Das Versammlungsgesetz hat seine Wurzeln im Kalten Krieg und in der wilhelminischen Monarchie. Progressive Gerichtsurteile der letzten Jahre sollten endlich in den Text eingearbeitet werden
Von Martin Kutscha
Den Veranstaltern eines Diskussionsabends zum Thema »Was tun gegen rechts?« im Münchner Eine-Welt-Haus am 19. Juli 2006 kamen zwei besonders neugierige Besucher seltsam vor. Zur Rede gestellt, mußten sie schließlich zugeben, daß sie Polizeibeamte in Zivil sind und die Veranstaltung überwachen wollten. Daraufhin wurden sie des Saales verwiesen. Kurze Zeit später kehrten sie allerdings zurück; diesmal aber nicht allein, sondern in Begleitung von 20 uniformierten und mit Schlagstöcken bewaffneten Kollegen. Angesichts dieses geballten Auftritts der Staatsgewalt entschieden sich die Teilnehmer zum vorzeitigen Abbruch der Diskussion. Aber damit wollten die Organisatoren sich nicht zufriedengeben, sondern klagten beim Verwaltungsgericht München. Dieses stellte Mitte Juni 2007 fest, daß die Polizeibeamten sich tatsächlich von Anfang an hätten zu erkennen geben müssen. Allerdings belehrte das Gericht die klagenden Veranstalter, daß Polizisten tatsächlich das Recht haben, an einer öffentlichen Zusammenkunft teilzunehmen. So bestimmt es Paragraph 12 des Versammlungsgesetzes. Ohne weitere Voraussetzungen zu nennen, hält dieses Gesetz offenbar jede öffentliche Versammlung, ob unter freiem Himmel oder selbst in geschlossenen Räumen, grundsätzlich für gefährlich. Warum sollte sie sonst von der Polizei überwacht werden dürfen? Es muß erstaunen, wie wenig diese Gesetzesbestimmung bisher das Interesse auch liberaler Juristen gefunden hat. Immerhin können die anwesenden Polizeivertreter die Gelegenheit nutzen, Daten über die Anwesenden und deren Verhalten zu sammeln, z. B. zu notieren, wer durch »radikale« Reden auffällt usw. Daß damit die Meinungsfreiheit gefährdet wird, liegt auf der Hand.
In monarchistischer Tradition
Das Versammlungsgesetz der Bundesrepublik ist auch in anderen Punkten immer noch geprägt von einer staatsautoritären und vordemokratischen Haltung gegenüber Zusammenkünften des nach der Verfassung souveränen Volkes. Es stammt aus dem Jahre 1953 und damit aus der Zeit des beginnenden Kalten Krieges. Darüber hinaus gehen seine wesentlichen Bestimmungen auf das Reichsvereinsgesetz von 1908 zurück, als Deutschland noch eine Monarchie war. Im Obrigkeitsstaat galten freie Bürgerversammlungen als Hort der Unbotmäßigkeit und des Aufruhrs, weshalb man sie füglichst zu unterbinden suchte.
So wurde schon 1832 das von demokratischen Kräften organisierte Hambacher Fest von der damals über den Rheinkreis herrschenden bayerischen Regierung mit der Begründung verboten, es handele sich um einen »Konvent deutscher Demagogen« und die in der Einladung enthaltene Forderung nach »Abschüttelung innerer und äußerer Gewalt« besäße aufrührerischen Charakter. Die daraufhin sich erhebende Welle des Protests war jedoch so stark, daß das Verbot wieder aufgehoben wurde. Das Hambacher Fest konnte schließlich stattfinden und wird heute auch in vielen regierungsamtlichen Veröffentlichungen als Meilenstein für die Durchsetzung der Demokratie gefeiert wobei zumeist verschwiegen wird, daß nicht wenige der damaligen Streiter für die Rechte des Volkes sich im nachhinein schärfsten Repressionsmaßnahmen bis hin zu Todesstrafen ausgesetzt sahen. Das Streben nach Demokratie konnte damit allerdings nicht erstickt werden. Als dann die frei gewählte Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche im Jahre 1848 die »Grundrechte des deutschen Volkes« proklamierte, befand sich darunter auch die Versammlungsfreiheit: »Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden.«
Da der Nationalversammlung die Durchsetzungsmacht gegenüber der feudalen Herrschaft fehlte, standen diese Freiheitsverheißungen freilich nur auf dem Papier. Immerhin boten sie ein Jahrhundert später die Vorlage für den Artikel 8 des Grundgesetzes der Bundesrepublik. Diese Verbürgung der Versammlungsfreiheit für »alle Deutschen« sollte nach dem Wortlaut der Verfassung zwar »unmittelbar geltendes Recht« sein, das im Rang über dem sogenannten einfachen Gesetzesrecht steht. In der Praxis der staatlichen Behörden wurde diesem Grundrecht aber jahrzehntelang kaum die notwendige Beachtung geschenkt. Im Gegenteil: Wer auf der Straße protestierte, mußte mit dem Einsatz massiver Staatsgewalt rechnen. Bei einer Demonstration linker Jugendlicher in Essen am 11.Mai 1952 wurde der Polizei zum ersten Mal der Befehl zum Einsatz von Schußwaffen gegeben. Das 21jährige FDJ-Mitglied Philipp Müller wurde von einer Kugel tödlich getroffen, mehrere andere Teilnehmer schwer verletzt. Benno Ohnesorg, der 1967 bei der Westberliner Demonstration gegen den persischen Schah erschossen wurde, war also keineswegs das erste oder das einzige Opfer polizeilichen Schußwaffeneinsatzes gegen Demonstranten in der Bundesrepublik bzw. Westberlin.
Erleichtert wurde das repressive Vorgehen gegen Proteste durch das restriktive Versammlungsgesetz von 1953. Zwar bedarf es danach keiner staatlichen Genehmigung für Versammlungen und »Aufzüge«, sondern lediglich einer Anmeldung. (Dies wissen übrigens selbst viele Journalisten nicht, deshalb kann man auch heute immer noch von angeblich »genehmigten« oder »nicht genehmigten« Demonstrationen lesen und hören.) Aber eine der wichtigsten Bestimmungen des Versammlungsgesetzes, Paragraph 15, erlaubt das Verbot oder die Auflösung einer Zusammenkunft bei einer »unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung«. Auf dieser Grundlage wurden jahrelang Demonstrationen mit der Begründung verboten, die »Leichtigkeit des Straßenverkehrs« werde dadurch beeinträchtigt. Untersagt wurden von den zuständigen Behörden auch Sprechchöre wie »Wer Bunker baut, denkt an Krieg!« oder »Es gibt keinen Luftschutz im Atomzeitalter!«, ja sogar das Singen. Die Atomwaffengegner und Pazifisten sahen sich bei ihren in den sechziger Jahren stattfindenden Ostermärschen einer Vielzahl solcher Repressionen ausgesetzt.
Selbstbestimmungsrecht bekräftigt
In den siebziger und achtziger Jahren erlebte der Protest auf den Straßen der Bundesrepublik einen gewaltigen Aufschwung dies belegen selbst die polizeilichen Demonstrationsstatistiken. Vor diesem Hintergrund schlug auch die Stunde für die Anerkennung des hohen Rangs der Versammlungsfreiheit, aber nicht in Gestalt einer Liberalisierung des Versammlungsgesetzes. Es war vielmehr das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das mit seinem »Brokdorf-Beschluß« vom 14. Mai 1985 den Stellenwert dieses Freiheitsrechts für eine demokratische Gesellschaft deutlich machte.
Worum ging es bei dieser Entscheidung? Rings um den kleinen Ort Brokdorf an der Unterelbe, wo ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte, hatte der zuständige Landrat im Februar 1981 ein umfassendes Demonstrationsverbot über ein Gebiet von zirka 210 Quadratkilometer verhängt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte dieses Verbot und berief sich dabei auf die Gefahr von Ausschreitungen bei der beabsichtigten Großdemonstration gegen den AKW-Bau. Es verwies des weiteren auf die »Ungeeignetheit des Demonstrationsraumes« und regte an, solche Protestmanifestationen doch in »Großstadien und andere für Massenveranstaltungen geeignete Räume« zu verweisen. Dem trat das Bundesverfassungsgericht entgegen leider erst vier Jahre später, als die verbotene Brokdorf-Demonstration mit weit über 50000 Teilnehmern längst stattgefunden hatte. Das höchste deutsche Gericht stellte fest, daß das Grundrecht der Versammlungsfreiheit auch das »Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung« beinhalte. Den besonderen Rang dieses Freiheitsrechts als »unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens« leiteten die Richter aus einer durchaus realistischen Betrachtung des öffentlichen Willensbildungsprozesses auch unter den heutigen sozioökonomischen Bedingungen ab: »An diesem Prozeß sind die Bürger in unterschiedlichem Maße beteiligt. Große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien können beträchtliche Einflüsse ausüben, während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt. In einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, verbleibt dem einzelnen neben seiner organisierten Mitwirkung in Parteien und Verbänden im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen.«
Wichtiger noch als diese zutreffende gesellschaftspolitische Erkenntnis sind die Schlußfolgerungen, die das Bundesverfassungsgericht daraus für den Umgang der Staatsgewalt mit Demonstrationen gezogen hat: Die Behörden seien gehalten, »nach dem Vorbild friedlich verlaufender Großdemonstrationen versammlungsfreundlich zu verfahren«. Auflösungen und Verbote dürfen danach nicht aus beliebigen Anlässen (z.B. wegen der Beeinträchtigung des Straßenverkehrs oder des ungestörten Shoppings in den Konsummeilen der Innenstädte) verhängt werden, sondern »nur zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit«.
Tatsächlich bot der »Brokdorf-Beschluß« von 1985 die höchstrichterliche Orientierungsmarke für zahlreiche seitdem ergangene Verwaltungsgerichtsentscheidungen, die dem hohen Rang des Grundrechts der Versammlungsfreiheit Rechnung trugen und die nicht selten zu repressive Praxis der Behörden korrigierten. Von diesem liberalen Grundrechtsverständnis haben in den letzten Jahren allerdings vor allem Gruppierungen von Neonazis profitiert: Kaum ein Versammlungsverbot, das auf die nazistischen, rassistischen und antidemokratischen Anschauungen dieser Gruppen gestützt war, hatte vor den Gerichten Bestand, solange keine konkreten Belege für geplante Gewalt- oder andere Straftaten der Teilnehmenden vorgelegt werden konnten.
