben kein Problem. Wir lieben unserer Sohn"
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93 Beiträge Neuester: Heute 20:56 Uhr von Silbendrechslerin Steffi B. hatte mit ihrem Mann K. zwei gemeinsame Söhne und drei weitere mit einem früheren Partner. Beide Väter werden seit Bekanntwerden der Todesfälle psychologisch betreut.
Die Familie, die in einem adretten Häuschen in der schleswig-holsteinischen Provinz lebte und auf einem Foto völlig harmonisch wirkt, galt bei Nachbarn und Anwohnern als "ordentlich", "anständig", "nett". Kein Umfeld, das man schnell mit hässlichen Schlagworten wie "Unterschicht ", "asozial" oder "Hartz IV-Milieu" klassifiziert.
Je mehr Details über die Patchwork-Familie - Mutter Steffi B., zwei Väter, fünf Kinder - bekannt werden, umso deutlicher scheint es, dass hier eine Verzweiflungstat stattgefunden haben muss, der viel Leid vorausging.
Einer der Söhne, der fünfjährige Liam, scheint nach Informationen von SPIEGEL TV das Sorgenkind der Familie gewesen zu sein. Er kam offenbar mit einem Herzfehler zur Welt, hatte einen Chromosomendefekt und war Autist. Übers Internet versuchte Steffi B., Interesse für das Schicksal ihres Sohnes zu wecken, Unterstützung zu finden.
"Ich habe ein krankes Herz, meine Eltern kämpfen um mich"
Für Liam entwarf die Familie eine eigene Homepage, schilderte im Grußwort die Krankheiten des Kindes: "Meine Name ist Liam und ich bin fast zwei Jahre alt", heißt es dort. "Ich würde gerne älter werden, denn es gibt so vieles, was ich von der Welt nicht gesehen habe. Ich habe ein krankes Herz und meine Eltern kämpfen um mich."
Im Sommer 2005 empfingen die Familie eine Journalistin, der sie ihre schwierige Situation schilderten. Damals lebte sie in einer Mietwohnung im schleswig-holsteinischen Schellhorn.
ZUM THEMA AUF SPIEGEL ONLINE
* Familientragödie in Darry: Sie sorgte sich, sammelte Spenden - dann erstickte sie ihre Söhne (06.12.2007) * Debatte um Babyklappen: "Es gibt Frauen, die man einfach nicht erreichen kann" (06.12.2007) * Familiendramen: Warum Mütter ihre Kinder töten (06.12.2007) * Gewalt gegen Kinder: Merkel fordert wachsame Bürger (06.12.2007) * Familientragödie in Darry: "Die Kinder machten einen ordentlichen Eindruck" (06.12.2007) * Reaktionen: "Solche Taten lassen sich nicht verhindern" (06.12.2007)
Liam zeigte die typischen Verhaltensauffälligkeiten eines autistischen Kindes. Bei Reizüberflutungen neigte er nach Informationen von SPIEGEL TV offenbar dazu, sich abzureagieren, indem er zum Beispiel seinen Kopf gegen die Polster seines Bettes schlug. "Liam braucht das einfach", sagte damals Steffi B. der Reporterin des "Stadtmagazins Preetz". "Wenn man ihn davon abhält, wird er hysterisch und bekommt Schreiattacken." Doch eigentlich, fügte sie hinzu, sei Liam ein glückliches Kind - "wenn man ihn so sein lässt, wie er ist. Und auch wir haben mit der Tatsache kein Problem und lieben unseren Sohn".
Vor drei Monaten zog die Familie in das 600-Einwohner-Dorf Darry. Die Kinder wurden von Nachbarn oft beim Spielen im Garten beobachtet. Manchmal war auch Vater K. mit dabei.
"Es geht wertvolle Zeit für die Familie weg"
Doch es muss Probleme gegeben haben - schon wegen des Lärms, den die Kinder und insbesondere Liam verursachten. Nachbarn beschwerten sich. Die Familie suchte eine größere Wohnung, oder, so heißt es, "ein passendes Häuschen".
Die Familie scheint sich auch um eine Delfintherapie für Liam bemüht zu haben, sammelte dafür Spendengelder. Dann wurde der Plan wieder aufgegeben. Durch den Kampf für die Therapie, schrieb Steffi B. auf ihrer Homepage, "geht so viel wertvolle Zeit von meiner Familie weg". Dann heißt es: "Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die beste Therapie für alle ist, Zeit miteinander zu verbringen."
Für die fünf getöteten Jungen soll es in den kommenden Tagen einen Gedenkgottesdienst geben, in der Michaelis-Kirche im benachbarten Lütjenburg. Die Kirche will ihre Türen auch für stille Gebete öffnen, um den Menschen Raum für ihre Trauer und Gefühle zu geben. "Die Kinder und Erwachsenen werden eine ganze Weile brauchen, um das Geschehen zu verarbeiten", sagte Gudrun Bölting, die Pastorin aus Darry.
Mehr zum Thema im SPIEGEL TV Magazin: Sonntag, 9.12.2007, 23.30 Uhr, RTL
Schrift: VERDÄCHTIGE PLAUENER MUTTER Gutaussehend, gepflegt, unauffällig
Von Florian Gathmann, Plauen
Neunmal ist Susann F. in Plauen binnen weniger Jahre umgezogen: Das macht die Ermittlungen im Fall ihrer drei toten Säuglinge schwierig. Spuren hat die 28-Jährige kaum hinterlassen. Und diejenigen, die etwas über sie zu sagen wissen, bleiben im Vagen - oder spekulieren wüst. ANZEIGE
Plauen - "Hätten die nicht zwei Minuten später kommen können?", sagt die junge Kollegin vom Fernsehen. Seit dem frühen Morgen stand sie vor dem geklinkerten Wohnhaus in der Pestalozzistraße, alle halbe Stunde auf Live-Sendung - aber als die Männer von der Spurensicherung das Gebäude betraten, lief die Kamera nicht.
