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Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt

Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Stalinstadt - Eisenhüttenstadt
Der Aufstieg und das langsame Sterben einer neu erbauten Stadt.
1949, nach Gründung der DDR, wurde von der Regierung als eine der ersten Maßnahmen verfügt, an der Oder, nahe des Schifferstädtchens Fürstenberg / Oder, ein neues Roheisenwerk zu erbauen. Die Notwendigkeit dafür ergab sich schon daraus, dass die junge DDR bis auf 6 Niederschachtöfen, meines Wissens in Unterwellenborn, über keine eigene Schwerindustrie verfügte. 
Diese Öfen wurden mit minderwertigem Brauneisenerz versorgt und waren, wie leicht vorstellbar, wenig produktiv. Im Gegensatz dazu verfügte die Industrie in der BRD über 56 funktionierende Hochöfen. Die Eigenversorgung der Hütten-; und Stahlwerke durch entsprechende Rohstoffquellen war dort ebenfalls weitestgehend gesichert. Die Beschickung der neuen Hochöfen in der DDR sollte dagegen vorwiegend mit sowjetischem Eisenerz und Koks erfolgen. 
Der Oder - Spree - Kanal war dabei als kostengünstiger Transportweg vorgesehen und Grund dafür, dass das Werk gerade in dieser Kiefern-; und Heideregion erbaut wurde.
Eisenhüttenstadt in den siebziger Jahren,auf einer Postkarte.
Wenn auch kaum sichtbar, sieht man bei genauerem Hinsehen, zumindest ganz oben rechts, wie Menschendie Straßen bevölkern.



Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Die Arbeiter, die 1950 die ersten Kiefern fällten und Werk und Stadt de facto  aus dem Boden stampften, betrachten es auch heute noch als ihr Lebenswerk. Sie fühlen sich teilweise ihrer Identität beraubt. Viele aus den Anfangsjahren sind meines Wissens jedoch schon verstorben. Sie waren vielleicht am Hochofen oder an der Masselgießmaschine tätig und das war eine Arbeit mit vollem Verschleiß. 
Werk und Stadt wuchsen sehr zügig und parallel zueinander. Von den teils unsäglichen Bedingungen auf den Baustellen spricht jedoch kaum noch jemand. Auch nicht von der Lebensqualität in den eilig zusammengezimmerten Barackenlagern. Nur die „Wilde Sau“, die berüchtigste Kneipe in der ganzen Region, ist bis heute unvergessen. Dort sollen vor allem die Zimmerleute manche Schlachten, vor allem mit den Einheimischen, geschlagen haben. Schwerverletzte waren wohl, nach so manchem Zechgelage, nichts Ungewöhnliches. Dass die Bauleute, zum großen Teil erst ein paar Jahre vorher aus dem Krieg gekommen, nicht gerade zimperlich waren, sollte dabei auf der Hand liegen.
Der Baustil der fünfziger Jahre




Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Ebenfalls der Baustil der fünfziger Jahre
Offiziell war es die Imbis Stube wurde aberKameltränke genannt.
 


Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Bei Franzosen und Belgiern war das Werk schon in Besitz.Zur Zeit ist ein Inder der Eigentümer und dieses Werk Teil einesinternationalen Konzerns.  
Auch wenn ich 20 Jahre lang dort tätig warführte kein Weg hinein. So blieb mir nur übrig das Werk aus der Ferne zu fotografieren. Vier von sechs Hochöfen konnte ich noch erkennen.



Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Weit und breit war kein anderes Gebäude bei der Eröffnung des Friedrich -  Wolf - Theaters, 1954, in der späteren City. 



Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Insulaire

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Erstellt: 06.01.13, 14:46  Betreff: Re: Gedanken über Deutschland  drucken  weiterempfehlen  Beitrag ausschneiden        Dein Bericht, liebe Karo, mit den beigelegten guten Fotos,
ist sehr interessant und informativ.
Danke.



Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt

Da freue ich mich, liebe Insu.
Auch dieser Straßenzug ist in den fünfziger Jahren erbaut worden.




Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt

Anfang der sechziger Jahre erfolgte auf Grund der Offenbarungen, Stalin betreffend, die Umbenennung der Stadt von Stalinstadt in Eisenhüttenstadt, mit dem Zusatztitel, „Erste sozialistische Stadt Deutschlands“. Über die grausamen Machenschaften des Diktators und die Millionen Toten, Opfer seiner Willkür, durfte inzwischen auch in der DDR offen gesprochen werden. Folgerichtig war damit, zumindest in allen sichtbaren Bereichen, eine offizielle Entstalinisierung verbunden. Da die Staatsdoktrin aber weiterhin auf der Diktatur des Proletariats basierte, ist selbstredend dem stalinistischen Gedankengut, nie wirklich abgeschworen worden. 
In den sechziger Jahren hatte Eisenhüttenstadt dann auch ein innerstädtisches Zentrum. Die ehemalige Leninallee wurde zu dieser Zeit fertig gestellt und war Bummelmeile und Einkaufsstätte zugleich. Das Theater und Gaststätten, aber auch das Hotel Lunik, mit seinen gastronomischen Einrichtungen, u.a. einer Nachtbar, luden zum Besuch ein. 
Das einzige Foto das ich von der gesamten Leninallee besitze. Sie erstreckt sich bis zum hinteren Hochhaus, das ja sichtbar ist.Kurz nach dem Regen und bei Einbruch der Dunkelheit machte ich dieses Foto.




Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Abschnitt der ehemaligen Leninallee und heutigen Lindenallee


Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


Ebenfalls die Lindenallee, aber an anderer Stelle.Von hier aus ist ein Hochofen sichtbar.



Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


1964 besuchte der Kosmonaut Jegorow Eisenhüttenstadt.Er war der erste Arzt der mit einem Wostock-Raumschiff,1964 dem Weltraum einen Besuch abstattete.
Irgendwie passierte es dann, dass ich mit ihm zusammen in derdamaligen Wochenzeitschrift "Eisenhüttenstädter Woche",präsentiert wurde. Ein Autogramm bekam ich von ihm ebenfalls und als Krönung einen kosmonautischen Händedruck. 
Hier ist er, in der Mitte, von mir aufgenommen. Das ist kein professionelles Foto,ich weiß.




Re: Eisenhüttenstadt - Die einmalige Geschichte einer Stadt


In den sechziger Jahren, ich glaube 1962, besuchte Chruschtschow ebenfalls die DDR. Im Februar, bei 20° Minus, galt es auszuharren, denn wenn er schon einmal da war, wollte ich ihn auch sehen. Ein Jahr späterreichte er mir dann die Hand, aber das wusste ich zu derZeit noch nicht und es geschah auch nicht in Eisenhüttenstadt.
1968 wurde dann das Kaltwalzwerk in Betrieb genommen. Das war wohl die größte Baumaßnahme in den sechziger Jahren.