Von dieser Liberalität war in den Versammlungsverboten anläßlich der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm indessen wenig zu spüren. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald meinte gar, diese Verbote unter Berufung auf die Pflege der »Beziehungen zu auswärtigen Staaten« rechtfertigen zu können. Die Vertreter anderer Länder könnten schließlich eine Duldung von Protestaktionen in ihrer Nähe »als unfreundlichen Akt empfinden«. Deshalb, so das Gericht weiter, dürfe die Polizei verhindern, »daß Demonstranten in emotionalisierende Nähe eines Besuchers gelangen«. Die Befindlichkeit ausländischer Politiker, in deren Heimatstaat Freiheitsrechte der Opposition manchmal überhaupt nichts gelten, wird damit schlicht dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit übergeordnet. Das für die Demokratie elementare Freiheitsrecht wird auf dem Altar des außenpolitischen Interesses von Merkel und Co. am Wohlgefühl ihrer erlauchten Gäste geopfert.
Reformen sind gefordert
Angesichts solcher Mißachtungen der Versammlungsfreiheit ist es längst an der Zeit, die Vorgaben des Brokdorf-Beschlusses aus Karlsruhe in Gesetzesform zu gießen, um grundrechtskonforme Verhältnisse zu schaffen. Durch die im Sommer 2006 verabschiedete Föderalismusreform ist die Zuständigkeit für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder übergegangen. Die einzelnen Landtage sind jetzt imstande, durch eine entsprechende Gesetzesgestaltung der Versammlungsfreiheit gebührend Rechnung zu tragen. Präzisiert werden müssen vor allem die Voraussetzungen, unter denen Zusammenkünfte und Demonstrationen verboten, aufgelöst oder durch Auflagen beschränkt werden können. Wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt, darf die Ausübung des Grundrechts nur zum Schutz anderer elementarer Rechtsgüter eingeschränkt werden. Aus dem Gesetz muß auch deutlich werden, daß ein Versammlungsverbot oder eine Auflösung nur in Betracht kommt, wenn minder schwere Maßnahmen nicht ausreichen (Ultima-ratio-Prinzip).
Darüber hinaus müssen klare Regelungen geschaffen werden, die eine möglichst ungehinderte Anreise zur Demonstration sicherstellen. Auch für diese Problematik gibt es eindringliche Beispiele wie den berüchtigten »Hamburger Kessel«: Am 8. Juni 1986 wurden auf dem Hamburger Heiligengeistfeld annähernd 300 Menschen, die sich zum Protest gegen Polizeieinsätze anläßlich einer Brokdorf-Demonstration zusammengefunden hatten, von der Polizei umzingelt. Weder vor noch nach der Einkesselung verhielten sich die Betroffenen in irgendeiner Weise gewalttätig. Gleichwohl wurden sie schubweise auf verschiedene Polizeireviere verbracht und erst viele Stunden später, teilweise erst am nächsten Morgen, freigelassen.
Das Verwaltungsgericht Hamburg erklärte die Polizeiaktion für von Anfang an rechtswidrig. Die Polizeiführung hatte argumentiert, die Eingekesselten hätten sich noch in der »Ansammlungsphase« befunden und seien deshalb noch nicht durch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt worden. Dem trat das Verwaltungsgericht mit Entschiedenheit entgegen: »Das Freiheitsrecht, sich zu versammeln, umfaßt auch die Tätigkeit des Sich-Versammelns.« Das Grundrecht würde weitgehend leerlaufen, wenn es im »Vorfeld« eigentlicher Zusammenkünfte keine Wirkungen entfalten würde. In der Tat erfordert ein konsequenter Grundrechtsschutz auch eine möglichst ungehinderte Anreise, wenn die Wahrnehmung dieses Freiheitsrechts nicht vereitelt werden soll.
Leider blieb der »Hamburger Kessel« kein Einzelfall. Auch angesichts vielfältiger Behinderungen durch langwierige Polizeikontrollen, »präventive Ingewahrsamsnahmen« und ähnlichem muß das Versammlungsrecht durch Regelungen ergänzt werden, die staatliche Eingriffe bei der Anreise von Demonstrationswilligen auf ein unverzichtbares Minimum begrenzen.
Dies betrifft auch Maßnahmen wie Einreiseverweigerungen und Ausreiseverbote für Menschen, die an Protesten in anderen EU-Staaten teilnehmen wollen. Das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU darf sich nicht auf den Waren- und Kapitalverkehr sowie auf Dienstleistungen beschränken, sondern ist auch für politisch aktive Bürger ungeschmälert zu gewährleisten. Immerhin garantieren sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention als auch die Europäische Grundrechtecharta das Recht, sich »frei und friedlich mit anderen zu versammeln« zu können.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg, sonst eher zurückhaltend beim Grundrechtsschutz in den Mitgliedstaaten der EU, hat den Stellenwert der Versammlungsfreiheit in einem hierzulande kaum bekannten Urteil vom 12.Juni 2003 herausgestellt. Dem Verfahren lag eine Schadensersatzklage des Transportunternehmens Schmidberger gegen die Republik Österreich zugrunde. Lkw der Firma Schmidberger hatten wegen einer 30stündigen Blockade der Brenner-Autobahn durch protestierende Umweltschützer diesen Alpenübergang nicht benutzen können. Dies, so die Anwälte der Firma, stelle eine Verletzung des europarechtlichen Prinzips des freien Warenverkehrs dar. Der Europäische Gerichtshof sah dies anders: Die Behörden in Österreich hätten durchaus die Befugnis gehabt, den Grundrechten der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit im konkreten Fall den Vorrang gegenüber der Freiheit des Warenverkehrs einzuräumen. Aus Deutschland ist hingegen noch kein Urteil bekannt, daß die längerfristige Blockade einer Autobahn durch Demonstranten als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gedeckt wertet.
Vermummungsverbot prüfen
Wie immer gilt es, sich vor Illusionen zu hüten: Nicht jede Reform des Versammlungsrechts bewirkt eine Stärkung des Grundrechtsschutzes. Als Beispiel für den gegenteiligen Effekt sei hier die Einführung des Vermummungsverbots durch Paragraph 17 a des Versammlungsgesetzes im Jahre 1985 genannt. Nach dieser Bestimmung ist es verboten, an Versammlungen oder sonstigen Veranstaltungen »in einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern, teilzunehmen oder den Weg zu derartigen Veranstaltungen in einer solchen Aufmachung zurückzulegen«. Welche »Aufmachungen« sind hiervon erfaßt? Reicht hierfür schon der Schal, den sich jemand zum Schutz vor winterlicher Kälte um Mund und Nase gewickelt hat? Der Autor erinnert sich an eine Demonstration gegen die NATO-»Nachrüstung«, die in den frühen achtziger Jahren an einem 6. Dezember in Hamburg stattfand. An diesem Tag feiern die Kinder bekanntlich den heiligen Nikolaus, und etliche Demonstranten waren dementsprechend mit rotem Mantel, Zipfelmütze und langem weißen Bart verkleidet. Ob die Polizei dabei Nikolause wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot festgenommen hat, ist nicht bekannt. Auch die weißen Masken der Aktionsgruppe »Die Überflüssigen« sind vom Gericht nicht als Vermummung, sondern als künstlerische Maskierung gewertet worden.
Jenseits aller Abgrenzungsschwierigkeiten offenbart diese Verbotsnorm ein seltsames Freiheitsverständnis: Warum soll der Bürger dazu beitragen, der neugierigen Staatsgewalt die Feststellung seiner Identität zu erleichtern? Darf ein demokratisches Grundrecht nur ausgeübt werden, wenn man, um sicher zu gehen, nur unverhüllt und barhäuptig vor die Obrigkeit tritt? Nicht jedes Verbergen der Identität ist von der Absicht getragen, Straftaten zu begehen. Das hat sich erst letzte Woche in einem Gerichtsverfahren in Düsseldorf gezeigt. Ein von der Polizei eingekesselter Demonstrant hatte sich mit Schal und Mütze vor fotografierenden Neonazis geschützt und ist deshalb auch freigesprochen worden (jW vom 20.8.2007). Die Datensammelwut unserer »Sicherheitsbehörden«, von der Videoüberwachung über die Erfassung der Telekommunikation bis hin zur künftig erlaubten Vorratsdatenspeicherung kann kaum absehbare Folgen für die Betroffenen zeitigen. Warum soll man sich nicht davor schützen dürfen?
Das Vermummungsverbot gehört also neben anderen grundrechtsgefährdenden Bestimmungen im geltenden Versammlungsrecht auf den Prüfstand. Es reicht aber nicht, auf die bürgerrechtliche Einsicht der Gesetzgeber zu hoffen. So ist das Versammlungsgesetz in den letzten Jahren durch den Bundestag und den Landtag von Brandenburg durch Regelungen gegen Neonazismus ergänzt worden, denen in der Praxis aber fast nur symbolische Bedeutung zukommt. Auf der anderen Seite ist zu befürchten, daß unter Hinweis auf eine angebliche Gefährdung durch »extremistische Störer« die Verbotsbestimmungen in naher Zukunft verschärft werden. Im übrigen hat die Geschichte immer wieder gezeigt, daß demokratische Grundrechte wie gerade auch die Versammlungsfreiheit am effektivsten durch deren aktive und mutige Wahrnehmung verteidigt werden.
Martin Kutscha ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin. Er gibt den jährlich erscheinenden Grundrechte-Report mit heraus.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
eine (Staatsmachts)Krähe hackt der anderen kein Auge aus
Wie sich durch Zufall einmal die tägliche Polizei-Praxis entlarvte
Karl Weiss - Deutsche Staatsgewalt in Aktion. Gegen Links immer volle Pulle. Die Weimarer republik lässt grüßen. Von einem demokratischen Staat hat das nichts. Was seit Urzeiten Praxis deutscher (und nicht nur deutscher) Polizisten ist, der Korpsgeist über alles, das gegenseitige Absichern von Polizisten mit falschen Zeugenaussagen bei illegalen Übergriffen, wurde nun an einem konkreten Fall öffentlich und belegt. Selbstverständlich passiert den Polizisten trotzdem nichts. Die Staatsanwaltschaft hat entsprechende Anklagen bereits niedergeschlagen.