TOTE BABYS: SPURENSUCHE IN PLAUEN
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Ihr grauer Transporter steht seitdem auf der anderen Straßenseite. Die zwei Beamten trugen weiße Overalls, sagten "Nein, keine Aufnahmen in der Wohnung", dann waren sie schon hinter der Tür im dritten Stock verschwunden. Dort harren nun Fotografen und Kameraleute. "Kannst ja 'ne Nummer ziehen", sagt einer.
In diesem Haus hat man zwei der drei Babyleichen gefunden, alle von derselben Mutter, sie steht unter dringendem Verdacht des Totschlags. Wer hier wohnte, ist klar: Susann F. Aber wie sie war, unter welchen Umständen sie lebte - das liegt noch im Dunkeln. Über F.s Lebensgefährten gibt es, außer seinem Alter, 28 Jahre, keine Angaben. Ein Phantomfall, wie es scheint.
In der Pestalozzistraße, oberhalb des Stadtzentrums von Plauen, hat Susann F. bis Anfang des Jahres gewohnt. "Jedenfalls hat sie sich dort seitdem nicht mehr aufgehalten", sagte Bernd Vogel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Chemnitz, SPIEGEL ONLINE. Das Problem: Die 28-Jährige ist in den vergangenen Jahren so oft innerhalb von Plauen umgezogen - neunmal -, dass alle den Überblick verloren haben. Behörden, Ermittler, Nachbarn. "Die hat sich ihrem sozialem Umfeld damit entzogen", sagt eine Bäckereiangestellte in der Ostvorstadt. Dort, in der Knielohstraße auf der anderen Seite des hübschen Stadtkerns, wohnte Susann F. bis zu ihrer Verhaftung vor zwei Tagen.
"Ausschließen kann man nichts"
Nachdem sie der Aufforderung für eine Vorschuluntersuchung ihrer Tochter Celine nicht nachgekommen war - sie wurde 2002 in einem Plauener Krankenhaus geboren, daher wussten die Behörden von ihrer Existenz -, hatte man in der vergangenen Woche die Polizei alarmiert. Die Beamten fanden Celines mumifizierten Körper rasch: in einem Koffer, der im Keller von Susann F.s Großmutter abgestellt war. Erst vor zwei Tagen stießen die Ermittler dann auf die zweite Babyleiche, auf die dritte soll die Tatverdächtige selbst aufmerksam gemacht haben. Eine fand man auf dem Balkon der Wohnung in der Pestalozzistraße, die andere in einer Tiefkühltruhe.
Von den Beamten der Spurensicherung ist nur Gemurmel in der Wohnung zu hören. Laut Staatsanwaltschaft suchen sie nach weiteren Hinweisen, die erklären könnten, wie die 2004 und 2005 geborenen Babys starben. Es würden weiter Zeugen vernommen. "Im Fall der ersten Leiche konnten wir Gewaltanwendung ausschließen", sagt Oberstaatsanwalt Vogel. Nun werden die beiden anderen Leichen in Chemnitzer Institut für Gerichtsmedizin obduziert. Weil das im ersten Fall mehrere Tage dauerte, wird heute allerdings kaum mit einem Ergebnis zu rechnen sein.
Die Körper sind verwest, auch die in der Kühltruhe entdeckte Leiche. Am Nachmittag dann erste Ergebnisse: Es gibt keine Spuren äußerer Gewaltanwendung wie stumpfe Verletzungen oder Schusswunden. Nun folgt eine aufwendige toxikologische und feingewebliche Untersuchung - das kann eine Woche dauern.
Susann F., die sich den Ermittlern gegenüber sonst offenbar sehr kooperativ zeigte, leugnet bisher jede Gewaltanwendung: Alle Kinder seien plötzlich nach der Geburt gestorben - so lautet ihre Version. "Wir haben Probleme, das zu glauben", sagt Staatsanwalt Vogel. Dass man auf weitere Babyleichen stoßen könnte, hält er jedoch für unwahrscheinlich, angesichts von fünf Schwangerschaften in sieben Jahren. "Aber ausschließen kann man nichts."
Von nichts gewusst?
Das Verschwinden von Celine hatte die Tatverdächtige gegenüber ihrem Lebensgefährten damit erklärt, das Mädchen zur Adoption freigegeben zu haben - von den anderen Schwangerschaften will der Mann nichts bemerkt haben. DNA-Proben sollen seine mögliche Vaterschaft klären. Er arbeitet als Monteur, unter anderem in der Schweiz. "Wir haben ihn ausführlich vernommen", sagt Vogel. Es gebe im Moment "keinen weiteren Grund, an ihn heranzutreten". Auch die Verwandten von Susann F. behaupten, sie hätten von den Schwangerschaften der jungen Frau nichts gewusst.
Nachbarn beschreiben F. als "gutaussehend und gepflegt". Sie sei sehr zurückhaltend gewesen - mehr Informationen gibt es noch immer nicht über die Frau, die jahrelang das Wissen um ihre toten Babys mit sich herumtrug.
