Freies Politikforum für Demokraten und Anarchisten - Anarchie, Demokratie, Philosophie oder die Suche nach Erkenntnissen

Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?




hier ein Auszug aus "Staatlichkeit und Anarchie" von Michael Bakunin - derzeit aktueller denn je:


(Zitatanfang)
Heutzutage kann ein ernstzunehmender starker Staat nur ein einziges zuverlässiges Fundament haben - eine militärische und bürokratische Zentralisation. Zwischen einer Monarchie und einer Republik, und sei es der demokratischsten, gibt es nur einen einzigen wesentlichen Unterschied:

In der ersteren wird das Volk im Namen der Monarchen von der Beamtenschaft, zum großen Nutzen der privilegierten, besitzenden Klassen, aber auch für ihre eigenen Taschen, unterdrückt und ausgeraubt.

In der Republik wird das Volk von derselben Seite, zum Nutzen derselben Taschen und Klassen, unterdrückt und ausgeraubt, jetzt nur im Namen eines Volkswillens. In der Republik ist es das Scheinvolk, das legale Volk, das Volk, das angeblich durch den Staat repräsentiert wird, welches das lebendige und reale Volk unterdrückt und unterdrücken wird. Aber für das Volk wird es keineswegs leichter, wenn der Stock, mit dem man es schlägt, Stock des Volkes genannt wird.
(Zitatende)


Angesichts der zunehmenden Zemtralisierung durch die EU, angesichts der Umwidmung der europäischen Verteidigungsarmeen in neokoloniale Interventionsarmeen unter dem Oberbefehl der us-amerikanisch dominierten NATO, angesichts der erst schleichenden und jetzt galoppierenden Forcierung des Abbaus der Bürgerrechte - angeblich im Namen islamistischer Terrorgefahr - - - alles verbunden mit wahnwitzigen Kosten für die Bürger, - angesichts all dieser Schweinereien wird von den Neoliberalen Demokraturen unisono behauptet, der "Staat" habe kein Geld mehr für soziale "Wohltaten" und deshalb sei der Sozialabbau alternativlos.

In Wahrheit geht es dieser Demokraturkaste einzig um ihren Machterhalt,
um ihre Posten und Pfründe zu Lasten des, wie Bakunin sagt, lebendigen und realen Volkes!


Deshalb muß ab sofort jede Wahl durch Ungültigwählen

von uns mündigen Bürgern zur machtvollen Demonstration

gegen den neoliberalen Einheitsblock

SPD/GRÜNE/CDU/CSU/FDP werden!

bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?




gar nicht so zauselig, dieser alte Zausel, sondern ziemlich imponierend, wie er die zeitlos gültigen Machtmechanismen beschreibt.

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

auch hier wird dieses Thema behandelt: http://de.indymedia.org/2004/02/75042.shtml


bjk

Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Zitat: Gast



gar nicht so zauselig, dieser alte Zausel, sondern ziemlich imponierend, wie er die zeitlos gültigen Machtmechanismen beschreibt.Ziemlich gut finde ich nachfolgende Zitate, denn sie haben unmittelbaren und aktuellen Bezug zur Gegenwart:

"Meine Herren, ist es nötig zu beweisen, daß der Sozialismus nicht tod ist? (- 1990 wurde er zum 2. Mal für tod erklärt - eingefügt Baba)
Um sich dessen zu vergewissern, genügt es, einen Blick auf das zu werfen, was heute in ganz Europa vor sich geht. Hinter all dem Diplomatengeschwätz und all dem Kriegslärm, der Europa seit 1852 erfüllt - welche ernstzunehmende Frage hat sich in allen Ländern gestellt, wenn nicht die soziale Frage?
Sie ist die große Unbekannte, deren Nahen jeder spürt, die jeden erzittern läßt und von der niemand zu sprechen wagt...