Am 2. Oktober 2004 hatten einige Gewerkschaftseinheiten, attac, PDS und weitere Organisationen zu einem Protest gegen Hartz IV aufgerufen. 45 000 Menschen kamen zur Demonstration (nach Angaben der Veranstalter über 100 000). Sie ging vom Berliner Alexanderplatz durch die Friedrichstrasse und Unter den Linden. Weg mit Hartz IV das Volk sind wir war das Motto.
Die Staatsgewalt suchte nun einen Vorwand zum Eingreifen. Bald hatte sie einen gefunden. Ein paar Eier waren gegen die Fassade der VW-Vertretung Unter den Linden geworfen worden. Schließlich war Hartz VW-Vorstand.
Schon rückte die Polizei mit Hundertschaften an und zielte genau mitten in die Demonstration. Einer der ersten, der getroffen wurde, war der Junge Felix K. Man deckte ihn mit Faustschlägen ein und er ging kurzzeitig bewusstlos zu Boden. Wieder erwacht, führte man ihn im Polizeigriff ab, brachte ihn auf die Wache, ohne seine Verletzungen behandeln zu lassen, später auf die Hauptwache, ohne Zugang zu Rechtsbeistand noch zu einem Arzt, obwohl die Verletzungen offensichtlich waren, behandelte ihn erkennungsdienstlich - und ließ ihn dann laufen.
Es wurde eine Platzwunde an der Lippe von den Schlägen konstatiert, beide Augen waren zugeschwollen von den Misshandlungen. Am Hals hatte er Abschürfungen mit der Marke von Stiefelsohlen, mit denen er gewürgt und auf den Boden gedrückt worden war.
Hatten nun die Polizisten, die dafür verantwortlich waren, ein Problem? Oder jener, der das Einsatzkommando gegeben hatte? Misshandlung in polizeilicher Obhut? Unbegründete Festnahme? Nein, keineswegs. Man sprach sich ab: Der Felix sei vermummt gewesen, darum habe man ihn schnappen müssen. Er habe sich mit Gewalt gegen seine Festnahme gewehrt, dabei u.a. einem Polizisten gegen die Schienbeine getreten, da habe man ihn überwältigen müssen gegen schweren Widerstand. Dabei könnte es sein, dass man auch einen Faustschlag verteilt habe.
So wurde den Felix angeklagt, nicht die Polizisten oder der für den unbegründeten Einsatz Verantwortliche.
Vor Gericht sagten die drei beteiligten Polizisten alles eakt gemäss der Absprache aus. Weder Richter noch Staatsanwalt schien aufzufallen, dass man von einem Faustschlag nicht eine aufgeplatzte Lippe und zwei zugeschwollene Augen haben kann. Auch der Tritt gegen das Schienbein wurde geglaubt, obwohl der betroffene Polizist sagte, er habe das nicht gespürt. Der dritte Polizist sagte aus, er habe nichts von mehreren Faustschlägen gesehen und so kam es, wie es in der deutschen Unrechtsjustiz kommen muss: Das Opfer wurde zum Täter und verurteilt zu Arrest, sogar über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Der unsägliche Richter meinte, er müsse eindringlich vor weiteren Straftaten gewarnt werden.
Soweit ging alles seinen geregelten Gang, wie in Deutschland (und nicht nur hier) üblich. Polizisten haben immer recht. Sie werden nicht einmal vereidigt, weil sie sowieso glaubwürdig sind. In diesem Fall sprachen die Verletzungen des Polizei-Opfers eine eindeutige Sprache, doch sie wurden einfach übersehen.
Dann allerdings kam eine kleine Unregelmässigkeit. Bei intensiven Suchen nach einschlägigen Fotos wurde Felix fündig. Es gibt ein Foto genau vom Moment seiner Festnahme und dem ersten Faustschlag, der ihn niederstreckte. Hier ist das Foto.
Man kann eindeutig sehen, er ist in keiner Weise vermummt, die Begründung für seine Festnahme ist also frei erfunden.
Nun ging Felix mit diesem Beweis in die Berufung vor dem Berliner Landgericht. Der Polizist, der bei einer Falschaussage erwischt wurde, wusste nichts weiter zu sagen als, dann sei es wohl ein Irrtum gewesen.
Wenn ich mit einem Trick über das Internet das Bankkonto meines Nachbarn anzapfe, erwischt werde und dann vor Gericht sage, das sei ein Irrtum gewesen, ob ich dann wohl davon komme?
Na, Felix wurde in der Berufung freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte nun die gesetzliche Pflicht, die Falschaussage-Polizisten anzuklagen, tat es aber nicht. >Was kömmert mich eine gesetzliche Pflicht.
Re: Grundrecht der Demonstrationsfreiheit ist der Staatsmacht ein Dorn im Auge
Militarisierung der bundesdeutschen Innenpolitik. Teil 1: Der Einsatz von Soldaten im Inland steht in einer preußisch-reaktionären Tradition Von Frank Brendle
Wolfgang Schäuble (CDU) ist scheinbar besessen: Seit Jahr und Tag predigt er den Inlandseinsatz der Bundeswehr, vom Objektschutz über die Bekämpfung von Demonstranten bis zum Abschuß »verdächtiger« Zivilflugzeuge. Doch der Bundesinnenminister ist nur der lauteste Vertreter einer Heimatschutzfraktion, die das Militär zum innenpolitischen Ordnungsfaktor machen will. Sie redet nicht nur, sondern handelt auch.
Daß die deutsche Geschichte viele und höchst abschreckende Beispiele von militärischen Inlandseinsätzen kennt, davon ist bemerkenswert wenig die Rede. Dabei war es im 19. Jahrhundert noch Alltag, das Militär als innenpolitisches Hilfsmittel der Herrschenden einzusetzen. »Militair- und Civilbdediente sind vorzüglich bestimmt, die Sicherheit, die gute Ordnung, und den Wohlstand des Staats unterhalten und fördern zu helfen«, hieß es im Paragraph1 des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794. Soldaten wurden mangels einer flächendeckenden Polizei gar als Zwangsvollstrecker für simple Verwaltungs- und Gerichtsbeschlüsse verwendet, in Sachsen bis 1868 als Steuereintreiber, in Hessen-Nassau als Wildtreiber.
Mit Soldaten gegen Demokraten
Im Deutschen Bund sah Artikel 26 der Wiener Schlußakte, eine 1819 beschlossene Ergänzung der Verfassung, Bundesinterventionen für den Fall vor, daß »in einem Bundesstaate durch Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen die Obrigkeit die innere Ruhe unmittelbar gefährdet« sein sollte oder eine »Verbreitung aufrührerischer Bewegungen zu fürchten« sei. In der Regel lagen hierzu Ersuche der betroffenen Fürsten vor. So marschierte der preußische »Kartätschenprinz« Wilhelm im Juni 1849 in Baden ein, um den von Republikanern verjagten Großherzog Leopold wieder ins Amt zu setzen. 1851 forderte die kurhessische Regierung Bundesbeistand an, weil das eigene Offizierskorps die Ausführung verfassungswidriger Befehle verweigert hatte. Wenn einzelne Monarchen ihre »Bundespflichten« verletzten, konnten sogenannte Bundesexekutionen durchgeführt werden, wie etwa 1863/64, als der dänische König Holstein aus dem Bund zu lösen versuchte. Außerdem konnten die Fürsten nach Landesrecht den Belagerungszustand verhängen, wovon vor allem während der bürgerlichen Revolution 1848/49 Gebrauch gemacht wurde. In Berlin wurde etwa am 12. November 1848 dem General Friedrich von Wrangel das Oberkommando übertragen, um die preußische Nationalversammlung mit Waffengewalt zu unterdrücken. Auch in den anderen Bundesstaaten regierten die Herrschenden auf die revolutionären Bestrebungen nach dem vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. formulierten Motto »Gegen Demokraten helfen nur Soldaten«.
Im Deutschen Reich ist nach 1871 die Polizei ausgebaut worden, eine strikte Trennung zwischen Militär- und Polizeiaufgaben gab es jedoch nicht. Weiterhin agierten militärisch strukturierte Ländergendarmerien im Grenzbereich zwischen Militär und Polizei, und die in den Kolonien stationierten kaiserlichen Schutztruppen waren für die gesamte Palette der »öffentlichen Sicherheit« zuständig.
Aber auch für die regulären Streitkräfte sah die Bismarcksche Reichsverfassung Möglichkeiten zum inneren Einsatz vor. So zum Zweck des »Staatsschutzes«: Nach Artikel 68 konnte der Kaiser, »wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand« erklären, was bis 1914 zwar nie vollzogen, aber mehrfach erwogen wurde, um gegen Streiks vorzugehen.
Zusätzlich konnten einzelne Länder den »kleinen Belagerungszustand« verhängen, der einzelne Grundrechte lokal und zeitlich begrenzt suspendierte, etwa in Fällen des Krieges oder des Aufruhrs. Auch damals nahm man es mit dem Gesetz nicht immer genau: Zur Verhängung des »großen Belagerungszustandes« beim Streik 1885 in Bielefeld war Preußen laut Reichsverfassung gar nicht befugt, dennoch wurde die Maßnahme vom preußischen Staatsministerium gebilligt.
Streikbekämpfung
Von größerer praktischer Bedeutung waren polizeiliche Verwendungen außerhalb des Staatsnotstandes. Den Anlaß bildeten fast immer Streiks und Arbeiterproteste. Die Bundesfürsten hatten das Recht, »zu polizeilichen Zwecken nicht bloß ihre eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle Truppentheile des Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten disloziert sind, zu requirieren« (Artikel 66). Ähnliche Regelungen gab es auch in den Landesverfassungen, so in Preußen »zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der Gesetze« (Artikel 36). Ausschlaggebend war das Hilfegesuch (Requisitionsanforderung) einer zivilen Behörde.