"Wenn ich jetzt an sie zurückdenke, finde ich, ja, die sah so aus, als hätte sie eine Leiche im Keller." Die Kioskverkäuferin, zwei Straßen um die Ecke von Susann F.s letzter Adresse in der Ostvorstadt, meint das vermutlich nicht böse. Aber so einfach ist das Ganze wohl auch nicht. http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,521878,00.html
Re: Jugendamt Plön: Mutter ermordert fünf Kinder
Inhalt Inland Reaktionen auf die Todesfälle von Darry und Plauen "Wir dürfen nicht wegschauen"
Ursula von der Leyen Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Plädoyer für mehr Gemeinsinn: Ursula von der Leyen ] Politiker und Familienexperten haben bestürzt auf die Todesfälle von Darry und Plauen reagiert. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen sagte, beide Taten seien "entsetzliche Fälle", die aber nicht aus heiterem Himmel passiert seien. Die Christdemokratin verlangte, jetzt müsse geprüft werden, ob es Warnsignale gegeben habe oder ob Informationen verloren gegangen seien. Etwaige Fehler müssten von Fachleuten und den Verantwortlichen vor Ort gemeinsam aufgedeckt und systematisch aufgearbeitet werden, sagte sie.
Von der Leyen forderte aber auch mehr Aufmerksamkeit im Alltag. "Wir müssen uns auch als Gesellschaft verantwortlich dafür fühlen, nicht wegzuschauen, wenn Familien in der Nachbarschaft verzweifelt und überfordert sind." "Wir brauchen eine bessere Vernetzung vor Ort"
In diesem Haus wurden die Leichen entdeckt (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: In diesem Haus wurden die Leichen der Kinder gefunden, nachdem die Mutter sich der Polizei gestellt hatte. ] Die Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Marlene Rupprecht, erklärte im RBB-Inforadio, gesetzlich gebe es keine Lücken. Erforderlich sei aber eine "bessere Vernetzung" der Gesundheitsdienste und der Gesundheitsämter vor Ort. Kritik übte die SPD-Politikern an der finanziellen Ausstattung mancher Kinder-und Jugenddienste. Die Mitarbeiter müssten im Notfall Situationen mit hohem Gefährdungspotenzial richtig einschätzen können und brauchten deshalb eine sehr gute Ausbildung. "Hier müssen sich Kommunalpolitiker manchmal fragen lassen, ob sie dafür Geld zur Verfügung stellen." Video
* Video Bildunterschrift: Fünffacher Kindermord in Schleswig-Holstein, tagesschau 17:00 Uhr [Christopher Lück, NDR] . * intern Weitere Video-Formate .
Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Kinderhilfe. Der Vereins-Vorsitzende Georg Ehrmann kritisierte, dass die Kinder- und Jugendhilfe finanziell im Schnitt um 15 Prozent heruntergefahren worden sei. Zudem würden Kinder zu oft "als Störenfriede wahrgenommen". Es herrsche ein Klima, "in dem keiner hinschaut und Kinder nicht als positiv wahrgenommen werden." Die jüngsten Vorfälle seien deshalb Zeichen für eine "Strukturkrise". Warnung vor übereilten Schlüssen
Kameramann am Ortseingang von Darry Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: Versuch, etwas Unfassbares zu vermitteln: Zahlreiche Medienvertreter fuhren nach Bekanntwerden der Morde nach Darry. ] Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Sabine Leutheusser -Schnarrenberger, warnte dagegen davor, die Fälle zu instrumentalisieren und vermeintlich einfache politische Lösungen vorzulegen. Die acht getöteten Kinder wiesen auf tiefgreifende soziale Probleme in Deutschland hin. "Alle Parteien sollten die Ursachen genau analysieren und keine vorschnellen Schlüsse ziehen", sagte die frühere Bundesjustizministerin. Video
* Video Bildunterschrift: Strengere staatliche Kontrolle zur Situation von Kindern gefordert, tagesschau 17:00 Uhr [Bettina Scharkus, ARD Berlin] . * intern Weitere Video-Formate .
Der Deutsche Kinderschutzbund erklärte, immer mehr Eltern seien mit ihrer Lage überfordert. Die Landesvorsitzende des Kinderschutzbundes Schleswig-Holstein, Irene Johns, sagte der Nachrichtenagentur AP, die Brutalität gegen Kinder sei größer geworden sei. Dies zeige die Kriminalstatistik. Der Anstieg könnte aber auch mit einer gestiegenen Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und größerer Anzeigenbereitschaft zusammenhängen. Die Organisation habe aber "den Eindruck, dass an Familien immer höhere Anforderungen gestellt werden und die Eltern immer mehr überfordert sind". Ermittlungen noch nicht abgeschlossen
Die fünf getöteten Kinder von Darry sind von ihrer psychisch kranken Mutter erstickt worden. Oberstaatsanwalt Uwe Wickteilte am Nachmittag mit, die Frau habe offenbar im Zustand der absoluten Schuldunfähigkeit gehandelt. Gegen die 31-Jährige sei ein Unterbringungsbefehl in eine psychiatrische Klink beantragt worden.
In Plauen ergab die Obduktion der drei toten Kinder keine neue Erkenntnisse. Äußere Zeichen von Gewalteinwirkung seien nicht gefunden worden, teilten die sächsischen Behörden mit. Die 28-jährige Mutter bestreitet, die Kinder "aktiv" getötet zuhaben.
* InternStaatsanwalt: Mutter aus Darry "offenbar schuldunfähig" [ndr]. * InternKeine Hinweise auf gewaltsamen Tod in Plauen [mdr]. * InternKommentar: Mehr Wachsamkeit - das wäre schon was. * InternForum: Debatte über Kinderschutz. * VideoStrengere staatliche Kontrollen [B. Scharkus, ARD Berlin].
* Weltatlas Weltatlas: Deutschland [Flash|HTML] .