Aber sie spricht für sich selbst und das immer lauter:
Die Arbeitergenossenschaften, die Versicherungskassen
(gemeint waren nicht Versicherungskonzerne, sondern Genossenschaften- eingefügt v.Baba), die Gewerkschaften und die internationale Liga der Arbeiter aller Länder (gemeint ist die 1864 in London hoffnungsvoll gegründet Internationale Arbeiter-Assoziation, die "Erste Internationale"- eingefügt Baba), diese ganze aufstrebende Bewegung der Arbeiter in England, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien und der Schweiz
- beweist sie nicht, daß sie weder ihr Ziel aufgegeben, noch den Glauben an ihre baldige Emanzipation verloren haben und
daß sie gleichzeitig verstanden haben,
daß sie, um die Stunde ihrer Befreiung näher zu bringen,
nicht mehr auf die Staaten zählen dürfen und auch nicht auf den mehr oder weniger heuchlerischen Beistand der privilegierten Klassen
- sondern nur auf sich selbst und ihre vollkommen unabhängigen und selbstorganisierten Vereinigungen?"

oder hier noch ein anderes Zitat, ebenfalls aus der Rede Bakunins auf dem Gründungskongress der Friedens- und Freiheitsliga in Genf
(10.9.1867 - bevor Bismarck den Krieg mit Frankreich inszenierte - eingefügt Baba):

"Jeder, der wahrhaftig Frieden und Gerechtigkeit auf internationaler Ebene will, muß ein für alle Mal auf alles, was sich Ruhm, Macht und Größe seines Landes nennt, verzichten, auf alle Eitelkeiten und selbstsüchtigen Interessen des Patriotismus.
Es wird Zeit, das absolute Reich der Freiheit im Innern, wie nach außen, herbeizuwünschen.
Laut dem Programm unseres Komitees werden wir darum ersucht, die Grundlagen für den aufbau der Vereinigten Staaten von Europa zu diskutieren

Doch ist der Aufbau mit den heute bestehenden Staaten möglich?
Können Sie sich eine Föderation vorstellen, neben dem Großherzogtum Baden und Rußland neben dem Fürstentum Moldau-Walachei stünde,
oder ganz allgemein gesprochen,
eine Föderation von bürokratischmilitärischen Zentralstaaten,
wie denen,
die heute die Landkarte Europas bedecken,
mit Ausnahme der Schweiz?

Jeder Zentralstaat, so liberal er sich auch gebärdet, und selbst wenn er als Republik verfaßt wäre, ist notgedrungen der Unterdrücker und Ausbeuter der arbeitenden Volksmassen zugunsten einer Klasse von Privilegierten.

Um diese Massen niederzuhalten braucht er natürlich eine Armee
(- und Polizei-Milizen - eingefügt Baba :-)) und die Existenz dieses stehenden Heeres verleitet ihn zum Krieg (- z.B. in Serbien und am Hindukusch - eingefügt Baba).
Ich schließe daraus, daß es keinen internationalen Frieden geben wird, solange nicht das folgende Prinzip in vollem Umfang zur Anwendung kommt:
Jede Nation, ob stark oder schwach, ob groß oder klein, jede Region und jede Gemeinde hat das absolute Recht frei und autonom zu sein, ihren besonderen Interesssen und Bedürfnissen gemäß zu leben.
Und in diesem Recht stehen alle Gemeinden und alle Nationen derart füreinander ein, daß man die Freiheit keiner einzigen antasten kann, ohne nicht gleich die Freiheit aller anderen ernsthaft zu gefährden...."



Gute Nacht
bis demnächst

Baba Yaga

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

kopiert aus: http://www.twokmi-kimali.de/texte/Bakunin_Staatlichkeit_und_Anarchie.htm




"Die Bourgeoisie in allen Ländern Europas fürchtet die soziale Revolution am meisten und weiß, daß es für sie vor dieser Gefahr keine andere Rettung gibt als den Staat und deshalb will und fordert sie immer einen möglichst starken Staat oder einfach eine Militärdiktatur. Um aber ihrer Eitelkeit zu genügen und auch um die Volksmassen leichter betrügen zu können, wünscht sie, daß diese Diktatur in die Form einer Volksvertretung gekleidet sei, die es ihr erlauben würde, die Volksmassen im Namen des Volkes selbst auszubeuten." (aus "Staatlichkeit und Anarchie")


"... lebendig ist immer noch der Kampf gegen die beiden Lügen, die beiden Formen, mit denen die Massen unterdrückt und ausgebeutet werden: die Demokratie und die Diktatur; lebendig ist die vorbildliche Ablehnung jenes falschen Sozialismus, den er als einschläfernd bezeichnete und der, bewußt oder unbewußt, darauf abzielt, die Herrschaft der Bourgeoisie zu befestigen, indem er die Arbeiter durch fruchtlose Reformen einschläfert. Und lebendig sind v.a. der starke Haß gegen alles, was den Menschen herabwürdigt und erniedrigt und die grenzenlose Liebe für die Freiheit, die ganze Freiheit, ..." (Errico Malatesta in "Pensiero e Volonta" am 1.Juli 1926)