So marschierten im Juni 1871 frisch von den französischen Schlachtfeldern kommende Ulanen nach Oberschlesien, um den Streik von 3000 Bergabeitern in Königshütte niederzuschlagen. Laut damaliger Presse haben sie »mit staunenswerter Gewandtheit und Bravour« die Straßen »gesäubert« und dabei sieben Arbeiter erschossen.
1872 fanden Streiks im Essener und Oberhausen-Mühlheimer Revier statt, mit denen unter anderem der Achtstundentag gefordert wurde ein Fall fürs Militär. Im selben Jahr gab es in Berlin Proteste gegen die miserablen Wohnungsbedingungen, auch diese wurden mit Militär eingedämmt. 1876 gingen zwei Kompanien Infanterie und eine Kavallerieabteilung gegen demonstrierende Landarbeiter in Ostpreußen vor, 1885 wurde wegen »öffentlicher Zusammenrottungen« und »Widerstand« durch Arbeiter der Belagerungszustand über Bielefeld verhängt. 1887 marschierte Infanterie gegen Bergleute bei Osnabrück auf, 1889 erschoß das Militär mehrere Arbeiter an der Ruhr, wo sich an der bis dahin größten Streikbewegung im Deutschen Reich über 100 000 Arbeiter beteiligten, die Achtstundentag und Arbeiterausschüsse forderten. Eine Arbeiterdelegation wurde von Kaiser Wilhelm II. mit den Worten bedroht, er werde »alles über den Haufen schießen lassen«, falls die Streikenden in Verbindung mit der SPD stünden. Unter dem Kommando des späteren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg marschierten Ende 1909 Soldaten bei einem Streik im Mansfelder Gebiet auf.
Die Soldaten waren auf den Kaiser als Inhaber der obersten Kommandogewalt vereidigt. Dementsprechend betrachtete dieser die Truppe als seine persönliche Angelegenheit, die, »sei es nach außen, sei es nach innen, meiner Wünsche und meiner Winke gegenwärtig sein wird«, wie Wilhelm II. in einer Rede am 2. Dezember 1895 ausführte. Welcher Art diese Wünsche und Winke waren, daran ließ er keinen Zweifel: »Es gibt für euch nur einen Feind, und der ist Mein Feind. Bei den jetzigen sozialistischen Umtrieben kann es vorkommen, daß Ich euch befehle, eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen«, schärfte er »seinen« Soldaten anläßlich einer Rekrutenvereidigung ein. Solche Äußerungen demaskierten die offizielle Argumentation, das Militär wolle sich keinesfalls in Arbeitskämpfe einmischen, sondern lediglich Produktionsanlagen und Streikbrecher vor Gewalttätern »schützen«.
Eine parlamentarische Kontrolle gab es weder für Militäreinsätze im In- noch im Ausland. Das Militärbudget wurde vom Reichstag beschlossen, aber dieses Kontrollmittel entschärfte er selbst, indem er es gleich für mehrere Jahre verabschiedete. Außerdem wurde die Zuständigkeit für das Militär weitgehend vom preußischen Kriegsminister auf den vom Kaiser kontrollierten Großen Generalstab übertragen. Damit gab es niemanden, der dem Reichstag Rede und Antwort stehen mußte.
Neben den eher außerordentlichen Antistreikeinsätzen erfüllten Soldaten auch reguläre polizeiliche Aufgaben, solange die Polizei noch nicht flächendeckend aufgebaut war. Dazu gehörte Objektschutz; in Baden wurden beispielsweise die Paläste des Großherzogs, die Münzprägeanstalt, die Filialen der Reichsbank und auch Strafanstalten von Soldaten bewacht also die Machtbasen der Obrigkeit (heute »kritische Infrastruktur« genannt).
In Städten, die über eine Militärgarnison verfügten, wachten Soldaten im Rahmen des Garnisonswachdienstes über die Sicherheit der ganzen Stadt. Das war an sich nicht verfassungsgemäß, weil Soldaten nur zeitweise auf konkrete Anforderung der zivilen Behörden solche Aufgaben erledigen durften, es wurde aber aus Zweckmäßigkeitsgründen einfach gemacht. Auch das muß man bis heute bedenken, wenn man über den Stellenwert juristischer Regelungen redet. Je mehr allerdings die zivile Polizei aufgebaut wurde, desto mehr erschien den Zeitgenossen diese Form des militärischen Regiments »befremdlich«.
Die damals geübte Kritik war, ähnlich wie heute, sachbezogen: Soldaten, vor allem Wehrpflichtige, seien für Polizeiaufgaben nicht ausreichend qualifiziert. Offenbar haben sie vor allem bei der Bekämpfung der Prostitution versagt, und generell ist ein übermäßig hartes Vorgehen beklagt worden. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die sogenannte Zabern-Affäre Ende November 1913. In der elsässischen Stadt hatte ein Leutnant durch grobe Beleidigung elsässischer Rekruten heftige Proteste der Bevölkerung provoziert. Die Heeresgarnison besetzte daraufhin mehrere Tage lang gegen den Protest des Gemeinderates die Stadt und nahm Zivilisten fest. Dieses eigenmächtige Verhalten rief heftige Proteste in der Öffentlichkeit hervor. Der Kaiser bekräftigte daraufhin in einer »Allerhöchsten Dienstvorschrift über den Waffengebrauch des Militairs und seine Mitwirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen« vom März 1914, das Militär dürfe außer zur Eigensicherung nur eingreifen, wenn die Polizeikräfte nicht ausreichten und die Zivilbehörden den Militäreinsatz anforderten.
Bluthunde
Die Reichswehr der Weimarer Republik war vor allem in den ersten Jahren häufig im Inlandseinsatz stets gegen Arbeiter und gegen sozialistische oder syndikalistische Bewegungen. Legendär ist der Ausspruch des sozialdemokratischen Reichswehrministers Gustav Noske, einer müsse der »Bluthund« sein. Die Weimarer Verfassung hielt am Mittel der Reichsexekution fest: »Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfüllt, kann der Reichspräsident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten.« Eng damit verbunden war die sogenannte Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, »wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erheblich gestört oder gefährdet war«; auch hier konnte Militär eingesetzt werden (Artikel 48, Absätze 1 und 2).
Als im Januar 1920 in Berlin Massenproteste gegen das Betriebsrätegesetz entflammten, übertrug Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) die vollziehende Gewalt auf den »Bluthund« Noske und erklärte den Ausnahmezustand. Wo die Reichswehr politisch stand, zeigte ihre Weigerung, beim Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die meuternden Truppen vorzugehen. »Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr«, hieß es. Die Republik wurde durch einen Generalstreik verteidigt. Als dieser in einen revolutionären Prozeß umzuschlagen begann, war die Reichswehr wieder zur Stelle, marschierte ins Ruhrgebiet ein und ging mit äußerster Brutalität gegen die »Rote Ruhr-Armee« vor. Im selben Monat (März 1920) setzte sie den USPD/KPD-Vollzugsrat in Sachsen-Gotha ab.
SPD-Mann Friedrich Ebert schickte auch im Jahr 1923 Truppen nach Sachsen und Thüringen, um die dortigen Koalitionsregierung aus SPD und KPD aufzulösen. 1932 setzte Präsident Hindenburg die SPD-Minderheitsregierung in Preußen ab (»Preußenschlag«), unter dem Vorwand, diese habe ihre Pflicht verletzt, energisch genug gegen kommunistische Umtriebe vorzugehen (Anlaß war der sogenannte Altonaer Blutsonntag).
Die parlamentarische Kontrolle war rudimentär. Der Reichstag hätte theoretisch die Präsidialverordnungen außer Kraft setzen können der Reichspräsident jedoch konnte das Parlament jederzeit auflösen und die Interimszeit nutzen, um ungehindert Fakten zu schaffen. Auf Länderebene kam die Möglichkeit hinzu, nach Paragraph 17 des Wehrgesetzes »im Falle öffentlicher Notstände oder einer Bedrohung der öffentlichen Ordnung« die Reichswehr anzufordern (Requisitionsrecht). Darunter konnten sowohl die Bekämpfung von Aufständischen als auch Hilfeleistung bei Naturkatastrophen fallen. In der Standortdienstvorschrift von 1925 wirkte noch ein Rest des früheren Garnisonswachdienstes nach: Reichswehrsoldaten konnten auf Aufforderung durch die Zivilbehörden Zivilisten festnehmen und Hausdurchsuchungen vornehmen.
Im Prinzip war die Reichswehr nicht daran interessiert, »Büttel im Innern« zu sein. Ihre 100000 Mann wollte sie auf die Landesverteidigung konzentrieren. Für die »innere Sicherheit« sollte die Polizei dienen, deren Kräfte auf 150000 Mann ausgebaut wurden, davon 90000 Schutzpolizisten. Diese wurden entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrages von der Reichswehr mit Tausenden Gewehren und schweren Maschinengewehren ausgestattet eine Art illegaler Amtshilfe.
Die Wehrmacht ist, jedenfalls in Friedenszeiten, kaum im Inland eingesetzt worden. Planungen gab es vor allem unter dem Code der »Operation Walküre«, die am 20. Juli 1944 von der Militäropposition zum Staatsstreichversuch umfunktioniert wurde. Kennzeichnend waren ansonsten die polizeilichen Befugnisse der »Parteiarmeen« SA und SS und die Militarisierung der Polizeiverbände, die häufig als Kombattanten verwendet wurden und sich an den Mordaktionen hinter der Frontlinie und an Besatzungsaufgaben beteiligten.
In der DDR war in erster Linie die Deutsche Volkspolizei (DVP) für die innere Sicherheit zuständig. Auf Beschluß des Ministerrates konnten aber auch andere Organe z. B. NVA-Einheiten Inlandsbefugnisse erhalten (Artikel 20 DVP-Gesetz). Zudem enthielt das Wehrgesetz die Möglichkeit, Soldaten auf Weisung des Nationalen Verteidigungsrates anderen staatlichen Organen zu unterstellen, wie etwa dem Ministerium für Staatssicherheit oder der Volkspolizei. Zumindest im Ausnahmezustand sollten auch die Kampfgruppen der Arbeiterklasse im Inland eingesetzt werden.