Stand: 06.12.2007 15:19 Uhr
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GEWALT GEGEN KINDER Merkel fordert wachsame Bürger
Die Kindstötungen in Sachsen und Schleswig-Holstein alarmieren die Politik: Kanzlerin Merkel hat vor einem "Klima des Wegsehens" gewarnt. Die gesamte Gesellschaft sei gefordert. ANZEIGE
Berlin - Mehr Schutz für Kinder in Notlagen - das ist die Forderung von Politikern und Verbänden nach den Tötungsfällen in Sachsen und Schleswig-Holstein. Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte aber auch an alle Bürger, sich verantwortlich zu fühlen. Die CDU-Politikerin forderte "eine Kultur des Hinsehens" in Deutschland. Es dürfe "kein Klima des Wegsehens geben". "Diese unfassbaren Fälle gehen unter die Haut", sagte die Kanzlerin der "B.Z.". Natürlich seien zunächst die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen gefordert. Aber das genüge nicht. Alle müssten gemeinsam dafür sorgen, "dass Kinder eine gesicherte Zukunft haben".
Auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte mehr Wachsamkeit in der Nachbarschaft. "Wir müssen uns auch als Gesellschaft verantwortlich dafür fühlen, nicht wegzuschauen, wenn Familien verzweifelt und überfordert sind", sagte die Ministerin heute in Berlin.
Von der Leyen plädierte zugleich für verbindliche Einladungen zu Vorsorgeuntersuchungen. "Wenn jemand der Einladung nicht folgt, kommt sofort das Jugendamt zu Besuch und schaut nach, ob alles in Ordnung ist. So können gefährdete Familien herausgefiltert und dann auch weiter begleitet werden."
Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) will Ärzte und Hebammen im Freistaat verpflichten, den Jugendämtern gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls zu melden. "Wir müssen das Wächteramt des Staates stärken", sagte Stewens. Derzeit würden mögliche Faktoren für eine Gefährdung geprüft. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sprach sich auch für schärfere Gesetze des Bundes aus, etwa eine bundesweite Pflicht zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen.
FORUM Forum Was läuft schief beim staatlichen Kinderschutz?
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93 Beiträge Neuester: Heute 20:56 Uhr von Silbendrechslerin Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte am Rande der Innenministerkonferenz in Berlin: "Das ist eine schreckliche Familientragödie, die überall Trauer und Entsetzen ausgelöst hat." Von der Leyen verwies darauf, dass solche "entsetzlichen Vorfälle" oft nicht aus heiterem Himmel passierten. Deshalb müsse von den Behörden genau geprüft werden, ob Warnsignale nicht beachtet oder Informationen verloren gegangen seien.
Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) sieht im Einsatz von freiwilligen Polizeihelfern eine Chance, solche Familientragödien zu verhindern. In Hessen zeige das im Jahr 2000 eingeführte Projekt einer freiwilligen Polizeihilfe gute Erfolge, sagte Bouffier stern.de. Man brauche "Menschen, die mehr tun als sich zurücklehnen und sagen, es wird schon irgendein anderer was tun".
Journalisten haben das 450-Einwohner-Dorf in Beschlag genommen.
Der Unterricht in der kleinen Grundschule in Darry fällt aus.
Zwischenruf Sparen ist hier fehl am Platze Hintergrund Mehrfach-Tötungen von Kindern Oft psychische Probleme Wenn Mütter ihre Kinder töten
Donnerstag, 6. Dezember 2007 Tragödie in Darry Mutter psychisch krank
Die Familientragödie mit fünf getöteten Kindern im schleswig-holsteinischen Darry hat bundesweit Entsetzen und eine erneute Debatte über den Schutz von Kindern ausgelöst. Ein Amtsrichter ließ die dringend tatverdächtige 31-jährige Mutter am Donnerstag vorläufig in eine psychiatrische Klinik einweisen, sagte der Kieler Oberstaatsanwalt Uwe Wick. "Wir beschuldigen sie des fünffachen Mordes, allerdings im Zustand der vollständigen Schuldunfähigkeit."
Die Mutter ist bereits seit August vom Sozialdienst des Kreises Plön betreut worden. Bei einem Hausbesuch habe es "deutliche Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung" gegeben, berichtete der Plöner Landrat Volkram Gebel. Den Hinweis habe einer der beiden Väter der Kinder gegeben. Er habe von religiösen Fantasien der 31-Jährigen berichtet. Es sei aber keine akute Gefahr festgestellt worden. Der Mann, der den Hinweis gab, habe bis einen Tag vor der Tat in dem Haus in Darry gelebt, hieß es.
Die Psychiatrische Klinik in Neustadt hat unterdessen einen Bericht der "Kieler Nachrichten" zurückgewiesen, wonach sich die Mutter der fünf getöteten Kinder kurz vor der Tragödie in psychiatrische Behandlung begeben wollte. Die Patientin habe "definitiv" erst nach der Tat die Klinik aufgesucht, sagte Kliniksprecher Jan Dreckmann. Die Zeitung hatte unter Berufung auf eine "verlässliche Quelle" gemeldet, die Frau habe wenige Stunden vor der Tragödie in der Psychiatrie um Aufnahme gebeten und sei zurückgewiesen worden.
"Dieser Bericht ist falsch", sagte Dreckmann. Die Frau habe sich am Mittwoch gegen 12 Uhr an der Klinikpforte gemeldet. Sie habe Schnittwunden am Arm gehabt, die zunächst in der Chirurgie behandelt werden mussten. Im Anschluss sei sie wieder in die Psychiatrische Klinik überwiesen worden, wo sie gegen 15 Uhr einem Arzt die Tat gestanden habe. "Die Frau war unter ständiger Beobachtung." Der behandelnde Arzt habe dann die Polizei informiert, berichtete der Leiter der Kieler Mordkommission, Stefan Winkler. Die Beamten fanden die erstickten Kinder in dem Einfamilienhaus in Darry.
