Jannis kleine Dichterschule: Zügel für mein Flügelpferd
Jannis kleine Dichterschule: Zügel für mein Flügelpferd
Liebe Freunde, aus gegebenem Anlass setze ich hier mal ein längeres Gedicht rein, das etwa 1982 entstand, zur Zeit noch ohne Bilder, und zwar täglich ein Kapitel, denn vor allem zur Weihnachtszeit fangen ja viele wieder an zu dichten (und denken?). Die Bilder reiche ich nach, sobald ich sie wieder gefunden oder neu entworfen habe.
Jannis kleine Dichterschule Zügel für mein Flügelpferd
Inhalt Vom Flügelpferd Vom Soma Vom Wolkenritt Von der Dichte
Vom Rhythmus Vom Versmaß Vom Ausklang
Vom Reimschema Vom Stab- und Endreim Von Rein und Unrein Vom Reimefinden Vom Feststecken Von der Reimverlockung Vom Reimefimmel
Vom Lauschen Von der Lücke Vom Zeit Gemäßen Vom Kitzel Vom Mühelosen Von der Poesie Von Nichts
Vom Leser Vom Luftpferd
1. Vom Flügelpferd
Vom Flügelpferd
Zum alten Soma Pegasus kam Janni Dummerjan und bat: Ob ich den Federfluss bei dir wohl lernen kann?
Der Alte sprach: Schwing dich aufs Pferd, ich werde dich geleiten und mit dir leicht und unbeschwert bis hoch zur Sonne reiten.
O je, so hoch hinaus? Das halte ich nicht aus!
Sei unbesorgt, es geht ganz leicht, die Stute kennt die Stege. Am Anfang säumt sie sanft und seicht nur Wald- und Wiesenwege.
Kaum fand sich Janni Dummerjan mehr schlecht als recht im Sattel, schon fing das Pferd zu tanzen an mit Dudel und Gedattel.
Da diedelim, da dudelum, da dudel dodel dei, da riedirim, da rudirum, da rudel rodel rei!
Der Hufschlag gab den Trommelklang, der Wind im Ohr pfiff den Gesang es machte Spaß wie nie. Das Pferdchen tanzte Achterbahn, und wiegte Janni Dummerjan zu Takt und Melodie.
So zog die kleine Jannimaus durchs weite Tor hinaus, und ritt auf seinem Sausebraus zum Pferdestall nach Haus.
Re: Zügel für mein Flügelpferd Jannis kleine Dichterschule
Wow, Jan! Super! Was kannst du denn sonst noch alles, von dem wir nichts wissen?
Na, dann bin ich ja jetzt mal gespannt auf deine Bilder!
By the way: Mir fällt grad auf, dass ich von dir recht wenig Zeichnungen kenne ...
Re: Zügel für mein Flügelpferd Jannis kleine Dichterschule
So so
Vom Reittier
Vom Soma
Das Reiten lernen ohne Pferd ist keinen roten Heller wert. Doch sitzt du auf dem Luftikus der Römer nennt ihn Pegasus, der Veda nennt ihn Soma-Pferd, das er in Somaliedern ehrt dann schirre ihm die Zügel an, damit er dich beflügeln kann.
Der Soma, dieses Himmelskind, verkleidet sich als Ross und Rind, den Kühen gibt er Bullensaft, dem Kalbe Milch, der Zunge Kraft, er schnaubt als Stute, stiebt als Hengst, wenn er dich trägt und du ihn lenkst, dann weißt du: Dieses Flügeltier ist Hengst und Stute, Kuh und Stier.
Der wahre Dichter reitet ihn, denn dichter Klang entgleitet ihm. Die kleine Dichterschule lehrt, die Zügel für das Flügelpferd, das Zaumzeug für den Pegasus, das Rüstzeug für den Somafluss, denn Soma, wenn er aufwärts geht, tränkt dich mit (Honig)Milch und Met. verkürzter Endreim
In frischen Soma eingeweicht läuft deine Feder federleicht. Wenn Soma dir die Zunge spornt, nach oben sprudelt, überbornt, trägt dich das Pferdchen so es will zu ungeahntem (Reise)Ziel. verkürzter Endreim
Vom Reiten
Vom Wolkenritt
Wer auf dem Luftpferd sitzt und reitet und langsam in die Wolken gleitet, muss sehen, dass der Vers nicht holpert, damit sein Flügelpferd nicht stolpert. Denn im Galopp o jemineh vom Himmel (fallen) das tut weh! verkürzter Endreim
Wenn wir beim Höherschweben den Klang in uns beleben und sich die Anker lichten, fängts in uns an zu dichten.