Im Herbst 1989 sind in Leipzig, Dresden und Berlin Hundertschaften der NVA aufgestellt worden, um gegen Demonstranten vorzugehen, in Dresden kam es zu Festnahmen durch das Militär. In Berlin sperrten Soldaten gemeinsam mit Polizeikräften den Palast der Republik gegen Demonstranten ab. Überlegungen zu einem bewaffneten Einsatz der NVA sind offenbar bereits im Anfangsstadium eingestellt worden.
»Vorbereitung zum Bürgerkrieg«
Völlig neuartig in der deutschen Geschichte war es, daß das Grundgesetz der BRD Inlandseinsätze komplett untersagte. Selbst nachdem 1956 die Bundeswehr aufgestellt wurde, bestimmte der damalige Artikel 143: »Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Artikel 79 erfüllt«, d. h. ein Gesetz, das seinerseits verfassungsändernd ist. Solange das fehlte, war jegliche obrigkeitliche Tätigkeit der Bundeswehr im Inland untersagt. Das zeugt vom damals herrschenden Mißtrauen und der Furcht davor, das Militär könne zu einer Belastung »der demokratischen Entwicklung unseres Volkes werden«, wie der CDU-Abgeordnete Georg Kliesing während der Bundestagssitzung vom 2. Oktober 1955 ausführte.
Dennoch beauftragte der Hamburger Innensenator und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) während der Sturmflut im Jahr 1962 die Bundeswehr, gegen Plünderer vorzugehen und den Verkehr zu lenken. Schmidt erklärte später, in der Bundestagssitzung vom 16. Mai 1968: »Wir waren damals durchaus in dem Bewußtsein, gegen Artikel 143 zu verstoßen.« Dennoch gab es keine öffentliche Kritik.
Der Sprung zu den Regelungen, die heute noch gelten, geschah 1968. Im Rahmen der Notstandsgesetze beschloß die Große Koalition aus SPD und CDU/CSU eine Verfassungsänderung, die dem Militär Einsätze zur »Hilfe« bei Katastrophen erlaubte.
Zu den heftigsten Kritikern gehörte damals der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Werner Kuhlmann, der vor dem Bundestagsrechtsausschuß ausführte: »Die Gefahr steckt doch auch hier darin: Sobald es darum geht, Bundeswehreinheiten hoheitsrechtliche Aufgaben zu übertragen, taucht doch sofort die Frage der Bewaffnung auf. (...) Ich meine, wir sollten einen ganz klaren Trennstrich ziehen und dafür sorgen, daß in Fällen der Naturkatastrophen und bei schweren Unglücksfällen die Bundeswehr (...) durchaus eingesetzt werden kann, aber nicht mit Waffen und ohne hoheitsrechtliche Aufgaben.« Kuhlmann verwies auf die Gefahr der Gewöhnung. Je mehr Inlandseinsätze es gebe, desto größer werde die Mißbrauchsmöglichkeit und die Gefahr, daß »unter dem Deckmantel der Legalität« ein Staatsstreich unternommen werde. Deswegen müsse »jeder, auch jeder Soldat (...) zweifelsfrei wissen, daß Bundeswehreinheiten, die in innere Angelegenheiten eingreifen, die Verfassung brechen« (Protokoll des Notstandshearings am 30.11.1967). Der Verfassungsrechtler Helmut Ridder warnte: »Die Zurüstung der Streitkräfte auf einen sogenannten Polizeieinsatz ist wenn an den Repressiv-Polizeieinsatz gedacht ist Vorbereitung zum Bürgerkrieg« (Hearing vom 9.11.1967). Befürchtungen, allzu weite Befugnisse der Bundeswehr könnten das »demokratische Kräftegleichgewicht« stören, gab es bis hinein in die Regierungsparteien. Daher wurden die Militärkompetenzen relativ eng gehalten.
Zentral an den neuen Regelungen, die heute noch gelten, ist der Artikel 87a des Grundgesetzes, der Inlandseinsätze sowohl im Krieg als auch im Frieden zuläßt. Im Spannungs- und Verteidigungsfall die hier nur kurz gestreift werden können Soldaten zivile Objekte bewachen, »soweit« dies zur Verteidigung notwendig ist. Wie auch schon im Kaiserreich und der Weimarer Republik soll das Militär bei Bedarf revolutionäre Bestrebungen niederschlagen (bei »Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes«), jedoch nur subsidiär, d. h. wenn die Polizeikräfte nicht ausreichen (GG Artikel 87a Absatz 3 und 4).
Ansonsten gilt kategorisch: »Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, sofern dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt« (Artikel 87a, Absatz 2). Es genügt mithin kein einfaches Gesetz und schon gar nicht eine schlichte Regierungsverordnung, sondern es wird explizit eine Verfassungsregelung verlangt ein »Ausdruck der Besorgnis, die Bundeswehr könnte als innenpolitisches Machtinstrument mißbraucht werden.«
Eine solche Genehmigung enthält Artikel 35 Absatz 2. Die Bundeswehr kann zur »Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall« herangezogen werden und polizeiähnliche Maßnahmen durchführen, soweit es zur Erfüllung dieser Hilfe notwendig ist. Denkbar ist also, daß Soldaten den Verkehr lenken, Straßen absperren oder Platzverweise aussprechen, um Hilfsmaterial rasch ans Ziel bringen zu können sofern die Polizei dazu nicht in der Lage ist (subsidiär). Ein Vorgehen gegen Plünderer wäre hiervon nicht gedeckt, außer wenn es unmittelbar darauf gerichtet ist, die Hilfe durchzuführen. Erforderlich ist in der Regel ein Hilfeersuchen des Bundeslandes, das, anders als im Kaiserreich, das Oberkommando behält. Rechtlich möglich, aber bisher nicht erfolgt, ist ein vom Bund angeordneter Einsatz, wenn mehrere Bundesländer gleichzeitig betroffen sind.
Die in Artikel 35 Absatz 1 vorgesehene Amtshilfe, d. h. die technische und logistische Unterstützung anderer Behörden, verleiht der Bundeswehr hingegen keine polizeilichen Befugnisse.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: Grundrecht der Demonstrationsfreiheit ist der Staatsmacht ein Dorn im Auge
Militarisierung der bundesdeutschen Innenpolitik (Teil 2 und Schluß): Der Inlandseinsatz der Bundeswehr wird konsequent vorbereitet Von Frank Brendle
Anfang der neunziger Jahre hat die Bundeswehr mit den Auslandseinsätzen begonnen, und für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist der Inlandseinsatz die logische Konsequenz. Ende 1993 stellte er in einem Brief an die CDU-Mitglieder die rhetorische Frage, »ob die Bundeswehr nicht unter streng zu definierenden Voraussetzungen auch bei größeren Sicherheitsbedrohungen im Innern wie die Armeen aller anderen zivilisierten Staaten notfalls zur Verfügung stehen sollte«; er dachte dabei an Castortransporte, Chaostage und die Abwehr von Flüchtlingen.
Damals sind die Argumente entwickelt worden, die heute gang und gäbe sind: »Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit«, sagte der damalige Verteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) am 14.Januar 1994 im Bundestag. Und Johannes Gerster, Fraktionsvize der Union, meinte, die Bundeswehr müsse das »Überschwappen« von Kriminellen und Terroristen verhindern. Konsensfähig war das damals noch nicht. Selbst in der Union gingen viele auf Distanz, und Rudolf Scharping von der SPD, der spätere Verteidigungsminister, verglich die Schäuble-Vorstellungen mit dem spanischen Franco-Regime.
Doch Schäuble hatte sein Betätigungsfeld gefunden und prophezeite am 14. Januar 1996 in der Süddeutschen Zeitung: »Das Thema wird so lange auf der Tagesordnung bleiben, bis es in dem Sinne gelöst wird, den ich vorgeschlagen habe.«
»Vernetzte Sicherheit«
Seit den Anschlägen in den USA vom 11. September 2001 hat Schäuble Oberwasser. Der »Krieg gegen den Terror« wirkt auf die innere Militarisierung wie ein Katalysator. Schäubles Aussichten sind heute nicht nur in den Unionsparteien verankert, sondern zu einem beträchtlichen Teil auch bei SPD und Grünen, wie das von ihnen verabschiedete Luftsicherheitsgesetz zeigt. Die historischen Erfahrungen werden entweder ignoriert oder instrumentalisiert. Mit der Begründung, die »innere Führung« sei erfolgreich und das Militär stehe auf dem Boden des Grundgesetzes, soll jetzt möglich sein, was 1956 und 1968 mit guten Gründen abgelehnt wurde.
Der Schlüsselbegriff, der die Aufrüstung der Staatsmacht legitimieren soll, lautet »vernetzte Sicherheit«. Seine Logik läuft darauf hinaus, militärische Überlegungen und »Notwendigkeiten« als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten, die ressortübergreifend erfüllt werden müsse. So wird im Weißbuch der Bundeswehr ein »umfassender Ansatz« beschworen, der »neben den klassischen Feldern der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik unter anderem die Bereiche Wirtschaft, Umwelt, Finanz-, Bildungs- und Sozialpolitik« beinhaltet. In der gleichen Logik fordert die EU-Militärdoktrin, »die gesamte Palette der uns zur Verfügung stehenden Instrumente der Krisenbewältigung und Konfliktverhütung (einzusetzen), einschließlich unserer Maßnahmen im politischen, diplomatischen, militärischen und zivilen, handels- und entwicklungspolitischen Bereich« (Europäische Sicherheitsstrategie, Abschnitt III, Dezember 2003). Wenn sich Staaten zum Krieg rüsten, sollen alle Politikbereiche mit dem Militär kooperieren.
In einem programmatischen Beitrag in der Strategiezeitschrift Europäische Sicherheit im August 2007 spricht Stephan Böckenförde, Mitarbeiter der Bundeswehrakademie für Information und Kommunikation (vormals »Psychologische Verteidigung«), von einem »neuen Sicherheitsbewußtsein«. Dieses berücksichtige auch solche Entwicklungen, die »indirekt, mittelbar durch Folgeeffekte und zeitverzögert eine Bedrohung für die eigene Sicherheit darstellen könnten«. Das ist eine Analyse, die kaum noch allgemeiner sein könnte und im Bereich der Militärpolitik gleichsam die Unschuldsvermutung aufhebt (ganz im Sinne Schäubles). Zugleich soll dies die Aufstellung flexibler, in kürzester Zeit an jedem Ort der Welt einsetzbarer Kommandotruppen rechtfertigen.