Die Familientragödie hat bundesweit eine erneute Debatte über den Schutz von Kindern ausgelöst. Ein weiterer Anlass war die Entdeckung von insgesamt drei toten Kindern im sächsischen Plauen. Die Babys waren laut den Ergebnissen der gerichtsmedizinischen Untersuchungen lebensfähig. "Es handelte sich in allen drei Fällen um voll entwickelte lebensfähige Kinder", sagte der Chemnitzer Oberstaatsanwalt Bernd Vogel am Donnerstag. Auch bei der Untersuchung der beiden zuletzt gefundenen Leichen sei - wie schon bei dem zuerst entdeckten Kind - keine Gewalteinwirkung festgestellt worden.
Der 450-Einwohner-Ort Darry in der Nähe der Ostsee stand am Donnerstag unter Schock. Der Schulunterricht fiel aus. Weinende Eltern begleiteten ihre Kinder zu der kleinen Grundschule, die von 72 Schülern besucht wird. "Es findet kein Unterricht statt, vier Pastoren und Psychologen kümmern sich um die Schüler", sagte Schulleiterin Andrea Danker-Isemer. An dem weißen Klinkerhaus mit grüner Eingangstür und Glasbausteinen, in dem die grausige Tat geschehen war, legten Nachbarn Rosen, Tannenzweige und ein Grablicht nieder.
Eltern und Schüler wandten sich gegen Berichte, die Kinder seien verwahrlost gewesen. "Das stimmt überhaupt nicht, dass sie vernachlässigt waren", sagte eine Elfjährige aus der Nachbarschaft. Sie habe die beiden älteren Jungen häufig auf dem Weg zur Schule getroffen.
Nach Angaben von Nachbarn stammte der Vater der drei jüngsten Kinder aus den USA, der andere Vater lebt demnach in Kiel. Zwei Kinder sollen behindert gewesen sein. Die Jungen spielten oft lautstark im Garten des kleinen Einfamilienhauses und seien sehr lebhaft gewesen. Die Mutter lebte den Angaben zufolge sehr zurückgezogen, sie war meistens im Haus. Vor drei Monaten war sie mit ihren Kindern nach Darry gezogen.
Auslöser für die Tragödie waren nach Meinung des Wiesbadener Kriminalpsychologen Rudolf Egg schwere psychische Störungen der Mutter. "Der Versuch, das normalpsychologisch zu erklären, scheitert", sagte Egg. "Es gibt einfach Dinge, die brechen von einem Moment auf den anderen durch, ohne dass man das noch vernünftig erklären kann."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der beiden neuen Fälle von Kindstötungen "eine Kultur des Hinsehens" in der Gesellschaft verlangt. Alle müssten gemeinsam dafür sorgen, "dass Kinder eine gesicherte Zukunft haben", sagte Merkel.
Fast 26.000 Kinder wurden 2006 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland aus ihren Familien geholt, weil ihnen nach Meinung der Behörden Gefahr drohte. "So etwas wie eine absolute Sicherheit wird es aber sicherlich nie geben", sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen- Schoberth. "Aber das Risiko lässt sich minimieren."
Fünf Kinder wurden getötet in einem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf, vermutlich von der eigenen Mutter. Haben alle weggeschaut? Das Ortschild des Dorfes Darry: Tragödie in Schleswig-Holstein
Das Ortschild des Dorfes Darry: Tragödie in Schleswig-Holstein
Vor dem Haus liegt ein Schutthaufen: alte, vom Regen aufgequollene Kisten, ein kaputter Sessel, viele Müllsäcke. Es ist ein kleines, einfaches Einfamilienheim an einem schmalen Weg am Hang. Helle Backsteine, eine gläserne Tür, im Briefkasten stecken Werbezeitungen. Hinter dem Haus ein kleiner Garten. Dort steht und liegt Spielzeug herum, wahllos verstreut: eine kaputte Schaukel, eine kleine Hüpfburg, aus der die Luft entwichen ist, zwei blassrosafarbene Rutschen.
Hinter den Mauern dieses Hauses im Weiler Darry ist am Mittwoch ein schreckliches Verbrechen verübt worden. Fünf Kinder, Jungs im Alter von drei bis neun Jahren, sind getötet worden. Vermutlich von ihrer eigenen Mutter, einer offenbar psychisch kranken Frau.
Der kleine Zufahrtsweg zum Tatort ist gefüllt mit Menschen. Autos kommen nicht mehr durch. Polizisten sichern das Gelände, Journalisten klingeln bei den Nachbarn. Mitten im Nirgendwo, sei man hier, sagt ein Polizeisprecher aus der 20 Kilometer entfernt gelegenen Kreisstadt Plön. Er war noch nie in Darry, dem Ort, über den über Nacht das Grauen hereingebrochen ist und in dem sie nun ermitteln. Normalerweise sei es hier polizeilich sehr ruhig: viele Bauernhöfe, kein krasses Sozialgefälle, Provinz eben.
Darry ist ein abgelegenes winziges Dorf kurz vor der Ostseeküste. 450 Menschen leben hier. Es gibt keinen Laden, keinen Bäcker, kein Wirtshaus, keine Kirche. Dafür ein paar Ferienwohnungen, eine Grundschule und einen Kindergarten. Das Zentrum des Orts ist die Bushaltestelle. Heute parkt hier ein Kamerawagen aus England. An der Haltestelle hängt ein Schild, das zum Adventssingen einlädt. Ein Nachmittag für Kinder, bei dem man unbeschwert basteln, spielen und knabbern könne.