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Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Liebe Mitdiskutanten,

ich kann in das allgemeine Staunen und die kritiklose Bewunderung der Gedanken von Bakunin nicht einstimmen. Hierzu ein paar Gedankenanstöße:

"Was das Volk nötig hat,ist ein freies Zusammenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben, ohne jegliche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung von oben her."

Und wer sagt das? Das Volk? Das reale Volk? Oder Bakunin, also ein Intellektueller, also - wie er selbst sagt - ein Privilegierter, als einer "von oben", der sich gerade nicht einmischen soll.

Der Mythos "reales Volk" ist eine Gestaltung der anarchistischen Metaphysik. Und genau so metaphysisch sind die Forderungen nach "einem freien Zusamenführen seiner eigenen Interessen von unten her nach oben".

Ohne Struktur, ohne Organisation, ohne Privilegierte kann "ein freies Zusammenführen seiner (des Volkes) eigenen Interessen" nicht stattfinden, es sei denn durch das Eingreifen des Heiligen Geistes, also Metaphysik!

Für Bakunin soll das freie Zusammenführen seiner (des Volkes) eigenen Interessen durch keinerlei "Einflußnahme von oben her" stattfinden - welche Einmischung, Vormundschaft oder Gewaltanwendung wird denn "von unten" zu erwarten sein, wenn man den Blutzoll der Französischen Revolution in den Blick faßt?

Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?

Mit freundichen Grüßen
Udo Teichmann

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Guten Morgen, Udo!

Ich habe gerade hereingeschaut und Deine Beteiligung am Bakunin Thread gesehen.
Schon mal vorweg möchte ich Dir auf Deine letzte Frage antworten:

Zitat Udo:
Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?

Als Gegner einer durch und durch mörderisch brutalen, russischen Gesellschaft, sahen Bakunin und andere, als einzige Möglichkeit des Widerstandes die Revolution durch die unterdrückten Volksmassen,
...Netschajew (Sohn Leibeigener) als Mittel auch Terrorakte!

Vera Figner (russische Revolutionärin, 20 Jahre in Haft) sah die Probleme sehr deutlich und sie litt auch darunter.
Sie meinte dazu:
"Hätte uns jemand einen anderen Weg, als den des Terrors gezeigt, wir hätten ihn gegangen!"

Es ist nicht neu, wenn man feststellt, daß jede Zeit und jedes Regime auch im jeweiligen, die Gesellschaft bekämpfenden Teil, eine Entsprechung, ein Spiegelbild findet......

In Zeiten, z.B., in welchen Zaren Attentätern noch selbst die Köpfe abschlugen, da ist auch der Terrorist noch näher bei seinem Opfer.
Für russische Attentäter (Terroristen) war aber klar, mit dem Opfer wird auch er selbst sterben müssen, da er Blut vergossen hatte.
"Ich betrachte meinen Tod als höchsten Protest gegen eine Welt der Tränen und des Bluts!" (Albert Camus 1950 in Die Gerechten)

Viele haben seit dem aus den Quellen Bakunins und Netschajew´s "getrunken", ohne daß dies im politischen Alltag erkannt wurde!

Beispiel:
"...und ich begeisterte mich für Bakunin und Netschajews "Katechismus der Revolution", dessen Grundsätze ich, mit einigen Ratschlägen Macchiavellis, in mein eigenes Verhalten einzubeziehen suchte. Ich hielt den "Katechismus" für meine Bibel und, auf einer Ein-Mann_Plattform stehend, begann ich bewußt, diese Grundsätze in mein tägliches Leben einzuführen und eine Taktik der Schonungslosigkeit gegenüber jeden anzuwenden, mit dem ich in Kontakt kam!"

Das schrieb Eldrige Cleaver, ehemaliger Informationsminister der Black-Panther-Bewegung in seinem Buch "Seele auf Eis"

Um aus der Leibeigenschaft und der Unterdrückung auszubrechen gab es innerhalb der revolutionären und rebellischen, russischen Bewegung viele Gedanken, viele Anleitungen für die "befreiende" Tat und Zustimmung aus der staatlichen Gewalt mit Hilfe des Terrors auszubrechen. Gewalt wurde als "vorübergehende Notwendigkeit" bejaht.