Wo sich alles »vernetzt«, werden rechtliche Beschränkungen genauso wie Landesgrenzen hinfällig. »Vernetzte Sicherheit« läuft auf ein »funktionales Denken« hinaus, so Böckenförde, was hier als Gegensatz zu »rechtlich definiert« gelesen werden muß. Im Klartext heißt das: Die Bundeswehr darf alles, überall, jederzeit, gegen jeden. Konsequenterweise hält es Böckenförde für »sicherheitspolitisch unsinnig, die Streitkräfte exklusiv von der Erfüllung bestimmter Aufgaben im Inland« fernzuhalten.
»Heimatschutz«
Dieser Logik entspricht die Unionsforderung nach einem »Gesamtkonzept Sicherheit«. Ein Beschluß der CDU/CSU-Fraktion vom März 2004 sieht »eine starke Heimatschutzkomponente« aus 25 000 Soldaten vor, als Teil der »Vorsorge gegen asymmetrische und terroristische Bedrohungen«. Die Union will dafür bis zu 50 »Regionalbasen« mit jeweils bis zu 500 Soldaten schaffen, die mit Reservisten auf bis zu 5000 Soldaten »aufwachsen« können.
Als Aufgaben dieser »Heimatschutz«-Verbände nennt das Fraktionspapier unter anderem die »Bereitstellung personeller Ressourcen für Bewachung, Kontrolle und Sicherung im Fall besonderer Gefahrenlagen« und »im Rahmen der Abschreckung die Bewachung von Liegenschaften und kritischer Infrastruktur«, also klassische Polizeiaufgaben.
Der Begriff »kritische Infrastruktur« umfaßt alles, was zur Profitabsicherung im Kapitalismus notwendig ist: Kraftwerke, Banken, Kommunikationsanlagen, Verkehrswege, Staudämme usw. Im Ausland schießt die Bundeswehr den Zugang zu Ressourcen frei, und im Inland stellt sie sich vor die Einrichtungen, die zur profitbringenden Verarbeitung dieser Ressourcen notwendig sind. Die Union argumentiert, dies seien »allesamt Fähigkeiten, die die Bundeswehr im Spannungs- und Verteidigungsfall in großem Umfang leisten müßte« und im Ausland tatsächlich schon leiste. Wer darauf beharrt, es mache einen Unterschied, ob nach Besatzungsrecht serbische Klöster im Kosovo bewacht werden oder mitten im Frieden der Hauptbahnhof in Berlin, dem ruft die Union entgegen: »Es muß endlich Schluß sein mit ideologischen Blockaden.« Einige der Unionsforderungen sind bereits umgesetzt: in Form der sogenannten Zivil-Militärischen Zusammenarbeit/Inland (ZMZ/I), die Teil des »Heimatschutzes« ist.
Es werden zwar nicht 25000 »Heimatschützer« aufgestellt, aber im vorigen Jahr sind Dienstposten für immerhin 5500 Reservisten geschaffen worden. Die Bundeswehr hat sich an die zivilen Verwaltungsstrukturen angeglichen und das ganze Land mit Kommandos überzogen. Auf der unteren Ebene Landkreise und kreisfreie Städte agieren 426 Kreisverbindungskommandos, in den Regierungsbezirken 31 Bezirksverbindungskommandos. Sie bestehen aus jeweils zwölf Reservisten (angestrebt: fünf Stabsoffiziere, drei Offiziere und vier Feldwebel). Einer der Stabsoffiziere steht als »Beauftragter der Bundeswehr für ZMZ« an der Spitze eines solchen Kommandos. Dieser hat die Aufgabe, bereits im »Grundbetrieb« den engen Kontakt mit den örtlichen zivilen Katastrophenschutzstäben zu pflegen und ein Büro in der entsprechenden Behörde (Rathaus, Landratsamt, Regierungspräsidium) zu beziehen. Bei Bedarf werden dann die anderen elf Reservisten aktiviert. Sie werden durch 32 mobile »Regionale Planungs- und Unterstützungstrupps« unterstützt, die zu Beginn von Einsätzen eine Art Starthilfe leisten sollen.
Auf Landesebene sind Landeskommandos in den Hauptstädten der 16 Bundesländer installiert worden, in denen bis zu 90 Soldaten arbeiten. Die Oberhoheit hat das Streitkräfteunterstützungskommando in Köln. Bis zum Jahr 2010 sollen noch 16 ZMZ-Stützpunkte mit besonderen Kapazitäten in den Bereichen Pionierwesen, Sanitätsdienst und ABC-Abwehr hinzukommen, wofür weitere 5000 Reservistendienstposten vorgesehen sind.
Militär-Zivil-Kommandos
Diese Entwicklung läuft auf einen zentralisierten Katastrophenschutzapparat unter militärischem Oberkommando hinaus. »Führung aus einer Hand durch die erprobte Struktur der Bundeswehr« fordert das Konzept der Unionsfraktion. Der erste Schritt zur Zentralisierung ist bereits mit der Gründung des »Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe« (BBK) vor drei Jahren erfolgt, das zur zentralen Regulierungsstelle werden soll. Es arbeitet eng mit der Bundeswehr zusammen, in seiner Vierteljahreszeitschrift Homeland Security räsonieren regelmäßig Generäle über »Sicherheits«-Fragen und Grundgesetzänderungen. Das Amt bietet an seiner »Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz« (AKNZ) gemeinsame Schulungen für ziviles und militärisches Personal (800 Lehrgangsplätze) und führt die länderübergreifende Katastrophenschutzübung LÜKEX durch. Im vorigen November wurde eine Grippe-Pandemie simuliert. Diese Übung, so freute sich Schäuble in der abschließenden Presseerklärung, sei ein wichtiger »Beitrag zur Weiterentwicklung der gesamtstaatlichen Schutzmaßnahmen« gewesen, natürlich unter Beteiligung der ZMZ-Kommandos.
Die Bundesländer treiben die Militarisierung des Katastrophenschutzes voran. Dabei droht die Subsidiarität auf der Strecke zu bleiben. Denn wenn die Bundeswehr permanent in die Arbeit der Zivilbehörden eingebunden ist, steigt unwillkürlich ihr Einfluß. Zivilbehörden neigen bereits jetzt dazu schon aus Kostengründen , sich zu sehr aufs Militär zu verlassen. Im Bericht eines Arbeitskreises der Innenministerkonferenz vom April 2005 wird gefordert, die Bundeswehr solle ihr gesamtes Potential »für den Schutz der eigenen Bevölkerung im Inland« einsetzen, und zwar dauerhaft und eigenverantwortlich. Und die Arbeitsgruppe des Bundesrats »Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung« forderte im März 2006, zwecks »Planungssicherheit« dürfe die Unterstützung des sogenannten Heimatschutzes »nicht nur subsidiär erfolgen, sie muß vielmehr zu einer originären Aufgabe der Bundeswehr werden«.
Nun nutzt die Bundeswehr zwar gerne die Möglichkeit zum Imagegewinn, wenn sie sich als professioneller Akteur auf allen Ebenen in Szene setzen kann. Doch derart festlegen, wie von den Ländern gefordert, will sie sich nicht und erklärt in ihrem Sachstandsbericht (30.1.2007): Für Katastrophenschutz im Inland stehen nur jene Kapazitäten zur Verfügung, »die nicht im Auslandseinsatz gebunden sind«. Das zeigt, wie riskant der Kurs der Bundesländer ist, beim Katastrophenschutz aufs Militär zu bauen und die warnenden Stimmen aus Feuerwehr und Hilfsorganisationen zu ignorieren.
Notstandspläne erweitert
Mit Katastrophenschutzleistungen wird sich das Militär dennoch nicht begnügen. Die ZMZ-Beauftragten der Bundeswehr erhalten regelmäßige Fortbildungen an der »Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr«, unter anderem im Bereich »Alarmierung und Mobilmachung«. Es werden jetzt Strukturen geschaffen, die ausbaufähig sind, um von Hilfseinsätzen zur Repression übergehen zu können ähnlich wie bei den Auslandseinsätzen, die mit vorgeschobenen »Hilfs«-Argumenten begannen und bald schon in völkerrechtswidrige Angriffskriege umschlugen.
Der eigentliche Sinn von Grundgesetzartikel 87a war, das Einnisten des Militärs in zivile Strukturen zu verhindern. Aber diese alten Regelungen entsprechen offenbar nicht mehr den Bedürfnissen eines kriegführenden Staates.
Wohin die Reise beim »Heimatschutz« geht, wird vom ehemaligen Bundeswehrjuristen Roman Schmidt-Radefeldt in den Unterrichtsblättern für die Bundeswehrverwaltung (Heft 5/2006) folgendermaßen beschrieben: Das Konzept umfasse »einen Schnittmengenbereich zwischen militärischer Verteidigung, zivilem Katastrophenschutz, polizeilicher Gefahrenabwehr und in einer linearen Eskalation dem inneren Staatsnotstand«. Geht es nach Schäuble und Jung, dann wird dieser Staatsnotstand künftig infolge von Terroranschlägen erklärt.