Die Schule liegt auf einer kleinen Anhöhe. Sie ist in Regenbogenfarben bemalt und weihnachtlich geschmückt. Eigentlich wollten die Kinder an diesem Donnerstag Nikolaus feiern. Danach steht aber nun niemandem der Sinn. Der Unterricht wurde abgesagt, Seelsorger betreuen die Kinder und Lehrer. Vor dem Schultor patrouillieren zwei Männer, vermutlich Eltern. Mit scharfen plattdeutschen Worten vertreiben sie Schaulustige. Einem Boulevardjournalisten drohen sie Prügel an.
Darry steht unter Schock. Die meisten Dorfbewohner wirken verängstigt. Nur wenige Menschen sind auf der Straße zu sehen, sieht man von den Journalisten und Polizisten ab. Die Eltern holen ihre Kinder von der Schule ab. Viele sind besorgt, andere haben einen Tunnelblick und hasten vorbei. Es nieselt unaufhörlich.
Zwei 16-jährige Jungs dagegen wollen reden. Beide halten einen kleinen Zettel in den Händen, der aussieht wie eine schriftliche Entschuldigung für die Schule. Ihre Eltern haben ihnen ausdrücklich erlaubt, mit den Journalisten zu sprechen. Einer ihrer Väter hat am Mittwochnachmittag aus dem Fernsehen von der Tragödie erfahren: Mein Papa hat gesagt, ich soll TV anmachen, sagt der eine: Hier in Darry sollen Kinder getötet worden sein.
Die Jungs haben gegelte Haare und traurige Augen. Sie erzählen einer großen Journalistentraube, dass sie zwei der fünf getöteten Kinder gut kannten, vom Sportplatz. Auf die beiden Teenager haben die Kinder gar nicht komisch gewirkt, wie das die Medien nun berichten würden. Das waren ganz normale Kinder, die haben gespielt und gelacht. Der andere nickt: Die waren nicht verwahrlost.
Einen Eindruck, den manche Dorfbewohner teilen. Besonders der Vater der Kinder sei ein netter Typ gewesen, sagt eine Frau, die mit ihrem Hund spaziert. Der sei oft mit den Kindern durchs Dorf gelaufen und habe sie von der Schule abgeholt.
Der Vater? Ein Amerikaner, sagen die Leute aus Darry. Von dem stammen wohl aber nicht alle Kinder. Die Dame mit Hund sagt, so recht wisse niemand, wie viele Väter es insgesamt für die fünf Kinder gegeben habe. Mit der Familie selbst, so hat es den Anschein, wurde in Darry nicht viel gesprochen. Über sie aber wohl doch ganz ordentlich.
Von der Mutter, der mutmaßlichen Täterin, wissen die Dorfbewohner noch weniger. Anders als den netten Amerikaner haben sie kaum jemand zu Gesicht bekommen. Die habe ich nicht einmal gesehen, sagt eine Nachbarin der Familie. Nie, sagt die Frau mit Hund. Höchstens einmal, sagen die beiden 16-Jährigen.
Wie passt das zusammen? Darry gibt Rätsel auf. Die Kinder seien gut erzogen, der Vater anständig gewesen, sagen die Dorfbewohner. Was in den Zeitungen steht - das mit der Verwahrlosung und dass wir nicht hingucken, wenn was Schlimmes passiert - das stimmt nicht!, sagt eine Frau empört.
* Schlagworte: * Gesellschaft * Gesellschaft und soziales Leben * Kriminalität * Darry
ZEIT online 50/2007 o Was kann man tun? -
In dem kleinen Ort Darry wurden fünf Kinder getötet. In Plauen fand man drei tote Babys. Ein Gespräch mit dem Psychologen Albert Lenz über Mütter, die ihre Kinder töten » ZEIT online 49/2007 o Kinder wurden ermordet -
Die Todesumstände der Kinder im schleswig-holsteinischen Darry sind geklärt: Sie wurden erstickt. »
Schrift: FAMILIENTRAGÖDIE IN DARRY Mutter ritzte sich nach der Tat die Arme auf
Steffi B. ist psychisch krank und schuldunfähig - da ist sich die Staatsanwaltschaft inzwischen sicher: Die 31-Jährige, die in Darry ihre fünf Söhne erstickt haben soll, ist in eine Klinik eingewiesen worden. Sie wollte sich direkt nach der Tat offenbar umbringen. ANZEIGE
Darry - Lange vor der Tragödie gab es Notsignale, Hilferufe. Jedes Mal minutiös festgehalten und dokumentiert. Es gab auch Hilfsangebote, Gespräche, Unterstützung. Jedes Mal schien alles auf einem guten Weg.
Trotzdem sind jetzt fünf Kinder tot.
Die 31-jährige Steffi B. aus dem schlewig-holsteinischen Darry gilt als dringend verdächtig, ihre fünf Söhne Jonas, Justin, Ronan, Liam und Aidan im Alter von drei bis neun Jahren getötet zu haben. Sie soll den Jungen Schlafmittel zugeführt, sie dann erstickt haben - im Zustand von Schuldunfähigkeit, sagt der Staatsanwalt. Steffi B. ist seit längerem psychisch krank, jetzt soll sie dauerhaft in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht werden.