Davon hebt sich jedoch Bakunin ab und das wurde ihm auch immer wieder und unmißverständlich von Netschajew zu Vorwurf gemacht.
Bakunin verachtet aus tiefster Überzeugung unsittliche, unmoralische und hinterhältige Methoden im Umgang mit Gleichgesinnten.
Er äußert jedoch auch die Feststellung, daß Aufrichtigkeit und Beibehaltung der eigenen moralischen Werte im Umgang mit den Herrschenden, stets von diesen ausgenutzt würden:
"...und das Ehrenwort der Herrschenden ist nichts weiter als eine betriebsinterne Verhaltensregel zur Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse. Alle Verfolgten und Gehetzten wissen das, haben es schmerzlich erfahren und wenn sie im Zustand der Raserei und Verzweiflung waren, dann lauerte die Gefahr überall, das moralisch verpflichtende Band zwischen Mittel und Zweck und Ziel zu zerreissen!"

Während Natschajew sogar Freundschaft und Solidarität von der Revolution trennt (er fordert bedingungslose und absolute Bruderschaft, mißtraut jedem und jeder),
ist das für Bakunin ein Schock und unannehmbar, denn für ihn beinhaltet die Revolution gerade das: Liebe und Freundschaft , sowie gegenseitige Hilfe und Aufrichtigkeit untereinander!

Nun, Udo, ich habe mich mit den kurzen, vorhergehenden Beschreibungen und Zitaten bestimmt nicht um eine konkrete Antwort drücken wollen.
Ich will damit zeigen, daß Deine Frage nie verallgemeinerd mit "ja" oder "nein" beantwortet werden kann.
Sowohl das "Ja", als auch das "Nein" können legitim (im Unterschied zu legal - aber das weißt Du ja selbst genau) sein!

Aber die Beschäftigung mit Bakunin, seinen WeggefährtInnen und seiner Zeit erscheinen mir wichtig im Hinblick auf die aktuellen nationalen und internationalen Probleme von Staat und Gesellschaften.

Gruß
Luise

Lieber Udo Teichmann, obwohl grippegeschwächt,

war Baba mit ihrer Antwort schneller als ich und beweist damit wieder einmal ihre nicht kleinzukriegende Hexenpower , weil sie sich offensichtlich endlich wieder auf dem Weg der Besserung befindet.

Bevor ich in einem der nächsten Beiträge ausführlicher auf den Komplex Anarchie/Bakunin eingehen und meine Sicht darüber schildern werde, zunächst ein paar Anmerkungen zu Ihrem Beitrag:

U.T.: ich kann in das allgemeine Staunen und die kritiklose Bewunderung der Gedanken von Bakunin nicht einstimmen.

bjk: hmm, eigentlich kann ich hier im Forum nirgendwo ein "allgemeines Staunen" oder "kritiklose Bewunderung" Bakunins und/oder seiner Gedanken feststellen. Denn bisher sind doch wohl mehr oder weniger nur Zitate seiner Gedanken und wichtige Abschnitte seiner Biographie hier ins Forum zur Diskussion gestellt worden. Leider haben sich nämlich außer Baba und mir - seit heute erfreulicherweise auch Sie - keine weiteren DiskutantInnen zu diesem m. E. wieder hochaktuellen Thema geäußert.

Babas und mein Ziel war es, hier im Thread einen regelrechten Workshop über das so geheimnisvolle und meist verkannt-verrufene Thema Anarchie aufzutun, nachdem Ralf diesen Thread mit Bakunin eröffnet hat. Wie wichtig ein konstruktives Auseinandersetzen mit den Grundgedanken des nebulösen Begriffs "Anarchie" in der heutigen Zeit wieder ist, zeigt Ihr eigener Beitrag.

Als Grundlage für einen fundierten Disput braucht man möglichst umfassende Kenntnisse der Anarchie-Idee von Entstehung bis zur Gegenwart. Deshalb habe ich als Anarchie-Laie mich zunächst eher nur auf das Sammeln von Informationen und Einstellen der verschiedensten Zitate und entsprechenden Links - übrigens auch in unserer Forums-Linkseite - beschränkt.