Die Union will den Verteidigungsfall in der Verfassung neu definieren. Das Vorhaben geht zurück auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das im Februar 2006 das Luftsicherheitsgesetz verworfen hatte, weil der Abschuß eines »verdächtigen« Zivilflugzeuges die Menschenwürde der Passagiere verletzen würde. Das will die Union mit der Änderung des Artikels 87a Grundgesetz ändern: Nicht mehr nur bei einem kriegerischen Angriff, sondern bereits bei »sonstigen Angriffen auf die Grundlagen des Gemeinwesens« soll der Verteidigungsfall erklärt werden. In diesem Zusammenhang hat Schäuble in der Süddeutschen Zeitung vom 1. Januar 2007 von einem »Quasi-Verteidigungsfall« gesprochen. Dieser erlaubt es seiner Logik nach, auch Zivilisten gezielt zu töten. Wie sehr »funktionales« Denken darauf hinausläuft, zentrale Grundwerte in Frage zu stellen, zeigt Schäubles Behauptung im Tagesspiegel vom 5. Januar 2007: »Ob völkerrechtlicher Angriff oder innerstaatliches Verbrechen, ob Kombattant oder Krimineller, ob Krieg oder Frieden: Die überkommenen Begriffe verlieren ihre Trennschärfe und damit ihre Relevanz.« Da ist es nur konsequent, daß Kriegsminister Jung im vorigen September ankündigte, im Zweifelsfall auch ohne Rechtsgrundlage seinen »Alarmrotten« den Abschußbefehl zu erteilen.
Der SPD gehen diese Notstandspläne zu weit. Sie möchte es lieber dabei belassen, das polizeiliche Instrumentarium um militärische Komponenten zu erweitern. Der Hebel soll eine Änderung der Katastrophenhilfebestimmungen des Artikels 35 sein. Dies soll der Bundeswehr künftig den Einsatz spezifisch militärischer Mittel also etwa von Jagdflugzeugen erlauben. Das wäre ein kleinerer Schritt, aber in die gleiche Richtung.
Amtshilfe und Einsatz
Eine Ahnung vom anvisierten Staatsnotstand vermittelte der Polizei- und Bundeswehreinsatz in Heiligendamm. Wie weiland im »kleinen Belagerungszustand« des Kaiserreichs waren Grundrechte ausgesetzt, und das Militär nahm teils direkte, teils indirekte Polizeiaufgaben wahr. Die Regierung beharrt indes darauf, die Truppe habe nur technisch-logistische Amtshilfe geleistet, aber keinen »Einsatz« im Sinne des Artikels 87a. Damit steht die Frage im Raum: Was eigentlich unterscheidet einen »Einsatz« von »Amtshilfe«? Im Grundgesetz fehlen Definitionen, aber es gibt wichtige Hinweise in der Fachliteratur.
Die meisten Juristen unterscheiden zwischen einer »schlichten Verwendung« (Amtshilfe) und dem Ausüben einer »obrigkeitlichen« Tätigkeit (Einsatz). Sobald Soldaten Aufgaben erfüllen, die sonst Polizisten vorbehalten sind, sie also gegenüber zivilen Bürgern Zwang anwenden, leisten sie einen Einsatz. Sandsäcke zum Deich bringen ist eine »schlichte Verwendung«, werden jedoch Passanten daran gehindert, den Deich zu betreten, handelt es sich um einen Einsatz. Oder: Aufklärungs»tornados« nach vermißten Kindern suchen zu lassen ist erlaubt. Die Beteiligung der Bundeswehr an der Suche nach Straftätern aber nicht, weil Festnahmen nur die Polizei vornehmen darf.
Nicht nur, wenn die Bundeswehr selbst in Bürgerrechte eingreift, ist sie im Einsatz, sondern bereits dann, wenn sie die Polizei in einer Form unterstützt, die es dieser erst möglich macht, obrigkeitlich zu handeln. Diese Einsicht ist nicht neu. Bereits in den 80er Jahren lösten Berichte über ein »Amtshilfeabkommen« zwischen Bundeswehr und bayerischer Polizei, betreffend die Demonstrationen an der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, heftige Kritik aus. Die Völkerrechtler Ralf Jahn und Norbert K. Riedel hielten im November 1988 fest: »Eindeutig Einsatzqualität besitzt die Zurverfügungstellung von militärischem Gerät einschließlich der sie bedienenden Soldaten, wie z. B. Aufklärungsflüge von Bundeswehrhubschraubern bei Demonstrationen. Hier wird militärisches Know-how in Anspruch genommen, das seinem Zweck nach innenpolitisch nicht neutral ist.« Auch in der Zeitschrift Bundeswehrverwaltung, Heft vom Juli 1986, ist damals die Unterstützung »durch militärtypische Mittel, wie z. B. Hubschrauber, Mannschaftswagen, Spezialfahrzeuge usw.« für verfassungswidrig erklärt worden. Die Bundeswehr müsse sich aus inneren Konflikten heraushalten, um nicht »die von ihr erwartete innenpolitische Neutralität dem ganzen Volk gegenüber« zu verlieren. In seinem Buch »Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren« bestätigt der Jurist Jan-Peter Fiebig, ein Einsatz sei »gegeben, wenn Soldaten Fahrzeuge, insbesondere Luftfahrzeuge, der Streitkräfte [...] zur optischen Überwachung von Großveranstaltungen und deren Umgebung verwenden und etwaige Aufklärungsergebnisse an die für unmittelbar obrigkeitliches Vorgehen vorgesehenen« Polizeistellen weitergeben.
Das läßt sich mühelos auf den G-8-Gipfel übertragen. 14mal stiegen die Aufklärungs»tornados« auf, die Polizei konnte sich bei dem Bildmaterial frei bedienen und hat nach offiziellen Angaben 101 Aufnahmen mitgenommen, die meisten von den Protestcamps. Neun Spähpanzer »Fennek« überwachten vor allem nachts mögliche Anfahrtsrouten von Demonstranten und machten bei Verdacht sofort die Polizei aufmerksam. Das macht die Bundeswehr-Tätigkeiten zum Einsatz, für den es mangels einer Katastrophe keine Verfassungsgrundlage gab.
Hinzu kommt der Aspekt der sogenannten »Show of force«, also der demonstrativen Präsenz des Militärs. Wenn Soldaten in großen Gruppen auftreten, ist aus Bürgersicht »kein anderer Schluß möglich als derjenige, daß diese Soldaten dort als Ordnungskräfte eingesetzt sind und zur Aufrechterhaltung der Ordnung [...] notfalls Gewalt und eben auch Waffengewalt anwenden werden«, schreibt Fiebig. Das stelle »aufgrund des Eindrucks, der bei den Anwesenden erzeugt wird«, die »Ausübung von Zwang« dar.
Ein Blick zurück auf Heiligendamm: Bis zu 640 Feldjäger mit Pistolen oder dem Maschinengewehr G36 waren in der ganzen Region unterwegs, mehrfach in der Nähe der Protestcamps. Daß sich Demonstranten hiervon nichts Gutes versprachen und annehmen mußten, die Feldjäger würden einschreiten, wenn man trotz Verbots auf die Straße ginge, liegt auf der Hand, weswegen auch hier ein verfassungswidriger »Einsatz« vorliegt.
Reaktion rüstet sich
Seit mindestens fünf Jahren stellt die deutsche Militärdoktrin Inlandseinsätze in Aussicht »im Rahmen der geltenden Gesetze«, den die Regierungsparteien erweitern wollen. Bis sie soweit sind, laborieren Innen- und Verteidigungsminister am Rand der Verfassungsmäßigkeit bzw. übertreten ihn, wie in Heiligendamm. Gleichzeitig ist in den letzten Jahren ein rasanter Anstieg der »Amtshilfeleistungen« zu verzeichnen: Von einem pro Jahr auf zehn, wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Ulla Jelpke (Die Linke) mitteilte. Wenn auch die parlamentarische Kontrolle heute besser ausgeprägt ist als im Kaiserreich und der Weimarer Republik, effektiv kann man sie kaum nennen. Beim G-8-Gipfel wurde der Bundestag nach Strich und Faden getäuscht, und »Amtshilfe«-Einsätze sind weder zustimmungs- noch berichtspflichtig. Hinzu kommt die ebenfalls kaum kontrollierte, schleichende Militarisierung der Bundespolizei und der EU-weite Trend zur Stärkung paramilitärischer Gendarmerieverbände.
Wozu das Ganze? Bangen die Herrschenden tatsächlich um ihre Macht? Die Frage ist müßig. Als 1968 die Notstandsgesetze eingeführt wurden, sprachen die Konservativen ständig von möglichen Aufständen und Revolutionen. Sie gaben zu, daß es keinerlei Anzeichen dafür gebe, aber man könne ja nie wissen und müsse stets vorbereitet sein. Auch heute ist eine Revolution nicht in Sicht, doch die Hetztiraden, denen wochenlang die Lokführer der GDL ausgesetzt waren, erinnern daran, daß Militäreinsätze in Deutschland immer schon im Dienste der Reaktion standen.
Die Linken hatten 1968 vor allem Sorge vor einem möglichen Putsch der Bundeswehr. Heute geht die größte Gefahr für die Demokratie wohl von Regierungspolitikern aus, die bei jeder Gelegenheit zentrale Grundrechte in Frage stellen und sich auf eine Generalität stützen können, die Befehle völlig kritiklos ausführt.
Abschließend sei die Bundeskanzlerin zitiert, die einige Monate vor ihrem Amtsantritt, auf der Münchner »Sicherheitskonferenz« im Februar 2005, deutlich gemacht hat: »Die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen zunehmend. Internationale Einsätze unter Beteiligung Deutschlands und Heimatschutz sowie Einsatz der Bundeswehr im Innern sind deshalb zwei Seiten ein und derselben Medaille.«
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Kampfbullen prügeln in Dresden den Neonazis den Weg frei
Die Polizei hat am Samstag in Dresden den Weg für einen der größten Neonaziaufmärsche frei gemacht. Rund 6000 Faschisten zogen unbehelligt durch die Innenstadt der Elbmetropole. Weit über 10000 Gegendemonstranten wurden hingegen von etwa 4000 Beamten an ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert.
Zum Aufmarsch aufgerufen hatte die »Junge Landsmannschaft Ostpreußen«, unterstützt wurde sie von der NPD. Bereits am Freitag abend hatten sich rund 1500 Anhänger militanter »Kameradschaften« zu einem Fackelmarsch versammelt, dem die Polizei ebenfalls den Weg durch das Stadtzentrum bahnte. Die Neofaschisten waren mit dutzenden Bussen in die Stadt gereist, auch aus Spanien und zahlreichen osteuropäischen Staaten. Seit 1998 veranstaltet die extreme Rechte anläßlich der Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 Aufmärsche in der Stadt, die von Jahr zu Jahr größer werden.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren hat es für Samstag eine breite Mobilisierung zu Protesten gegeben. Linkspartei, SPD, Grüne, Gewerkschaften und die Jüdische Gemeinde hatten unter dem Motto »GehDenken« zu einem Sternmarsch »gegen Geschichtsverdrehung« aufgerufen. Zu den Unterstützern gehörten auch SPD-Chef Franz Müntefering, Linksfraktionschef Gregor Gysi, DGB-Chef Michael Sommer und Grünen-Chefin Claudia Roth. Obwohl Stadtverwaltung, CDU und FDP den Initiatoren allerhand Steine in den Weg gelegt hatten, schlossen sich rund 8500 Menschen den drei Zügen an.