GETÖTETE KINDER: DIE FAMILIENTRAGÖDIE VON DARRY
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Unmittelbar nach der Tat wollte sie sich offenbar umbringen. Der Sprecher der psychiatrischen Klinik im holsteinischen Neustadt sagte, die 31-Jährige sei am Mittwoch gegen 12 Uhr mit schweren Schnittverletzungen an beiden Armen in der Klinik erschienen. Nach der Behandlung in der Chirurgie habe sie gegen 15 Uhr in der Psychiatrie von ihrer Tat berichtet.
"Definitiv falsch" nannte der Sprecher Meldungen, denen zufolge Steffi B. kurz vor der Tötung ihrer Söhne an der Pforte der Klinik war, um sich einweisen zu lassen - dann aber abgewiesen wurde. Die "Kieler Nachrichten" hatten das berichtet. Nach der Tat sei sie wieder in der Klinik vorstellig geworden und habe alles gebeichtet, schreibt die Zeitung. Dazu sagte der Sprecher, die Mutter sei vor der Tötung nicht in die Klinik gekommen.
Wie kompliziert dieser dramatische Fall ist, wie schwierig die Abläufe und Motive nachzuvollziehen sind - das zeigt sich mit jedem neuen Detail, das über die Familie von Steffi B. ans Licht kommt. Akribisch arbeiten sich die Ermittler vor. Der Landrat von Plön, Volkram Gebel, berichtete viele Einzelheiten.
Der Familienvater K. hatte demnach seine Frau und die Söhne am 4. Dezember offenbar verlassen - einen Tag später waren die Kinder tot. Der Vater hatte schon mehrfach die Behörden eingeschaltet - an Unterstützung durch behördliche Stellen mangelte es nicht. Es habe seit geraumer Zeit eine "intensive Begleitung" der Familie durch sozialpsychiatrische Fachleute gegeben, sagte Gebel. Der Landrat dokumentierte ausführlich die Kontakte zwischen Behörden und der Familie:
DIE KONTAKTE DER BEHÖRDEN ZU FAMILIE B. Die ersten Kontakt Die Behörden hatten schon länger Kontakt mit der Familie. Erstmals baten die Eltern den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) des Jugendamtes in Plön im April 2005 um Hilfe bei der Suche nach einer Wohnung. Danach gab es nach Angaben des Landkreises erst wieder im August 2007 Kontakt zum ASD und dem Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes. Es folgten mehrere Gespräche sowie Besuche im Haus der Familie - dem. Landrat von Plön zufolge an folgenden Tagen: 13. August 2007 Der Vater bat den ASD über Nachbarn und telefonisch um Hilfe. Am folgenden Tag berichtete er über die familiären Verhältnisse und Eheprobleme. Dem Vater wurde eine Beratung durch die Erziehungs- und Lebensberatungsstelle empfohlen. 15. August 2007 Der Ehemann berichtete dem ärztlichen Bereitschaftsdienst des Sozialpsychiatrischen Dienstes von religiösen Fantasien seiner Frau. Die Leiterin des Gesundheitsamtes stellte keine akute Gefährdung fest. 16. August 2007 Der Sozialpsychiatrische Dienst besuchte die Frau zu Hause. Er fand deutliche Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung, stellte aber keine akute Krisensituation fest. Es wurde der Besuch der Frau bei einem Psychiater verabredet. Ein Mitarbeiter eines Kindergartens meldete, er sehe die Entwicklung der beiden dort gemeldeten Kinder gefährdet. 17. August 2007 Der Psychiater, der die Frau aus früheren Behandlungen kannte, sah keinen Anhaltspunkt für eine zwangsweise Unterbringung. 29. August 2007 Erneuter Hausbesuch bei der Familie in Darry. Das Gespräch wurde auf den 5. September verschoben. Die Eltern sahen keinen Unterstützungsbedarf bei der Erziehung, wünschten aber eine Entlastung im Haushalt und bei der Versorgung der Kinder. Der Familie wurde bis zum 30. November eine Unterstützung im Umfang von 15 Stunden zugesagt. 28. November 2007 Die Mitarbeiterin des ambulanten Dienstes hatte den letzten Kontakt mit der Familie. 4. Dezember 2007 Der Kindergarten des dritten Kindes meldete dem ASD, der Allgemeinzustand habe sich verschlechtert und die aktuelle Hilfe sei wohl nicht ausreichend. Die Mitarbeiterin des ASD forderte den Vater in einem Telefonat auf, sich wegen des Kindes an einen Arzt zu wenden, was dieser zusagte. 5. Dezember 2007 Die Betreuerin der ambulanten Hilfe wollte nachmittags die Familie aufsuchen. Die Mutter gestand in der Psychiatrie Neustadt die Tötung ihrer fünf Söhne. Die Polizei fand die Leichen im Haus der Familie.
Schon am 15. August rief Ehemann K. die Bereitschaft des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD). Er schilderte "religiöse Phantasien" seiner Frau, bat um Hilfe. Dem Paar wurde eine Beratung angeboten, die es auch wahrnahm.
Dabei traten nach Aussage Gebels "Beziehungsprobleme" und eine psychische Erkrankung Steffi B.'s zu Tage. Steffi B. begab sich in psychiatrische Betreuung - die sie aber nicht regelmäßig in Anspruch nahm.
Psychische Probleme, religiöse Phantasien
Zur selben Zeit meldeten die Betreuer des Kindergartens, den zwei der Söhne besuchten, die Entwicklung der Kinder sei "gefährdet". Die Eltern seien offenbar mit der Betreuung überfordert.