Lieber Udo Teichmann, Sie haben mich dankenswerterweise angespornt, nun endlich meine eigenen Gedanken und Schlußfolgerungen hier zu veröffentlichen. Und genau das werde ich in den nächsten Beiträgen kontinuierlich fortführen. Und auch auf Ihre Einlassungen wie "Und wer sagt das? Das Volk? Das reale Volk? Oder Bakunin, also ein Intellektueller, also - wie er selbst sagt - ein Privilegierter, als einer "von oben", der sich gerade nicht einmischen soll." oder "Ist die Gewaltanwendung von unten, aus der Gosse, vom aufgehetzten Pöbel anarchistisch gesehen legitim?" ausführlich eingehen.

Versprochen!

Mit freundichen Grüßen
bjk

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Macht Stimmzettel zu Denkzetteln!
Bei Unschlüssigkeit nicht das "kleinere Übel" oder gar nicht wählen
sondern ungültig wählen!

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

Liebe Mitdiskutanten,
hallo Luise und bjk,

vielen Dank für Eure Hinweise.

Bakunin ist natürlich ein gewaltiger Denker, dem wichtige Denkanstöße in der politischen Philosophie zu verdanken sind: Hellsichtig kritisierte Bakunin bereits 1873 autoritäre konservative Staaten genauso wie autoritäre sozialistische Diktaturen: 'Faktisch bedeuten sie beide das Gleiche; die Verwaltung einer Mehrheit durch eine Minderheit im Namen der angeblichen Dummheit Ersterer und der angeblichen Weisheit letzterer.' "

Damit trifft er den Nagel auf den Kopf. Doch was können wir daraus folgern? Ist die Mehrheit nicht dumm, egoistisch, verantwortungsfaul? Ist die Minderheit nicht klüger, egoistischer, machtgeiler, also wirksamer?

Schon der erste Schritt in diese Analyse läßt uns stecken bleiben in dem Problem, daß jede politische Philosophie es mit den real existierenden Menschen zu tun hat, die eben so sind wie sie sind: in der Masse verführbar, egoistisch, denkfaul, verantwortungslos.

Der Charme der Demokratie besteht darin, daß sie ein Herrschaftssystem konstruiert, in dem die Beschränktheit des "Menschen an sich" am wenigsten Schaden anrichten kann. Der repräsentativen Demokratie genügt die "Fiktion des mündigen Bürgers" - und weiß dabei genau, daß kaum jemand in diesem Sinne "mündig" ist. Das schadet aber nichts, weil die Macht aufgeteilt ist und ein institutionell verwurzeltes System von checks and balances dafür sorgt, daß Auswüchse frühzeitig erkannt und möglichst elegant begradigt werden.

Anarchie dagegen erfordert heroisch altruistische Menschen, die auf diesem Planeten nicht zu haben sind. Welches Menschenbild ist nötig um sicherzustellen, daß etwa anarchistische Daseinsweisen weniger Übel anrichten als Demokratien mit all ihren Fehlern und Mängeln? Was wird aus der Anarchie, wenn die Menschen nicht auf der geistigen und charakterlichen Höhe des Anarchismus stehen? Es steht zu befürchten, daß es auf breiter Front zu Mord und Todschlag kommt. Wenn die real existierenden Menschen in der Demokratie dagegen nicht dem Ideal des Demokraten entsprechen, welche Greuel sind dann zu befürchten? - Gar keine, denn das ist der Normalfall: Durch Demokratie werden die gewalttätigen Instinkte des Menschen weitgehend domestiziert, die repräsentatie Demokratie ist geradezu darauf zugeschnitten, mit nicht-idealen "Demokraten" eine "normal" funktionierende Demokratie einzurichten.

Mit freundlichen Grüßen
Udo Teichmann

Re: Wer zweifelt heute noch an diesen Worten Michael Bakunins ?

(hab beim Schreiben leider zu lange getrödelt und wurde ausgeloggt, deshalb steht als Autor dieses Beitrages nur "Gast")


Lieber Udo,

wie ich schon sagte, bin ich nur "Anarchie-Laie", wenn auch vor allem wegen der aktuellen neoliberalen Schweinereien ein außerordentlich interessierter.