Eine zeitgleich stattfindende Demonstration antifaschistischer Gruppen zu der das linke Bündnis »No pasarán« »Sie werden nicht durchkommen« aufgerufen hatte, zählte rund 4000 Teilnehmer. Ebenso wie gegen die Teilnehmer einer Kundgebung von rund 700 Antifaschisten gegen den Fackelmarsch am Freitag abend ging die Polizei rabiat gegen die Demonstranten vor. Durch Spaliere glich die Demonstration einem Wanderkessel. Mehrfach wurden Teilnehmer wahllos aus dem Zug gezogen oder brutal angegriffen. Nach Angaben von »No pasarán« am Sonntag setzten die Beamten auch Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Angesichts der massiven Polizeigewalt habe man sich schließlich dazu gezwungen gesehen, die Demonstration aufzulösen, erklärten die Organisatoren weiter.
Etliche Antifaschisten waren bereits an der Anreise gehindert worden. Aus Berlin waren beispielsweise mehr als 300 Antifaschisten nach Dresden gereist. Nach Angaben der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) wurde Dutzenden Personen bereits in der Hauptstadt der Einstieg in den Regionalexpreß verweigert. In Elsterwerda seien zudem mehr als 100 Antifaschisten von der Polizei an der Weiterreise gehindert worden. Immer wieder habe es schikanöse und entwürdigende Kontrollen gegeben.
Ganz anders war das Auftreten der Beamten gegenüber den Neofaschisten. Mitunter waren lediglich fünf Beamte für mehrere hundert Meter des kilometerlangen Aufmarsches abgestellt. Zahlreiche Teilnehmer waren vermummt, und es kam mehrfach zu Übergriffen auf Journalisten, ohne daß Beamte eingriffen. Anwohner berichteten gegenüber junge Welt, angesichts dieses Gefährdungspotentials seien Unmutsbekundung geradezu selbstmörderisch gewesen. Von zwei Schwerverletzten berichtete am Sonntag die Partei Die Linke Hessen in einer Pressemitteilung. Zwei Busse des DGB seien bei der Rückfahrt auf dem Autobahnparkplatz Teufelstal bei Jena von Mitfahrern eines Neonazibusses angegriffen worden. Eines ihrer Opfer erlitt einen Schädelbruch. Die Polizei zog am Sonntag dennoch eine positive Bilanz und berichtete von 86 vorübergehenden Festnahmen.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: Kampfbullen prügeln in Dresden den Neonazis den Weg frei
Zitat: bjk Die Polizei zog am Sonntag dennoch eine positive Bilanz und berichtete von 86 vorübergehenden Festnahmen.
... einmal dürft ihr raten, ob bzw. wieviele der Festgenommenen Neonazis waren
... eine Zusammenfassung verschiedenster Demoberichte aus Dresden ist bei indymedia unter http://de.indymedia.org/2009/02/241458.shtml nachzulesen
bjk
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Re: Grundrecht der Demonstrationsfreiheit ist der Staatsmacht ein Dorn im Auge
Pressemitteilung: Zivil-Militärische Zusammenarbeit beenden, Inlandseinsätze der Bundeswehr stoppen
Di., 01.09.2009: Die von der Bundeswehr entwickelte Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) zielt auf die Militarisierung der Innenpolitik und muss beendet werden, fordert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, angesichts der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion (BT-Drs. 16/13847). Jelpke:
Die neue Militärstruktur droht zum Sprungbrett für Inlandseinsätze zu werden. 441 ZMZ-Kommandos aus jeweils zwölf Reservisten sind in sämtlichen Kreisen und Regierungsbezirken eingerichtet worden. Der Deckungsgrad bei Offizieren beträgt 80 Prozent. Sie werden fast überall von den zivilen Katastrophenschutzstäben eingebunden und erhalten Einsicht in die Bereitschaftsstände von Polizei und Feuerwehr. Einen Nachweis dafür, dass sie tatsächlich den Katastrophenschutz wirksam verbessern, bleibt die Regierung schuldig.
Brisant ist vor allem, dass es bei der ZMZ auch um den Einsatz bei sogenannten Großereignissen wie dem G8-Gipfel 2007 und dem Nato-Gipfel im Frühjahr 2009 geht. Die Militarisierung der Innenpolitik ist schon eingeleitet. Zudem schließt die Bundesregierung nicht aus, dass die ZMZ-Kommandos bei Demonstrationen zum Einsatz kommen. Dies obliege allein den Landesbehörden. Selbst der Militäreinsatz anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen eine Entscheidung darüber sei dem jeweiligen Einzelfall vorbehalten.
Die Bundesregierung hält sich damit alle Optionen für den Militäreinsatz im Inneren offen. Die ZMZ-Kommandos wirken gleichsam als militärische Vorauskommandos, die schleichend in die zivilen Verwaltungsstrukturen einsickern. Das Konzept der ZMZ läuft damit letzten Endes auf einen offenen Verfassungsbruch hinaus. Zum heutigen Antikriegstag fordert DIE LINKE deswegen, die ZMZ-Strukturen aufzulösen.
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!
Splitter im Auge und Brett vor dem Kopf
Ist es nicht so, dass das Versammlungsrecht bestimmter politischer Gruppierungen ein Dorn im Auge der sogenannten Antifaschisten ist? Die sind es nämlich, die laufend gegen das Versammlungsrecht verstoßen, indem sie die Versammlungen Andersdenkender immer wieder zu verhindern versuchen.
Spagat
Zitat: Die Polizei hat am Samstag in Dresden den Weg für einen der größten Neonaziaufmärsche frei gemacht. Rund 6000 Faschisten zogen unbehelligt durch die Innenstadt der Elbmetropole. Weit über 10000 Gegendemonstranten wurden hingegen von etwa 4000 Beamten an ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert.Wie ich schrieb: wird den Rechten die Versammlung ermöglicht, dann hat die Staatsgewalt
einem Neonaziaufmarsch den Weg frei gemacht und andere am Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert.
So einen geistigen Spagat muß man erst mal hinkriegen.
In der Realität hat sie lediglich die Gegendemonstranten daran gehindert, das Versammlungsrecht anderer einzuschränken.
Re: Splitter im Auge und Brett vor dem Kopf
Zitat: Golem Ist es nicht so, dass das Versammlungsrecht bestimmter politischer Gruppierungen ein Dorn im Auge der sogenannten Antifaschisten ist?
... in der Gründungsepoche der BRD war allgemeiner Konsens, keine faschistischen Gruppierungen, Parteien oder neofaschistische Strukturen jemals wieder zuzulassen
... Adenauer hat diesen Konsens nicht nur verraten sondern hat große und kleine Nazis ganz bewußt in der jungen BRD als maßgebliche Aufbauhelfer von Justiz, Polizei, Armee, Geheimdienste und anderer staatlicher Organe eingesetzt, denn diesem Erzkatholen war der nach den Greueln der Nazizzeit sehr starke Block aus Antifaschisten, Kommunisten und Sozis ein Greuel. Da standen ihm die Globkes, die Filbingers, die Gehlens und und und gesinnungsmäßig sehr viel näher
... deshalb konnten sich immer wieder neue Neonaziparteien heranbilden, die - weil der Widerstand des antifaschistischen Blocks damals noch zu stark war - zunächst immer wieder verboten bzw. aufgelöst wurden
... deshalb bliesen die Adenauerschen Nazis mit Hilfe des Klerus zur Hatz auf Kommunisten, es kam zum KPD-Verbot, zu politischen Schandurteilen gegen tausende GenossInnen und zu zigtausendfachen Berufsverboten für Kommunisten und Antifaschisten
... nun konnten sich nach und nach weitgehend ungestört scheindemokratische, vom Verfassungsschutz durch "geheime" Infiltration in deren Führungskader geschützte Neonaziparteien etablieren. Die Enkel der Nazi-Blutrichter machten ihren Ausbildern alle Ehre und bescheinigten z. B. der NPD stets demokratische Rechtsstaatlichkeit und Legitimation in der BRD
... als das Verfahren gegen ein NPD-Verbot trotzdem nicht mehr zu verhindern war, wurde ein Verbot trotz eindeutiger Beweislast nicht ausgesprochen, weil vereinfacht gesagt die "christlichen" Länderinnenminister ihre Undercover-VerfassungsschutzlerInnen nicht aus der NPD abziehen wollten, ergo ist für die herrschende Politkaste eine freundliche "kompetente" Begleitung, äh, Beobachtung dieser Neonazi-Partei wichtiger als ein Verbot
... und weil das so ist, dürfen Neonazis aller Schattierungen mit dem Segen der Enkel der Nazi-Blutrichter Demos durchführen und diese von der Polizei schützen lassen. So hat der Antifa-Slogan "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten" seine volle Berechtigung
Zitat: Golem Die sind es nämlich, die laufend gegen das Versammlungsrecht verstoßen,
... andersherum wird ein Schuh daraus, denn Antifas nehmen nur ihr legitimes Recht auf Widerstand gemäß Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, wahr, wobei es nicht wunder nimmt, daß die herrschende Politkaste lieber diejenigen schützt, die ihrem Schoß entkrochen sind
Zitat: Golem indem sie die Versammlungen Andersdenkender immer wieder zu verhindern versuchen.
... wie schon gesagt, es gilt das legitime Recht auf Widerstand gemäß Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG
... Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!
Bernd Kudanek
Es ist allerhöchste Zeit, Art. 1, Abs. 1 und Art. 20, Abs. 4, GG, Geltung und Wirkung zu verschaffen!