TV-HINWEIS Die toten Kinder von Darry
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Foto: DDP Video: SPIEGEL TV
Mehr zum Thema im SPIEGEL TV Magazin: Sonntag, 9.12.2007, 23.30 Uhr, RTL Wieder wurden die Behörden tätig, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes wurden mehrmals bei der Familie in Darry vorstellig. Steffi B. habe in den Gesprächen zwar eingeräumt, "psychische Probleme" gehabt zu haben, dennoch wirkte sie einer Sozialarbeiterin zufolge "steuerungsfähig". Sie habe zum Beispiel klar argumentieren können.
Das Haus der Familie habe nie verwahrlost gewirkt. Bei einem der Besuche der Sozialarbeiter lief eine Waschmaschine, es wurde Essen zubereitet. Ein Hilfsprogramm für die Familie sei erstellt worden, 15 Betreuungsstunden wurden vereinbart.
Die angespannte Situation zwischen Steffi B. und ihrem Ehemann muss sich zugespitzt haben. Am 4. Dezember meldete der Kindergarten eines der Söhne, der Allgemeinzustand des Jungen habe sich weiter verschlechtert, die aktuelle Hilfe sei wohl nicht ausreichend.
Eine Mitarbeiterin des ASD forderte den Vater in einem Telefonat auf, sich wegen des Kindes an einen Arzt zu wenden. Er sagte den Angaben zufolge zu. Doch nach Aussage des Plöner Landrats Gebel lebte der Vater eben nur bis zu jenem 4. Dezember im Haus der Familie. Ob er seine Frau genau an diesem Tag verließ und ob dies mit dazu führte, dass die Mutter ihre Söhne tötete, ist offen.
"Wir haben kein Problem. Wir lieben unserer Sohn"
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115 Beiträge Neuester: Gestern 21:56 Uhr von fantalupi Steffi B. hatte mit ihrem Mann K. zwei gemeinsame Söhne und drei weitere mit einem früheren Partner. Beide Väter werden seit Bekanntwerden der Todesfälle psychologisch betreut.
Die Familie, die in einem adretten Häuschen in der schleswig-holsteinischen Provinz lebte und auf einem Foto völlig harmonisch wirkt, galt bei Nachbarn und Anwohnern als "ordentlich", "anständig", "nett". Kein Umfeld, das man schnell mit hässlichen Schlagworten wie "Unterschicht ", "asozial" oder "Hartz IV-Milieu" klassifiziert.
Je mehr Details über die Patchwork-Familie - Mutter Steffi B., zwei Väter, fünf Kinder - bekannt werden, umso deutlicher scheint es, dass hier eine Verzweiflungstat stattgefunden haben muss, der viel Leid vorausging.
Einer der Söhne, der fünfjährige Liam, scheint nach Informationen von SPIEGEL TV das Sorgenkind der Familie gewesen zu sein. Er kam offenbar mit einem Herzfehler zur Welt, hatte einen Chromosomendefekt und war Autist. Übers Internet versuchte Steffi B., Interesse für das Schicksal ihres Sohnes zu wecken, Unterstützung zu finden.
"Ich habe ein krankes Herz, meine Eltern kämpfen um mich"
Für Liam entwarf die Familie eine eigene Homepage, schilderte im Grußwort die Krankheiten des Kindes: "Meine Name ist Liam und ich bin fast zwei Jahre alt", heißt es dort. "Ich würde gerne älter werden, denn es gibt so vieles, was ich von der Welt nicht gesehen habe. Ich habe ein krankes Herz und meine Eltern kämpfen um mich."
Im Sommer 2005 empfingen die Familie eine Journalistin, der sie ihre schwierige Situation schilderten. Damals lebte sie in einer Mietwohnung im schleswig-holsteinischen Schellhorn.
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Liam zeigte die typischen Verhaltensauffälligkeiten eines autistischen Kindes. Bei Reizüberflutungen neigte er nach Informationen von SPIEGEL TV offenbar dazu, sich abzureagieren, indem er zum Beispiel seinen Kopf gegen die Polster seines Bettes schlug. "Liam braucht das einfach", sagte damals Steffi B. der Reporterin des "Stadtmagazins Preetz". "Wenn man ihn davon abhält, wird er hysterisch und bekommt Schreiattacken." Doch eigentlich, fügte sie hinzu, sei Liam ein glückliches Kind - "wenn man ihn so sein lässt, wie er ist. Und auch wir haben mit der Tatsache kein Problem und lieben unseren Sohn".
Vor drei Monaten zog die Familie in das 600-Einwohner-Dorf Darry. Die Kinder wurden von Nachbarn oft beim Spielen im Garten beobachtet. Manchmal war auch Vater K. mit dabei.
"Es geht wertvolle Zeit für die Familie weg"
Die Familie scheint sich auch um eine Delfintherapie für Liam bemüht zu haben, sammelte dafür Spendengelder. Dann wurde der Plan wieder aufgegeben. Durch den Kampf für die Therapie, schrieb Steffi B. auf ihrer Homepage, "geht so viel wertvolle Zeit von meiner Familie weg". Dann heißt es: "Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass die beste Therapie für alle ist, Zeit miteinander zu verbringen."
Für die fünf getöteten Jungen soll es in den kommenden Tagen einen Gedenkgottesdienst geben, in der Michaelis-Kirche im benachbarten Lütjenburg. Die Kirche will ihre Türen auch für stille Gebete öffnen, um den Menschen Raum für ihre Trauer und Gefühle zu geben. "Die Kinder und Erwachsenen werden eine ganze Weile brauchen, um das Geschehen zu verarbeiten", sagte Gudrun Bölting, die Pastorin aus Darry.
Mehr zum Thema im SPIEGEL TV Magazin: Sonntag, 9.12.2007, 23.30 Uhr, RTL