Auf diese "neoliberalen Schweinereien" werde ich immer wieder zurückkommen, weil sie der Dreh- und Angelpunkt aller Proteste, aller Demonstrationen und auch aller Revolutionen der - ich sag's mal vorsichtig, der unzufriedenen "Volksmassen" sind,
die sich nur noch ausgebeutet und unterdrückt sehen,
die sich um die Früchte ihrer Lebensleistung betrogen sehen,
die sich am Rande oder mittendrin einer sich immer schneller drehenden Armutsspirale sehen
und für sich, für ihre Familien und alle anderen Betroffenen im jeweils herrschenden Gesellschaftssystem keine Perspektiven für ein menschenwürdiges Leben mehr erkennen können!

Es besteht somit absoluter Konsens zwischen uns, wenn Sie sagen:
"Bakunin ist natürlich ein gewaltiger Denker, dem wichtige Denkanstöße in der politischen Philosophie zu verdanken sind: Hellsichtig kritisierte Bakunin bereits 1873 autoritäre konservative Staaten genauso wie autoritäre sozialistische Diktaturen: [...] Damit trifft er den Nagel auf den Kopf."

Ihre anschließenden analysierenden Fragen:
"Doch was können wir daraus folgern? Ist die Mehrheit nicht dumm, egoistisch, verantwortungsfaul? Ist die Minderheit nicht klüger, egoistischer, machtgeiler, also wirksamer?"
fänden zwar auch noch meine Zustimmung, wenn nicht schon ein eher rethorischer, also sich selbst beantwortender Frageansatz bei Ihnen deutlich würde.

Folgerichtig schlußfolgern Sie, beinahe der oberflächlichen Leserschaft das eigene Darübernachdenken quasi vorwegnehmend:
"Schon der erste Schritt in diese Analyse läßt uns stecken bleiben in dem Problem, daß jede politische Philosophie es mit den real existierenden Menschen zu tun hat, die eben so sind wie sie sind: in der Masse verführbar, egoistisch, denkfaul, verantwortungslos."

Zum Glück ist der größte Teil unserer Leserschaft alles andere als oberflächlich - und das haben Sie natürlich verschmitzt unterschwellig einkalkuliert.

Überzeugen kann mich jedoch ganz und gar nicht, wenn Sie behaupten:
"Der Charme der Demokratie besteht darin, daß sie ein Herrschaftssystem konstruiert, in dem die Beschränktheit des "Menschen an sich" am wenigsten Schaden anrichten kann. Der repräsentativen Demokratie genügt die "Fiktion des mündigen Bürgers" - und weiß dabei genau, daß kaum jemand in diesem Sinne "mündig" ist."

Denn Sie setzen die Idee der Demokratie bereits mit der Realität gleich, das heißt, Sie behaupten empirisch etwas, ohne den wirklich unumstößlichen Beweis für das Funktionieren dieser These zu liefern. Auch eine, so wie Ihre noch so gut und schlüssig formulierte Meinung, ist nun mal kein empirischer Beweis sondern immer noch eine zwar zu respektierende aber trotzdem "nur" subjektive Meinung.

Diese Ihre subjektive Meinung idealisieren Sie, indem Sie wiederum zwar in sich schlüssig aber trotzdem eben nur Ihre eigene Schlußfolgerung ziehen, der ich so nicht folge:
"Das schadet aber nichts, weil die Macht aufgeteilt ist und ein institutionell verwurzeltes System von checks and balances dafür sorgt, daß Auswüchse frühzeitig erkannt und möglichst elegant begradigt werden."
Denn an etwas zu glauben, an ein Ideal oder was auch immer, ist sicher durchaus lobenswert und kann, wenn es nicht gerade inquisitorisch-fanatisch vertreten wird, konstruktive Denkprozesse positiv befördern. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge - aber allein der Glaube ist empirisch nicht faßbar und kann und darf deshalb keinesfalls als allgemeinverbindlich gelten, wie ich finde!

Lieber Udo, Ihre weiteren Ausführungen über Ihre Sicht von Anarchie werde ich in einem der nächsten Beiträge kommentieren. Ich freue mich schon auf einen weiteren interessanten Disput und hoffe, die Leserschaft hat ebenfalls ihre Freude daran. Möglicherweise beteiligt sich ja der eine oder die andere, Baba sowieso, an diesem unseren allseits offenen Anarchie-Workshop?!

Herzliche Grüße
bjk