Doch lass die Sprache, wie man spricht: natürlich, klar und flüssig. (Sobald die Zunge dir sie bricht,) Sobald sie dir die Zunge bricht, wirst du ihr überdrüssig.
Re: Zügel für mein Flügelpferd Jannis kleine Dichterschule
Super... gefällt mir
...in meiner Welt gibt es nur Ponys und die essen alle Regenbögen und pupsen Schmetterlinge....
Von der Dichte
Von der Dichte
Die Sprache gleitet zwar heraus, doch gleiten wir hinein. Denn Dichtung, drückt sie sich erst aus, will immer dichter sein.
Die Dichte ist mein Reiseziel, und weiß ich erst, wohin ich will, da rollt auch schon die Kutsche an, dass ich sie kaum noch halten kann.
Schon wird es vor den Augen heller, das Pferdchen reitet schnell und schneller, erst Schritt, dann Trab, dann Hochgalopp, das Schwierige ist nur der Stopp.
Auf einmal aber springt es um. Rhythmuswechsel Um springt es? Es springt um! Warum?
Da hat sich doch plötzlich der Rhythmus geändert, Galopp, wie entsetzlich, jetzt wird nicht geschlendert, jetzt eilen die Zeilen, wir seilen uns an, schon geht es die steileren Hügel hinan.
Wenn jetzt etwas holperte, wenn das Pferd stolperte! Wehe dir, wehe dir, lässt du dich gehn, ist es um Pferdchen und Reiter geschehn.
Je lockerer du ihm die Zügelchen lässt, halte dich zwischen den Flügelchen fest.
Du brauchst dich nicht halten, doch Regeln, die galten im langsamen Schritte, sie gelten auch jetzt: dem kunstvollen Ritte sind Regeln gesetzt.
Vom Versmaß
Vom Versmaß
Die Silben sind unbetont oder betont, im Rhythmus zu reiten, wird reichlich belohnt.
Der Dáktylus, Dáktylus, Dáktylus, der, Daktylus der zieht im Galopp alles hinter sich her: da dángdada, dángdada, dángdada, dang, ein Laut und zwei Leise, so lautet sein Klang. Dáktylus, Dáktylus und Anapäst, sattelfest reiten wir sicher und fest.
Anapäst, Anapäst, Anapäst Lokmotive, dampfend schwer, schiebt zwei Silben, wenn er bläst, leicht und leise vor sich her. Anapäst, Anapäst klingt erregend wie Protest, Anapäst klingt gepresst, der Trochäus hält ihn fest.
Der Trochäus klingt vertraut, Trochäus unser Dampf ist abgeflaut. Wer was zu erzählen weiß, der betont eins laut, eins leis. Im Trochäus wird geschickt, manches weise Garn gestrickt.
Der Jámbus geht eins leis, eins laut Jambus und klingt uns ebenfalls vertraut. Eins leis, eins laut geht gradeaus Herr Jambus Jamb zum Jambushaus.
Vom Ausklang
Vom Ausklang
Das Männliche, das endet laut, männlich wie einer, der den Tisch zerhaut. m Doch reimst du zärtlich, unbeschreiblich, weiblich dann ende leise, ende weiblich. w
Mancher Mann mit festem Kinn m hat nur Männliches im Sinn, m und sein Tonfall bleibt betont m bis zum Ende wie gewohnt. m
Manches Weib will lieber schweifen, w will nie recht zum Festen greifen, w will nur weiblich sein auf Erden w und am Schluss stets leiser werden. w
Männlich ohne Wechselspiel, m pausenlos das taugt nicht viel. m Wechselspiel ist unausbleiblich: w männlich wechselt ab mit weiblich. w